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Kommentar der Teilnehmer des Systemfehler-Forums zum Attac-Positionspapier. BITTE: Schreibt den kommentierten Absatz so, wie er nach Eurer Meinung lauten sollte.

Maintainer: Gustav Kollmeier, Version 2, 15.04.2004
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(1) I. Die herrschende Weltwirtschaftsordnung führt die Menschheit in die Sackgasse Die Globalisierung ist ein Umbruch von historischen Dimensionen. Sie verändert die Gesellschaften und die Kulturen mit enormem Tempo und greift tief in unsere Lebensbedingungen ein. Ihr Leitbild ist derzeit der Neoliberalismus mit dem Versprechen, die Globalisierung bringe Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle. Dies hat sich jedoch nicht erfüllt, im Gegenteil. Wirtschaftswachstum durch Freihandel löst nicht die weltweiten Probleme der Armut und der globalen und nationalen Umweltzerstörung, sondern bedingt sie vielmehr und führt so zu einer doppelten Ausbeutung.

(1.1) Aus Beute, 15.04.2004, 18:09, Uwe Berger: Dadurch, daß alle Kiefer gleich stark bzw. schwach sind, ist die Diskursion entbrannt, wer Jäger und wer Beute sei. Ohne das Einverständnis beider Parteien geht dies nicht weiter. Und auch simple Beobachter müßen Ihre Blickrichtung perspektivieren. Mag sein, daß sich einer doppelt ausgebeutet fühlt. Manche werden von den Eltern, der Lohn/Strafe-Dressur und von sich selbst Ausbeuteltiert. Das Leben ist nicht nur Eins, dafür kann sich jeder entscheiden. Die Psychlogie wird erfahrbar. "Kapitalismus" ist eine Erfindung der Kritiker, Angst vor Leid ist doppeltes Leid, KommunisKation-(anöde) die Welt wird spröde (bleibt auf den Fersen)..-:--:°°) und zehen und ohren spitzen!!!

(2) 1. Folgen der neoliberalen/kapitalistischen Globalisierung - Die soziale Kluft zwischen Nord und Süd wird tiefer. Während die Reichen immer reicher werden, wächst die Armut in der Dritten Welt. Das durchschnittliche Einkommen des reichsten Fünftels der Weltbevölkerung entwickelte sich im Verhältnis zu dem des ärmsten Fünftels (v.a. in Afrika südlich der Sahara und Südasien) von 30:1 im Jahre 1960 auf 60:1 in 1990 und auf 74:1 in 1997. 2,4 Mrd. Menschen leben von weniger als zwei US-Dollar täglich. - Die ungleiche Verteilung des Reichtums wird ermöglicht durch eine analoge Ungleichverteilung der Ressourcen- und Umweltnutzung. Derzeit werden rund 80 % der weltweiten Ressourcen für den materiellen Wohlstand von 20 % der Menschheit in Bewegung gesetzt. Die Umweltschäden sammeln sich in den unteren Produktionsstufen bei den armen Ländern, die Wohlstandsökonomien genießen das Endprodukt. - Steigender internationaler Handel bedeutet beschleunigte Stoffströme sowie steigenden Verkehr, Steigerung des Energieverbrauchs und der Schadstoff- und Treibhausgasemissionen. Das Ergebnis ist eine Verknappung von Ressourcen für zukünftige Generationen. - Durch Finanz- und Wirtschaftskrisen werden über Nacht ganze Volkswirtschaften ruiniert und verlieren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz. Die Armut ist in die Industrieländer zurückgekehrt. Armut und Globalisierung ziehen eine krasse Zunahme sexistischer und struktureller Gewalt gegen Frauen nach sich, z. B. den transnationalen Handel mit Frauen und Kindern. Die Deregulierung der Arbeitsmärkte und der Sozialabbau werden wesentlich mithilfe unter- und unbezahlter, flexibler Frauenarbeit vollzogen. - Kulturelle Vielfalt wird durch eine ökonomisch mächtige Kulturindustrie eingeebnet. Die Suggestivkraft von Werbung und Markenlogos bestimmt immer stärker Wertorientierungen und gesellschaftliche Leitbilder. - Die zentrale Steuerung der Transnationalen Konzerne nach rein kommerziellen Gesichtspunkten führt zu einer Entmenschlichung der Beziehungen. Es wird nur noch die Erfüllung von Funktionen und Vorgaben gefordert, nicht ein kreatives Mitgestalten und Mitbestimmen zugelassen. - Neben anderen Gründen sind es hegemoniale Interessen und neue Rohstoffquellen (Öl und Gas), zu deren Sicherung reiche Industriestaaten zunehmend militärische Planungen und kriegerische Interventionen durchführen. Sie begünstigen damit politische Destabilisierung und dies ist ein Grund für Gewalt, Krieg und Terrorismus, sowie für die Aushöhlung demokratischer Rechte.

