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Attac-Positionspapier:
Alternative Weltwirtschaftsordnung

Maintainer: Markus Göker, Version 3, 23.03.2004
Projekt-Typ:
Status: Archiv

(1)

Attac-Positionspapier
"Wege zu einer Alternativen Weltwirtschaftsordnung" (AWWO)

zweiter Entwurf (März 2004)

Hinweise zur Nutzung dieses Forums: Siehe www.attac.de/awwo/opentheory
Einleitung
1. Selbstverständnis dieses Positionspapiers
2. Wofür wir stehen: ethische Ausgangspunkte
3. Zum Prozess - Vorbemerkungen der Redaktionsgruppe
I. Die herrschende Weltwirtschaftsordnung führt die Menschheit in die Sackgasse
1. Folgen der neoliberalen/kapitalistischen Globalisierung
2. Was bedeutet "Globalisierung"? - Begriffsklärungen
3. Triebkräfte der Globalisierung
3.1 Freihandelsdoktrin
3.2. Wachstumsdoktrin
3.3. Neue technologische Möglichkeiten und Bedingungen
3.4 Transnationale Konzerne (TNK)
3.5 Globale Finanzströme und ihre Institutionen (IWF/Weltbank)
3.6 Das Welthandelssystem
3.7 Globale Machtasymmetrien schaffen Gewaltpotenziale
3.8 Die EU: Motor der Globalisierung
II. Eine alternative Weltwirtschaftsordnung ist möglich
1. Leitbilder und Leitideen
1.1 Leitbild: nachhaltige Entwicklung
1.2 Der Mensch in seiner Lebenswelt: Leitideen
2. Strategien
2.1 Position "Globalisierung gerechter gestalten"
2.2 Position "Entglobalisierung" - von der Weltmarkt- zur Binnenorientierung
2.3 Position "Lokalisierung statt Globalisierung"
III. Wege zu einer alternativen Weltwirtschaftsordnung
1. Weltwirtschaftsordnung im ökologischen Gleichgewicht
1.1 Der ökologische Umbau
2. Neuordnung des Welthandels
2.1 Mechanismen der Welthandelsordnung
2.2 Neuordnung des Warenhandels
2.3 Neuordnung des internationalen Dienstleistungsverkehrs
2.4 Weltagrarmarkt
2.5 Geistiges Eigentum/Technologietransfer
3. Neuordnung der Währungs- und Finanzbeziehungen
3.1 Entschuldung
3.2 Kapitalmarktordnung
3.3 Währungsordnung
3.3.1 "Spekulation" und Tobin-Steuer
3.3.2 Leitwährung und Wechselkurspolitik
3.4 Internationale Organisationen und Institutionen
3.5 Steuerpolitik
4. Beschränkung der Macht transnationaler Konzerne
4.1 Position 1: Globale Verhaltenskodizes für TNK
4.2 Position 2: Demokratisierung der Unternehmensmitbestimmung in Großunternehmen
4.3Position 3: Neue Demokratieformen für Großunternehmen
5. Die Europäische Union: ein anderes Europa - sozial, ökologisch und antimilitaristisch
5.1 Für eine solidarische Währungsordnung
5.2 Steueroasen austrocknen, Tobinsteuer einführen
5.3 Für eine demokratische Außenhandelspolitik
5.4 Für eine neue Agrarpolitik
6. Strategien und Bündnisse auf dem Wege zu einer Alternativen Weltwirtschaftsordnung

(1.1) Bezug aus solare Weltwirtschaft im paper einbauen, 11.07.2004, 18:02, Peter Viebahn: Generell fehlt im Paper ein Bezug auf die derzeitige fossile Energiewirtschaft, durch die ein Großteil der "negativen" Globalisierung erst möglich wurde. Daher schlage ich unten einige Passagen vor, in denen insb. auf den Übergang zu einer solaren Weltwirtschaft eingegangen wird. Dazu findet man sehr viel ausführlicheres Material in einem Artikel von Mathias Greffrath: "Jenseits des letzten Tropfens Öl - Plädoyer für eine europäische Revolution" ,erschienen im "Solarzeitalter 1/2004" von Eurosolar. Dieses lesenswerte Paper kann man herunterladen unter http://www.eurosolar.org/new/de/downloads/SZA-1-04-Greffrath.pdf

(2) Einleitung

(3) 1. Selbstverständnis dieses Positionspapiers

(4) „Eine andere Welt ist möglich". Weltweit eint dieser Slogan Globalisierungskritiker und -gegner in ihrem Widerstand gegen die neoliberale Globalisierung. Wir sind nicht länger bereit, die Globalisierung wie einen Sachzwang oder gar als naturhaft-unausweichlich hinzunehmen. Indem wir die Möglichkeit von Alternativen propagieren, untergraben wir auch die Legitimation derjenigen, welche die konzerngesteuerte Globalisierung vorantreiben und von ihr profitieren. Die Zunahme von Armut in weiten Teilen der Erde, die immer größer werdende Kluft zwischen den reichen Industriestaaten und den armen Gesellschaften des Südens, die Ausbreitung von globalen Umweltproblemen sowie die Konzentration von ökonomischer und politischer Macht in Händen von transnationalen Konzernen zwingen uns, die treibenden Kräfte und Interessen hinter diesen Entwicklungen beim Namen zu nennen, aber auch gleichzeitig nach Auswegen zu suchen.

(5) „Wir setzen uns ein für eine ökologische und solidarische Weltwirtschaftsordnung" (Attac- Erklärung, Frankfurt 2002). Diese Zielmarke reicht auf Dauer genauso wenig aus wie der pure Appell, eine andere Welt sei möglich. Zunehmend wird in der globalisierungskritischen Bewegung selbst als auch in der hellhörig gewordenen Öffentlichkeit konkret nach unseren Alternativen gefragt. Diese Fragen wollen wir mit der vorliegenden Positionsbestimmung von Attac aufgreifen.

(6) Das „Positionspapier" beschreibt „Wege zu einer alternativen Weltwirtschaftsordnung". Es gibt nicht den einen Königsweg, sondern zur Vielfalt der globalisierungskritischen Bewegung und von Attac selbst gehört auch eine Vielfalt von politischen und strategischen Wegen und Ansätzen. Das „Papier" bringt diese Vielfalt zum Ausdruck und soll zugleich einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über diese Wege anstoßen. Damit ist dieses „Papier" zugleich eine Station des Diskussionsprozesses, in dessen Verlauf sich diese Positionsbestimmung weiter differenzieren und verändern wird.

(7) Die Absicht des „Positionspapiers" ist es, das zum Ausdruck zu bringen, was allen Gruppierungen und Aktiven bei Attac gemeinsam, was Konsens ist. Damit kann dieser Konsens auch in der Gesellschaft breiter diskutiert und verankert werden. Genauso werden in dem „Papier" aber auch verbleibende Unterschiede und Differenzen bei Attac hinsichtlich der Zielbestimmung und der Wege zum Ziel deutlich gemacht. Darin sehen wir nicht eine Schwächung unseres Netzwerkes und der Bewegung; im Gegenteil: Je klarer Differenzen deutlich gemacht werden, umso lebhafter und fundierter kann der Diskurs darüber geführt werden. Die Lebendigkeit der politischen Auseinandersetzung bringt uns voran und bietet Orientierung für alle diejenigen, die Unbehagen an den Auswirkungen der Globalisierung empfinden.

(8) Das Spannungsverhältnis zwischen reformorientierten Globalisierungskritikern und radikalen Globalisierungsgegnern kann sich als förderlich für eine gemeinsame Wegstrecke zu einer alternativen Weltwirtschaftsordnung erweisen: Denn ohne langfristige Utopien laufen kurz- bis mittelfristig ansetzende Reformvorschläge Gefahr, von den herrschenden Kräften vereinnahmt zu werden; und ohne die Fähigkeit, konkrete und praktisch wirksame Reformen vorzuschlagen, verlieren radikale Utopien ihren Realitätsbezug.

(8.1) Globalisierungsgegner?, 26.06.2004, 22:57, Till Mossakowski: Wenn Attac sich (und sei es nur in Teilen) gegen Globalisierung ausspricht, sollte dies immer gegen die neoliberale Globalisierung sein, nicht gegen Globalisierung an sich (die ja z.B. auch die Globalisierung der kritischen Kräfte mit einschließt!). Textvorschlag S.4, Zeile 37: „Das Spannungsverhältnis zwischen reformorientierten Globalisierungskritikern und radikalen Gegenern der neoliberalen Globalisierung kann sich als förderlich für eine gemeinsame Wegstrecke zu einer alternativen Weltwirtschaftsordnung erweisen: ...“

(9) Attac ist ein Netzwerk innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung; dieses „Positionspapier" ist gerade aufgrund seiner Offenheit und Vielfältigkeit kein statisches Programm, vielmehr ein Zwischenergebnis. Es nimmt die Alternativansätze aus den unterschiedlichen Bewegungs- und Gruppenzusammenhängen auf. Ohne sich in detaillierten Einzelforderungen zu verlieren, will es Eckpunkte einer ökologischen, solidarischen und demokratischen Weltwirtschaftsordnung deutlich machen und damit öffentlich zur Diskussion stellen.

(10) 2. Wofür wir stehen: ethische Ausgangspunkte
Alle Menschen sind zur Freiheit befähigt und zum sozialen Miteinander gebunden. Quelle dieser Fähigkeiten und Kapazitäten ist die jedem Individuum unlösbar zukommende Menschenwürde. Daraus ergeben sich die individuellen und die gemeinschaftlichen Grundwerte. Weil jedwedes Individuum undenkbar ist ohne soziale und gegenseitige Einbettung, stehen Gemeinschaften und Individuen gleichberechtigt nebeneinander. Freiheit findet ihren Ausdruck durch Vielfalt, Fairness und Verständigung. Gemeinschaft findet ihren Ausdruck durch Frieden, Verständigung und Fürsorge. Gerechtigkeit ist das gleichwertige Recht der Gemeinschaften und Individuen, der jetzt lebenden und der zukünftigen Generationen überall auf unserem Planeten, ihren eigenen Weg zu suchen, zu wählen und zu beschreiten.

(10.1) Vorschlag, "ethische Ausgangspunkte" zu ersetzen durch folg. Text, 20.04.2004, 15:40, Oliver Schmidt: Widerstreitende Paradigmen (von Martin Khor, Third World Network)FN1 Ich möchte hier zwei widerstreitende Paradigmen vorstellen, denen sich die bürgerliche Gesellschaft nun gegenüber sieht, und die uns einige schwierige Entscheidungen darüber abverlangen, wie wir weiter vorgehen wollen. Beim ersten Paradigma geht es um die Entscheidung, innerhalb des Systems der Globalisierung zu arbeiten, in dem wir uns gefangen fühlen. Wenn wir innerhalb dieses Systems arbeiten, stellen wir uns zunächst die frage: "Sind die Spielregeln fair, vor allem in Hinblick auf die schwächeren Partner, oder werden sie von den starken Partnern verdreht und manipuliert, um die schwächeren Länder zu unterdrücken?" Wenn Letzteres zutrifft, dann sollten wir uns für eine Reform der Spielregeln einsetzen, damit sie fairer werden. Wir sollten die Spielregeln überwachen und darauf achten. wo sie sich gegen die Schwachen und die Armen richten. In diesem ersten Paradigma werden wir innerhalb der Parameter des Systems leben und arbeiten und versuchen, in diesem Rahmen zu denken, weil wir vielleicht zu dem Schluss kommen, dass wir – zumindest kurzfristig – keine Wahl haben. Diesen Ansatz könnten pragmatisch orientierte Menschen wählen, denen es darum geht, das Überleben für die nächsten fünf oder zehn Jahre zu sichern. Aber während wir innerhalb des Systems arbeiten und versuchen, es für alle Beteiligten möglichst fair zu gestalten, wird uns vielleicht klar, dass diese4s System aus ökologischen Gründen nicht mehr sehr lange Bestand haben dürfte. [...] Das ist die Grundlage des zweiten Paradigmas – dass diese Debatte über den Nord-Süd-Konflikt irrelevant ist, weil das gesamte system in zwanzig oder dreißig Jahren ohnehin zusammenbricht. Also arbeiten wir im zweiten Paradigma auf gesellschaftliche Strukturen [...] hin, [...] verankert in lokalen Gemeinschaften, wobei die Handelsbeziehungen überwiegend lokal oder regional beschränkt sind und es nur gelegentlich bei Bedarf zu einem Austausch mit dem Rest der Welt kommt. [...] In diesem Fall würden wir natürlich bei völlig anderen politischen Schlussfolgerungen landen als im Rahmendes ersten Paradigmas, wo es um faireren Handel und fairere ökonomische Beziehungen geht. [...] Ich glaube, dass wir im Augenblick immer versuchen müssen, in beiden Paradigmen zu arbeiten. Auf diese Weise können wir ein System entwerfen, das sich in Richtung auf eine nachhaltige Umweltpolitik und soziale Gerechtigkeit entwickelt, Einkommensungleichheiten abbaut, das Armutsproblem, aber gleichzeitig auch das Umweltproblem löst. Können Handelsmechanismen, Systeme von Preisen und Produktein und andere Bedingungen so gestaltet werden, dass dieser Übergang zum zweiten Paradigma gelingt? Das ist eine usnerer größten Herausforderungen. FN1: "Eine andere Welt ist möglich", Hrsg. Jerry Mander / John Cavanough, Riemann-Verlag 2003, S. 28-31.

