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Attac-Positionspapier: AWWO aus Freiwirtschaftlicher Sicht

Maintainer: Uwe Kellermann, Version 2, 16.04.2004
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(1)
1 EINLEITUNG

1. Selbstverständnis dieses Positionspapiers

2. Wofür wir stehen: ethische Ausgangspunkte

3. Zum Prozess – Vorbemerkungen der Redaktionsgruppe


I. DIE HERRSCHENDE WELTWIRTSCHAFTSORDNUNG FÜHRT DIE MENSCHHEIT IN DIE SACKGASSE

1. Folgen der neoliberalen/kapitalistischen Globalisierung

2. Was bedeutet „Globalisierung“? – Begriffsklärungen

3. Triebkräfte der Globalisierung
3.1 Freihandelsdoktrin
____Position 1 („Globalisierung gerechter gestalten“; vgl. II.2.1):
____Position 2 (Entglobalisierung; vgl. II.2.2):
3.2 Wachstumsdoktrin
____Position 1 „Kapitalismus braucht Wachstum“:
____Position 2 „Abschied vom Wachstum“:
Position 3 „Zukunft des Wachstums“:
3.3 Neue technologische Möglichkeiten und Bedingungen
3.4 Transnationale Konzerne (TNK)
3.5 Globale Finanzströme und ihre Institutionen (IWF/Weltbank)
3.5.1 Freigeldposition
3.5.2 Verschuldung
3.5.3 Rolle von IWF und Weltbank
3.6 Das Welthandelssystem
3.7 Globale Machtasymmetrien schaffen Gewaltpotenziale
3.8 Die EU: Motor der Globalisierung
____3.8.1 Position 1 („EU-kritisch“)
____3.8.2 Position 2 („EU-optimistisch“)


II. EINE ALTERNATIVE WELTWIRTSCHAFTSORDNUNG IST MÖGLICH

1. Leitbilder und Leitideen
1.1 Leitbild: Nachhaltige Entwicklung
____Position 1: Abschied vom Wachstum:
____Position 2: Zukunft des Wachstums:
1.2 Der Mensch in seiner Lebenswelt: Leitideen
1.2.1 Universelle Menschenrechte und Miteinander der Staaten
1.2.2 Vielfalt der Kulturen, Subsidiarität
1.2.3 Kooperation und Konkurrenz

2. Strategien
____2.1 Position „Globalisierung gerechter gestalten“
____2.2 Position „Entglobalisierung“ – von der Weltmarkt- zur Binnenorientierung
____2.3 Position „Lokalisieren statt Globalisieren“

III. WEGE ZU EINER ALTERNATIVEN WELTWIRTSCHAFTSORDNUNG

1. Weltwirtschaftsordnung im ökologischen Gleichgewicht
1.1 Der ökologische Umbau
____Position Globalisierung gerechter gestalten:
____Position Entglobalisierung:
____Position Lokalisierung:

2. Neuordnung des Welthandels
2.1 Mechanismen der Welthandelsordnung
____Position „Globalisierung gerechter gestalten“:
____Position Entglobalisierung:
2.2 Neuordnung des Warenhandels
____Position „Globalisierung gerechter gestalten“:
____Position Entglobalisierung:
2.3 Neuordnung des internationalen Dienstleistungsverkehrs
2.4 Weltagrarmarkt
2.5 Geistiges Eigentum/Technologietransfer

3. Neuordnung der Währungs- und Finanzbeziehungen
3.1 Finanzbeziehungen
3.1.1 Entschuldung
3.1.2 Entwicklungsfinanzierung
____Position „Globalisierung gerechter gestalten“:
____Position Entglobalisierung:
3.2 Kapitalmarktordnung
____Position „Globalisierung gerechter gestalten“:
3.3 Währungsordnung
3.3.1 „Spekulation“ und Tobin-Steuer
____Position 1:
____Position 2:
3.3.2 Leitwährung und Wechselkurspolitik
Position 1:
____Position 2:
3.4 Internationale Organisationen und Institutionen
____Position Entglobalisierung/Lokalisierung:
____Position „Globalisierung gerechter gestalten“:
3.5 Steuerpolitik

4. Beschränkung der Macht transnationaler Konzerne
____4.1 Position 1: Globale Verhaltenskodizes für TNK
____4.2 Position 2: Demokratisierung der Unternehmensmitbestimmung in Großunternehmen
____4.3 Position 3: Neue Demokratieformen für Großunternehmen

5. Die Europäische Union: ein anderes Europa – sozial, ökologisch und antimilitaristisch
5.1 Für eine solidarische Währungsordnung
5.2 Steueroasen austrocknen, Tobinsteuer einführen
5.3 Für eine demokratische Außenhandelspolitik
5.4 Für eine neue Agrarpolitik

6. Strategien und Bündnisse auf dem Wege zu einer Alternativen Weltwirtschaftsordnung

1 EINLEITUNG

1. Selbstverständnis dieses Positionspapiers

(3) „Eine andere Welt ist möglich”. Weltweit eint dieser Slogan Globalisierungskritiker und gegner in ihrem Widerstand gegen die neoliberale Globalisierung. Wir sind nicht länger bereit, die Globalisierung wie einen Sachzwang oder gar als naturhaft-unausweichlich hinzunehmen. Indem wir die Möglichkeit von Alternativen propagieren, untergraben wir auch die Legitimation derjenigen, welche die konzerngesteuerte Globalisierung vorantreiben und von ihr profitieren. Die Zunahme von Armut in weiten Teilen der Erde, die immer größer werdende Kluft zwischen den reichen Industriestaaten und den armen Gesellschaften des Südens, die Ausbreitung von globalen Umweltproblemen sowie die Konzentration von ökonomischer und politischer Macht in Händen von transnationalen Konzernen zwingen uns, die treibenden Kräfte und Interessen hinter diesen Entwicklungen beim Namen zu nennen, aber auch gleichzeitig nach Auswegen zu suchen.

(4) „Wir setzen uns ein für eine ökologische und solidarische Weltwirtschaftsordnung” (Attac-Erklärung, Frankfurt 2002). Diese Zielmarke reicht auf Dauer genauso wenig aus wie der pure Appell, eine andere Welt sei möglich. Zunehmend wird in der globalisierungskritischen Bewegung selbst als auch in der hellhörig gewordenen Öffentlichkeit konkret nach unseren Alternativen gefragt. Diese Fragen wollen wir mit der vorliegenden Positionsbestimmung von Attac aufgreifen.

(5) Das „Positionspapier” beschreibt „Wege zu einer alternativen Weltwirtschaftsordnung”. Es gibt nicht den einen Königsweg, sondern zur Vielfalt der globalisierungskritischen Bewegung und von Attac selbst gehört auch eine Vielfalt von politischen und strategischen Wegen und Ansätzen. Das „Papier” bringt diese Vielfalt zum Ausdruck und soll zugleich einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über diese Wege anstoßen. Damit ist dieses „Papier” zugleich eine Station des Diskussionsprozesses, in dessen Verlauf sich diese Positionsbestimmung weiter differenzieren und verändern wird.

(6) Die Absicht des „Positionspapiers” ist es, das zum Ausdruck zu bringen, was allen Gruppierungen und Aktiven bei Attac gemeinsam, was Konsens ist. Damit kann dieser Konsens auch in der Gesellschaft breiter diskutiert und verankert werden. Genauso werden in dem „Papier” aber auch verbleibende Unterschiede und Differenzen bei Attac hinsichtlich der Zielbestimmung und der Wege zum Ziel deutlich gemacht. Darin sehen wir nicht eine Schwächung unseres Netzwerkes und der Bewegung; im Gegenteil: Je klarer Differenzen deutlich gemacht werden, umso lebhafter und fundierter kann der Diskurs darüber geführt werden. Die Lebendigkeit der politischen Auseinandersetzung bringt uns voran und bietet Orientierung für alle diejenigen, die Unbehagen an den Auswirkungen der Globalisierung empfinden.

(7) Das Spannungsverhältnis zwischen reformorientierten Globalisierungskritikern und radikalen Globalisierungsgegnern kann sich als förderlich für eine gemeinsame Wegstrecke zu einer alternativen Weltwirtschaftsordnung erweisen: Denn ohne langfristige Utopien laufen kurz- bis mittelfristig ansetzende Reformvorschläge Gefahr, von den herrschenden Kräften vereinnahmt zu werden; und ohne die Fähigkeit, konkrete und praktisch wirksame Reformen vorzuschlagen, verlieren radikale Utopien ihren Realitätsbezug.

(8) Attac ist ein Netzwerk innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung; dieses „Positionspapier” ist gerade aufgrund seiner Offenheit und Vielfältigkeit kein statisches Programm, vielmehr ein Zwischenergebnis. Es nimmt die Alternativansätze aus den unterschiedlichen Bewegungs- und Gruppenzusammenhängen auf. Ohne sich in detaillierten Einzelforderungen zu verlieren, will es Eckpunkte einer ökologischen, solidarischen und demokratischen Weltwirtschaftsordnung deutlich machen und damit öffentlich zur Diskussion stellen.

2. Wofür wir stehen: ethische Ausgangspunkte

(9) Alle Menschen sind zur Freiheit befähigt und zum sozialen Miteinander gebunden. Quelle dieser Fähigkeiten und Kapazitäten ist die jedem Individuum unlösbar zukommende Menschenwürde. Daraus ergeben sich die individuellen und die gemeinschaftlichen Grundwerte. Weil jedwedes Individuum undenkbar ist ohne soziale und gegenseitige Einbettung, stehen Gemeinschaften und Individuen gleichberechtigt nebeneinander. Freiheit findet ihren Ausdruck durch Vielfalt, Fairness und Verständigung. Gemeinschaft findet ihren Ausdruck durch Frieden, Verständigung und Fürsorge. Gerechtigkeit ist das gleichwertige Recht der Gemeinschaften und Individuen, der jetzt lebenden und der zukünftigen Generationen überall auf unserem Planeten, ihren eigenen Weg zu suchen, zu wählen und zu beschreiten.