(3) 2. Was bedeutet „Globalisierung“? – Begriffsklärungen Allgemein kann Globalisierung als die Entstehung einer weltweiten, überregionalen Ebene verstanden werden. Sie geht einher mit einer Unterordnung der nationalen, regionalen und lokalen Einheiten unter die Macht- und Funktionsimperative der globalen Ebene. Neu am derzeit stattfindenden Prozess der Globalisierung ist Umfang und Tiefe der den gesamten Globus umfassenden Kapitalisierung der Welt. Wesentlich für diesen Prozess ist die Tendenz der globalen Zerstörung von Selbstversorgungswirtschaften und regionaler Wirtschaftsformen zur Schaffung von globalen Märkten und abhängigen Konsumenten. Von 1950 bis 2000 wuchs die Weltwirtschaftsleistung (gemessen am BIP) „nur” um mehr als das Sechsfache, die internationalen Handels- Kapital- und Finanzströme stiegen aber um ein Vielfaches. Seit etwa Mitte der neunziger Jahre haben auch Unternehmenszusammenschlüsse und Firmenübernahmen an Häufigkeit und Transaktionsvolumen drastisch zugenommen. Die Transnationalen Konzerne wickeln einen zunehmend großen Teil des Welthandels konzernintern ab. Darüber hinaus meint Globalisierung auch das (politische) Vorantreiben dieses komplexen Prozesses. Dies ist ein politisch gestalteter und gestaltbarer Prozess und wird getragen und forciert vor allem WTO, IWF und Weltbank, die in unterschiedlichem Maße auf das nationalstaatliche Recht einwirken.

(4) 3. Triebkräfte der Globalisierung 3.1 Freihandelsdoktrin „Freihandel“ meint unbeschränkten Warenaustausch zwischen Nationalstaaten oder größeren oder kleineren Regionen. Das Gegenteil von Freihandel bedeutet dementsprechend nicht die Abwesenheit von Handel zwischen solchen Einheiten, sondern dessen Regulierung durch Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen oder Schutzzölle. Die Freihandelsdoktrin geht davon aus, dass Freihandel im jedem Fall für alle beteiligten Regionen von Vorteil sei und selbst zwischenzeitliche Ungleichheiten durch den vom Freihandel hervorgerufenen allgemeinen Produktionszuwachs bei weitem aufgewogen würden. Die von IWF, Weltbank und WTO durchgehend vertretene Doktrin beruft sich unter anderem auf die deutlich vorteilhafte ökonomische Entwicklung von Nationen, die sich für den Freihandel geöffnet haben. Position 1 („Globalisierung gerechter gestalten“; vgl. II.2.1): Freihandel ist als eine Form friedlichen, gleichberechtigten (z. B. nicht von marktverzerrenden Institutionen geprägten) Austausches zwischen Völkern und Regionen wünschenswert; Freihandel als eine Form konzerngesteuerter Wirtschaft, frei von staatlicher und gesellschaftlicher Kontrolle sowie frei von Verantwortung für die Natur und die kommenden Generationen ist dagegen abzulehnen. Märkte brauchen national wie international einen demokratisch fundierten Rahmen, der ordnet, lenkt und erhält. Nur Volkswirtschaften, deren Regelsystem diese Funktionen ausfüllen kann, können erfolgreiche Marktwirtschaften ausbilden und erfolgreich am internationalen Handel teilnehmen. Noch nicht hinreichend entwickelte Volkswirtschaften müssen zunächst mit Hilfe protektionistischer Maßnahmen ihre Position stärken; erst anschließend können sie am internationalen Freihandel erfolgreich teilnehmen. Die Verfechter der Freihandeldoktrin verwechseln dagegen Ursache und Wirkung. Position 2 (Entglobalisierung; vgl. II.2.2): Freihandel ist in jedem Fall abzulehnen. Freihandel widerspricht unter anderem dem Ziel einer Internalisierung von sozialen und ökologischen Kosten und führt im Gegenteil zu einem globalen Standardsenkungswettbewerb. Selbst wenn dem durch internationale Vereinbarungen entgegengewirkt werden könnte, widerspricht Freihandel immer noch den Vorteilen, die eine starke Regionalisierung der Wirtschaft für Demokratie und Ökologie hat und zwingt zu einer Spezialisierung, die unabhängige Produzenten zu abhängigen Konsumenten macht.