(11) 3. Zum Prozess – Vorbemerkungen der Redaktionsgruppe

(12) Beschlossen wurde beim Attac-Ratschlag im Januar 2003 (Göttingen), ein Positionspapier „Für eine ökologische und solidarische Weltwirtschaftsordnung" zu erarbeiten. Der Attac- Ratschlag in Aachen (Okt. 2003) bekräftigte dieses Projekt mit der Zielsetzung, „dass auf dem Herbstratschlag 2004 eine Verabschiedung erfolgen kann". Der AWWO-Diskussionsprozess bei Attac ist mittlerweile in Gang gekommen und gewinnt zunehmend an Fahrt. Aus der Diskussion im Wissenschaftlichen Beirat von Attac geht ein Buch „Alternative Weltwirtschaftsordnung" hervor, das im Frühjahr 2004 im VSA-Verlag erscheinen wird. Auch auf Workshops und Seminaren beim McPlanet.com-Kongress im Juni 2003 in Berlin sowie auf der Attac-Sommerakademie im August 2003 in Münster wurde zum Papier gearbeitet.

(13) Am 13./14.03.2004 begann eine Serie von vier Regionalkonferenzen zur Diskussion des AWWO-Papiers in Tübingen (für Süddeutschland). Weitere Konferenzen folgen voraussichtlich im Juni in Hannover (Norddeutschland), im Juli im Ruhrgebiet (Westdeutschland) und im August im Rahmen der Attac-Sommerakademie in Dresden (Ostdeutschland und alle weiteren Interessierten). Etlichen Lokalgruppen von Attac arbeiten zur AWWO-Thematik und haben z. T. schon öffentliche – auch kontrovers angelegte – Diskussionsveranstaltungen dazu durchgeführt.

(14) Informationen zum AWWO-Diskussionsprozess (Zweiter Entwurf, Verfahren für Änderungsvorschläge, Regionalkonferenzen, ReferentInnen, Webforum, weiterführende Texte u.a.) finden sich auf der Webseite der AWWO-AG unter http://www.attac.de/awwo/. Die Redaktion ist unter zu erreichen; die öffentliche Mailingliste zum Papier hat die Adresse .

(15) Die AWWO-Redaktionsgruppe (Markus Göker, Eberhard Schlecht, Oliver Schmidt, Eckhard Stratmann-Mertens)

I. Die herrschende Weltwirtschaftsordnung führt die Menschheit in die Sackgasse

(16) Die Globalisierung ist ein Umbruch von historischen Dimensionen. Sie verändert die Gesellschaften und die Kulturen mit enormem Tempo und greift tief in unsere Lebensbedingungen ein. Ihr Leitbild ist derzeit der Neoliberalismus mit dem Versprechen, die Globalisierung bringe Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle. Dies hat sich jedoch nicht erfüllt, im Gegenteil. Wirtschaftswachstum durch Freihandel löst nicht die weltweiten Probleme der Armut und der globalen und nationalen Umweltzerstörung, sondern bedingt sie vielmehr und führt so zu einer doppelten Ausbeutung.

(17) 1. Folgen der neoliberalen/kapitalistischen Globalisierung

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(20.1) Seite 6, Zeile 25/26:, 11.07.2004, 18:08, Peter Viebahn: Ersetzen des Satzes ?Das Ergebnis ist eine Verknappung von Ressourcen für zukünftige Generationen? durch Das Ergebnis sind Klimakatastrophen und Ressourcenerschöpfung, die wiederum eine naturgesetzliche Grenze der Globalisierung aufzeigen. Der Treibhauseffekt beginnt gerade zu wirken, und selbst die idealistischsten Schätzungen der Mineralölkonzerne sagen die Erschöpfung der Öl- und Gasreserven (und einiger der wichtigsten mineralischen Rohstoffe) für die nächsten 30-50 Jahre voraus.

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(24.1) Seite 6, Zeile 45, 11.07.2004, 18:09, Peter Viebahn: Anfügen eines neuen Absatzes nach diesem Absatz: Trotz dieser Maßnahmen wird noch in diesem Jahrhundert aufgrund der Erschöpfung von Öl (in 30-40 Jahren) und Gas (in 50-80 Jahren) der Übergang zu einer neuen Produktionsweise und einem neuen Weltmarkt, die auf solarer Energie anstatt fossiler Energie aufbauen, stattfinden müssen. Dies wird schwerste politische Krisen hervorrufen, wenn nicht rechtzeitig und langfristig der Übergang zu einer solaren Weltwirtschaft eingeleitet wird.

(25) 2. Was bedeutet „Globalisierung"? – Begriffsklärungen
Allgemein kann Globalisierung als die Entstehung einer weltweiten, überregionalen Ebene verstanden werden. Sie geht einher mit einer Unterordnung der nationalen, regionalen und lokalen Einheiten unter die Macht- und Funktionsimperative der globalen Ebene.
Neu am derzeit stattfindenden Prozess der Globalisierung ist Umfang und Tiefe der den gesamten Globus umfassenden Kapitalisierung der Welt. Wesentlich für diesen Prozess ist die Tendenz der globalen Zerstörung von Selbstversorgungswirtschaften und regionaler Wirtschaftsformen zur Schaffung von globalen Märkten und abhängigen Konsumenten. Von 1950 bis 2000 wuchs die Weltwirtschaftsleistung (gemessen am BIP) „nur" um mehr als das Sechsfache, die internationalen Handels- Kapital- und Finanzströme stiegen aber um ein Vielfaches. Seit etwa Mitte der neunziger Jahre haben auch Unternehmenszusammenschlüsse und Firmenübernahmen an Häufigkeit und Transaktionsvolumen drastisch zugenommen. Die Transnationalen Konzerne wickeln einen zunehmend großen Teil des Welthandels konzernintern ab.
Darüber hinaus meint Globalisierung auch das (politische) Vorantreiben dieses komplexen Prozesses. Dies ist ein politisch gestalteter und gestaltbarer Prozess und wird getragen und forciert vor allem WTO, IWF und Weltbank, die in unterschiedlichem Maße auf das nationalstaatliche Recht einwirken.

(25.1) awwo (25)2:, 30.03.2004, 21:41, Wolfgang Kortlang: +Dieser Absatz sollte verständlicher geschrieben werden. Was bedeutet "die Macht- und Funktionsimperative der globalen Ebene", was ist mit "umfassenden Kapitalisierung der Welt" gemeint? #Dienen die "globalen Zerstörung von Selbstversorgungswirtschaften und regionaler Wirtschaftsformen" nicht hauptsächlich dazu, den transnationalen Konzernen (den vaterlandslosen Gesellen) neue Profitfelder zu eröffnen?

(25.2) Anfügen Seite 7, Zeile 4:, 11.07.2004, 18:05, Peter Viebahn: Der Begriff kam Anfang der 80er Jahre auf, als Präsident Carter die Studie ?Global 2000? vorstellte, die ein Manifest zur Vorsorge für die Zeit der globalen Erschöpfung fossiler und mineralischer Ressourcen im ausgehenden 21. Jahrhundert war.

(26) 3. Triebkräfte der Globalisierung

(27) 3.1 Freihandelsdoktrin

(28) „Freihandel" meint unbeschränkten Warenaustausch zwischen Nationalstaaten oder größeren oder kleineren Regionen. Das Gegenteil von Freihandel bedeutet dementsprechend nicht die Abwesenheit von Handel zwischen solchen Einheiten, sondern dessen Regulierung durch Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen oder Schutzzölle. Die Freihandelsdoktrin geht davon aus, dass Freihandel im jedem Fall für alle beteiligten Regionen von Vorteil sei und selbst zwischenzeitliche Ungleichheiten durch den vom Freihandel hervorgerufenen allgemeinen Produktionszuwachs bei weitem aufgewogen würden. Die von IWF, Weltbank und WTO durchgehend vertretene Doktrin beruft sich unter anderem auf die deutlich vorteilhafte ökonomische Entwicklung von Nationen, die sich für den Freihandel geöffnet haben.

(29) Position 1 („Globalisierung gerechter gestalten"; vgl. II.2.1): Freihandel ist als eine Form friedlichen, gleichberechtigten (z. B. nicht von marktverzerrenden Institutionen geprägten) Austausches zwischen Völkern und Regionen wünschenswert; Freihandel als eine Form konzerngesteuerter Wirtschaft, frei von staatlicher und gesellschaftlicher Kontrolle sowie frei von Verantwortung für die Natur und die kommenden Generationen ist dagegen abzulehnen. Märkte brauchen national wie international einen demokratisch fundierten Rahmen, der ordnet, lenkt und erhält. Nur Volkswirtschaften, deren Regelsystem diese Funktionen ausfüllen kann, können erfolgreiche Marktwirtschaften ausbilden und erfolgreich am internationalen Handel teilnehmen. Noch nicht hinreichend entwickelte Volkswirtschaften müssen zunächst mit Hilfe protektionistischer Maßnahmen ihre Position stärken; erst anschließend können sie am internationalen Freihandel erfolgreich teilnehmen. Die Verfechter der Freihandeldoktrin verwechseln dagegen Ursache und Wirkung.

(29.1) Wettbewerb?, 24.03.2004, 01:08, Daniel Sieben: Eine oder mehrere Position zum Wettbewerb als solchem wäre sinnvoll. Wird er als Institution als vorteilhaft angesehen und erwünscht?

(30) Position 2 (Entglobalisierung; vgl. II.2.2): Freihandel ist in jedem Fall abzulehnen. Freihandel widerspricht unter anderem dem Ziel einer Internalisierung von sozialen und ökologischen Kosten und führt im Gegenteil zu einem globalen Standardsenkungswettbewerb. Selbst wenn dem durch internationale Vereinbarungen entgegengewirkt werden könnte, widerspricht Freihandel immer noch den Vorteilen, die eine starke Regionalisierung der Wirtschaft für Demokratie und Ökologie hat und zwingt zu einer Spezialisierung, die unabhängige Produzenten zu abhängigen Konsumenten macht.

(30.1) Chancen des Freihandels, 12.04.2004, 23:48, Ulrich Mauch: Freihandel wird im Interesse der Protagonisten der Globalisierung als Standardsenkungsinstrument genutzt. Die Asymmetrie zwischen Arbeit und Kapital hinsichtlich der Mobilität führt hinsichtlich der Sozialstandards zu Nivellierung auf unterstes Niveau, während das global mobile Kapital in den Entwicklungsländern ökonomische Brandrodung betreibt. Konzerne nomadisieren den niedrigsten Lohnniveaus hinterher und blockieren dabei jedwede soziale, ökonomische oder edukative Entwicklung, da sie die rentable \"Nutzungsdauer\" des Faktors Arbeit in der jeweiligen Volkswirtschaft verkürzen würde. Demgegenüber besteht jedoch die Chance einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft, in der gemäß dem

(30.2) Textvorschlag für eine "Position 3", 24.06.2004, 22:46, Till Mossakowski: Position 3: Demokratisches Wirtschaften (vgl. II.2.4) Heute hat sich dieser historische Sinn der Marktwirtschaft (Entwicklung der Produktivkräfte) überholt: das Entwicklungstempo wird immer mörderischer (Turbokapitalismus, Hochleistungs-Spezialisierung der Individuen). Die marktförmige Ökonomie beutet heute nicht nur Menschen und Natur hemmungslos aus, sondern bekämpft auch die Potentiale einer intelligenten, ökologischen Nutzung von Technologie (kurzlebige Billigprodukte, Sollbruchstellen in Geräten, Unwartbarkeit von Modulsy­stemen, bewusste Inkompatibilitäten, um Konkurrenzprodukte auszustechen). Die Eigendynamik des globalisierten Marktes kann nur gebrochen werden durch eine solidarische, gebrauchswert-basierte Ökonomie, die nicht auf auf Markt, Geld, Handel, Kapital und transnationalen Konzernen beruht, sondern auf freier Verteilung, kooperativer Arbeit und globaler Kooperation beruht. Dass gesellschaftliche Reichtümer vernichtet werden müsssen, nur um die Preise stabil zu halten, zeigt, dass die Zeit reif dafür ist.

(31) 3.2 Wachstumsdoktrin

(32) Unstrittig ist, dass das Wachstum des industrialisierten Nordens seit der Kolonialzeit wesentlich auf asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen beruht, die die Ausbeutung von Ressourcen aus dem Süden erlauben. Eine Nachahmung des westlichen ressourcenintensiven Entwicklungsmodells durch die sog. Entwicklungsländer hingegen würde die ökologischen Dimensionen des Planeten und damit auch die Basis aller ökonomischen Aktivitäten sprengen.

(33) Position 1 „Kapitalismus braucht Wachstum": Globalisierung ist die Folge des kapitalistischen Wachstumszwanges. Kapitalismus kann ohne Wachstum nicht existieren; er treibt die Unternehmen zu ständiger Expansion. Wachstumstheorien versuchen sich in Begründungen dafür, dass unendliches Wachstum möglich sei. Selten aber wird gefragt, warum Wirtschaftswachstum überhaupt notwendig ist.