(9.1) Re: 2. Wofür wir stehen: ethische Ausgangspunkte, 20.04.2004, 09:26, Wolf Göhring: "... ihren eigenen Weg zu suchen, zu wählen und zu beschreiten. "

Finde ich gut. Aber wie sieht es aus, wenn der eigene weg sich mit demjenigen anderer kreuzt? Wer muss von seinem "eigenen" weg abweichen? Ist der geaenderte weg noch der "eigene"?

Kleines beispiel, das sich auch heutzutage noch besichtigen laesst: Zwei nomadengruppen ziehen ihrer wege und treffen sich an dem einzigen wasserloch. Wer trinkt zuerst?

Mit andern worten: So ganz "eigen" kann die wegewahl nicht sein. Sie verlangt nach verfahrensweisen, um "in ehren" aus immer wieder auftretenden konflikten herauszukommen.

3. Zum Prozess – Vorbemerkungen der Redaktionsgruppe

(10) Beschlossen wurde beim Attac-Ratschlag im Januar 2003 (Göttingen), ein Positionspapier „Für eine ökologische und solidarische Weltwirtschaftsordnung“ zu erarbeiten. Der Attac-Ratschlag in Aachen (Okt. 2003) bekräftigte dieses Projekt mit der Zielsetzung, „dass auf dem Herbstratschlag 2004 eine Verabschiedung erfolgen kann“.

(11) Der AWWO-Diskussionsprozess bei Attac ist mittlerweile in Gang gekommen und gewinnt zunehmend an Fahrt. Aus der Diskussion im Wissenschaftlichen Beirat von Attac geht ein Buch „Alternative Weltwirtschaftsordnung“ hervor, das im Frühjahr 2004 im VSA-Verlag erscheinen wird. Auch auf Workshops und Seminaren beim McPlanet.com-Kongress im Juni 2003 in Berlin sowie auf der Attac-Sommerakademie im August 2003 in Münster wurde zum Papier gearbeitet.

(12) Am 13./14.03.2004 begann eine Serie von vier Regionalkonferenzen zur Diskussion des AWWO-Papiers in Tübingen (für Süddeutschland). Weitere Konferenzen folgen voraussichtlich im Juni in Hannover (Norddeutschland), im Juli im Ruhrgebiet (Westdeutschland) und im August im Rahmen der Attac-Sommerakademie in Dresden (Ostdeutschland und alle weiteren Interessierten). Etlichen Lokalgruppen von Attac arbeiten zur AWWO-Thematik und haben z. T. schon öffentliche – auch kontrovers angelegte – Diskussionsveranstaltungen dazu durchgeführt.

(13) Informationen zum AWWO-Diskussionsprozess (Zweiter Entwurf, Verfahren für Änderungsvorschläge, Regionalkonferenzen, ReferentInnen, Webforum, weiterführende Texte u.a.) finden sich auf der Webseite der AWWO-AG unter http://www.attac.de/awwo/. Die Redaktion ist unter zu erreichen; die öffentliche Mailingliste zum Papier hat die Adresse . Die AWWO-Redaktionsgruppe (Markus Göker, Eberhard Schlecht, Oliver Schmidt, Eckhard Stratmann-Mertens)

I. DIE HERRSCHENDE WELTWIRTSCHAFTSORDNUNG FÜHRT DIE MENSCHHEIT IN DIE SACKGASSE

(14) Die Globalisierung ist ein Umbruch von historischen Dimensionen. Sie verändert die Gesellschaften und die Kulturen mit enormem Tempo und greift tief in unsere Lebensbedingungen ein. Ihr Leitbild ist derzeit der Neoliberalismus mit dem Versprechen, die Globalisierung bringe Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle. Dies hat sich jedoch nicht erfüllt, im Gegenteil. Wirtschaftswachstum durch Freihandel löst nicht die weltweiten Probleme der Armut und der globalen und nationalen Umweltzerstörung, sondern bedingt sie vielmehr und führt so zu einer doppelten Ausbeutung.

1. Folgen der neoliberalen/kapitalistischen Globalisierung

(15) * Die soziale Kluft zwischen Nord und Süd wird tiefer. Während die Reichen immer reicher werden, wächst die Armut in der Dritten Welt. Das durchschnittliche Einkommen des reichsten Fünftels der Weltbevölkerung entwickelte sich im Verhältnis zu dem des ärmsten Fünftels (v.a. in Afrika südlich der Sahara und Südasien) von 30:1 im Jahre 1960 auf 60:1 in 1990 und auf 74:1 in 1997. 2,4 Mrd. Menschen leben von weniger als zwei US-Dollar täglich.

(15.1) Re: 1. Folgen der neoliberalen/kapitalistischen Globalisierung, 20.04.2004, 09:58, Hanna Behrend: Der Begriff Gewerkschaften taucht in dem Positionspapier nur einmal und dann eher nichtssagend auf. Müsste nicht auf die Tatsache eingegangen werden, dass eine starke internationale Organisationen der Lohnabhängigen nötig wäre, um den gemeinsamen Interessen der global players, den Wert der Ware Arbeitskraft überall auf das Niveau der billigst Arbeitenden herabzudrücken, eine gemeinsame Front entgegen zu stellen, die auf einem existenzsichernden, weltweit verbindlichen Mindestlohn besteht?

(16) * Die ungleiche Verteilung des Reichtums wird ermöglicht durch eine analoge Ungleichverteilung der Ressourcen- und Umweltnutzung. Derzeit werden rund 80 % der weltweiten Ressourcen für den materiellen Wohlstand von 20 % der Menschheit in Bewegung gesetzt. Die Umweltschäden sammeln sich in den unteren Produktionsstufen bei den armen Ländern, die Wohlstandsökonomien genießen das Endprodukt.

(17) * Steigender internationaler Handel bedeutet beschleunigte Stoffströme sowie steigenden Verkehr, Steigerung des Energieverbrauchs und der Schadstoff- und Treibhausgasemissionen. Das Ergebnis ist eine Verknappung von Ressourcen für zukünftige Generationen.

(18) * Durch Finanz- und Wirtschaftskrisen werden über Nacht ganze Volkswirtschaften ruiniert und verlieren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz. Die Armut ist in die Industrieländer zurückgekehrt. Armut und Globalisierung ziehen eine krasse Zunahme sexistischer und struktureller Gewalt gegen Frauen nach sich, z. B. den transnationalen Handel mit Frauen und Kindern. Die Deregulierung der Arbeitsmärkte und der Sozialabbau werden wesentlich mithilfe unter- und unbezahlter, flexibler Frauenarbeit vollzogen.

(19) * Kulturelle Vielfalt wird durch eine ökonomisch mächtige Kulturindustrie eingeebnet. Die Suggestivkraft von Werbung und Markenlogos bestimmt immer stärker Wertorientierungen und gesellschaftliche Leitbilder.

(20) * Die zentrale Steuerung der Transnationalen Konzerne nach rein kommerziellen Gesichtspunkten führt zu einer Entmenschlichung der Beziehungen. Es wird nur noch die Erfüllung von Funktionen und Vorgaben gefordert, nicht ein kreatives Mitgestalten und Mitbestimmen zugelassen.

(21) * Neben anderen Gründen sind es hegemoniale Interessen und neue Rohstoffquellen (Öl und Gas), zu deren Sicherung reiche Industriestaaten zunehmend militärische Planungen und kriegerische Interventionen durchführen. Sie begünstigen damit politische Destabilisierung und dies ist ein Grund für Gewalt, Krieg und Terrorismus, sowie für die Aushöhlung demokratischer Rechte.

(21.1) 20.04.2004, 11:17, Wolf Göhring: "... zu deren Sicherung reiche Industriestaaten zunehmend militärische Planungen und kriegerische Interventionen durchführen":

Das "zunehmend" bezweifele ich. Das ging vor 100 (!) jahren los, als die britische marine von kohle auf oel umstellte und dazu die british oil gruendete, die sofort am golf oelfelder erschloss und unter ihre (koloniale) kontrolle brachte.

Der 2. weltkrieg wurde von den deutschen faschisten nicht zuletzt des zugangs zu rohstoffen vom zaun gebrochen. Hitlers vorstoss auf stalingrad galt dem kaspischen oel.

In jener zeit gab es bereits us-amerikanische militaerische interventionen in lateinamerika wegen des zugangs zu oel (verdeckte und offene interventionen).

2. Was bedeutet „Globalisierung“? – Begriffsklärungen

(22) Allgemein kann Globalisierung als die Entstehung einer weltweiten, überregionalen Ebene verstanden werden. Sie geht einher mit einer Unterordnung der nationalen, regionalen und lokalen Einheiten unter die Macht- und Funktionsimperative der globalen Ebene.

(23) Neu am derzeit stattfindenden Prozess der Globalisierung ist Umfang und Tiefe der den gesamten Globus umfassenden Kapitalisierung der Welt. Wesentlich für diesen Prozess ist die Tendenz der globalen Zerstörung von Selbstversorgungswirtschaften und regionaler Wirtschaftsformen zur Schaffung von globalen Märkten und abhängigen Konsumenten. Von 1950 bis 2000 wuchs die Weltwirtschaftsleistung (gemessen am BIP) „nur” um mehr als das Sechsfache, die internationalen Handels- Kapital- und Finanzströme stiegen aber um ein Vielfaches. Seit etwa Mitte der neunziger Jahre haben auch Unternehmenszusammenschlüsse und Firmenübernahmen an Häufigkeit und Transaktionsvolumen drastisch zugenommen. Die Transnationalen Konzerne wickeln einen zunehmend großen Teil des Welthandels konzernintern ab.

(24) Darüber hinaus meint Globalisierung auch das (politische) Vorantreiben dieses komplexen Prozesses. Dies ist ein politisch gestalteter und gestaltbarer Prozess und wird getragen und forciert vor allem WTO, IWF und Weltbank, die in unterschiedlichem Maße auf das nationalstaatliche Recht einwirken.