(5) 3.2 Wachstumsdoktrin Unstrittig ist, dass das Wachstum des industrialisierten Nordens seit der Kolonialzeit wesentlich auf asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen beruht, die die Ausbeutung von Ressourcen aus dem Süden erlauben. Eine Nachahmung des westlichen ressourcenintensiven Entwicklungsmodells durch die sog. Entwicklungsländer hingegen würde die ökologischen Dimensionen des Planeten und damit auch die Basis aller ökonomischen Aktivitäten sprengen. Position 1 „Kapitalismus braucht Wachstum“: Globalisierung ist die Folge des kapitalistischen Wachstumszwanges. Kapitalismus kann ohne Wachstum nicht existieren; er treibt die Unternehmen zu ständiger Expansion. Wachstumstheorien versuchen sich in Begründungen dafür, dass unendliches Wachstum möglich sei. Selten aber wird gefragt, warum Wirtschaftswachstum überhaupt notwendig ist. Position 2 „Abschied vom Wachstum“: Wirtschaftswachstum ist die Folge einer expliziten makroökonomischen Zielsetzung. National wie global ist Wachstum das zentrale Ziel aller wirtschaftspolitischen Anstrengungen. Armut ist in der Sichtweise von IWF, Weltbank und WTO das Resultat eines zu geringen Wirtschaftswachstums. In den Wachstumsrechnungen anhand der Indikatoren Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder Bruttosozialprodukt (BSP) wird generell nur bilanziert, was in Geldwerten erfasst wird. Außerdem werden alle Transaktionen positiv bilanziert, gleichgültig, ob es sich dabei um gesellschaftlich oder ökologisch nützliche oder schädliche Aktivitäten oder um Reparaturkosten handelt. Alternative Indices für wirtschaftlichen Wohlstand wie der GPI (Genuine Progress Indicator), die auch Faktoren wie Ressourcenbestand, Umweltverschmutzung, Freizeit, Gesundheit, Kriminalität, Verteilungsgerechtigkeit, Arbeitslosigkeit sowie unbezahlte Arbeit in Ehrenamt und Haushalt einbeziehen, deuten darauf hin, dass in den Industriestaaten ab einem Wendepunkt, der zwischen ca. 1970 (USA) und ca. 1980 (BRD) lag, die durchschnittliche Lebensqualität bei anhaltendem BIP-Wachstum sinkt. Eine Steigerung des Pro-Kopf-BIP kann zeitweilig mit einer Erhöhung der Lebensqualität einhergehen, dann jedoch in das Gegenteil umschlagen. Durch Bodendegradation, Rodung von Wäldern, Artenschwund, Klimawandel, Absinken des Grundwasserspiegels, Umweltgifte etc. wird mit den natürlichen Lebensgrundlagen auch die ökonomische Basis von unzähligen Haushalten zerstört – besonders bei jenen zwei Milliarden Menschen, die direkt vom Zugang zur Natur leben. Position 3 „Zukunft des Wachstums“: Die ökologische Problematik muss zwar in der vollen Breite anerkannt werden, aber BIP-Wachstum wird sich durch technologischen Fortschritt und Umschichtungen innerhalb und zwischen den Wirtschaftssektoren vom Naturverbrauch entkoppeln lassen. BIP-Wachstum ist nicht nur möglich, sondern notwendig, auch um das Umweltproblem zu lösen.

(6) 3.3 Neue technologische Möglichkeiten und Bedingungen Die ökonomische Globalisierung ist untrennbar verbunden mit der Entwicklung von Technologien, welche die Nutzbarmachung natürlicher Ressourcen, weltweiter Gesellschaften und Individuen für das westliche Entwicklungsmodell erst ermöglichen. Dieselben entgrenzenden Technologien tragen zur Verbreitung von Informationen, Lebensstilen, Produkten, Rechtsnormen und Infrastruktur bei. Begleitet wird diese geografische Entgrenzung von einer zeitlichen Beschleunigung bislang ungekannten Ausmaßes. Satelliten, Glasfasernetze und Computertechnik ermöglichen es heute, in Sekundenbruchteilen Milliarden von Datenpaketen über den Erdball zu jagen. Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen persönliche Kontakte und Geschäfte auch mit abgelegensten Personen und Regionen. Ressourcenextraktion ist heute wesentlich effektiver und in größerem Umfange möglich durch den Einsatz moderner computergesteuerter Maschinen. Katalytisch wirken dabei die immer effektiver, schneller und günstiger werdenden Transporte der entstehenden Stoffströme. Lebensgefährliche und gesundheitsschädliche Tätigkeiten werden von Maschinen übernommen. Arbeitserleichternde technologische Unterstützung bieten den Menschen eine humanere Arbeitswelt. Die technologische Entgrenzung entspricht dem Erfindergeist des Menschen und ist auch politisch gewollt. Viel zu wenig werden die „Technikfolgeabschätzung“ und die Forderungen an eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensform bei der politischen Förderung von Technologien berücksichtigt. Solche Technologien stehen für unzählige Bereiche längst zur Verfügung. Komplexe Technologien ziehen neue Grenzen durch die Gesellschaften. Sie erfordern lange, teure Ausbildungszeiten. Durch die Spezialisierung im Arbeitsprozess wird der Einzelne immer abhängiger von seiner ausgeübten Tätigkeit. Er empfindet sich dabei immer mehr als ein Rädchen im Getriebe, das sich zunehmend glücklich schätzt, wenn es am Produktionsprozess überhaupt noch Teil haben darf. Somit trägt die technologische Entwicklung auch zu einer Form „sozialer Entropie“ bei.