(33.1) 14.04.2004, 23:20, Wolfgang Kortlang: Dass Kapitalismus ohne Wachstum nicht funktioniert ist nun wirklich eine Binsenweisheit! Selbst die größten Kapitalisten erwarten nicht, dass Wachstum ewig möglich ist. (Das Beispiel mit dem im Jahre Null angelegten Pfennig ist von seiner Darstellungskraft nun wirklich nicht zu überbieten!) Und so rechnen sie mit einem zwangsläufigen Wirtschaftskollaps alle 60-70 Jahre, der zwar jede Menge zerstört und viele Menschen das Leben kostet aber eben auch die Chance auf einen Neubeginn des Wirtschaftswachstums bietet. Ob sie damit aber beim nächsten Kollaps richtig liegen?

(33.2) Fazit unklar, 24.06.2004, 22:52, Till Mossakowski: Das Fazit dieses Absatzes bleibt etwas unklar. Soll es lauten: Kapitalismus braucht Wachstum, und das ist gut so, es müsste nur eine Debatte geführt werden, warum Wachstum notwendig ist? Oder soll es lauten: Kapitalismus braucht Wachstum, und wir sehen das kritisch?

(34) Position 2 „Abschied vom Wachstum": Wirtschaftswachstum ist die Folge einer expliziten makroökonomischen Zielsetzung. National wie global ist Wachstum das zentrale Ziel aller wirtschaftspolitischen Anstrengungen. Armut ist in der Sichtweise von IWF, Weltbank und WTO das Resultat eines zu geringen Wirtschaftswachstums. In den Wachstumsrechnungen anhand der Indikatoren Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder Bruttosozialprodukt (BSP) wird generell nur bilanziert, was in Geldwerten erfasst wird. Außerdem werden alle Transaktionen positiv bilanziert, gleichgültig, ob es sich dabei um gesellschaftlich oder ökologisch nützliche oder schädliche Aktivitäten oder um Reparaturkosten handelt.
Alternative Indices für wirtschaftlichen Wohlstand wie der GPI (Genuine Progress Indicator), die auch Faktoren wie Ressourcenbestand, Umweltverschmutzung, Freizeit, Gesundheit, Kriminalität, Verteilungsgerechtigkeit, Arbeitslosigkeit sowie unbezahlte Arbeit in Ehrenamt und Haushalt einbeziehen, deuten darauf hin, dass in den Industriestaaten ab einem Wendepunkt, der zwischen ca. 1970 (USA) und ca. 1980 (BRD) lag, die durchschnittliche Lebensqualität bei anhaltendem BIP-Wachstum sinkt. Eine Steigerung des Pro-Kopf-BIP kann zeitweilig mit einer Erhöhung der Lebensqualität einhergehen, dann jedoch in das Gegenteil umschlagen. Durch Bodendegradation, Rodung von Wäldern, Artenschwund, Klimawandel, Absinken des Grundwasserspiegels, Umweltgifte etc. wird mit den natürlichen Lebensgrundlagen auch die ökonomische Basis von unzähligen Haushalten zerstört – besonders bei jenen zwei Milliarden Menschen, die direkt vom Zugang zur Natur leben.

(35) Position 3 „Zukunft des Wachstums": Die ökologische Problematik muss zwar in der vollen Breite anerkannt werden, aber BIP-Wachstum wird sich durch technologischen Fortschritt und Umschichtungen innerhalb und zwischen den Wirtschaftssektoren vom Naturverbrauch entkoppeln lassen. BIP-Wachstum ist nicht nur möglich, sondern notwendig, auch um das Umweltproblem zu lösen.

(35.1) Entkoppelung, 24.03.2004, 00:29, Daniel Sieben: Notwendig wäre eine absolute Entkoppelung, damit eine Umweltentlastung nicht durch Wachstum überkompensiert wird. Wie erklärt sich denn der Wendepunkt, der aus dem Nichtgelingen in der Vergangenheit trotz Wachstum und technischem Fortschritt das Gelingen in der Zukunft ermöglicht?

(36) 3.3 Neue technologische Möglichkeiten und Bedingungen
Die ökonomische Globalisierung ist untrennbar verbunden mit der Entwicklung von Technologien, welche die Nutzbarmachung natürlicher Ressourcen, weltweiter Gesellschaften und Individuen für das westliche Entwicklungsmodell erst ermöglichen. Dieselben entgrenzenden Technologien tragen zur Verbreitung von Informationen, Lebensstilen, Produkten, Rechtsnormen und Infrastruktur bei. Begleitet wird diese geografische Entgrenzung von einer zeitlichen Beschleunigung bislang ungekannten Ausmaßes.
Satelliten, Glasfasernetze und Computertechnik ermöglichen es heute, in Sekundenbruchteilen Milliarden von Datenpaketen über den Erdball zu jagen. Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen persönliche Kontakte und Geschäfte auch mit abgelegensten Personen und Regionen. Ressourcenextraktion ist heute wesentlich effektiver und in größerem Umfange möglich durch den Einsatz moderner computergesteuerter Maschinen. Katalytisch wirken dabei die immer effektiver, schneller und günstiger werdenden Transporte der entstehenden Stoffströme. Lebensgefährliche und gesundheitsschädliche Tätigkeiten werden von Maschinen übernommen. Arbeitserleichternde technologische Unterstützung bieten den Menschen eine humanere Arbeitswelt. Die technologische Entgrenzung entspricht dem Erfindergeist des Menschen und ist auch politisch gewollt.
Viel zu wenig werden die „Technikfolgeabschätzung" und die Forderungen an eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensform bei der politischen Förderung von Technologien berücksichtigt. Solche Technologien stehen für unzählige Bereiche längst zur Verfügung.
Komplexe Technologien ziehen neue Grenzen durch die Gesellschaften. Sie erfordern lange, teure Ausbildungszeiten. Durch die Spezialisierung im Arbeitsprozess wird der Einzelne immer abhängiger von seiner ausgeübten Tätigkeit. Er empfindet sich dabei immer mehr als ein Rädchen im Getriebe, das sich zunehmend glücklich schätzt, wenn es am Produktionsprozess überhaupt noch Teil haben darf. Somit trägt die technologische Entwicklung auch zu einer Form „sozialer Entropie" bei.

(36.1) Risikotechnologien, 24.03.2004, 00:20, Daniel Sieben: Die positiven Aspekte neuer Technologien sind eingehend dargestellt, aber bis auf Entfremdung und Spezialisierung fehlen mir die Risiken wie durch Atom- und Gentechnik, durch Chemie und großtechnische Verfahren und Anwendungen, die Gesundheitsbelastungen und -risiken für Mensch und Umwelt erhöhen. Und was ist soziale Entropie? (Die Freisetzung/Entwertung der sozial gebundenen Energie?)

(37) 3.4 Transnationale Konzerne (TNK)
International operierende Unternehmen umschlingen die Welt wie eine Krake und bestimmen, wohin das Geld wandert und welche Güter wo auf dieser Welt produziert werden. Die großen Anteilseigner der TNK, ihre angestellten Verwalter und ihre politischen Sachverwalter bilden eine weltweite, immer homogenere herrschende Klasse. Seit der Druck der Gegenmächte von ihnen genommen ist, errichtend sie zunehmend ein globales totalitäres System.
TNK tragen weltweit unter dem Strich zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit bei. Ihre Nettobeschäftigungseffekte sind negativ. Durch ihre enorme Durchsetzungsfähigkeit und globale Verlustverteilung zahlen die TNK kaum Steuern, erhalten hohe Subventionen und tragen damit in vielen Fällen zur explosiven Staatsverschuldung bei.
Durch die TNK wird weltweit der Graben zwischen Verlierern und Gewinnern immer tiefer. Anstatt den Einkommensabstand zu beheben, erweitern die TNK durch ihre Weltmarktbeherrschung und ihr Profitstreben die Kluft, treiben einen Großteil der Weltbevölkerung in die Armut, bauen zunehmend die Demokratie ab und bewirken wachsenden Reichtum nur für eine Minderheit. Ihre bewaffneten Wächter treiben Bürgerkrieg nach innen und Eroberungskrieg nach außen. Sie zerstören systematisch die Natur und beschwören eine Klimakatastrophe herauf.

(38) 3.5 Globale Finanzströme und ihre Institutionen (IWF/Weltbank)
Eine mächtige Triebkraft der wirtschaftlichen Globalisierung sind die internationalen Finanzmärkte. Sie entstanden mit der Auflösung des Systems fester Wechselkurse und der daran anschließenden, auch vom IWF vorangetriebenen Liberalisierung der Finanz- und Bankenmärkte.

(39) 3.5.1 Freigeldposition
[Anm. d. Red.: Obwohl hier keine Gegenposition aufgeführt ist, ist die Freigeldtheorie innerhalb von ATTAC umstritten und wird von vielen nicht geteilt.]
Geld ist per se kein gerechtes Tauschmittel. Der Wert von Gütern ist zeitabhängig, bei Knappheit hoch, bei Überfluss oder mit Alterung nieder. Dies gilt noch extremer bezüglich Arbeitskraft. Nicht angewandte Arbeit ist verloren. Geld dagegen unterliegt diesem Angebotsdruck prinzipiell nicht. Der Geldbesitzer ist gegenüber allen anderen Wirtschaftsteilnehmern hoch privilegiert.
Die kapitalistische Komponente unseres Wirtschaftssystems basiert auf dem Zins als Anreiz zur langfristigen Anlage von Geldvermögen. Den Unternehmen kann Geld somit langfristig als Kredit gegen Bezahlung von Zinsen für Investitionen zur Verfügung gestellt werden. Dank dieser Investitionen vermehrt sich das Kapital, die allgemeine Produktivität und damit der Wohlstand. Mit zunehmender Vermehrung und Verfügbarkeit des Kapitals sinkt jedoch der Zins, auch weil Unternehmen bei weitgehender Marktsättigung in den Industrieländern keine hohen Kreditzinsen mehr bezahlen können. Langfristig können wir froh sein, wenn die Unternehmen unser Vermögen bewahren können, d. h. sich ein Zinssatz von 0 ergibt, andererseits werden Vermögen bei einem Zinssatz von 0 nicht mehr langfristig angelegt. Durch diese Entwicklung legen viele Anleger ihr Geldvermögen immer kurzfristiger und spekulativer an und die Menschen halten immer höhere Bargeld- und Girokontobestände. Im Jahre 2002 hatten 80 % der weltweiten Kapitalflüsse von ca. 2.000 Mrd. €/Tag eine Anlagedauer von 7 Tagen.
Die ständig über den Wachstumsraten liegenden Zinssätze tragen wesentlich zu einer Umverteilung des Reichtums bei von der Arbeit zum Besitz, national und zwischen den Staaten (Nord/Süd). Immer größere Kapitalakkumulationen suchen nach Renditemöglichkeiten und erzwingen die Privatisierung öffentlicher Bereiche.
Diese Situation war in der Vergangenheit immer der Ausgangspunkt für Kolonialisierung und Krieg. Somit ist unser derzeitiges Zinssystem die entscheidende Ursache für die von IWF und Weltbank durchgesetzte weltweite Neoliberalisierung, für steigende Rüstungsaufgaben und systemimmanente Kriege, die ca. alle 70 Jahre die angehäuften Vermögen (und damit verbundenen Staatsschulden) wieder reduzieren.
Ein weiterer Aspekt zeigt die Krisensituation: Arbeiter können solange am Wohlstand partizipieren, wie die reale Zinsrate unterhalb der realen Wachstumsrate des Sozialproduktes liegt. Das Wirtschaftswachstum ist seit dem Zweiten Weltkrieg unverändert bei 250 Mrd. € pro Jahrzehnt, d. h. es wird prozentual immer weniger und sinkt stärker als die Zinsrate. Damit wachsen die Geldbestände schneller als die allgemeine Wirtschaft, die Kaufkraft der Arbeitnehmer wird geringer, da die Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind. Während das BIP seit 1991 um 9 % gewachsen ist und die Nettolöhne um 2 % gesunken sind, wuchsen Zinserträge und Geldvermögen real um 60 %. In 2001 haben die Banken in Deutschland ihren Anlegern 391 Mrd. € oder 66 % der Nettolöhne gut geschrieben. Für eine gerechtere Geldwirtschaft muss somit der Zins letztlich gegen Null sinken.

(39.1) Wert, 24.03.2004, 00:38, Daniel Sieben: Der Wert von Gütern ist vor allem abhängig vom Nutzen. Bsp.: Ein schneller k.o. im Boxkampf erfordert nicht viel Zeit, kann aus Sicht der Zuschauer (Konsumenten) äußerst nutzenstiftend sein, so dass die Zahlungsbereitschaft sehr hoch ist und insgesamt mehrere Millionen Euro/Dollar etc. umgesetzt und auch verdient werden können. Der Marktpreis unterliegt dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage, auch der des Geldes am Geldmarkt!

(39.2) Zins, 24.03.2004, 00:56, Daniel Sieben: Der Zins ist abhängig von der Gegenwartspräferenz der Haushalte, der Grenzproduktivität des Kapitals, dem technischen Fortschritt und den Inflationserwartungen. Ein sinkender Zins müsste die Investitionstätigkeit wieder stimulieren.