3. Triebkräfte der Globalisierung

3.1 Freihandelsdoktrin

(26) „Freihandel“ meint unbeschränkten Warenaustausch zwischen Nationalstaaten oder größeren oder kleineren Regionen. Das Gegenteil von Freihandel bedeutet dementsprechend nicht die Abwesenheit von Handel zwischen solchen Einheiten, sondern dessen Regulierung durch Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen oder Schutzzölle. Die Freihandelsdoktrin geht davon aus, dass Freihandel im jedem Fall für alle beteiligten Regionen von Vorteil sei und selbst zwischenzeitliche Ungleichheiten durch den vom Freihandel hervorgerufenen allgemeinen Produktionszuwachs bei weitem aufgewogen würden. Die von IWF, Weltbank und WTO durchgehend vertretene Doktrin beruft sich unter anderem auf die deutlich vorteilhafte ökonomische Entwicklung von Nationen, die sich für den Freihandel geöffnet haben.

Position 1 („Globalisierung gerechter gestalten“; vgl. II.2.1):

(27) Freihandel ist als eine Form friedlichen, gleichberechtigten (z. B. nicht von marktverzerrenden Institutionen geprägten) Austausches zwischen Völkern und Regionen wünschenswert; Freihandel als eine Form konzerngesteuerter Wirtschaft, frei von staatlicher und gesellschaftlicher Kontrolle sowie frei von Verantwortung für die Natur und die kommenden Generationen ist dagegen abzulehnen. Märkte brauchen national wie international einen demokratisch fundierten Rahmen, der ordnet, lenkt und erhält. Nur Volkswirtschaften, deren Regelsystem diese Funktionen ausfüllen kann, können erfolgreiche Marktwirtschaften ausbilden und erfolgreich am internationalen Handel teilnehmen. Noch nicht hinreichend entwickelte Volkswirtschaften müssen zunächst mit Hilfe protektionistischer Maßnahmen ihre Position stärken; erst anschließend können sie am internationalen Freihandel erfolgreich teilnehmen. Die Verfechter der Freihandeldoktrin verwechseln dagegen Ursache und Wirkung.

Position 2 (Entglobalisierung; vgl. II.2.2):

(28) Freihandel ist in jedem Fall abzulehnen. Freihandel widerspricht unter anderem dem Ziel einer Internalisierung von sozialen und ökologischen Kosten und führt im Gegenteil zu einem globalen Standardsenkungswettbewerb. Selbst wenn dem durch internationale Vereinbarungen entgegengewirkt werden könnte, widerspricht Freihandel immer noch den Vorteilen, die eine starke Regionalisierung der Wirtschaft für Demokratie und Ökologie hat und zwingt zu einer Spezialisierung, die unabhängige Produzenten zu abhängigen Konsumenten macht.

3.2 Wachstumsdoktrin

(29) Unstrittig ist, dass das Wachstum des industrialisierten Nordens seit der Kolonialzeit wesentlich auf asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen beruht, die die Ausbeutung von Ressourcen aus dem Süden erlauben. Eine Nachahmung des westlichen ressourcenintensiven Entwicklungsmodells durch die sog. Entwicklungsländer hingegen würde die ökologischen Dimensionen des Planeten und damit auch die Basis aller ökonomischen Aktivitäten sprengen.

Position 1 „Kapitalismus braucht Wachstum“:

(30) Globalisierung ist die Folge des kapitalistischen Wachstumszwanges. Kapitalismus kann ohne Wachstum nicht existieren; er treibt die Unternehmen zu ständiger Expansion. Wachstumstheorien versuchen sich in Begründungen dafür, dass unendliches Wachstum möglich sei. Selten aber wird gefragt, warum Wirtschaftswachstum überhaupt notwendig ist.

(30.1) Re: Position 1 „Kapitalismus braucht Wachstum“:, 22.04.2004, 11:28, Uwe Kellermann: Richtig! Kapitalismus kann ohne Wachstum nicht existieren. Aber Marktwirtschaft kann ohne Wachstum existiern. Der Wachstumszwang resultiert aus der Notwendigkeit von Zinsen im heutigen Geldsystem als Prämie für den Verzicht auf Liquidität. Der so notwendig positive Zins ist die Ursache für den Wachstumszwang und KAPITALismus.

Position 2 „Abschied vom Wachstum“:

(31) Wirtschaftswachstum ist die Folge einer expliziten makroökonomischen Zielsetzung. National wie global ist Wachstum das zentrale Ziel aller wirtschaftspolitischen Anstrengungen. Armut ist in der Sichtweise von IWF, Weltbank und WTO das Resultat eines zu geringen Wirtschaftswachstums. In den Wachstumsrechnungen anhand der Indikatoren Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder Bruttosozialprodukt (BSP) wird generell nur bilanziert, was in Geldwerten erfasst wird. Außerdem werden alle Transaktionen positiv bilanziert, gleichgültig, ob es sich dabei um gesellschaftlich oder ökologisch nützliche oder schädliche Aktivitäten oder um Reparaturkosten handelt.

(32) Alternative Indices für wirtschaftlichen Wohlstand wie der GPI (Genuine Progress Indicator), die auch Faktoren wie Ressourcenbestand, Umweltverschmutzung, Freizeit, Gesundheit, Kriminalität, Verteilungsgerechtigkeit, Arbeitslosigkeit sowie unbezahlte Arbeit in Ehrenamt und Haushalt einbeziehen, deuten darauf hin, dass in den Industriestaaten ab einem Wendepunkt, der zwischen ca. 1970 (USA) und ca. 1980 (BRD) lag, die durchschnittliche Lebensqualität bei anhaltendem BIP-Wachstum sinkt. Eine Steigerung des Pro-Kopf-BIP kann zeitweilig mit einer Erhöhung der Lebensqualität einhergehen, dann jedoch in das Gegenteil umschlagen. Durch Bodendegradation, Rodung von Wäldern, Artenschwund, Klimawandel, Absinken des Grundwasserspiegels, Umweltgifte etc. wird mit den natürlichen Lebensgrundlagen auch die ökonomische Basis von unzähligen Haushalten zerstört – besonders bei jenen zwei Milliarden Menschen, die direkt vom Zugang zur Natur leben.

(32.1) 22.04.2004, 13:06, Uwe Kellermann: Völlig richtig, für die Messung des Wohlstands braucht es andere Indices als die Steigerung des BIP. Der BIP-Wachstumszwang wird jedoch dadurch nicht ungültig. Der Zwang zum BIP-Wachstum resultiert aus dem heutigen Geldsystem. Einen systembedingten Zwang zur Steigerung des Wohlstandes und der Lebensqualität (z.B. gemessen durch GIP) gibt es leider nicht.
Will man Wohlstand und Lebensqualität sichern und ausbauen, muß man sich ab einem gewissen Entwicklungsstand zwangsläufig vom Wachstum des BIP verabschieden.

Position 3 „Zukunft des Wachstums“:

(33) Die ökologische Problematik muss zwar in der vollen Breite anerkannt werden, aber BIP-Wachstum wird sich durch technologischen Fortschritt und Umschichtungen innerhalb und zwischen den Wirtschaftssektoren vom Naturverbrauch entkoppeln lassen. BIP-Wachstum ist nicht nur möglich, sondern notwendig, auch um das Umweltproblem zu lösen.

(33.1) Re: Position 3 „Zukunft des Wachstums“:, 22.04.2004, 13:44, Uwe Kellermann: Da treiben wir den Teufel mit dem Beelzebub aus oder was?

3.3 Neue technologische Möglichkeiten und Bedingungen

(34) Die ökonomische Globalisierung ist untrennbar verbunden mit der Entwicklung von Technologien, welche die Nutzbarmachung natürlicher Ressourcen, weltweiter Gesellschaften und Individuen für das westliche Entwicklungsmodell erst ermöglichen. Dieselben entgrenzenden Technologien tragen zur Verbreitung von Informationen, Lebensstilen, Produkten, Rechtsnormen und Infrastruktur bei. Begleitet wird diese geografische Entgrenzung von einer zeitlichen Beschleunigung bislang ungekannten Ausmaßes.

(35) Satelliten, Glasfasernetze und Computertechnik ermöglichen es heute, in Sekundenbruchteilen Milliarden von Datenpaketen über den Erdball zu jagen. Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen persönliche Kontakte und Geschäfte auch mit abgelegensten Personen und Regionen. Ressourcenextraktion ist heute wesentlich effektiver und in größerem Umfange möglich durch den Einsatz moderner computergesteuerter Maschinen. Katalytisch wirken dabei die immer effektiver, schneller und günstiger werdenden Transporte der entstehenden Stoffströme. Lebensgefährliche und gesundheitsschädliche Tätigkeiten werden von Maschinen übernommen. Arbeitserleichternde technologische Unterstützung bieten den Menschen eine humanere Arbeitswelt. Die technologische Entgrenzung entspricht dem Erfindergeist des Menschen und ist auch politisch gewollt.

(36) Viel zu wenig werden die „Technikfolgeabschätzung“ und die Forderungen an eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensform bei der politischen Förderung von Technologien berücksichtigt. Solche Technologien stehen für unzählige Bereiche längst zur Verfügung.

(37) Komplexe Technologien ziehen neue Grenzen durch die Gesellschaften. Sie erfordern lange, teure Ausbildungszeiten. Durch die Spezialisierung im Arbeitsprozess wird der Einzelne immer abhängiger von seiner ausgeübten Tätigkeit. Er empfindet sich dabei immer mehr als ein Rädchen im Getriebe, das sich zunehmend glücklich schätzt, wenn es am Produktionsprozess überhaupt noch Teil haben darf. Somit trägt die technologische Entwicklung auch zu einer Form „sozialer Entropie“ bei.

3.4 Transnationale Konzerne (TNK)

(38) International operierende Unternehmen umschlingen die Welt wie eine Krake und bestimmen, wohin das Geld wandert und welche Güter wo auf dieser Welt produziert werden. Die großen Anteilseigner der TNK, ihre angestellten Verwalter und ihre politischen Sachverwalter bilden eine weltweite, immer homogenere herrschende Klasse. Seit der Druck der Gegenmächte von ihnen genommen ist, errichtend sie zunehmend ein globales totalitäres System.