(7) 3.4 Transnationale Konzerne (TNK) International operierende Unternehmen umschlingen die Welt wie eine Krake und bestimmen, wohin das Geld wandert und welche Güter wo auf dieser Welt produziert werden. Die großen Anteilseigner der TNK, ihre angestellten Verwalter und ihre politischen Sachverwalter bilden eine weltweite, immer homogenere herrschende Klasse. Seit der Druck der Gegenmächte von ihnen genommen ist, errichtend sie zunehmend ein globales totalitäres System. TNK tragen weltweit unter dem Strich zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit bei. Ihre Nettobeschäftigungseffekte sind negativ. Durch ihre enorme Durchsetzungsfähigkeit und globale Verlustverteilung zahlen die TNK kaum Steuern, erhalten hohe Subventionen und tragen damit in vielen Fällen zur explosiven Staatsverschuldung bei. Durch die TNK wird weltweit der Graben zwischen Verlierern und Gewinnern immer tiefer. Anstatt den Einkommensabstand zu beheben, erweitern die TNK durch ihre Weltmarktbeherrschung und ihr Profitstreben die Kluft, treiben einen Großteil der Weltbevölkerung in die Armut, bauen zunehmend die Demokratie ab und bewirken wachsenden Reichtum nur für eine Minderheit. Ihre bewaffneten Wächter treiben Bürgerkrieg nach innen und Eroberungskrieg nach außen. Sie zerstören systematisch die Natur und beschwören eine Klimakatastrophe herauf.

(8) 3.5 Globale Finanzströme und ihre Institutionen (IWF/Weltbank) Eine mächtige Triebkraft der wirtschaftlichen Globalisierung sind die internationalen Finanzmärkte. Sie entstanden mit der Auflösung des Systems fester Wechselkurse und der daran anschließenden, auch vom IWF vorangetriebenen Liberalisierung der Finanz- und Bankenmärkte.