(39.3) 3.5.1 Freigeldposition, 15.04.2004, 13:04, Ralf Becker: Es ist bedauerlich, dass meine von der Redaktionsgruppe im Januar gebilligten Vorschläge entgegen des damaligen Beschlusses nicht in den aktuellen Entwurf aufgenommen wurden. Zu diesem Punkt folgende Änderungsvorschläge: \\\"Geld unterliegt diesem ZEITLICHEN Angebotsdruck nicht.\\\" \\\"Die SEIT DEN 70GER JAHREN über den BIP-Wachstumsraten liegenden Zinssätze ...\\\" Ansonsten ganz gut getroffen! Ralf Becker

(39.3.1) Re: 3.5.1 Freigeldposition, 16.04.2004, 09:11, Ralf Becker: Die neue Qualität der Analyse läge übrigens auch darin, dass christliche und marxistische Positionen zusammen geführt werden: Marx war genauso entschieden gegen den Zins als Kapitallohn wie die christlichen Kirchen.

(39.4) Textvorschlag, 24.06.2004, 18:05, Till Mossakowski: Konkreter Textvorschlag: Obiges ist Position 1 Neu hinzu kommt: Position 2: Zins ist untrennbar mit dem privaten Streben nach Profit und Verwertung des Kaptials verwoben, das im Zuge der neoliberalen Globalisierung die Dominanz über alle Lebensbereiche anstrebt und mehr und mehr erreicht. Eine alternative Weltwirtschaftsordnung muss daher Antworten auf dieses Problem finden, und kann sich nicht auf eine Kritik des Zinses beschränken

(40) 3.5.2 Verschuldung
Die anhaltende Bereicherung eines kleines Teils der Weltbevölkerung in den reichen Ländern des Nordens auf Kosten der Mehrheit der Menschen im Süden ist einer der Hauptgründe für globale, häufig gewaltsam ausgetragene Konflikte. Die Verschuldung des Südens bei nördlichen Gläubigern ist dabei einer der wichtigsten Mechanismen von Bereicherung/Verarmung.
Ein strukturelles Problem kann nicht durch einzelne Schuldenerlasse allein überwunden werden. Vielmehr müssen die Beziehungen zwischen Schuldnern und Gläubigern auf eine neue Grundlage gestellt werden. So wie auf nationaler Ebene insolvenzrechtliche Verfahren die Interessen beider Parteien zu einem einigermaßen fairen Ausgleich bringen, müssen auch souveräne Schuldner im Süden durch rechtsstaatliche Verfahren geschützt werden.

(40.1) Vorschläge Ralf Becker (siehe Protokoll Mainz), 02.04.2004, 12:22, Oliver Schmidt: Einfügen nach \"...überwunden werden. : Bisherige Schuldenerlasse wurden zum überwiegenden Teil zu Lasten der Steuerzahler in den Industrieländern vereinbart, die über eine erhöhte Steuerlast somit die Zinseinnahmen der privaten Anleger in den Industrieländern finanzieren und sichern. Stattdessen... (\"Vielmehr\" streichen)

(41) 3.5.3 Rolle von IWF und Weltbank
Die Weltbank und der IWF sind die Träger der nach dem Zweiten Weltkrieg in Bretton Woods entstandenen Weltfinanzordnung. Die von ihnen finanzierten Großprojekte stehen einer lokalen eigenständigen Entwicklung oft entgegen.
Die neoliberale Ideologie des „Washington Consensus" überhöhte den IWF zu einem Machtinstrument, um die neoliberale Doktrin durchzusetzen, ohne Ansehen spezifischer Situationen von Volkswirtschaften. Lange genug hat der IWF als Krisenmanager – in Asien 1997/98, Brasilien 1998/99 und Argentinien 2001 – versagt. Immer wieder intervenierte er in den Krisen-Ländern, um als Schuldeneintreiber das Kapital der ausländischen Gläubiger und Kapitalanleger zu retten.
Im IWF und in der Weltbank haben die USA eine Vetoposition und zehn Industrieländer zusammen eine absolute Mehrheit. Sie bestimmen damit die internationale Finanzordnung allein, und sie richten sich dabei oft nach den Interessen von Banken und Multis und nicht nach denen der Menschen in jenen 130 Entwicklungsländern, die zusammen nur rund 33 % der Stimmen halten.
Die globalisierten Finanzmärkte verlangen stabile Währungen, ausgeglichene Budgets und Rückzahlung der Auslandsschulden. Nötig ist daher die Erwirtschaftung von Exportüberschüssen und Devisen. Für die Entwicklungsländer bedeutet dies hauptsächlich den Verkauf ihrer natürlichen Ressourcen. Fallende Preise und Währungen führen zu weiter steigender Ressourcenextraktion, um den Geldwert der Exporte stabil zu halten. Die damit gegebene Verschlechterung der Handelsbedingungen sind ein herausragender Faktor sowohl für die Armutsentwicklung in vielen Regionen der Welt als auch – damit zusammenhängend – für die Wohlstandsgewinne in den Industriestaaten.

(42) 3.6 Das Welthandelssystem
Die Welthandelsorganisation (WTO) ging 1995 aus dem GATT von 1947 hervor, dessen Unterzeichner sich auf freihändlerische Prinzipien verpflichteten. Der Geltungsbereich dieser Prinzipien wurde ausgeweitet und zugleich wurden deutliche Senkungen der Durchschnittszölle erreicht. Durch die 1994 abgeschlossene Uruguay-Runde des GATT verteilt sich der Zuwachs des Welthandels infolge der beschlossenen Handelsliberalisierung zu gut zwei Dritteln auf die OECD-Wirtschaften und zu knapp einem Drittel auf den „Rest der Welt". Die WTO-Prinzipien unterminieren stringente Standards für die einheimische Wirtschaft und stehen im Widerspruch zu einigen multilateralen Umweltabkommen.
Viele arme Länder können ihre Interessen nicht in die Verhandlungsprozesse der WTO einbringen, obwohl formal das Prinzip „one country – one vote" gilt. Gleichzeitig sind die Kosten der administrativen Umsetzung von WTO-Abkommen enorm. Die Rechtsprechung andererseits geschieht durch das WTO-Streitschlichtungsverfahren, das von Handelsjuristen ausgeübt wird.
Der Agrarsektor wurde mit dem „Agreement on Agriculture (AoA)" erst 1995 in die multilaterale Welthandelsordnung einbezogen. Diese Einbeziehung ist sehr dürftig, da Agrarlobbys und Regierungen der Industrieländer bisher keine substantiellen Angebote gemacht haben, die den Interessen der Entwicklungsländer entgegen kommen. Exportsubventionen machen Überschüsse so billig, dass sie auf ausländischen Märkten verkauft werden können. Die OECD-Landwirte erhielten 2001 rund 230 Milliarden US-$ an Subventionen, das waren rund 35 % (21 %) der Einkommen der EU(US-)-Landwirte.
Das TRIPS-Abkommen soll geistiges Eigentum international schützen, vor allem durch die Schaffung und Durchsetzung weltweiter Patentrechte. Für TNK sind geistige Eigentumsrechte eine wichtige Einrichtung zum Ausbau und zur Festigung ihrer marktbeherrschenden Stellung. Das TRIPS-Abkommen ermöglicht die privatwirtschaftliche Ausbeutung genetischen Materials („Patent auf Leben") und bringt dadurch die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern zunehmend unter die Kontrolle der Pharma-Unternehmen. Dies führt zu einem radikalen Verlust an agrarischer Biodiversität.
Aufgrund dieser schweren Mängel hat diese WTO keine Legitimation als multilaterales Forum. Diese Sicht wurde durch das Scheitern der WTO-Ministerkonferenz von 2003 (Cancún) bestätigt. Das Welthandelssystem steht an einem Scheideweg. Eine „kosmetisch korrigierte" Fortführung der oben beschriebenen Strukturen , ein verschärfter aggressiver Unilateralismus oder eine spürbare Veränderung der Spielregeln stehen zur Diskussion.

(42.1) Textvorschlag Software-Patente, 24.06.2004, 18:32, Till Mossakowski: Software-Patente sollen ausgeweitet werden, was einseitig große Unternehmen bevorzugt, die viele oftmals triviale Patente besitzen, und freie Software (wie z.B. das Betriebssystem Linux) bedroht.

(43) 3.7 Globale Machtasymmetrien schaffen Gewaltpotenziale
Die ungleiche und asymmetrische Entwicklung, die sich in und zwischen den verschiedenen Gesellschaften und Nationen auf der Grundlage der kapitalistischen Wirtschaftsordnung unter neoliberalem Regime ergibt, wird durch die Kriege gestärkt, welche die G 8-Staaten führen und geführt haben sowie durch viele Kleinkriege in einer ganzen Reihe von Ländern der Peripherie. Die Opfer sind in der Mehrheit Frauen und Kinder.
In diesen Kriegen geht es um weltweite oder regionale Vorherrschaft, um die Kontrolle wichtiger Rohstoffe, um die Kontrolle von Waren- und Finanzmärkten, um die Kontrolle von Migrationströmen oder um den verzweifelten Kampf um Überlebenschancen.
Die politische Ökonomie der westlich dominierten Weltgesellschaft bereitet auf diese Weise nicht zuletzt die Grundlage für terroristische Aktivitäten. Diese Entwicklungen in der Welt wie ethnische Massaker, Vertreibungen, Terror liefern gleichzeitig die willkommenen Vorwände, um unter Verweis auf die Aufrechterhaltung des westlichen Wertehorizonts (Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Marktwirtschaft, die Achse des Guten) die nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ende des Kalten Krieges entwickelten und anerkannten rechtlichen Standards (UN-Charta, Menschenrechte, Völkerrecht, Genfer Konvention) massiv zu de-regulieren. Ein Beispiel hierzu ist die Nichtanerkennung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag durch die USA.

(43.1) Kriegstreiber, 24.03.2004, 01:05, Daniel Sieben: M.E.wäre eine differenzierte Aufzählung von Kriegsakteuren wichtig, da die G8-Staaten nicht in dieser Zusammensetzung Kriege beschließen und beginnen.

(44) 3.8 Die EU: Motor der Globalisierung

(45) 3.8.1 Position 1 („EU-kritisch")

(46) Die Europäische Union gehört zu den Organisationen, die der Motor der neoliberalen bzw. kapitalistischen Globalisierung sind. Sie hat die Ideologie des Freihandels und der Liberalisierung der Kapitalströme innerhalb Europas weit schneller und entschlossener umgesetzt als die internationalen Handels- und Finanzinstitutionen auf globaler Ebene. Damit wurde in den EU-Mitgliedstaaten in weiten Teilen das vorgelebt, was heute weltweit durchgesetzt werden soll.

(47) Schlüsselprojekt Binnenmarkt: Schon seit den 60er Jahren können in Europa Waren grenzüberschreitend ohne Hindernisse gehandelt werden. Nach und nach wurde auch der Handel mit Dienstleistungen liberalisiert, grenzüberschreitende Investitionen wurden geschützt, Kapitalverkehrsbeschränkungen beseitigt und Regeln für den Schutz des freien Wettbewerbs eingeführt.
Während der Verwirklichung des Binnenmarktprojektes stieg die Erwerbslosigkeit nahezu ununterbrochen. Die Durchsetzung des neoliberalen Wirtschafts- und Wachstumsmodells und die drastische Ausweitung des LKW-Verkehrs haben zu einem massiven Anstieg des Verbrauchs natürlicher Ressourcen und der Umweltzerstörung geführt, dem die EU- Umweltpolitik trotz einzelner Erfolge nichts entgegensetzen konnte. Trotz dieser schlechten Bilanz soll das Binnenmarkt-Modell jetzt im Rahmen der EU-Osterweiterung im wesentlichen unverändert auf die Beitrittsstaaten übertragen werden.

(48) Der Euro: [Die in diesem Abschnitt zum Ausdruck kommende Kritik am EU-Stabilitätspakt und an der Geld- und Zinspolitik der Europäischen Zentralbank ist strittig: Die dahinter zum Vorschein kommende neo-keynesianische Position widerspricht der Wachstumskritik, wie sie an anderer Stelle in diesem Entwurf formuliert wird (vgl. Kap. II. 1.1 Position 1: Abschied vom Wachstum).] Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) und die Einführung des Euro Anfang 2003 sind ein wesentlicher Schritt zur Vollendung des Europäischen Binnenmarktes. Eine gemeinsame europäische Währung kann dazu beitragen, auch über Europa hinaus schädliche Wechselkursschwankungen sowie ihre spekulative Ausnutzung zu verhindern und die Koordinierung der Währungspolitik zu erleichtern. Mit den Grundpfeilern der EWWU werden allerdings die Weichen in eine Richtung gestellt, die im Hinblick auf ein demokratisches und solidarisches Europa höchst fragwürdig sind: Der europäische Stabilitätspakt schreibt die Verringerung der Haushaltsdefizite und der Staatsverschuldung verbindlich vor, ohne dabei Rücksicht auf die wirtschaftliche und soziale Situation in den Mitgliedstaaten zu nehmen. So wird nicht nur eine konjunkturfördernde Wirtschaftspolitik in Zeiten der Krise völlig verhindert. Die Verpflichtungen durch den Stabilitätspakt haben auch in zahlreichen Ländern zur Kürzung sozialer Leistungen geführt.

(48.1) Fehler im Text, 24.06.2004, 18:33, Till Mossakowski: Der Euro wurde 2002 eingeführt (bzw. als Buchwährung 1999).