(39) TNK tragen weltweit unter dem Strich zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit bei. Ihre Nettobeschäftigungseffekte sind negativ. Durch ihre enorme Durchsetzungsfähigkeit und globale Verlustverteilung zahlen die TNK kaum Steuern, erhalten hohe Subventionen und tragen damit in vielen Fällen zur explosiven Staatsverschuldung bei.

(40) Durch die TNK wird weltweit der Graben zwischen Verlierern und Gewinnern immer tiefer. Anstatt den Einkommensabstand zu beheben, erweitern die TNK durch ihre Weltmarktbeherrschung und ihr Profitstreben die Kluft, treiben einen Großteil der Weltbevölkerung in die Armut, bauen zunehmend die Demokratie ab und bewirken wachsenden Reichtum nur für eine Minderheit. Ihre bewaffneten Wächter treiben Bürgerkrieg nach innen und Eroberungskrieg nach außen. Sie zerstören systematisch die Natur und beschwören eine Klimakatastrophe herauf.

3.5 Globale Finanzströme und ihre Institutionen (IWF/Weltbank)

(41) Eine mächtige Triebkraft der wirtschaftlichen Globalisierung sind die internationalen Finanzmärkte. Sie entstanden mit der Auflösung des Systems fester Wechselkurse und der daran anschließenden, auch vom IWF vorangetriebenen Liberalisierung der Finanz- und Bankenmärkte.

3.5.1 Freigeldposition

(42) [Anm. d. Red.: Obwohl hier keine Gegenposition aufgeführt ist, ist die Freigeldtheorie innerhalb von ATTAC umstritten und wird von vielen nicht geteilt.] Geld ist per se kein gerechtes Tauschmittel. Der Wert von Gütern ist zeitabhängig, bei Knappheit hoch, bei Überfluss oder mit Alterung nieder. Dies gilt noch extremer bezüglich Arbeitskraft. Nicht angewandte Arbeit ist verloren. Geld dagegen unterliegt diesem Angebotsdruck prinzipiell nicht. Der Geldbesitzer ist gegenüber allen anderen Wirtschaftsteilnehmern hoch privilegiert.

(42.1) Re: 3.5.1 Freigeldposition, 20.04.2004, 14:27, horst ??: übrigens geld ist arbeit, also arbeit kann ausgedrückt werden in geld. die arbeit wird nur unterschiedlich bewertet, also unterschiedlicher lohn. wirklich kritisch muss mensch also mit der arbeit selbst sein und nicht mit der existenz der arbeit als geld. die ganze arbeit muss aufgehoben werden, die entfremdung aufgehoben werden. was soll sich bitte durch keinen zins etc. schon groß verändern? die ungerechte weltwirtschaftsordnung, die armen länder als rohstofflieferant usw. würde so erhalten bleiben. wenn schon die welt verändern dann richtig, bzw. so das es überhaupt zu etwas führt.

(43) Die kapitalistische Komponente unseres Wirtschaftssystems basiert auf dem Zins als Anreiz zur langfristigen Anlage von Geldvermögen. Den Unternehmen kann Geld somit langfristig als Kredit gegen Bezahlung von Zinsen für Investitionen zur Verfügung gestellt werden. Dank dieser Investitionen vermehrt sich das Kapital, die allgemeine Produktivität und damit der Wohlstand. Mit zunehmender Vermehrung und Verfügbarkeit des Kapitals sinkt jedoch der Zins, auch weil Unternehmen bei weitgehender Marktsättigung in den Industrieländern keine hohen Kreditzinsen mehr bezahlen können. Langfristig können wir froh sein, wenn die Unternehmen unser Vermögen bewahren können, d. h. sich ein Zinssatz von 0 ergibt, andererseits werden Vermögen bei einem Zinssatz von 0 nicht mehr langfristig angelegt. Durch diese Entwicklung legen viele Anleger ihr Geldvermögen immer kurzfristiger und spekulativer an und die Menschen halten immer höhere Bargeld- und Girokontobestände. Im Jahre 2002 hatten 80 % der weltweiten Kapitalflüsse von ca. 2.000 Mrd. €/Tag eine Anlagedauer von 7 Tagen.

(43.1) 20.04.2004, 11:32, Wolf Göhring: Der islamische kapitalismus machts ganz ohne zins. Die scharia verbietet den zins. Um dem dollar pari zu bieten, haben die islamischen laender die islamische bank gegruendet, ca. 24 milliarden $ kapital. Diese fuehrt den islamischen (gold)dinar als zahlungsmittel fuer diese staaten ein (ca. 1,2 milliarden bewohner).

Vermutlich wird dieser dinar aus bundesbankschaetzchen gepraegt.

Ich bin mal gespannt, wie dieser "clash" der oekonomien ausgeht.

(44) Die ständig über den Wachstumsraten liegenden Zinssätze tragen wesentlich zu einer Umverteilung des Reichtums bei von der Arbeit zum Besitz, national und zwischen den Staaten (Nord/Süd). Immer größere Kapitalakkumulationen suchen nach Renditemöglichkeiten und erzwingen die Privatisierung öffentlicher Bereiche.

(44.1) 20.04.2004, 11:35, Wolf Göhring: Aufn sparbuch mit gesetzlicher kuendigungsfrist gibts derzeit noch 0,75 % zins. Da sind wir doch schon nahe dran am "idealzustand".

(45) Diese Situation war in der Vergangenheit immer der Ausgangspunkt für Kolonialisierung und Krieg. Somit ist unser derzeitiges Zinssystem die entscheidende Ursache für die von IWF und Weltbank durchgesetzte weltweite Neoliberalisierung, für steigende Rüstungsaufgaben und systemimmanente Kriege, die ca. alle 70 Jahre die angehäuften Vermögen (und damit verbundenen Staatsschulden) wieder reduzieren.

(46) Ein weiterer Aspekt zeigt die Krisensituation: Arbeiter können solange am Wohlstand partizipieren, wie die reale Zinsrate unterhalb der realen Wachstumsrate des Sozialproduktes liegt. Das Wirtschaftswachstum ist seit dem Zweiten Weltkrieg unverändert bei 250 Mrd. € pro Jahrzehnt, d. h. es wird prozentual immer weniger und sinkt stärker als die Zinsrate. Damit wachsen die Geldbestände schneller als die allgemeine Wirtschaft, die Kaufkraft der Arbeitnehmer wird geringer, da die Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind. Während das BIP seit 1991 um 9 % gewachsen ist und die Nettolöhne um 2 % gesunken sind, wuchsen Zinserträge und Geldvermögen real um 60 %. In 2001 haben die Banken in Deutschland ihren Anlegern 391 Mrd. € oder 66 % der Nettolöhne gut geschrieben. Für eine gerechtere Geldwirtschaft muss somit der Zins letztlich gegen Null sinken.

(46.1) 20.04.2004, 11:43, Wolf Göhring: Marx' darstellung des mehrwerts, der aus unbezahlter mehrarbeit resultiert, erhellt die chose etwas richtiger. Am mehrwert haengt dann auch der profit, dessen rate und deren tendenzieller fall.

Der fall der profitrate ist nur deshalb "tendenziell", weil es eine reihe von manoevern gibt, diesen fall zu umgehen. Das einfachste manoever ist schlichtweg die vernichtung von kapital, sei es mit der abrissbirne, sei es mit 1000-kg-bomben.

3.5.2 Verschuldung

(47) Die anhaltende Bereicherung eines kleines Teils der Weltbevölkerung in den reichen Ländern des Nordens auf Kosten der Mehrheit der Menschen im Süden ist einer der Hauptgründe für globale, häufig gewaltsam ausgetragene Konflikte. Die Verschuldung des Südens bei nördlichen Gläubigern ist dabei einer der wichtigsten Mechanismen von Bereicherung/Verarmung.

(48) Ein strukturelles Problem kann nicht durch einzelne Schuldenerlasse allein überwunden werden. Vielmehr müssen die Beziehungen zwischen Schuldnern und Gläubigern auf eine neue Grundlage gestellt werden. So wie auf nationaler Ebene insolvenzrechtliche Verfahren die Interessen beider Parteien zu einem einigermaßen fairen Ausgleich bringen, müssen auch souveräne Schuldner im Süden durch rechtsstaatliche Verfahren geschützt werden.

3.5.3 Rolle von IWF und Weltbank

(49) Die Weltbank und der IWF sind die Träger der nach dem Zweiten Weltkrieg in Bretton Woods entstandenen Weltfinanzordnung. Die von ihnen finanzierten Großprojekte stehen einer lokalen eigenständigen Entwicklung oft entgegen.

(50) Die neoliberale Ideologie des „Washington Consensus” überhöhte den IWF zu einem Machtinstrument, um die neoliberale Doktrin durchzusetzen, ohne Ansehen spezifischer Situationen von Volkswirtschaften. Lange genug hat der IWF als Krisenmanager – in Asien 1997/98, Brasilien 1998/99 und Argentinien 2001 – versagt. Immer wieder intervenierte er in den Krisen-Ländern, um als Schuldeneintreiber das Kapital der ausländischen Gläubiger und Kapitalanleger zu retten.

(51) Im IWF und in der Weltbank haben die USA eine Vetoposition und zehn Industrieländer zusammen eine absolute Mehrheit. Sie bestimmen damit die internationale Finanzordnung allein, und sie richten sich dabei oft nach den Interessen von Banken und Multis und nicht nach denen der Menschen in jenen 130 Entwicklungsländern, die zusammen nur rund 33 % der Stimmen halten.

(52) Die globalisierten Finanzmärkte verlangen stabile Währungen, ausgeglichene Budgets und Rückzahlung der Auslandsschulden. Nötig ist daher die Erwirtschaftung von Exportüberschüssen und Devisen. Für die Entwicklungsländer bedeutet dies hauptsächlich den Verkauf ihrer natürlichen Ressourcen. Fallende Preise und Währungen führen zu weiter steigender Ressourcenextraktion, um den Geldwert der Exporte stabil zu halten. Die damit gegebene Verschlechterung der Handelsbedingungen sind ein herausragender Faktor sowohl für die Armutsentwicklung in vielen Regionen der Welt als auch – damit zusammenhängend – für die Wohlstandsgewinne in den Industriestaaten.