(9) 3.5.1 Freigeldposition [Anm. d. Red.: Obwohl hier keine Gegenposition aufgeführt ist, ist die Freigeldtheorie innerhalb von ATTAC umstritten und wird von vielen nicht geteilt.] Geld ist per se kein gerechtes Tauschmittel. Der Wert von Gütern ist zeitabhängig, bei Knappheit hoch, bei Überfluss oder mit Alterung nieder. Dies gilt noch extremer bezüglich Arbeitskraft. Nicht angewandte Arbeit ist verloren. Geld dagegen unterliegt diesem Angebotsdruck prinzipiell nicht. Der Geldbesitzer ist gegenüber allen anderen Wirtschaftsteilnehmern hoch privilegiert. Die kapitalistische Komponente unseres Wirtschaftssystems basiert auf dem Zins als Anreiz zur langfristigen Anlage von Geldvermögen. Den Unternehmen kann Geld somit langfristig als Kredit gegen Bezahlung von Zinsen für Investitionen zur Verfügung gestellt werden. Dank dieser Investitionen vermehrt sich das Kapital, die allgemeine Produktivität und damit der Wohlstand. Mit zunehmender Vermehrung und Verfügbarkeit des Kapitals sinkt jedoch der Zins, auch weil Unternehmen bei weitgehender Marktsättigung in den Industrieländern keine hohen Kreditzinsen mehr bezahlen können. Langfristig können wir froh sein, wenn die Unternehmen unser Vermögen bewahren können, d. h. sich ein Zinssatz von 0 ergibt, andererseits werden Vermögen bei einem Zinssatz von 0 nicht mehr langfristig angelegt. Durch diese Entwicklung legen viele Anleger ihr Geldvermögen immer kurzfristiger und spekulativer an und die Menschen halten immer höhere Bargeld- und Girokontobestände. Im Jahre 2002 hatten 80 % der weltweiten Kapitalflüsse von ca. 2.000 Mrd. €/Tag eine Anlagedauer von 7 Tagen. Die ständig über den Wachstumsraten liegenden Zinssätze tragen wesentlich zu einer Umverteilung des Reichtums bei von der Arbeit zum Besitz, national und zwischen den Staaten (Nord/Süd). Immer größere Kapitalakkumulationen suchen nach Renditemöglichkeiten und erzwingen die Privatisierung öffentlicher Bereiche. Diese Situation war in der Vergangenheit immer der Ausgangspunkt für Kolonialisierung und Krieg. Somit ist unser derzeitiges Zinssystem die entscheidende Ursache für die von IWF und Weltbank durchgesetzte weltweite Neoliberalisierung, für steigende Rüstungsaufgaben und systemimmanente Kriege, die ca. alle 70 Jahre die angehäuften Vermögen (und damit verbundenen Staatsschulden) wieder reduzieren. Ein weiterer Aspekt zeigt die Krisensituation: Arbeiter können solange am Wohlstand partizipieren, wie die reale Zinsrate unterhalb der realen Wachstumsrate des Sozialproduktes liegt. Das Wirtschaftswachstum ist seit dem Zweiten Weltkrieg unverändert bei 250 Mrd. € pro Jahrzehnt, d. h. es wird prozentual immer weniger und sinkt stärker als die Zinsrate. Damit wachsen die Geldbestände schneller als die allgemeine Wirtschaft, die Kaufkraft der Arbeitnehmer wird geringer, da die Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind. Während das BIP seit 1991 um 9 % gewachsen ist und die Nettolöhne um 2 % gesunken sind, wuchsen Zinserträge und Geldvermögen real um 60 %. In 2001 haben die Banken in Deutschland ihren Anlegern 391 Mrd. € oder 66 % der Nettolöhne gut geschrieben. Für eine gerechtere Geldwirtschaft muss somit der Zins letztlich gegen Null sinken.

(9.1) 15.04.2004, 22:28, Eckhard Siemer: Religiös determiniert ist die scheinbar aufgeklärte Lehre von der Ökonomie schon insofern, als die Diskussion über negative Zinssätze einem strikten Dogma unterliegt. Wer negative Zinssätze auch nur in Erwägung zieht, wird als Verwirrt oder Krank gebranntmarkt. Das geschichtliche, westeuropäische Mittelalter weist aber einen gegenteiligen Befund auf. Was ist also eine wissenschaftliche bzw. unwissenschaftliche Position ? Den Epigonen der neoliberalen Fanatiker à la Hayek oder Friedman sollte man ihre dilletantischen Luftnummern vorhalten. In einem waren die chicagoer Monetaristen aber ehrlich, sie gaben offen zu, daß sie nicht wußten, was Geld eigentlich ist.

(10) 3.5.2 Verschuldung Die anhaltende Bereicherung eines kleines Teils der Weltbevölkerung in den reichen Ländern des Nordens auf Kosten der Mehrheit der Menschen im Süden ist einer der Hauptgründe für globale, häufig gewaltsam ausgetragene Konflikte. Die Verschuldung des Südens bei nördlichen Gläubigern ist dabei einer der wichtigsten Mechanismen von Bereicherung/Verarmung. Ein strukturelles Problem kann nicht durch einzelne Schuldenerlasse allein überwunden werden. Vielmehr müssen die Beziehungen zwischen Schuldnern und Gläubigern auf eine neue Grundlage gestellt werden. So wie auf nationaler Ebene insolvenzrechtliche Verfahren die Interessen beider Parteien zu einem einigermaßen fairen Ausgleich bringen, müssen auch souveräne Schuldner im Süden durch rechtsstaatliche Verfahren geschützt werden.

(10.1) Tilgung schafft jeder, Zinsen schaffen fast jeden!, 02.06.2004, 01:05, Peter Spangenberg ??: Insolvenzverfahren bekräftigen nur die Berechtigung einer durch den Zins aufgeblähten Forderung. Streicht den Jungs vom IWF, von den Banken und Geldhaien einfach Ihr Recht auf Zinsen! Rechnet alle bisher gezahlten Rückzahlungs-Gelder der letzten 100 oder 200 oder ... Jahre in reine Tilgung um, und wenn ich mich nicht irre, würden die meisten Schuldner noch erhebliche Summen aus der Überbezahlung der Schuld zurückfordern dürfen. Natürlich auch zinsfrei! Keine Übergangsfristen! Sonst haben wir bald einen enormen Aufschwung in der Werbebranche, wo ein gigantischer Propagandafeldzug Leute wie mich zu rechts-links-extremen Monstern erklären lassen wird. Oder wir werden mit ein paar Kriegen abgelenkt, bis uns die Not so schön zusammenschweißt, dass wir nachher sogar die Reichen wählen, die uns Kredite für den Neuanfang anbieten. Keine Schonzeit für das Kapital! Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen! So ähnlich haben sich wohl auch Buddha, Jesus, Mohammed und mancher Lama ausgedrückt, nicht wahr?