(49) Die Geldpolitik, vor allem die Bestimmung der Leitzinssätze, ist einer unabhängigen Europäischen Zentralbank übertragen, die vor allem dem Ziel der Inflationsbekämpfung verpflichtet ist. Während sich Kapitalanleger dadurch auf hohe Renditen ohne große Inflationsrisiken verlassen können, werden arbeitsmarktpolitische und konjunkturelle Auswirkungen der Geldpolitik vernachlässigt. Auch international läuft eine übermäßig stabilitätsorientierte Geldpolitik die Gefahr, eine Konkurrenz mit dem Dollar und anderen Währungen um die niedrigste Inflation und damit die höchsten Renditen zu provozieren, welche ausschließlich den Kapitalanlegern nützt.

(50) Agrarpolitik: Über die Hälfte des Finanzhaushalts der Europäischen Union wird für die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ausgegeben. Noch immer steht dabei die Steigerung der Produktionsmengen im Vordergrund. Das führt unter anderem dazu, dass hoch subventionierte landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der EU an der Zerstörung regionaler Märkte in Entwicklungsländern beteiligt sind, Böden und Grundwasser verseucht werden und Methanemissionen nicht unerheblich zur Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen. Diese Form der Agrarsubvention muss gestoppt werden, nicht nur weil sie in der bisherigen Form nach der geplanten Osterweiterung nicht mehr finanzierbar erscheint.

(51) Die Rolle der EU bei der weltweiten Handelsliberalisierung: Zuletzt bei der Eröffnung einer neuen Verhandlungsrunde zur Liberalisierung des Welthandels in Qatar Ende 2001 hat sich die EU (Ministerrat und Kommission) als treibende Kraft bei der Handelsliberalisierung gezeigt. Während offiziell die Chancen der Liberalisierung für die Entwicklung armer Länder betont werden, erweist sich die EU hinter den Kulissen als harte Fürsprecherin der Expansionsinteressen der europäischen Industrie.

(52) Das Ziel „wettbewerbsfähigster Wirtschaftsraum der Welt": Welche Ziele sie mit ihrer Politik verfolgen, haben die EU-Regierungschefs mit einer im Jahr 2000 in Lissabon verabschiedeten Strategie deutlich gemacht: innerhalb von zehn Jahren soll die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt werden. Dass dieses Wachstum der Mehrheit der Menschen nicht zu Gute kommen wird, ist absehbar: Ebenso wie die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes zu mehr statt weniger Arbeitslosigkeit geführt hat, wird auch die Fortsetzung der Liberalisierungs- und Deregulierungslogik bei der Konstruktion des Euro und beim Umbau der sozialen Sicherungssysteme nicht die versprochenen Verbesserungen der Lebensbedingungen für alle Menschen bringen, sondern nur einige Wenige begünstigen.

(53) 3.8.2 Position 2 („EU-optimistisch")
In der Frage internationaler Standards hat die EU in manchen Bereichen eine Vorreiterrolle eingenommen, z. B. wird z. Z. eine ambitionierte Chemikaliengesetzgebung diskutiert. Die Sicherheitsdoktrin der EU enthält im Gegensatz zu den USA eine starke Betonung von Armutsbekämpfung, Ressourcenzugang usw. Präemption wird einmütig abgelehnt. Nicht zuletzt gibt die EU pro Jahr 33 Mrd. € für die Unterstützung schwacher EU-Regionen aus – darin liegt ein Bekenntnis zu einer solidarischen Politik jenseits der Marktlogik, das in Zukunft gestärkt werden muss.

(54) II. Eine alternative Weltwirtschaftsordnung ist möglich

(55) 1. Leitbilder und Leitideen

(55.1) Leitbild Marktwirtschaft ohne Kapitalismus, 15.04.2004, 13:11, Ralf Becker: Wie in der Redaktionsgruppe im Januar diskutiert schlage ich die Diskussion und als Grundlage dafür die entsprechende Einfügung eines Leitbilds "Marktwirtschaft ohne Kapitalismus" vor (siehe meine Eingaben an die Redaktionsgruppe zum letzten Entwurf). Gemeinhin wird dieses Leitbild heute noch als Freiwirtschafts-Idee bezeichnet und leider sofort mit Antisemitismus in Verbindung gebracht. Doch auch die christlichen Kirchen haben 1900 Jahre lang den Zins abgelehnt und es wäre die Diskussion dieser Vision wert, da sie meiner Meinung nach wirklich eine neue Qualität und neue Spielräume für eine andere Welt aufzeigt. Ralf becker

(55.2) Vorschlag für eine Neuformulierung von II.1, 20.04.2004, 15:38, Oliver Schmidt: 1. Zehn Leitideen/Leitbilder für zukunftsfähige Gesellschaften Eine andere Welt ist möglich. Diese Überzeugung eint die globalisierungskritische Bewegung. Sie wird verkörpert in einer Reihe von Leitideen, Leitbildern, das Internationale Forum on Globalization nennt sie "Kernprinzipien für zukunftsfähige Gesellschaften"(FN1): · Neue Demokratie · Subsidiarität · Gemeinsames Erbe · Vielfalt · Menschenrechte · Lebensunterhalt und Arbeitsplätze · Sichere Versorgung mit gesundheitlich unbedenklichen Nahrungsmitteln · Chancengleichheit · Das Vorsorgeprinzip · Leitbild Nachhaltigkeit 1.1 Neue Demokratie Verantwortlichkeit steht im Mittelpunkt einer lebendigen Demokratie. Demokratie ist mehr als Wahlen. Wenn Entscheidungen von den Menschen getroffen werden, die auch die Konsequenzen zu tragen haben, dann legen die Betroffenen wahrscheinlich großen Wert darauf, dass diese Entscheidungen langfristig tragfähig (nachhaltig) sind, weil davon ihr eigenes Wohlergehen und das ihrer Kinder abhängt. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn solche Entscheidungen von TNKs getroffen werden, deren Manager selbst Tausende von Meilen entfernt leben und überdies den Auftrag haben, die alljährliche Dividende für Aktionäre, die wiederum wahrscheinlich nichts über die Betroffenen wissen, zu maximieren. Das Prinzip der neuen Demokratie bedeutet, Macht und Herrschaft so zu verteilen, dass die Entscheidungen von den Menschen getroffen werden, die auch die Kosten zu tragen haben. Es bedeutet auch, die Rechte und die Macht abwesender Eigentümer zu begrenzen und dafür zu sorgen, dass diejenigen, die Entscheidungen treffen, auch für die Schäden verantwortlich sind, die sie anderen zufügen. 1.2 Subsidiarität Die neoliberale/kapitalistische Globalisierung bringt zunächst und vor allem eine Entmachtung lokaler Gemeinschaften und Wirtschaftseinheiten mit sich. Aber noch immer überleben viele Menschen allein durch lokale, in der Gemeinschaft wurzelnde Aktivitäten: bäuerliche Kleinbetriebe, lokale Märkte, lokale Produktion für einheimische Konsumenten. Dieses traditionelle System hat bis jetzt dafür gesorgt, dass sie ihre wirtschaftliche Situation und die Versorgung mit Nahrungsmitteln selbst unter Kontrolle haben, und es sichert auch die Lebensfähigkeit ihrer Kommunen und Kulturen. Deshalb müssen neue Regeln und Strukturen entwickelt werden, die bewusst die Gemeinschaften vor Ort begünstigen und den Grundsätzen der Subsidiarität folgen – das heißt, wann immer es möglich ist, vor Ort zu entscheiden und zu handeln, sollte das auch geschehen. Nur wenn Probleme nicht auf einer Ebene gelöst werden können, sollten Macht und Aktivitäten auf die jeweils nächsthöhere Ebene wechseln. Subsidiarität respektiert die Vorstellung, dass Souveränität in den Menschen selbst existiert. Mit anderen Worten: Die legitime Autorität wird den Herrschenden von der Bevölkerung durch den Ausdruck ihres demokratischen Willens verliehen. Folglich ist die Autorität der entfernteren Verwaltungsebenen untergeordnet in Bezug auf die Autorität der lokaleren Ebenen, die der Bevölkerung mehr Gelegenheit zu direktem Engagement bieten. Das Subsidiaritätsprinzip erkennt an, dass Menschen, Gemeinschaften und Nationen ein inhärentes demokratischen Recht auf Selbstbestimmung haben, solange sie bei der Ausübung dieses Rechtes nicht ähnliche Rechte anderer Menschen verletzen. 1.3 Gemeinsames Erbe Es gibt Ressourcen, die ein gemeinsames Erbe aller Menschen darstellen, ein kollektives Geburtsrecht der gesamten Menschheit, das gerecht unter allen zu verteilen ist. Dazu gehören Wasser, Boden, Luft und Wälder sowie die Fischvorkommen – Ressourcen, von denen das Leben jedes einzelnen Menschen abhängt. Sodann Kultur und Wissenschaft, die kollektive Schöpfungen unserer Spezies darstellen. Schließlich die öffentlichen Dienstleistungen, die von Regierungen für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden; dazu gehören u. a. die öffentlichen Gesundheits- und Bildungssysteme, die öffentliche und die soziale Sicherheit. Zusammen bilden diese Ressourcen die Grundlage allen echten Reichtums. Immerhin gäbe es ohne sie weder Leben noch Zivilisation. Gesunde Gesellschaften respektieren und belohnen individuelle Beiträge zur Steigerung der nützlichen Produktivität natürlicher Ressourcen oder zur Förderung von Kultur und Wissenschaft. Aber kein einzelner Mensch hat den natürlichen Reichtum des Planeten oder die Gesamtheit unserer Wissensgrundlagen geschaffen. Alle diese Elemente unseres gemeinsamen Erbes stehen unter gewaltigem Druck, weil Konzerne sie privatisieren und vermarkten wollen. Niemand, weder Personen noch Regierungen noch Unternehmen, darf die Eigentumsrechte an wesentlichen Teilen des gemeinsamen Erbes – wie Wasser, bestimmte Arten von Saatgut oder ein Waldgebiet – zugunsten einer kleinen Gruppe monopolisieren. 1.4 Vielfalt Vielfalt ist der Schlüssel für die Vitalität, Anpassungsfähigkeit und Erneuerungsfähigkeit jedes lebendigen Systems. Das gilt auch für menschliche Gesellschaften. Der Reichtum menschlicher Erfahrung und menschlichen Potenzials spiegelt sich in der kulturellen Vielfalt, die einen Ansporn für Innovationen gibt, der auf höherer Ebenen sozialer, intellektueller und spiritueller Leistung führen. Außerdem vermittelt sie ein Gefühl von Identität, Zusammengehörigkeit und Lebenssinn. Kulturelle Vielfalt bedeutet, dass alle Kulturen der Welt eigenständige Wertsysteme besitzen. Eine alternative Weltwirtschaftsordnung muss diese Eigenständigkeit anerkennen, verstehen und respektieren. Vielfalt kann nicht ausschließlich nach dem Kriterium der (monetären) Marktfähigkeit bewertet werden. Denn damit gehen Prozesse der Externalisierung einher, d. h. der Ausblendung, Abwertung und Aneignung „reproduktiver“ Leistungen. Es sind jedoch gerade diese reproduktiven Leistungen, die das Fundament der gesellschaftlichen Grundversorgung stellen: Zu ihnen gehören die unbezahlten, oft von Frauen geleisteten Sorge- und Überlebensarbeiten, die gemeinsam mit der Produktivität der ökologischen Natur die Grundlagen allen ökonomischen Handels bilden. Im herrschenden (neoliberalen) Denken jedoch gelten kulturelle und menschliche Vielfalt nicht als eigenständige Werte. Der Wert der Natur und der kulturellen Vielfalt tauchen in wirtschaftlichen Statistiken nicht auf, nicht auf den institutionalisierten Märkten erbrachte Leistungen werden als nicht wertschaffend angesehen. Menschen werden zu gesichtslosen „Wirtschaftssubjekten“, die Unterschiede, die aus sozialer und kultureller Einbettung erwachsen, werden ausgeblendet. 1.5 Menschenrechte 1948 haben die Regierungen der Welt der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen zugestimmt, die jedem Menschen bestimmte Grundrechte garantiert wie etwa "eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge gewährleistet; er hat das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit". Aufbauend auf dieser Deklaration haben die Regierungen in den folgenden Jahren zwei Vereinbarungen ausgehandelt, wovon sich eine auf die politischen und bürgerlichen Rechte und die andere auf ökonomische, soziale und kulturelle Rechte bezieht. Regierungen müssen nicht nur die politischen und bürgerlichen, sondern auch die ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte gewährleisten. Daraus ergeben sich wichtige Implikationen. Beispiel Wasser: U. E. hat jeder Mensch das Recht auf eine gesicherte Versorgung mit sauberem Wasser. Daher folgern wir, dass die Wasserversorgung nicht privatisiert und Wasser nicht als Konsumprodukt zu Marktpreisen gehandelt werden sollte und dass es die Verpflichtung von Regierungen ist, eine gesicherte Wasserversorgung zu garantieren. Manche Leute meinen, das Prinzip der Menschenrechte könne mit dem Prinzip der Subsidiarität in Konflikt geraten. Dabei denken sie an bestimmte Praktiken mancher Gesellschaften, etwa die Beschneidung weiblicher Genitalien oder andere spezifische Formen von Diskriminierungen. Wir sind der Ansicht, dass die Menschenrechte bei einem Konflikt dieser beiden Prinzipien den Vorrang haben. 1.6 Lebensunterhalt und Arbeitsplätze Die Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen bestätigt das Recht aller Menschen auf "Arbeit, freie Berufswahl, angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie den Schutz gegen Arbeitslosigkeit". Die meisten Menschen dieser Welt sicher den Lebensunterhalt ihrer Familien durch Arbeit im sog. informellen Sektor. Davon sind Frauen überproportional betroffen. Vielen dieser Menschen hilft die Globalisierung nicht, sondern raubt ihnen eher die Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt in Würde zu verdienen. Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) weist darauf hin, dass heute ungefähr 30 % aller Arbeitnehmer erwerbslos oder massiv unterbeschäftigt sind. Und viele, die einen Job haben, arbeiten unter brutalen, ausbeuterischen und gefährlichen Bedingungen. Zukunftsfähige Gesellschaften müssen beides leisten: Einerseits den Schutz der Arbeitnehmerrechte im formellen Sektor, vor allem durch Stärkung der Gewerkschafts- und Mitbestimmungsrechte. Andererseits die ökonomische Absicherung der vielen Menschen, die im sog. informellen Sektor von der Subsistenzwirtschaft leben, gar keine Arbeit haben oder ernsthaft unterbeschäftigt sind. 1.7 Sichere Versorgung mit gesundheitlich unbedenklichen Nahrungsmitteln Gemeinschaften und Nationen sind stabil und sicher, wenn ihre Angehörigen genügend Nahrung haben, vor allem, wenn diese Nahrung im eigenen Land erzeugt werden kann. Außerdem müssen die Nahrungsmittel gesundheitlich unbedenklich sein, eine Eigenschaft, die zunehmend seltener wird. Wir brauchen neue Handelsregeln, die anerkennen, dass die Nahrungsproduktion für lokale Märkte an der Spitze der Wertehierarchie in der Landwirtschaft stehen sollte. Souveränität bei der Nahrungsmittelproduktion und die Gewährleistung gesundheitlich unbedenklicher Nahrung sollten zu den grundlegenden Menschenrechten gezählt werden. Kürzere Transportwege und eine geringere Abhängigkeit von teuren Gütern, die über weite Entfernungen transportiert werden müssen, sind der Schlüssel zu einem neuen Paradigma für die Versorgung mit Nahrungsmitteln. 1.8 Chancengleichheit Unter den herrschenden Regeln hat die neoliberale/kapitalistische Globalisierung die Kluft zwischen reichen und armen Ländern, reichen und armen Menschen in den meisten Ländern sowie zwischen Frauen und Männern vergrößert. Die daraus resultierenden sozialen Beeinträchtigungen und Spannungen gehören zu den größten Bedrohungen von Frieden und Sicherheit in der Welt. Mehr Chancengleichheit zwischen den Nationen wie auch innerhalb einzelner Länder würde die Demokratie ebenso stärken wie die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften. Die neoliberale/kapitalistische Globalisierung benachteiligt überproportional viele Frauen. Frauen bilden die Mehrheit der kleinen Nahrungsmittelproduzenten, die immer noch den größten Teil der weltweit benötigten Nahrungsmittel herstellen. Deshalb leiden sie am meisten unter einer globalisierten Landwirtschaft. Genauso sind es überwiegend Frauen, die Fließbandarbeiten für TNKs verrichten und in besonderem Maße unter den menschenfeindlichen Arbeitsbedingungen in vielen Ausbeuterbetrieben leiden. Ob als Bäuerinnen oder Fabrikarbeiterinnen, stets leisten Frauen den größten Teil der Arbeit in Haushalt und Familie, und diese Arbeit wird überwiegend nicht bezahlt. Und während die niedrigsten Ränge der globalen Hierarchie überwiegend den Frauen zugewiesen werden, sind die führenden Konzernmanager und Bürokraten in ihrer überwältigenden Mehrheit männlich, was die Ungleichheit bei den geschlechtsspezifischen Einkommensverhältnissen weiter verschärft. Weil Chancengleichheit so wesentlich für die soziale Gesundheit ist, sorgen gesunde Gesellschaften für eine angemessene Sozialstruktur und bemühen sich um echte Chancengleichheit und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Anreiz und Fairness. Soziale Gerechtigkeit und mehr Chancengleichheit – zwischen Nationen, im Inneren von Nationen, zwischen ethnischen Gruppen, zwischen sozialen Schichten sowie zwischen Männern und Frauen sind die Eckpfeiler zukunftsfähiger Gesellschaften. 1.9 Das Vorsorgeprinzip Das Vorsorgeprinzip bedeutet, wenn eine Praxis oder ein Produkt eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellen könnte, sollten Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, um eventuelle Schäden zu begrenzen oder zu vermeiden. Dies auch, wenn wissenschaftlich noch nicht endgültig abgeklärt ist, ob oder wie es zu einem Schaden kommen kann. Weil es Jahre dauern kann, bis der wissenschaftliche Nachweis geführt ist, und sich in diesem Zeitraum ständig unerwünschte Wirkungen ereignen können, die nicht rückgängig zu machen sind, sollten die Befürworter einer Praxis oder die Hersteller eines Produkts die Beweislast dafür tragen, dass ihre Praxis / ihr Produkt sicher ist. Deutschland und Schweden waren die übrigens die ersten Länder, die eine solche, dem gesunden Menschenverstand entsprechende Regelung gesetzlich festgeschrieben haben. Zurzeit geht man häufig genau umgekehrt vor, z. B. bei den WTO-Regeln. Diese Politik steht im Widerspruch zur Pflicht jeder Regierung, ihre Bürger zu schützen. Wären die WTO-Regeln schon in den 1950er Jahren in Kraft gewesen, hätte die amerikanische Regierung das Arzneimittel Thalidomid (Contergan) nicht verbieten dürfen, das in den Ländern, wo es zugelassen war (auch Europa), von vielen Fruaen während der Schwangerschaft eingenommen wurde und bei deren Kindern zu lebenslangen Behinderungen geführt hat. 1.10 Leitbild Nachhaltigkeit – bisheriger AWWO-Text wird übernommen. FN1: Der nachfolgende Text (1.1 bis 1.9) ist weitgehend dem Zwischenbericht des IFG "Eine andere Welt ist möglich" (Hrsg. Jerry Mander / John Cavanough, Riemann-Verlag 2003) entnommen, S. 97-131. Dies gilt nicht für den größten Teil von 1.4 und für 1.10 (Nachhaltigkeit und Vielfalt), die aus dem AWWO-Papier, Version März 2004, stammen.