3.6 Das Welthandelssystem

(53) Die Welthandelsorganisation (WTO) ging 1995 aus dem GATT von 1947 hervor, dessen Unterzeichner sich auf freihändlerische Prinzipien verpflichteten. Der Geltungsbereich dieser Prinzipien wurde ausgeweitet und zugleich wurden deutliche Senkungen der Durchschnittszölle erreicht. Durch die 1994 abgeschlossene Uruguay-Runde des GATT verteilt sich der Zuwachs des Welthandels infolge der beschlossenen Handelsliberalisierung zu gut zwei Dritteln auf die OECD-Wirtschaften und zu knapp einem Drittel auf den „Rest der Welt”. Die WTO-Prinzipien unterminieren stringente Standards für die einheimische Wirtschaft und stehen im Widerspruch zu einigen multilateralen Umweltabkommen.

(54) Viele arme Länder können ihre Interessen nicht in die Verhandlungsprozesse der WTO einbringen, obwohl formal das Prinzip „one country – one vote” gilt. Gleichzeitig sind die Kosten der administrativen Umsetzung von WTO-Abkommen enorm. Die Rechtsprechung andererseits geschieht durch das WTO-Streitschlichtungsverfahren, das von Handelsjuristen ausgeübt wird.

(55) Der Agrarsektor wurde mit dem „Agreement on Agriculture (AoA)“ erst 1995 in die multilaterale Welthandelsordnung einbezogen. Diese Einbeziehung ist sehr dürftig, da Agrarlobbys und Regierungen der Industrieländer bisher keine substantiellen Angebote gemacht haben, die den Interessen der Entwicklungsländer entgegen kommen. Exportsubventionen machen Überschüsse so billig, dass sie auf ausländischen Märkten verkauft werden können. Die OECD-Landwirte erhielten 2001 rund 230 Milliarden US-$ an Subventionen, das waren rund 35 % (21 %) der Einkommen der EU(US-)-Landwirte.

(56) Das TRIPS-Abkommen soll geistiges Eigentum international schützen, vor allem durch die Schaffung und Durchsetzung weltweiter Patentrechte. Für TNK sind geistige Eigentumsrechte eine wichtige Einrichtung zum Ausbau und zur Festigung ihrer marktbeherrschenden Stellung. Das TRIPS-Abkommen ermöglicht die privatwirtschaftliche Ausbeutung genetischen Materials („Patent auf Leben“) und bringt dadurch die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern zunehmend unter die Kontrolle der Pharma-Unternehmen. Dies führt zu einem radikalen Verlust an agrarischer Biodiversität.

(57) Aufgrund dieser schweren Mängel hat diese WTO keine Legitimation als multilaterales Forum. Diese Sicht wurde durch das Scheitern der WTO-Ministerkonferenz von 2003 (Cancún) bestätigt. Das Welthandelssystem steht an einem Scheideweg. Eine „kosmetisch korrigierte“ Fortführung der oben beschriebenen Strukturen , ein verschärfter aggressiver Unilateralismus oder eine spürbare Veränderung der Spielregeln stehen zur Diskussion.

3.7 Globale Machtasymmetrien schaffen Gewaltpotenziale

(58) Die ungleiche und asymmetrische Entwicklung, die sich in und zwischen den verschiedenen Gesellschaften und Nationen auf der Grundlage der kapitalistischen Wirtschaftsordnung unter neoliberalem Regime ergibt, wird durch die Kriege gestärkt, welche die G 8-Staaten führen und geführt haben sowie durch viele Kleinkriege in einer ganzen Reihe von Ländern der Peripherie. Die Opfer sind in der Mehrheit Frauen und Kinder.

(59) In diesen Kriegen geht es um weltweite oder regionale Vorherrschaft, um die Kontrolle wichtiger Rohstoffe, um die Kontrolle von Waren- und Finanzmärkten, um die Kontrolle von Migrationströmen oder um den verzweifelten Kampf um Überlebenschancen.

(60) Die politische Ökonomie der westlich dominierten Weltgesellschaft bereitet auf diese Weise nicht zuletzt die Grundlage für terroristische Aktivitäten. Diese Entwicklungen in der Welt wie ethnische Massaker, Vertreibungen, Terror liefern gleichzeitig die willkommenen Vorwände, um unter Verweis auf die Aufrechterhaltung des westlichen Wertehorizonts (Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Marktwirtschaft, die Achse des Guten) die nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ende des Kalten Krieges entwickelten und anerkannten rechtlichen Standards (UN-Charta, Menschenrechte, Völkerrecht, Genfer Konvention) massiv zu de-regulieren. Ein Beispiel hierzu ist die Nichtanerkennung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag durch die USA.

3.8 Die EU: Motor der Globalisierung

3.8.1 Position 1 („EU-kritisch“)

(62) Die Europäische Union gehört zu den Organisationen, die der Motor der neoliberalen bzw. kapitalistischen Globalisierung sind. Sie hat die Ideologie des Freihandels und der Liberalisierung der Kapitalströme innerhalb Europas weit schneller und entschlossener umgesetzt als die internationalen Handels- und Finanzinstitutionen auf globaler Ebene. Damit wurde in den EU-Mitgliedstaaten in weiten Teilen das vorgelebt, was heute weltweit durchgesetzt werden soll.

(63) Schlüsselprojekt Binnenmarkt: Schon seit den 60er Jahren können in Europa Waren grenzüberschreitend ohne Hindernisse gehandelt werden. Nach und nach wurde auch der Handel mit Dienstleistungen liberalisiert, grenzüberschreitende Investitionen wurden geschützt, Kapitalverkehrsbeschränkungen beseitigt und Regeln für den Schutz des freien Wettbewerbs eingeführt.

(64) Während der Verwirklichung des Binnenmarktprojektes stieg die Erwerbslosigkeit nahezu ununterbrochen. Die Durchsetzung des neoliberalen Wirtschafts- und Wachstumsmodells und die drastische Ausweitung des LKW-Verkehrs haben zu einem massiven Anstieg des Verbrauchs natürlicher Ressourcen und der Umweltzerstörung geführt, dem die EU-Umweltpolitik trotz einzelner Erfolge nichts entgegensetzen konnte. Trotz dieser schlechten Bilanz soll das Binnenmarkt-Modell jetzt im Rahmen der EU-Osterweiterung im wesentlichen unverändert auf die Beitrittsstaaten übertragen werden.

(65) Der Euro: [Die in diesem Abschnitt zum Ausdruck kommende Kritik am EU-Stabilitätspakt und an der Geld- und Zinspolitik der Europäischen Zentralbank ist strittig: Die dahinter zum Vorschein kommende neo-keynesianische Position widerspricht der Wachstumskritik, wie sie an anderer Stelle in diesem Entwurf formuliert wird (vgl. Kap. II. 1.1 Position 1: Abschied vom Wachstum).] Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) und die Einführung des Euro Anfang 2003 sind ein wesentlicher Schritt zur Vollendung des Europäischen Binnenmarktes. Eine gemeinsame europäische Währung kann dazu beitragen, auch über Europa hinaus schädliche Wechselkursschwankungen sowie ihre spekulative Ausnutzung zu verhindern und die Koordinierung der Währungspolitik zu erleichtern. Mit den Grundpfeilern der EWWU werden allerdings die Weichen in eine Richtung gestellt, die im Hinblick auf ein demokratisches und solidarisches Europa höchst fragwürdig sind: Der europäische Stabilitätspakt schreibt die Verringerung der Haushaltsdefizite und der Staatsverschuldung verbindlich vor, ohne dabei Rücksicht auf die wirtschaftliche und soziale Situation in den Mitgliedstaaten zu nehmen. So wird nicht nur eine konjunkturfördernde Wirtschaftspolitik in Zeiten der Krise völlig verhindert. Die Verpflichtungen durch den Stabilitätspakt haben auch in zahlreichen Ländern zur Kürzung sozialer Leistungen geführt.

(66) Die Geldpolitik, vor allem die Bestimmung der Leitzinssätze, ist einer unabhängigen Europäischen Zentralbank übertragen, die vor allem dem Ziel der Inflationsbekämpfung verpflichtet ist. Während sich Kapitalanleger dadurch auf hohe Renditen ohne große Inflationsrisiken verlassen können, werden arbeitsmarktpolitische und konjunkturelle Auswirkungen der Geldpolitik vernachlässigt. Auch international läuft eine übermäßig stabilitätsorientierte Geldpolitik die Gefahr, eine Konkurrenz mit dem Dollar und anderen Währungen um die niedrigste Inflation und damit die höchsten Renditen zu provozieren, welche ausschließlich den Kapitalanlegern nützt.

(67) Agrarpolitik: Über die Hälfte des Finanzhaushalts der Europäischen Union wird für die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ausgegeben. Noch immer steht dabei die Steigerung der Produktionsmengen im Vordergrund. Das führt unter anderem dazu, dass hoch subventionierte landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der EU an der Zerstörung regionaler Märkte in Entwicklungsländern beteiligt sind, Böden und Grundwasser verseucht werden und Methanemissionen nicht unerheblich zur Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen. Diese Form der Agrarsubvention muss gestoppt werden, nicht nur weil sie in der bisherigen Form nach der geplanten Osterweiterung nicht mehr finanzierbar erscheint.

(68) Die Rolle der EU bei der weltweiten Handelsliberalisierung: Zuletzt bei der Eröffnung einer neuen Verhandlungsrunde zur Liberalisierung des Welthandels in Qatar Ende 2001 hat sich die EU (Ministerrat und Kommission) als treibende Kraft bei der Handelsliberalisierung gezeigt. Während offiziell die Chancen der Liberalisierung für die Entwicklung armer Länder betont werden, erweist sich die EU hinter den Kulissen als harte Fürsprecherin der Expansionsinteressen der europäischen Industrie.