(11) 3.5.3 Rolle von IWF und Weltbank Die Weltbank und der IWF sind die Träger der nach dem Zweiten Weltkrieg in Bretton Woods entstandenen Weltfinanzordnung. Die von ihnen finanzierten Großprojekte stehen einer lokalen eigenständigen Entwicklung oft entgegen. Die neoliberale Ideologie des „Washington Consensus” überhöhte den IWF zu einem Machtinstrument, um die neoliberale Doktrin durchzusetzen, ohne Ansehen spezifischer Situationen von Volkswirtschaften. Lange genug hat der IWF als Krisenmanager – in Asien 1997/98, Brasilien 1998/99 und Argentinien 2001 – versagt. Immer wieder intervenierte er in den Krisen-Ländern, um als Schuldeneintreiber das Kapital der ausländischen Gläubiger und Kapitalanleger zu retten. Im IWF und in der Weltbank haben die USA eine Vetoposition und zehn Industrieländer zusammen eine absolute Mehrheit. Sie bestimmen damit die internationale Finanzordnung allein, und sie richten sich dabei oft nach den Interessen von Banken und Multis und nicht nach denen der Menschen in jenen 130 Entwicklungsländern, die zusammen nur rund 33 % der Stimmen halten. Die globalisierten Finanzmärkte verlangen stabile Währungen, ausgeglichene Budgets und Rückzahlung der Auslandsschulden. Nötig ist daher die Erwirtschaftung von Exportüberschüssen und Devisen. Für die Entwicklungsländer bedeutet dies hauptsächlich den Verkauf ihrer natürlichen Ressourcen. Fallende Preise und Währungen führen zu weiter steigender Ressourcenextraktion, um den Geldwert der Exporte stabil zu halten. Die damit gegebene Verschlechterung der Handelsbedingungen sind ein herausragender Faktor sowohl für die Armutsentwicklung in vielen Regionen der Welt als auch – damit zusammenhängend – für die Wohlstandsgewinne in den Industriestaaten.

(12) 3.6 Das Welthandelssystem Die Welthandelsorganisation (WTO) ging 1995 aus dem GATT von 1947 hervor, dessen Unterzeichner sich auf freihändlerische Prinzipien verpflichteten. Der Geltungsbereich dieser Prinzipien wurde ausgeweitet und zugleich wurden deutliche Senkungen der Durchschnittszölle erreicht. Durch die 1994 abgeschlossene Uruguay-Runde des GATT verteilt sich der Zuwachs des Welthandels infolge der beschlossenen Handelsliberalisierung zu gut zwei Dritteln auf die OECD-Wirtschaften und zu knapp einem Drittel auf den „Rest der Welt”. Die WTO-Prinzipien unterminieren stringente Standards für die einheimische Wirtschaft und stehen im Widerspruch zu einigen multilateralen Umweltabkommen. Viele arme Länder können ihre Interessen nicht in die Verhandlungsprozesse der WTO einbringen, obwohl formal das Prinzip „one country – one vote” gilt. Gleichzeitig sind die Kosten der administrativen Umsetzung von WTO-Abkommen enorm. Die Rechtsprechung andererseits geschieht durch das WTO-Streitschlichtungsverfahren, das von Handelsjuristen ausgeübt wird. Der Agrarsektor wurde mit dem „Agreement on Agriculture (AoA)“ erst 1995 in die multilaterale Welthandelsordnung einbezogen. Diese Einbeziehung ist sehr dürftig, da Agrarlobbys und Regierungen der Industrieländer bisher keine substantiellen Angebote gemacht haben, die den Interessen der Entwicklungsländer entgegen kommen. Exportsubventionen machen Überschüsse so billig, dass sie auf ausländischen Märkten verkauft werden können. Die OECD-Landwirte erhielten 2001 rund 230 Milliarden US-$ an Subventionen, das waren rund 35 % (21 %) der Einkommen der EU(US-)-Landwirte. Das TRIPS-Abkommen soll geistiges Eigentum international schützen, vor allem durch die Schaffung und Durchsetzung weltweiter Patentrechte. Für TNK sind geistige Eigentumsrechte eine wichtige Einrichtung zum Ausbau und zur Festigung ihrer marktbeherrschenden Stellung. Das TRIPS-Abkommen ermöglicht die privatwirtschaftliche Ausbeutung genetischen Materials („Patent auf Leben“) und bringt dadurch die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern zunehmend unter die Kontrolle der Pharma-Unternehmen. Dies führt zu einem radikalen Verlust an agrarischer Biodiversität. Aufgrund dieser schweren Mängel hat diese WTO keine Legitimation als multilaterales Forum. Diese Sicht wurde durch das Scheitern der WTO-Ministerkonferenz von 2003 (Cancún) bestätigt. Das Welthandelssystem steht an einem Scheideweg. Eine „kosmetisch korrigierte“ Fortführung der oben beschriebenen Strukturen , ein verschärfter aggressiver Unilateralismus oder eine spürbare Veränderung der Spielregeln stehen zur Diskussion.