(56) 1.1 Leitbild: Nachhaltige Entwicklung

(57) Das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung zielt auf die Integration unterschiedlicher und häufig gegenläufiger Prozesse: die ökonomische Entwicklung von Gesellschaften bei Wahrung der ökologischen Lebensgrundlagen weltweit und unter Gewährleistung der Gerechtigkeit; das Postulat der Gerechtigkeit umschließt dabei nicht nur das gleiche Recht auf Entwicklung für alle jetzt lebenden Menschen in Nord und Süd, sondern auch für die zukünftigen Generationen.
1992 einigte sich die Weltgemeinschaft auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, wobei die Industriestaaten ihre vorrangige Verantwortung für ein Umsteuern in Richtung ressourcenschonender Entwicklung anerkannten. Die Erklärung von Rio proklamiert: „Das Recht auf Entwicklung muss derart verwirklicht werden, dass die Bedürfnisse gegenwärtiger und zukünftiger Generationen auf Entwicklung und Umwelt gerecht erfüllt werden" (Grundsatz 3). Das Prinzip der „nachhaltigen Entwicklung" wird seitdem gerne für Fensterreden verwendet, tatsächlich umgesetzt wird jedoch das der neoliberalen Globalisierung, wie es in der WTO seit 1995 sinnbildlich institutionalisiert wurde: anstelle eines den Naturverbrauch beschränkenden Umweltschutzes das Niederreißen jeglicher Beschränkungen. Von den Betreibern der Globalisierung wird die Säule der ökonomischen Entwicklung auch als Wahrung der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit interpretiert, um damit die ökonomische Dominanz der Industriestaaten auf dem Weltmarkt zu legitimieren.
Trotz der Vereinnahmung des Nachhaltigkeitskonzeptes („nachhaltige Globalisierung") enthält dieses Konzept ein grundlegend kritisches Potential gegenüber den herrschenden ökonomischen und ökologischen Ausbeutungsverhältnissen. Nach dem Gleichheitsgrundsatz haben alle Menschen auf der Erde das gleiche Recht auf Entwicklung und damit gleiche Zugangs- und Nutzungsrechte zu Ressourcen und der Umwelt (Boden, Luft und Wasser). Dieses Recht wird jedoch begrenzt durch die Endlichkeit der Ökosystems Erde sowie die gleichrangigen Rechte zukünftiger Generationen. Demgemäss haben die Entwicklungsländer ihre Nutzungsrechte bei weitem noch nicht ausgeschöpft, die Industrieländer hingegen ihr Konto längst und bei weitem überzogen. Es können nicht weiterhin 20 % der Weltbevölkerung 70-80 % der natürlichen Ressourcen konsumieren.

(58) Position 1: Abschied vom Wachstum:

(59) Eine nachhaltige Weltwirtschaftsordnung setzt die Abkehr von einer Fortschritts- und Entwicklungsidee voraus, die auf Wirtschaftswachstum basiert – und das zunächst und vor allem in den industrialisierten Ländern, die mit ihrem übermäßigen Ressourcenverbrauch die Lebenschancen der Menschen im Süden und der künftigen Generationen verringern. In den wenig industrialisierten Ländern dagegen könnte das Wachstum bestimmter Wirtschaftssektoren, auch das des BIP insgesamt, durchaus ein wichtiger und notwendiger Bestandteil auf dem Weg aus der Armut sein; entscheidend jedoch ist, auf welcher Ressourcenbasis und unter welchen sozialen Bedingungen dieses Wachstum stattfindet. Das lässt sich am BIP selbst aber nicht ablesen. Es muss durch andere Indices für ökonomischen Wohlstand wie den Genuine Progress Indicator (GPI) ersetzt werden, die im Ggs. zum BIP die realen sozialen und ökologischen Kosten der Wirtschaftstätigkeit mit einbeziehen. Es gilt auch, in den sogenannten Entwicklungsländern die Chance zu nutzen, direkt auf ressourcenleichte Produktions-, Distributions- und Konsumweisen zu setzen, zu denen die Industrieländer ohnehin finden müssen.

(60) BIP-Wachstum als makroökonomisches Ziel ist aufzugeben. Anzustreben ist statt dessen eine Ökonomie im stationären Zustand, die die Nettodurchlaufmenge der Weltwirtschaft an Materie und Energie auf einem nachhaltigen Niveau konstant hält. Das muss auch die Kontrolle der Bevölkerungszahl mit beinhalten. Wichtiger als das BIP pro Kopf sind hier direkte Maßnahmen wie solche zur Verbesserung des Bildungsstands und des Arbeitsplatzangebots – speziell für Frauen –, zur Sozialfürsorge, zur Familienplanung und zur Senkung der Kindersterblichkeit. Diese können unter geringen ökologischen Kosten durchgeführt werden. Auch die derzeitigen rezessiven Tendenzen in der Wirtschaft sind nicht so sehr eine Gefahr, der durch eine wachstumsfördernde Politik begegnet werden könnte, sondern eine Herausforderung, den Übergang zu einer nicht-wachsenden Wirtschaft sozial- und umweltverträglich zu gestalten. Tatsächlich hat sich seit den 70er Jahren die Arbeitslosigkeit in den Industrieländern trotz anhaltenden BIP-Wachstums vervielfacht. Bei jedem Konjunkturaufschwung fanden Investitionen in kapitalintensive Technologien statt, so dass sich beim nächsten Abschwung ein noch höheres Plateau an Arbeitslosigkeit als zuvor ergab.

(61) Um unser bisheriges Wachstums- und Entwicklungsmodell (und die dahinter stehenden Kapitalinteressen, das westliche Konsummodell und die asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen) nicht in Frage stellen zu müssen, hat man als Ausweg aus dem Widerspruch zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit den Begriff des „nachhaltigen Wachstums" geprägt, der bereits vielerorts die „nachhaltige Entwicklung" ersetzt. Es zeigt sich jedoch, dass die technischen Gewinne bei der Umwelteffizienz durch das Produktionswachstum national wie weltweit bei weitem überkompensiert werden (Bumerang-Effekt), die absolute Belastung also in wichtigen Bereichen steigt. Ohnehin reichen die bislang erzielten Effizienzgewinne bei weitem nicht aus, um national wie global auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad einzuschwenken. Genauso wenig ist die oft beschworene Umschichtung zugunsten des Dienstleistungssektors hinreichend, unter anderem weil dieser weitaus weniger „ressourcenleicht" ist, als vielfach angenommen wird. Auch das von der Weltbank vertretene Konzept der „schwachen Nachhaltigkeit" ist strikt abzulehnen, da es davon ausgeht, menschengemachtes und natürliches Kapital seien durcheinander zu ersetzen, anstatt einander zu ergänzen. Wäre das Konzept richtig, befände sich die Weltwirtschaft bereits jetzt auf dem nachhaltigen Entwicklungspfad – und würde die weitere Verschlechterung der Terms of Trade der Entwicklungsländer dazu einen positiven Beitrag leisten.