(69) Das Ziel „wettbewerbsfähigster Wirtschaftsraum der Welt“: Welche Ziele sie mit ihrer Politik verfolgen, haben die EU-Regierungschefs mit einer im Jahr 2000 in Lissabon verabschiedeten Strategie deutlich gemacht: innerhalb von zehn Jahren soll die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt werden. Dass dieses Wachstum der Mehrheit der Menschen nicht zu Gute kommen wird, ist absehbar: Ebenso wie die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes zu mehr statt weniger Arbeitslosigkeit geführt hat, wird auch die Fortsetzung der Liberalisierungs- und Deregulierungslogik bei der Konstruktion des Euro und beim Umbau der sozialen Sicherungssysteme nicht die versprochenen Verbesserungen der Lebensbedingungen für alle Menschen bringen, sondern nur einige Wenige begünstigen.

3.8.2 Position 2 („EU-optimistisch“)

(70) In der Frage internationaler Standards hat die EU in manchen Bereichen eine Vorreiterrolle eingenommen, z. B. wird z. Z. eine ambitionierte Chemikaliengesetzgebung diskutiert. Die Sicherheitsdoktrin der EU enthält im Gegensatz zu den USA eine starke Betonung von Armutsbekämpfung, Ressourcenzugang usw. Präemption wird einmütig abgelehnt. Nicht zuletzt gibt die EU pro Jahr 33 Mrd. € für die Unterstützung schwacher EU-Regionen aus – darin liegt ein Bekenntnis zu einer solidarischen Politik jenseits der Marktlogik, das in Zukunft gestärkt werden muss.

II. EINE ALTERNATIVE WELTWIRTSCHAFTSORDNUNG IST MÖGLICH

1. Leitbilder und Leitideen

1.1 Leitbild: Nachhaltige Entwicklung

(73) Das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung zielt auf die Integration unterschiedlicher und häufig gegenläufiger Prozesse: die ökonomische Entwicklung von Gesellschaften bei Wahrung der ökologischen Lebensgrundlagen weltweit und unter Gewährleistung der Gerechtigkeit; das Postulat der Gerechtigkeit umschließt dabei nicht nur das gleiche Recht auf Entwicklung für alle jetzt lebenden Menschen in Nord und Süd, sondern auch für die zukünftigen Generationen.

(74) 1992 einigte sich die Weltgemeinschaft auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, wobei die Industriestaaten ihre vorrangige Verantwortung für ein Umsteuern in Richtung ressourcenschonender Entwicklung anerkannten. Die Erklärung von Rio proklamiert: „Das Recht auf Entwicklung muss derart verwirklicht werden, dass die Bedürfnisse gegenwärtiger und zukünftiger Generationen auf Entwicklung und Umwelt gerecht erfüllt werden” (Grundsatz 3). Das Prinzip der „nachhaltigen Entwicklung” wird seitdem gerne für Fensterreden verwendet, tatsächlich umgesetzt wird jedoch das der neoliberalen Globalisierung, wie es in der WTO seit 1995 sinnbildlich institutionalisiert wurde: anstelle eines den Naturverbrauch beschränkenden Umweltschutzes das Niederreißen jeglicher Beschränkungen. Von den Betreibern der Globalisierung wird die Säule der ökonomischen Entwicklung auch als Wahrung der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit interpretiert, um damit die ökonomische Dominanz der Industriestaaten auf dem Weltmarkt zu legitimieren.

(75) Trotz der Vereinnahmung des Nachhaltigkeitskonzeptes („nachhaltige Globalisierung”) enthält dieses Konzept ein grundlegend kritisches Potential gegenüber den herrschenden ökonomischen und ökologischen Ausbeutungsverhältnissen. Nach dem Gleichheitsgrundsatz haben alle Menschen auf der Erde das gleiche Recht auf Entwicklung und damit gleiche Zugangs- und Nutzungsrechte zu Ressourcen und der Umwelt (Boden, Luft und Wasser). Dieses Recht wird jedoch begrenzt durch die Endlichkeit der Ökosystems Erde sowie die gleichrangigen Rechte zukünftiger Generationen. Demgemäss haben die Entwicklungsländer ihre Nutzungsrechte bei weitem noch nicht ausgeschöpft, die Industrieländer hingegen ihr Konto längst und bei weitem überzogen. Es können nicht weiterhin 20 % der Weltbevölkerung 70-80 % der natürlichen Ressourcen konsumieren.

Position 1: Abschied vom Wachstum:

(76) Eine nachhaltige Weltwirtschaftsordnung setzt die Abkehr von einer Fortschritts- und Entwicklungsidee voraus, die auf Wirtschaftswachstum basiert – und das zunächst und vor allem in den industrialisierten Ländern, die mit ihrem übermäßigen Ressourcenverbrauch die Lebenschancen der Menschen im Süden und der künftigen Generationen verringern. In den wenig industrialisierten Ländern dagegen könnte das Wachstum bestimmter Wirtschaftssektoren, auch das des BIP insgesamt, durchaus ein wichtiger und notwendiger Bestandteil auf dem Weg aus der Armut sein; entscheidend jedoch ist, auf welcher Ressourcenbasis und unter welchen sozialen Bedingungen dieses Wachstum stattfindet. Das lässt sich am BIP selbst aber nicht ablesen. Es muss durch andere Indices für ökonomischen Wohlstand wie den Genuine Progress Indicator (GPI) ersetzt werden, die im Ggs. zum BIP die realen sozialen und ökologischen Kosten der Wirtschaftstätigkeit mit einbeziehen. Es gilt auch, in den sogenannten Entwicklungsländern die Chance zu nutzen, direkt auf ressourcenleichte Produktions-, Distributions- und Konsumweisen zu setzen, zu denen die Industrieländer ohnehin finden müssen.

(77) BIP-Wachstum als makroökonomisches Ziel ist aufzugeben. Anzustreben ist statt dessen eine Ökonomie im stationären Zustand, die die Nettodurchlaufmenge der Weltwirtschaft an Materie und Energie auf einem nachhaltigen Niveau konstant hält. Das muss auch die Kontrolle der Bevölkerungszahl mit beinhalten. Wichtiger als das BIP pro Kopf sind hier direkte Maßnahmen wie solche zur Verbesserung des Bildungsstands und des Arbeitsplatzangebots – speziell für Frauen –, zur Sozialfürsorge, zur Familienplanung und zur Senkung der Kindersterblichkeit. Diese können unter geringen ökologischen Kosten durchgeführt werden. Auch die derzeitigen rezessiven Tendenzen in der Wirtschaft sind nicht so sehr eine Gefahr, der durch eine wachstumsfördernde Politik begegnet werden könnte, sondern eine Herausforderung, den Übergang zu einer nicht-wachsenden Wirtschaft sozial- und umweltverträglich zu gestalten. Tatsächlich hat sich seit den 70er Jahren die Arbeitslosigkeit in den Industrieländern trotz anhaltenden BIP-Wachstums vervielfacht. Bei jedem Konjunkturaufschwung fanden Investitionen in kapitalintensive Technologien statt, so dass sich beim nächsten Abschwung ein noch höheres Plateau an Arbeitslosigkeit als zuvor ergab.

(78) Um unser bisheriges Wachstums- und Entwicklungsmodell (und die dahinter stehenden Kapitalinteressen, das westliche Konsummodell und die asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen) nicht in Frage stellen zu müssen, hat man als Ausweg aus dem Widerspruch zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit den Begriff des „nachhaltigen Wachstums” geprägt, der bereits vielerorts die „nachhaltige Entwicklung” ersetzt. Es zeigt sich jedoch, dass die technischen Gewinne bei der Umwelteffizienz durch das Produktionswachstum national wie weltweit bei weitem überkompensiert werden (Bumerang-Effekt), die absolute Belastung also in wichtigen Bereichen steigt. Ohnehin reichen die bislang erzielten Effizienzgewinne bei weitem nicht aus, um national wie global auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad einzuschwenken. Genauso wenig ist die oft beschworene Umschichtung zugunsten des Dienstleistungssektors hinreichend, unter anderem weil dieser weitaus weniger „ressourcenleicht“ ist, als vielfach angenommen wird. Auch das von der Weltbank vertretene Konzept der „schwachen Nachhaltigkeit“ ist strikt abzulehnen, da es davon ausgeht, menschengemachtes und natürliches Kapital seien durcheinander zu ersetzen, anstatt einander zu ergänzen. Wäre das Konzept richtig, befände sich die Weltwirtschaft bereits jetzt auf dem nachhaltigen Entwicklungspfad – und würde die weitere Verschlechterung der Terms of Trade der Entwicklungsländer dazu einen positiven Beitrag leisten.

(79) Angesichts der Dimensionen der drohenden ökologischen und daraus folgenden sozialen Katastrophen gibt es somit keine rein technologische Lösung, sondern ist ein tieferer struktureller Wandel notwendig. Laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen müssen die Industrieländer ihren Rohstoffverbrauch um 90 % senken und ihr Konsumverhalten ändern – eine Zielsetzung, die dem Prozess der weiteren Globalisierung und der allseits angestrebten Produktionssteigerung durch weitere Liberalisierung des Welthandels diametral entgegengesetzt ist. Die Senkung ihres Ressourcenverbrauchs und Schadstoffausstoßes ist für die reichen Industriestaaten auch ein Gebot der internationalen Gerechtigkeit; anders ist eine Überwindung der Armut in den Ländern des Südens bei Wahrung der globalen ökologischen Stabilität nicht möglich. Das kann auch ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts in den reichen Staaten notwendig machen.

Position 2: Zukunft des Wachstums:

(80) Weiteres Wirtschaftswachstum mit den derzeitigen Produktionstechnologien führt zu weiterer Verschwendung knapper Ressourcen und weiterer Umweltbelastung (z. B. Treibhauseffekt). Daraus folgt jedoch nicht die Forderung nach Nullwachstum, sondern die Forderung nach Änderung der Produktionstechnologien.