(13) 3.7 Globale Machtasymmetrien schaffen Gewaltpotenziale Die ungleiche und asymmetrische Entwicklung, die sich in und zwischen den verschiedenen Gesellschaften und Nationen auf der Grundlage der kapitalistischen Wirtschaftsordnung unter neoliberalem Regime ergibt, wird durch die Kriege gestärkt, welche die G 8-Staaten führen und geführt haben sowie durch viele Kleinkriege in einer ganzen Reihe von Ländern der Peripherie. Die Opfer sind in der Mehrheit Frauen und Kinder. In diesen Kriegen geht es um weltweite oder regionale Vorherrschaft, um die Kontrolle wichtiger Rohstoffe, um die Kontrolle von Waren- und Finanzmärkten, um die Kontrolle von Migrationströmen oder um den verzweifelten Kampf um Überlebenschancen. Die politische Ökonomie der westlich dominierten Weltgesellschaft bereitet auf diese Weise nicht zuletzt die Grundlage für terroristische Aktivitäten. Diese Entwicklungen in der Welt wie ethnische Massaker, Vertreibungen, Terror liefern gleichzeitig die willkommenen Vorwände, um unter Verweis auf die Aufrechterhaltung des westlichen Wertehorizonts (Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Marktwirtschaft, die Achse des Guten) die nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ende des Kalten Krieges entwickelten und anerkannten rechtlichen Standards (UN-Charta, Menschenrechte, Völkerrecht, Genfer Konvention) massiv zu de-regulieren. Ein Beispiel hierzu ist die Nichtanerkennung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag durch die USA.