(62) Angesichts der Dimensionen der drohenden ökologischen und daraus folgenden sozialen Katastrophen gibt es somit keine rein technologische Lösung, sondern ist ein tieferer struktureller Wandel notwendig. Laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen müssen die Industrieländer ihren Rohstoffverbrauch um 90 % senken und ihr Konsumverhalten ändern – eine Zielsetzung, die dem Prozess der weiteren Globalisierung und der allseits angestrebten Produktionssteigerung durch weitere Liberalisierung des Welthandels diametral entgegengesetzt ist. Die Senkung ihres Ressourcenverbrauchs und Schadstoffausstoßes ist für die reichen Industriestaaten auch ein Gebot der internationalen Gerechtigkeit; anders ist eine Überwindung der Armut in den Ländern des Südens bei Wahrung der globalen ökologischen Stabilität nicht möglich. Das kann auch ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts in den reichen Staaten notwendig machen.

(63) Position 2: Zukunft des Wachstums: Weiteres Wirtschaftswachstum mit den derzeitigen Produktionstechnologien führt zu weiterer Verschwendung knapper Ressourcen und weiterer Umweltbelastung (z. B. Treibhauseffekt). Daraus folgt jedoch nicht die Forderung nach Nullwachstum, sondern die Forderung nach Änderung der Produktionstechnologien. Weiteres Wirtschaftswachstum ist notwendig: Arbeitslosigkeit und Armut auf der Welt sind nicht bei Nullwachstum zu bekämpfen. Es müssen mehr und besser bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Beschäftigung ist eine abhängige Variable der Produktionsmenge. Also muss die Produktionsmenge wachsen. Selbst wenn eine radikale Umverteilung von Vermögen, Einkommen und Arbeit bei Nullwachstum politisch durchsetzbar wäre, würde die Weltbevölkerung für immer in konstanter Armut leben. Hinzu kommt, dass die Weltbevölkerung wächst und damit ständig mehr Arbeitsplätze und damit Wachstum benötigt, um ihren Lebensstandard auch nur zu erhalten. Hinzu kommt auch, dass die ständig steigende Arbeitsproduktivität durch technischen Fortschritt ständig Arbeitsplätze vernichtet und daher Wachstum notwendig ist, um die bestehende Beschäftigung auch nur zu erhalten.
Es ist ein „nachhaltiges" Wachstum (d. h. Wachstum mit gleichzeitigem Wandel der Produktionstechnologien) und ein „verteilungsgerechtes" Wachstum (d. h. Wachstum, das die Einkommen der Armen, nicht der Reichen steigert) anzustreben.
Das Problem bei der Diskussion um die Zukunft des Wachstums liegt darin, dass das Wachstum im Kapitalismus keine politisch steuerbare Größe darstellt, sondern das Ergebnis der Eigendynamik des kapitalistischen Wirtschaftsprozesses ist. Die Diskussion unterstellt eine Steuerbarkeit des Wirtschaftsprozesses, die in der Realität nicht gegeben ist. Die Steuerungsmöglichkeiten sind durch die neoliberalen Reformen der letzten zwanzig Jahre noch weiter eingeschränkt worden. Anstatt endlose Debatten über das wünschenswerte Wachstumsmuster für die gesamte Welt zu führen, sollte Attac dafür kämpfen, die Eingriffsmöglichkeiten von Staat und Zivilgesellschaft in die Marktwirtschaft zu erhalten und erweitern (z. B. Subventionen, Handelsbeschränkungen, Ökosteuern, Investitionen). Die konkrete Ausgestaltung wäre in jedem Land bzw. jeder Region vor Ort demokratisch von den Betroffenen und ihren Vertretern zu entscheiden.

(63.1) Demokratiefrage, 24.06.2004, 22:56, Till Mossakowski: "Eingriffsmöglichkeiten von Staat und Zivilgesellschaft" - warum nicht auch Eingriffsmöglichkeiten der Bevölkerung? (das wäre dann eher eine Erweiterung denn eine Erhaltung...)

(64) 1.2 Der Mensch in seiner Lebenswelt: Leitideen

[Dieses Kapitel bedarf noch der Überarbeitung.]

(65) 1.2.1 Universelle Menschenrechte und Miteinander der Staaten
Ausgangspunkt sind die universellen, unveräußerlichen Menschenrechte, die jedem Manne und jeder Frau individuell zukommen. Seit 1945 ist ein rechtlicher Rahmen teils entwickelt, teils wieder hergestellt worden, der diese Menschenrechte geltend machen soll: die UN- Charta, das Völkerrecht. Im Hinblick auf die konkrete Umsetzung ist evident, dass diese Rechte die Anerkennung grundlegender ökonomischer, sozialer und ökologischer Mindeststandards erforderlich machen, ohne die sie nur sehr unvollkommen realisiert werden können. Im Rahmen der UNO, in regionalen Zusammenschlüssen sind Organisationen und Vertragssysteme entstanden, die eine konkrete Umsetzung dieser Standards verfolgen. Sie setzen sie jedoch oft nur eingeschränkt oder proklamatorisch um, mitunter sind sie regelrecht kontraproduktiv.
Eine alternative Weltwirtschaftsordnung muss die Verbindlichkeit dieser Menschenrechte akzeptieren und auf ihre vollständige Umsetzung verpflichtet sein. Das setzt ein anderes Verständnis von Ökonomie voraus. Z. B. feministische Ansätze fordern, sowohl Kontext als auch die Grundlagen ökonomischen Handelns und damit strukturelle Machtasymmetrien zu berücksichtigen. Damit wird dem herrschenden Welt- und Ökonomieverständnis eine Absage erteilt, das

(66) 1.2.2 Vielfalt der Kulturen, Subsidiarität

(67) Kulturelle Vielfalt beruht auf der Tatsache, dass alle Kulturen der Welt eigenständige Wertsysteme besitzen. Eine alternative Weltwirtschaftsordnung muss diese Eigenständigkeit anerkennen, verstehen und respektieren. Dies setzt internationale Kooperation, Partizipation und zwischenmenschlichen Gedankenaustausch voraus.

(68) Menschliche Vielfalt beruht auf der Tatsache, dass die Lebensentwürfe und Lebenserfahrungen der verschiedenen Menscheneigenständige Größen darstellen. Sie können nicht ausschließlich nach dem Kriterium der (monetären) Marktfähigkeit bewertet werden. Denn damit gehen Prozesse der Externalisierung einher, d. h. der Ausblendung, Abwertung und Aneignung „reproduktiver" Leistungen. Es sind jedoch gerade diese reproduktiven Leistungen, die das Fundament der gesellschaftlichen Grundversorgung stellen: Zu ihnen gehören die unbezahlten, oft von Frauen geleisteten Sorge- und Überlebensarbeiten, die gemeinsam mit der Produktivität der ökologischen Natur die Grundlagen allen ökonomischen Handels bilden.

(69) Im herrschenden (neoliberalen) Denken jedoch gelten kulturelle und menschliche Vielfalt nicht als eigenständige Werte. Der Wert der Natur und der kulturellen Vielfalt tauchen in wirtschaftlichen Statistiken nicht auf, nicht auf den institutionalisierten Märkten erbrachte Leistungen werden als nicht wertschaffend angesehen. Menschen werden zu gesichtslosen „Wirtschaftssubjekten", die Unterschiede, die aus sozialer und kultureller Einbettung erwachsen, werden ausgeblendet. Deshalb ist z. B. die Ablösung des Shareholder Value- Denkens geboten. Es hat zu einer Entmenschlichung des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit geführt. Topmanager werden nur noch nach Shareholder Value bewertet. Das heißt: Löhne drücken, Anzahl der Mitarbeiter minimieren, Kostenreduzierung um nahezu jeden Preis. Für viele Manager bedeutet es heute Schwäche, wenn sie soziale Verantwortung zeigen. Die Spekulation zu Lasten der Arbeitnehmerschaft muss in der jetzigen Form abgeschafft werden. Unternehmen sind als Systeme zu verstehen, die in ihre lokale natürliche und soziale Umwelt eingebettet sind. Dieser gegenseitigen Abhängigkeit muss durch neue verantwortungsorientierte Managementstile Rechnung getragen werden. Es geht um einen neuen Blick auf das Ganze der Ökonomie, so dass die Verflechtungen der verschiedenen Bereiche und Produktionsformen sichtbar werden. Märkte dürfen nicht Selbstzweck sein, notwendig ist eine politisch-ethische Durchdringung und Steuerung von Märkten. Die Verflechtungen zwischen den verschiedenen ökonomischen Sektoren/Handlungsfeldern müssen nicht nur wahrgenommen, sondern auch so gestaltet werden, dass sowohl die eigene menschliche, soziale als auch die kulturelle und ökologische Fähigkeit zur Selbst(re)produktion erhalten bleibt. Herstellen und Wiederherstellen, Versorgung und Entsorgung sind in einer so gedachten (und praktizierten) lebensweltlichen Perspektive immer miteinander verknüpft und offen für gegenseitiges Lernen. Der Erfolg einer Gesellschaft darf daher nicht mehr allein an einem einzigem Indikator, dem Bruttoinlandsprodukt, gemessen werden, sondern eine Vielzahl von vernetzten Politikbereichen müssen gleichberechtigt nebeneinander stehen und ggf. auch auf Kosten der Intensität der statistisch erfassbaren wirtschaftlichen Aktivität (BIP) bevorzugt werden.

(70) Für den öffentlichen Raum (Staat) bedeutet dies, Entscheidungen möglichst auf einer unteren Ebene zu treffen, die der allgemeinen Teilnahme der Menschen am ehesten zugänglich sind. Durch eine abgestufte und nicht-zentralistische Vernetzung können die Vorteile der Globalisierung genutzt werden und den Menschen wirkliche Spiel- und Freiräume zur Gestaltung ihrer Lebenswelten eröffnet werden.

(71) 1.2.3 Kooperation und Konkurrenz
Die derzeitige Wirtschaftsordnung beruht auf der Konkurrenz. Die Konkurrenz ist produktiv, aber sie darf nicht so weit führen, dass Menschen der Möglichkeit beraubt werden, an wirtschaftlichen und politischen Prozessen teilzunehmen. Sozialdarwinistische Konkurrenz, die zur Verdrängung von Menschen aus der Gesellschaft führt, ist abzulehnen. Eine neue gesellschaftliche Wertschätzung der Kooperation ist dringend geboten. Schon waren Menschen in Zusammenarbeit erfolgreicher als auf sich alleine gestellt. Kein Unternehmen kann alleine durch seinen Vorstandsvorsitzenden existieren. Doch in der neoliberalen Sichtweise wird die Konkurrenz der Kooperation als überlegen erachtet. Einseitig werden Interessen wirtschaftlicher Organisation – Unternehmen – befördert, und diese wiederum mit den Interessen einer kleinen Gruppe – der Kapitaleigner – gleichgesetzt (Shareholder Value, siehe oben).
Doch in den 1990er Jahren ist immer stärker offenbar geworden, dass eine solche verkürzte Sichtweise das Zusammenleben der Menschen beschädigt. Die wissenschaftlichen Forschungen der letzten Jahre z. B. zum Thema „Sozialkapital" belegen dies. Wir treten dafür ein, die Menschen als sozial vernetzt zu begreifen, d. h. Raum für die Bildung von am Kooperationen zu schaffen und zu bewahren. Hierunter fallen die Markt-, die Versorgungs- und die Non-Profit-Organisationen gleichermaßen. Die Impulse kooperativen Handelns, z. B. der zivilgesellschaftlichen Gruppen und Netzwerke, sollten verstärkt in die Gestaltung und Institutionen des Zusammenlebens einfließen.

(71.1) Konkurrenz ist negativ, 24.06.2004, 18:44, Till Mossakowski: Ich sehe Konkurrenz negativ, in Abgrenzung zu Wettbewerb. Textvorschlag: Der Wettbwerb ist produktiv, ... Konkurrenz, die zur Verdrängung ... "Schon waren" muss übrigens "Schon immer waren" heißen.

(72) 2. Strategien

(73) 2.1 Position „Globalisierung gerechter gestalten"
Den Vorteilen weltweiter Märkte bei der quantitativen Versorgung stehen qualitative Nachteile (Raubbau an ökologischen Ressourcen, Entfremdung, Peripherie-Regionen) entgegen. Manche dieser Nachteile sind durch veränderte Steuerung begrenzbar. So könnten umweltbezogene Standards die Ausdehnung von Welthandel beschränken, da sie wie eine Erhöhung von Transportkosten wirken würden. Dies ließe Raum für die Entstehung von weltweiten Märkten, wo der technologische Fortschritt sie im Rahmen der ökologischen Ressourcen sinnvoll erscheinen ließe. Solche Standards können nur Mindestniveaus definieren, die dann einen völker-übergreifenden Werte-Konsens darstellen.
Orientierungsrahmen dieses Minimalkonsenses sollte die faktische Verwirklichung der allgemeinen Menschenrechte sowie ein allgemeines Prinzip der Nachhaltigkeit sein: Keine Volkswirtschaft bzw. Gemeinschaft hat das Recht, Ressourcen so in Anspruch zu nehmen oder Sozialbeziehungen so zu regulieren, dass unwiderrufliche Schäden für nachfolgende Generationen oder andere Gemeinschaften entstehen. Für den Handelsbereich bedeutet dies, dass keine Form von „Beggar-thy-neighbour"-Politik akzeptiert werden darf. Dieses Prinzip kann jedoch nur umgesetzt werden, wenn die großen Wirtschaftsmächte sich einer Selbstbindung unterwerfen und dazu eine multilateral verankerte Rechtsetzung und Rechtdurchsetzung akzeptieren.