(81) Weiteres Wirtschaftswachstum ist notwendig: Arbeitslosigkeit und Armut auf der Welt sind nicht bei Nullwachstum zu bekämpfen. Es müssen mehr und besser bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Beschäftigung ist eine abhängige Variable der Produktionsmenge. Also muss die Produktionsmenge wachsen. Selbst wenn eine radikale Umverteilung von Vermögen, Einkommen und Arbeit bei Nullwachstum politisch durchsetzbar wäre, würde die Weltbevölkerung für immer in konstanter Armut leben. Hinzu kommt, dass die Weltbevölkerung wächst und damit ständig mehr Arbeitsplätze und damit Wachstum benötigt, um ihren Lebensstandard auch nur zu erhalten. Hinzu kommt auch, dass die ständig steigende Arbeitsproduktivität durch technischen Fortschritt ständig Arbeitsplätze vernichtet und daher Wachstum notwendig ist, um die bestehende Beschäftigung auch nur zu erhalten.

(82) Es ist ein „nachhaltiges” Wachstum (d. h. Wachstum mit gleichzeitigem Wandel der Produktionstechnologien) und ein „verteilungsgerechtes” Wachstum (d. h. Wachstum, das die Einkommen der Armen, nicht der Reichen steigert) anzustreben.

(83) Das Problem bei der Diskussion um die Zukunft des Wachstums liegt darin, dass das Wachstum im Kapitalismus keine politisch steuerbare Größe darstellt, sondern das Ergebnis der Eigendynamik des kapitalistischen Wirtschaftsprozesses ist. Die Diskussion unterstellt eine Steuerbarkeit des Wirtschaftsprozesses, die in der Realität nicht gegeben ist. Die Steuerungsmöglichkeiten sind durch die neoliberalen Reformen der letzten zwanzig Jahre noch weiter eingeschränkt worden. Anstatt endlose Debatten über das wünschenswerte Wachstumsmuster für die gesamte Welt zu führen, sollte Attac dafür kämpfen, die Eingriffsmöglichkeiten von Staat und Zivilgesellschaft in die Marktwirtschaft zu erhalten und erweitern (z. B. Subventionen, Handelsbeschränkungen, Ökosteuern, Investitionen). Die konkrete Ausgestaltung wäre in jedem Land bzw. jeder Region vor Ort demokratisch von den Betroffenen und ihren Vertretern zu entscheiden.

1.2 Der Mensch in seiner Lebenswelt: Leitideen

(84) [Dieses Kapitel bedarf noch der Überarbeitung.]

1.2.1 Universelle Menschenrechte und Miteinander der Staaten

(85) Ausgangspunkt sind die universellen, unveräußerlichen Menschenrechte, die jedem Manne und jeder Frau individuell zukommen. Seit 1945 ist ein rechtlicher Rahmen teils entwickelt, teils wieder hergestellt worden, der diese Menschenrechte geltend machen soll: die UN-Charta, das Völkerrecht. Im Hinblick auf die konkrete Umsetzung ist evident, dass diese Rechte die Anerkennung grundlegender ökonomischer, sozialer und ökologischer Mindeststandards erforderlich machen, ohne die sie nur sehr unvollkommen realisiert werden können. Im Rahmen der UNO, in regionalen Zusammenschlüssen sind Organisationen und Vertragssysteme entstanden, die eine konkrete Umsetzung dieser Standards verfolgen. Sie setzen sie jedoch oft nur eingeschränkt oder proklamatorisch um, mitunter sind sie regelrecht kontraproduktiv.

(86) Eine alternative Weltwirtschaftsordnung muss die Verbindlichkeit dieser Menschenrechte akzeptieren und auf ihre vollständige Umsetzung verpflichtet sein. Das setzt ein anderes Verständnis von Ökonomie voraus. Z. B. feministische Ansätze fordern, sowohl Kontext als auch die Grundlagen ökonomischen Handelns und damit strukturelle Machtasymmetrien zu berücksichtigen. Damit wird dem herrschenden Welt- und Ökonomieverständnis eine Absage erteilt, das

(87) * Ökonomie als autonomes System begreift;

(88) * Ökonomie vor allem auf die Zirkulation der Waren- und Geldwirtschaft auf (effizienten) Märkten bezieht;

(89) * sowohl soziale Lebenswelt, d. h. die Versorgungswirtschaft der Haushalte (vor allem der Frauen) und des Gemeinwesens (in Form von „ehrenamtlicher“, freiwilliger Arbeit, freiwilliger Arbeit, NGO-Arbeit) als auch die ökologische Natur als unhinterfragte Voraussetzungen aus dem ökonomischen Bereich auslagert.

1.2.2 Vielfalt der Kulturen, Subsidiarität

(90) Kulturelle Vielfalt beruht auf der Tatsache, dass alle Kulturen der Welt eigenständige Wertsysteme besitzen. Eine alternative Weltwirtschaftsordnung muss diese Eigenständigkeit anerkennen, verstehen und respektieren. Dies setzt internationale Kooperation, Partizipation und zwischenmenschlichen Gedankenaustausch voraus.

(91) Menschliche Vielfalt beruht auf der Tatsache, dass die Lebensentwürfe und Lebenserfahrungen der verschiedenen Menscheneigenständige Größen darstellen. Sie können nicht ausschließlich nach dem Kriterium der (monetären) Marktfähigkeit bewertet werden. Denn damit gehen Prozesse der Externalisierung einher, d. h. der Ausblendung, Abwertung und Aneignung „reproduktiver“ Leistungen. Es sind jedoch gerade diese reproduktiven Leistungen, die das Fundament der gesellschaftlichen Grundversorgung stellen: Zu ihnen gehören die unbezahlten, oft von Frauen geleisteten Sorge- und Überlebensarbeiten, die gemeinsam mit der Produktivität der ökologischen Natur die Grundlagen allen ökonomischen Handels bilden.

(92) Im herrschenden (neoliberalen) Denken jedoch gelten kulturelle und menschliche Vielfalt nicht als eigenständige Werte. Der Wert der Natur und der kulturellen Vielfalt tauchen in wirtschaftlichen Statistiken nicht auf, nicht auf den institutionalisierten Märkten erbrachte Leistungen werden als nicht wertschaffend angesehen. Menschen werden zu gesichtslosen „Wirtschaftssubjekten“, die Unterschiede, die aus sozialer und kultureller Einbettung erwachsen, werden ausgeblendet. Deshalb ist z. B. die Ablösung des Shareholder Value-Denkens geboten. Es hat zu einer Entmenschlichung des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit geführt. Topmanager werden nur noch nach Shareholder Value bewertet. Das heißt: Löhne drücken, Anzahl der Mitarbeiter minimieren, Kostenreduzierung um nahezu jeden Preis. Für viele Manager bedeutet es heute Schwäche, wenn sie soziale Verantwortung zeigen. Die Spekulation zu Lasten der Arbeitnehmerschaft muss in der jetzigen Form abgeschafft werden. Unternehmen sind als Systeme zu verstehen, die in ihre lokale natürliche und soziale Umwelt eingebettet sind. Dieser gegenseitigen Abhängigkeit muss durch neue verantwortungsorientierte Managementstile Rechnung getragen werden. Es geht um einen neuen Blick auf das Ganze der Ökonomie, so dass die Verflechtungen der verschiedenen Bereiche und Produktionsformen sichtbar werden. Märkte dürfen nicht Selbstzweck sein, notwendig ist eine politisch-ethische Durchdringung und Steuerung von Märkten. Die Verflechtungen zwischen den verschiedenen ökonomischen Sektoren/Handlungsfeldern müssen nicht nur wahrgenommen, sondern auch so gestaltet werden, dass sowohl die eigene menschliche, soziale als auch die kulturelle und ökologische Fähigkeit zur Selbst(re)produktion erhalten bleibt. Herstellen und Wiederherstellen, Versorgung und Entsorgung sind in einer so gedachten (und praktizierten) lebensweltlichen Perspektive immer miteinander verknüpft und offen für gegenseitiges Lernen. Der Erfolg einer Gesellschaft darf daher nicht mehr allein an einem einzigem Indikator, dem Bruttoinlandsprodukt, gemessen werden, sondern eine Vielzahl von vernetzten Politikbereichen müssen gleichberechtigt nebeneinander stehen und ggf. auch auf Kosten der Intensität der statistisch erfassbaren wirtschaftlichen Aktivität (BIP) bevorzugt werden.

(93) Für den öffentlichen Raum (Staat) bedeutet dies, Entscheidungen möglichst auf einer unteren Ebene zu treffen, die der allgemeinen Teilnahme der Menschen am ehesten zugänglich sind. Durch eine abgestufte und nicht-zentralistische Vernetzung können die Vorteile der Globalisierung genutzt werden und den Menschen wirkliche Spiel- und Freiräume zur Gestaltung ihrer Lebenswelten eröffnet werden.

1.2.3 Kooperation und Konkurrenz

(94) Die derzeitige Wirtschaftsordnung beruht auf der Konkurrenz. Die Konkurrenz ist produktiv, aber sie darf nicht so weit führen, dass Menschen der Möglichkeit beraubt werden, an wirtschaftlichen und politischen Prozessen teilzunehmen. Sozialdarwinistische Konkurrenz, die zur Verdrängung von Menschen aus der Gesellschaft führt, ist abzulehnen. Eine neue gesellschaftliche Wertschätzung der Kooperation ist dringend geboten. Schon waren Menschen in Zusammenarbeit erfolgreicher als auf sich alleine gestellt. Kein Unternehmen kann alleine durch seinen Vorstandsvorsitzenden existieren. Doch in der neoliberalen Sichtweise wird die Konkurrenz der Kooperation als überlegen erachtet. Einseitig werden Interessen wirtschaftlicher Organisation – Unternehmen – befördert, und diese wiederum mit den Interessen einer kleinen Gruppe – der Kapitaleigner – gleichgesetzt (Shareholder Value, siehe oben).

(95) Doch in den 1990er Jahren ist immer stärker offenbar geworden, dass eine solche verkürzte Sichtweise das Zusammenleben der Menschen beschädigt.1 Die wissenschaftlichen Forschungen der letzten Jahre z. B. zum Thema „Sozialkapital“ belegen dies. Wir treten dafür ein, die Menschen als sozial vernetzt zu begreifen, d. h. Raum für die Bildung von am Kooperationen zu schaffen und zu bewahren. Hierunter fallen die Markt-, die Versorgungs- und die Non-Profit-Organisationen gleichermaßen.2 Die Impulse kooperativen Handelns, z. B. der zivilgesellschaftlichen Gruppen und Netzwerke, sollten verstärkt in die Gestaltung und Institutionen des Zusammenlebens einfließen.