(14) 3.8 Die EU: Motor der Globalisierung 3.8.1 Position 1 („EU-kritisch“) Die Europäische Union gehört zu den Organisationen, die der Motor der neoliberalen bzw. kapitalistischen Globalisierung sind. Sie hat die Ideologie des Freihandels und der Liberalisierung der Kapitalströme innerhalb Europas weit schneller und entschlossener umgesetzt als die internationalen Handels- und Finanzinstitutionen auf globaler Ebene. Damit wurde in den EU-Mitgliedstaaten in weiten Teilen das vorgelebt, was heute weltweit durchgesetzt werden soll. Schlüsselprojekt Binnenmarkt: Schon seit den 60er Jahren können in Europa Waren grenzüberschreitend ohne Hindernisse gehandelt werden. Nach und nach wurde auch der Handel mit Dienstleistungen liberalisiert, grenzüberschreitende Investitionen wurden geschützt, Kapitalverkehrsbeschränkungen beseitigt und Regeln für den Schutz des freien Wettbewerbs eingeführt. Während der Verwirklichung des Binnenmarktprojektes stieg die Erwerbslosigkeit nahezu ununterbrochen. Die Durchsetzung des neoliberalen Wirtschafts- und Wachstumsmodells und die drastische Ausweitung des LKW-Verkehrs haben zu einem massiven Anstieg des Verbrauchs natürlicher Ressourcen und der Umweltzerstörung geführt, dem die EU-Umweltpolitik trotz einzelner Erfolge nichts entgegensetzen konnte. Trotz dieser schlechten Bilanz soll das Binnenmarkt-Modell jetzt im Rahmen der EU-Osterweiterung im wesentlichen unverändert auf die Beitrittsstaaten übertragen werden. Der Euro: [Die in diesem Abschnitt zum Ausdruck kommende Kritik am EU-Stabilitätspakt und an der Geld- und Zinspolitik der Europäischen Zentralbank ist strittig: Die dahinter zum Vorschein kommende neo-keynesianische Position widerspricht der Wachstumskritik, wie sie an anderer Stelle in diesem Entwurf formuliert wird (vgl. Kap. II. 1.1 Position 1: Abschied vom Wachstum).] Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) und die Einführung des Euro Anfang 2003 sind ein wesentlicher Schritt zur Vollendung des Europäischen Binnenmarktes. Eine gemeinsame europäische Währung kann dazu beitragen, auch über Europa hinaus schädliche Wechselkursschwankungen sowie ihre spekulative Ausnutzung zu verhindern und die Koordinierung der Währungspolitik zu erleichtern. Mit den Grundpfeilern der EWWU werden allerdings die Weichen in eine Richtung gestellt, die im Hinblick auf ein demokratisches und solidarisches Europa höchst fragwürdig sind: Der europäische Stabilitätspakt schreibt die Verringerung der Haushaltsdefizite und der Staatsverschuldung verbindlich vor, ohne dabei Rücksicht auf die wirtschaftliche und soziale Situation in den Mitgliedstaaten zu nehmen. So wird nicht nur eine konjunkturfördernde Wirtschaftspolitik in Zeiten der Krise völlig verhindert. Die Verpflichtungen durch den Stabilitätspakt haben auch in zahlreichen Ländern zur Kürzung sozialer Leistungen geführt. Die Geldpolitik, vor allem die Bestimmung der Leitzinssätze, ist einer unabhängigen Europäischen Zentralbank übertragen, die vor allem dem Ziel der Inflationsbekämpfung verpflichtet ist. Während sich Kapitalanleger dadurch auf hohe Renditen ohne große Inflationsrisiken verlassen können, werden arbeitsmarktpolitische und konjunkturelle Auswirkungen der Geldpolitik vernachlässigt. Auch international läuft eine übermäßig stabilitätsorientierte Geldpolitik die Gefahr, eine Konkurrenz mit dem Dollar und anderen Währungen um die niedrigste Inflation und damit die höchsten Renditen zu provozieren, welche ausschließlich den Kapitalanlegern nützt. Agrarpolitik: Über die Hälfte des Finanzhaushalts der Europäischen Union wird für die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ausgegeben. Noch immer steht dabei die Steigerung der Produktionsmengen im Vordergrund. Das führt unter anderem dazu, dass hoch subventionierte landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der EU an der Zerstörung regionaler Märkte in Entwicklungsländern beteiligt sind, Böden und Grundwasser verseucht werden und Methanemissionen nicht unerheblich zur Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen. Diese Form der Agrarsubvention muss gestoppt werden, nicht nur weil sie in der bisherigen Form nach der geplanten Osterweiterung nicht mehr finanzierbar erscheint. Die Rolle der EU bei der weltweiten Handelsliberalisierung: Zuletzt bei der Eröffnung einer neuen Verhandlungsrunde zur Liberalisierung des Welthandels in Qatar Ende 2001 hat sich die EU (Ministerrat und Kommission) als treibende Kraft bei der Handelsliberalisierung gezeigt. Während offiziell die Chancen der Liberalisierung für die Entwicklung armer Länder betont werden, erweist sich die EU hinter den Kulissen als harte Fürsprecherin der Expansionsinteressen der europäischen Industrie. Das Ziel „wettbewerbsfähigster Wirtschaftsraum der Welt“: Welche Ziele sie mit ihrer Politik verfolgen, haben die EU-Regierungschefs mit einer im Jahr 2000 in Lissabon verabschiedeten Strategie deutlich gemacht: innerhalb von zehn Jahren soll die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt werden. Dass dieses Wachstum der Mehrheit der Menschen nicht zu Gute kommen wird, ist absehbar: Ebenso wie die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes zu mehr statt weniger Arbeitslosigkeit geführt hat, wird auch die Fortsetzung der Liberalisierungs- und Deregulierungslogik bei der Konstruktion des Euro und beim Umbau der sozialen Sicherungssysteme nicht die versprochenen Verbesserungen der Lebensbedingungen für alle Menschen bringen, sondern nur einige Wenige begünstigen.

(15) 3.8.2 Position 2 („EU-optimistisch“) In der Frage internationaler Standards hat die EU in manchen Bereichen eine Vorreiterrolle eingenommen, z. B. wird z. Z. eine ambitionierte Chemikaliengesetzgebung diskutiert. Die Sicherheitsdoktrin der EU enthält im Gegensatz zu den USA eine starke Betonung von Armutsbekämpfung, Ressourcenzugang usw. Präemption wird einmütig abgelehnt. Nicht zuletzt gibt die EU pro Jahr 33 Mrd. € für die Unterstützung schwacher EU-Regionen aus – darin liegt ein Bekenntnis zu einer solidarischen Politik jenseits der Marktlogik, das in Zukunft gestärkt werden muss.


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