(74) 2.2 Position „Entglobalisierung" – von der Weltmarkt- zur Binnenorientierung
Eine nachhaltige Entwicklung (zum Begriff vgl. II.1.1) zielt auf eine je eigenständige Entwicklung der Volkswirtschaften und Gesellschaften durch Binnen- und Regionalorientierung. Eine industrielle Gleichgewichtsökonomie erfordert einen Bruch mit der Doktrin der Globalisierung (sei sie neoliberal oder neokeynesianisch) und eine Wende hin zur Entglobalisierung (Entglobalisierung). Dabei müssen gerade die reichen Industriestaaten Vorreiter sein.
Entglobalisierung heißt nicht Autarkiestreben und eine Abkopplung von internationalen Märkten. Internationaler und weltweiter Handel bleibt in vielerlei Hinsicht von Vorteil. Doch die Prioritäten für die wirtschaftliche Entwicklung und die Wirtschaftspolitik ändern sich grundlegend: Statt die wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Entwicklung auf die Bedarfe für den Export, für den Weltmarkt auszurichten, steht im Vordergrund die Produktion für kleinräumigere Märkte: lokale, regionale (auch grenzüberschreitend; vgl. Euregio Aachen), nationale Märkte bis hin zu regionalen Wirtschaftsverbünden. Die Überschaubarkeit dieser Zusammenhänge ist eine wesentliche Voraussetzung für die Sicherung ihrer demokratischen Kontrolle und für verantwortliches Handeln der wirtschaftlichen Akteure.
Eine Strategie der Entglobalisierung sucht den Weg zwischen den Versuchen, „die Globalisierung gerecht zu gestalten" und einer Lokalisierungsstrategie. Während die „gerecht Gestalten"-Strategie die Dynamik der Globalisierung stärkt, indem sie sie reformiert, unterliegt die Lokalisierungsstrategie der Gefahr einer Nischenpolitik ohne durchgreifende Wirkung. Es wäre sinnlos und im Einzelnen nicht begründbar, am grünen Tisch die Art und den Grad einer wünschenswerten nationalen und internationalen Arbeitsteilung zu skizzieren. Angemessen ist ein „induktives" Verfahren: Von der tatsächlichen Weltmarktintegration und den damit gegebenen Problemen auszugehen und Schritte zu einer Regionalisierung, einer Binnenorientierung der Wirtschaft anzugeben.
Konkrete Schritte zur Entglobalisierung verbinden die Unterlassung von Maßnahmen, welche die Globalisierung weiter vorantreiben, mit solchen, die aktiv eine Wende zu einer regionalen Orientierung einleiten. Das betrifft sowohl die Neuordnung des Welthandels (III.2) als auch den ökologischen Umbau der Industriestaaten (vgl. III.1.1).

(74.1) Tippfehler, 24.06.2004, 18:45, Till Mossakowski: Im ersten Absatz: Entglobalisierung (Entglobalisierung)

(75) 2.3 Position „Lokalisieren statt Globalisieren"

(75.1) Seite 20, Zeile 34, 11.07.2004, 18:12, Peter Viebahn: Einschieben eines neuen Punktes "2.3 Position: Solare Weltwirtschaft" (ALT 2.3 wird dann zu NEU 2.4) Bisher sind selbst die sozialen Bewegungen (Seattle, Porto Alegre, ...) keine politische einheitliche Kraft und die Lebenslagen der ?Betroffenen? zu unterschiedlich für eine gemeinsame politische Strategie. Als fehlendes verbindendes zentrales Element einer politischen Kraft, die der Machtkonzentration und der Globalisierung in ihren negativen Formen entgegengesetzt werden kann, bietet sich geradezu der Übergang von der fossilen zu einer solaren Weltwirtschaft an. Die Notwendigkeit und die Möglichkeit eines solchen umfassenden ?Projektes?, den weltweiten und vollständigen Übergang zu erneuerbaren Energien, hat Hermann Scheer in seinem Buch ?Solare Weltwirtschaft? umfassend und überzeugend begründet. Es geht dabei allerdings nicht nur einfach um den Ersatz einer durch ein andere Energieart, vielleicht noch gekoppelt mit effizienterem Energieeinsatz. Es geht um eine rechtzeitige Umstrukturierung der Weltwirtschaft, bevor die Folgen des Endes von Öl und Erdgas dies in einer plötzlichem und dabei viel massiverer Art und Weise erfordern werden. Gleichzeitig stellen sie ein zentrales ?Projekt? dar, da die bisherigen negativen Auswüchse der Globalisierung ohne die Ausnutzung der fossilen Energien und die Machtkonzentration der Energiekonzerne nicht möglich (gewesen) wären. Den zentralen Strukturen der fossilen Energiewirtschaft steht mit dem Übergang zu einer solaren Weltwirtschaft ein weltweites Projekt gegenüber, das im Gegensatz dazu jedoch kein zentralistisches Projekt ist: Es werden keine ?global players? benötigt, sondern die Umstrukturierung kann überall und von jedem begonnen und durchgeführt werden. Das Ziel ist eine Nutzung der jeweiligen regional verfügbaren Ressourcen (unterschiedliche Energiemixe von Wind-, Wasser-, Solar-, Biomasse- und Geothermie) bis hin zum Entstehen neuer lokaler und regionaler Märkte.

(76) Der Ansatz „Lokalisieren statt Globalisieren" bedeutet nicht einfach eine geographische Verengung der Wirtschaftsräume. Er impliziert eine andere Perspektive, ein anderes Modell von Wirtschaft und Gesellschaft als das herrschende kapitalistisch-patriarchalische Modell.
Diese neue Ökonomie muss zunächst von einem anderen Begriff vom "Guten Leben" ausgehen: Eine neue Perspektive – die Subsistenzperspektive – kann uns von der selbstmörderischen Wachstumslogik des Industriesystems befreien. Der Versuch, von oben her eine neue Weltwirtschaft mit humanem Gesicht zu entwerfen, ist ein Widerspruch in sich und wird unweigerlich in einem neuen Totalitarismus enden. Dieses Ziel kann nur durch eine Strategie der Lokalisierung erreicht werden:

(76.1) Seite 21, Zeile 30, 11.07.2004, 18:15, Peter Viebahn: Anfügen eines neues Unterpunktes in der AUfzählung: Gerade auch der Übergang zu einer solaren Weltwirtschaft fördert die Lokalisierung. Die Treibstoffe und die Ressourcen entstammen entweder regionalen Wirtschaftskreisläufen (z.B. Biomasse) oder sind generell universell verfügbar (Wind, Sonne, Wasser). Sie erfordern neue Technologien, die insbesondere auch regional und lokal Arbeitsplätze schaffen. Durch die Verteuerung des Transports werden zunehmend regionale Rohstoffe verarbeitet werden können, und der Export von Produktionsstätten in Billiglohnländer wird weniger rentabel. Mit der solaren Weltwirtschaft wird sich ein funktional differenzierter Weltmarkt herausbilden ? auch der einen Seite der weltweite Austausch von Kenntnissen und Technologien, auf der anderen Seite die regionale Gewinnung von Energien, Lebensmitteln und Produkten des allgemeinen Verbrauchs.

(77) Wenn wir von lokaler Ökonomie reden, haben manche die Befürchtung, dass dies die Rückkehr zu vormodernen Herrschaftsformen nach patriarchalischen und feudalen Prinzipien bedeuten könnte. Das beste Gegenmittel gegen solche Befürchtungen ist ein bewusster Kampf von Männern und Frauen gegen patriarchale Verhältnisse. Dieser kann beginnen mit einer Umstrukturierung der hierarchischen, geschlechtlichen Arbeitsteilung. In einer neuen Ökonomie müssten nicht nur die Frauen die Arbeit machen, die Männer machen, sondern auch die Männer müssten die gesellschaftlich notwendige, unbezahlte Haus- und Subsistenzarbeit im Haus, in der Umwelt und in der Gemeinschaft machen. Erst wenn die Hälfte der Menschheit diese Arbeit nicht mehr als Last, unwürdig und minderwertig ansieht, wird sich etwas an dem Geschlechterverhältnis ändern.

(78) Eine Umstrukturierung der lokalen Ökonomien im Norden wie im Süden im Sinne einer antikapitalistisch-antipatriarchalen Subsistenzperspektive müsste notwendigerweise zu einer Veränderung der globalen Strukturen führen. Mehr oder weniger auf Self-Reliance ausgerichtete Ökoregionen, in denen der Import aus anderen ähnlichen Regionen nur eine ergänzende Funktion hat, nicht aber die Grundversorgung sichert, werden zu einer Schrumpfung des Welthandels führen, sie werden die Ressourcenverschwendung, den Transport, den Verpackungsmüll, den Einsatz von Chemie in Landwirtschaft und Industrie drastisch reduzieren. Monokulturen aller Art werden sich nicht mehr lohnen, genau so wenig wie eine bloße Exportorientierung einer Wirtschaft. Deutschland z. B. wird aufhören müssen, sich bloß als „Industriestandort" zu verstehen. Was vom Welthandel dann noch übrig bleibt, muss nach den Prinzipien des fairen Handels organisiert sein; das bedeutet, dass es sogenannte Billiglohnländer nicht mehr geben wird.

(78.1) Textvorschlag für eine 4. Position, 24.06.2004, 22:47, Till Mossakowski: 2.4. Alternative: Demokratisches Wirtschaften Tauschhandel, Markt und Geld sind die Wurzeln der kapitalistischen Ökonomie und des neoliberalen Kapitalismus. Wenn eine Alternative nicht an diesen Wurzeln ansetzt, ist es sehr fraglich, wie die Dynamik, alles in Waren zu verwandeln, aufgehalten werden kann (Tendenz des Marktes zur Konzentration und Zentralisation des Kapitals). Marktwirtschaft und Tauschhandel sind Prinzipien einer Ökonomie der Mangelverwaltung. Heute gilt aber: es ist genug für alle da! Vollautomatische Produktion hat zu einem Überfluss an materiellen Gütern geführt. weder die Frage, was und wie produziert wird (und welche Technologien produktiv und welche destruktiv sind), noch die Frage, wie das Produzierte verteilt wird, der demokratischen Entscheidung durch die Gesellschaft. Dies gilt es zu ändern. Massive Arbeitszeitverkürzung und lokale Diskussionsmöglichkeiten schaffen den Freiraum für die basisdemokratische Entscheidungsfindung. Ansätze für eine neue Produktionsweise jenseits von Markt & Staat gibt es bereits: die bundesweite Umsonstladen-Bewegung (www.umsonstladen.de), die überall entstehenden freien Downloadmöglichkeiten im Internet für Musik, Filme u.a., und die freie Software-Bewegung, die in kooperativer, nicht lohn-förmiger Arbeit und mit freier, nicht waren-förmiger Verteilung mit Linux ein Produkt schuf, dass besser ist als die von Microsoft dominierte Weltmarkt-Spitze (www.oekonux.de). Die zugrunde liegenden Prinzipien der dezentralen Selbstorganisation (Stichwort: flache Hierarchien) und Koordination über das Internet finden auch in modernen Produktionszweigen Anwendung, wenn auch in der falschen Form der Weltmarktkonkurrenz. Die Zeit ist reif für eine solidarische, gebrauchswert-basierte Ökonomie, die nicht auf auf Markt, Geld, Handel, Kapital und transnationalen Konzernen beruht, sondern auf freier Verteilung, kooperativer Arbeit und globaler Kooperation. Demokratisches Wirtschaften steht und fällt mit der Weiterentwicklung von Fähigkeiten (u.a. zu solidarischem Handeln). Wichtig ist dafür der Aufbau und die Vernetzung von Selbstorganisationen, die ansatzweise die Praxistauglichkeit dieser Ansätze erproben, und die Kriterien für die Unterscheidung von Produktiv- und Destruktivkräften entwickeln. Dies Kriterien können die Basis für eine Beurteilung kapitalistischer Produktionsstätten und den daraus abzuleitenden notwendigen Umbau- bzw. Rückbauprozess sein. Die in Teil III vorgeschlagenen Reformmaßnahmen können genutzt werden, um über die Reformfähigkeit der gegenwärtigen Ökonomie aufzuklären: Gelingt es, eine Reformdynamik in Gang zu setzen? Oder bedeutet "Reform" unter kapitalistischem Vorzeichen immer Rückschritt, weil jeder Verbesserungsvorschlag sofort an die Systemgrenzen stößt, und nur eine grundlegende Alternative überhaupt Realisierungschancen hat? Für die Durchsetzung einer Systemalternative wie demokratisches Wirtschaften auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gilt: ohne Bewegung geht nix!

(79) III. Wege zu einer alternativen Weltwirtschaftsordnung

(79.1) pro + kontra "attac", 24.03.2004, 02:25, Erwin G. Kratschmann: "attac" hat einige gute Ansätze, bleibt aber im Reformismuns stecken. Es geht nicht um eine alternative Ökonomie, sonder um die proletarische Revolution. Sollte das bei "attac" nich bewußt werden, drängen sie die gesamte Menschheit, ob bewußt oder nicht, näher an den Abgrund.


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