2. Strategien

2.1 Position „Globalisierung gerechter gestalten“

(97) Den Vorteilen weltweiter Märkte bei der quantitativen Versorgung stehen qualitative Nachteile (Raubbau an ökologischen Ressourcen, Entfremdung, Peripherie-Regionen) entgegen. Manche dieser Nachteile sind durch veränderte Steuerung begrenzbar. So könnten umweltbezogene Standards die Ausdehnung von Welthandel beschränken, da sie wie eine Erhöhung von Transportkosten wirken würden. Dies ließe Raum für die Entstehung von weltweiten Märkten, wo der technologische Fortschritt sie im Rahmen der ökologischen Ressourcen sinnvoll erscheinen ließe. Solche Standards können nur Mindestniveaus definieren, die dann einen völker-übergreifenden Werte-Konsens darstellen.

(98) Orientierungsrahmen dieses Minimalkonsenses sollte die faktische Verwirklichung der allgemeinen Menschenrechte sowie ein allgemeines Prinzip der Nachhaltigkeit sein: Keine Volkswirtschaft bzw. Gemeinschaft hat das Recht, Ressourcen so in Anspruch zu nehmen oder Sozialbeziehungen so zu regulieren, dass unwiderrufliche Schäden für nachfolgende Generationen oder andere Gemeinschaften entstehen. Für den Handelsbereich bedeutet dies, dass keine Form von „Beggar-thy-neighbour“-Politik akzeptiert werden darf. Dieses Prinzip kann jedoch nur umgesetzt werden, wenn die großen Wirtschaftsmächte sich einer Selbstbindung unterwerfen und dazu eine multilateral verankerte Rechtsetzung und Rechtdurchsetzung akzeptieren.

2.2 Position „Entglobalisierung“ – von der Weltmarkt- zur Binnenorientierung

(99) Eine nachhaltige Entwicklung (zum Begriff vgl. II.1.1) zielt auf eine je eigenständige Entwicklung der Volkswirtschaften und Gesellschaften durch Binnen- und Regionalorientierung. Eine industrielle Gleichgewichtsökonomie erfordert einen Bruch mit der Doktrin der Globalisierung (sei sie neoliberal oder neokeynesianisch) und eine Wende hin zur Entglobalisierung (Entglobalisierung). Dabei müssen gerade die reichen Industriestaaten Vorreiter sein.

(100) Entglobalisierung heißt nicht Autarkiestreben und eine Abkopplung von internationalen Märkten. Internationaler und weltweiter Handel bleibt in vielerlei Hinsicht von Vorteil. Doch die Prioritäten für die wirtschaftliche Entwicklung und die Wirtschaftspolitik ändern sich grundlegend: Statt die wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Entwicklung auf die Bedarfe für den Export, für den Weltmarkt auszurichten, steht im Vordergrund die Produktion für kleinräumigere Märkte: lokale, regionale (auch grenzüberschreitend; vgl. Euregio Aachen), nationale Märkte bis hin zu regionalen Wirtschaftsverbünden. Die Überschaubarkeit dieser Zusammenhänge ist eine wesentliche Voraussetzung für die Sicherung ihrer demokratischen Kontrolle und für verantwortliches Handeln der wirtschaftlichen Akteure.

(101) Eine Strategie der Entglobalisierung sucht den Weg zwischen den Versuchen, „die Globalisierung gerecht zu gestalten” und einer Lokalisierungsstrategie. Während die „gerecht Gestalten”-Strategie die Dynamik der Globalisierung stärkt, indem sie sie reformiert, unterliegt die Lokalisierungsstrategie der Gefahr einer Nischenpolitik ohne durchgreifende Wirkung. Es wäre sinnlos und im Einzelnen nicht begründbar, am grünen Tisch die Art und den Grad einer wünschenswerten nationalen und internationalen Arbeitsteilung zu skizzieren. Angemessen ist ein „induktives” Verfahren: Von der tatsächlichen Weltmarktintegration und den damit gegebenen Problemen auszugehen und Schritte zu einer Regionalisierung, einer Binnenorientierung der Wirtschaft anzugeben.

(102) Konkrete Schritte zur Entglobalisierung verbinden die Unterlassung von Maßnahmen, welche die Globalisierung weiter vorantreiben, mit solchen, die aktiv eine Wende zu einer regionalen Orientierung einleiten. Das betrifft sowohl die Neuordnung des Welthandels (III.2) als auch den ökologischen Umbau der Industriestaaten (vgl. III.1.1).

2.3 Position „Lokalisieren statt Globalisieren“

(103) Der Ansatz „Lokalisieren statt Globalisieren” bedeutet nicht einfach eine geographische Verengung der Wirtschaftsräume. Er impliziert eine andere Perspektive, ein anderes Modell von Wirtschaft und Gesellschaft als das herrschende kapitalistisch-patriarchalische Modell.

(104) Diese neue Ökonomie muss zunächst von einem anderen Begriff vom ”Guten Leben” ausgehen: Eine neue Perspektive – die Subsistenzperspektive – kann uns von der selbstmörderischen Wachstumslogik des Industriesystems befreien. Der Versuch, von oben her eine neue Weltwirtschaft mit humanem Gesicht zu entwerfen, ist ein Widerspruch in sich und wird unweigerlich in einem neuen Totalitarismus enden. Dieses Ziel kann nur durch eine Strategie der Lokalisierung erreicht werden:

(105) * Wirtschaftsräume werden aufgebaut, die ökologische, ökonomische und soziale Grenzen respektieren. Auch unsere Bedürfnisse sind begrenzt.

(106) * Statt individuellem Egoismus zählen als wichtigste Triebkräfte der Ökonomie Gegenseitigkeit, Gemeinwohlorientierung, Solidarität; statt universaler Konkurrenz Kooperation; statt Trennung von Ökonomie und Moral Wiedereinführung einer neuen „Moral Economy”. Eine neue „Moral Economy” ist nicht moralistisch; sie basiert vielmehr auf der Erkenntnis der notwendigen Grundlagen für das Überleben eines Gemeinwesens.

(107) * Lokale Ressourcen, lokales Know-How, lokale Arbeitskraft werden, wo immer möglich, für die lokale Bedürfnisbefriedigung eingesetzt, d. h. für alle Menschen und anderen Wesen in einer bestimmten Region. Statt Unterordnung der Produktion unter den Handel (für den Export) wird nur exportiert, was über die lokalen Bedürfnisse hinaus produziert wird. So kann verhindert werden, dass Kleinbauern und Kleinproduzenten verhungern, während sie Luxusprodukte für die Superreichen in den superreichen Ländern herstellen.

(108) * Die meisten politischen und ökonomischen Entscheidungen werden lokal getroffen. Darum muss auch die Macht bei den lokalen Akteuren und den von diesen Entscheidungen Betroffenen liegen und nicht in den Chefetagen multinationaler Konzerne oder bei den globalen Bürokratien der WTO.

(109) * Lokalisieren basiert – politisch wie wirtschaftlich – auf dem Subsidiaritätsprinzip. Lokale Firmen werden lokal kontrolliert. Investitionen und Kapital bleiben in der Region und schaffen dort neue Arbeitsplätze. Wenn bestimmte Produkte nicht in der eigenen Region hergestellt werden, kann die nächst höhere Einheit (Provinz, Staat, EU) sie beschaffen. Das gleiche gilt für politische Entscheidungen. Lokalisieren bedeutet weder Autarkie noch Provinzialismus, sondern „Self-Reliance” (Selbständigkeit). Ein echter Internationalismus ist erst auf der Grundlage von Gemeinwesen möglich, die selbständig über ihre Ökonomie und Gesellschaft entscheiden.

(110) * Eine direkte Demokratie ist notwendig, die nicht nur die Menschen, sondern alle Lebewesen umfasst (Lebensdemokratie).

(111) Wenn wir von lokaler Ökonomie reden, haben manche die Befürchtung, dass dies die Rückkehr zu vormodernen Herrschaftsformen nach patriarchalischen und feudalen Prinzipien bedeuten könnte. Das beste Gegenmittel gegen solche Befürchtungen ist ein bewusster Kampf von Männern und Frauen gegen patriarchale Verhältnisse. Dieser kann beginnen mit einer Umstrukturierung der hierarchischen, geschlechtlichen Arbeitsteilung. In einer neuen Ökonomie müssten nicht nur die Frauen die Arbeit machen, die Männer machen, sondern auch die Männer müssten die gesellschaftlich notwendige, unbezahlte Haus- und Subsistenzarbeit im Haus, in der Umwelt und in der Gemeinschaft machen. Erst wenn die Hälfte der Menschheit diese Arbeit nicht mehr als Last, unwürdig und minderwertig ansieht, wird sich etwas an dem Geschlechterverhältnis ändern.

(112) Eine Umstrukturierung der lokalen Ökonomien im Norden wie im Süden im Sinne einer antikapitalistisch-antipatriarchalen Subsistenzperspektive müsste notwendigerweise zu einer Veränderung der globalen Strukturen führen. Mehr oder weniger auf Self-Reliance ausgerichtete Ökoregionen, in denen der Import aus anderen ähnlichen Regionen nur eine ergänzende Funktion hat, nicht aber die Grundversorgung sichert, werden zu einer Schrumpfung des Welthandels führen, sie werden die Ressourcenverschwendung, den Transport, den Verpackungsmüll, den Einsatz von Chemie in Landwirtschaft und Industrie drastisch reduzieren. Monokulturen aller Art werden sich nicht mehr lohnen, genau so wenig wie eine bloße Exportorientierung einer Wirtschaft. Deutschland z. B. wird aufhören müssen, sich bloß als „Industriestandort” zu verstehen. Was vom Welthandel dann noch übrig bleibt, muss nach den Prinzipien des fairen Handels organisiert sein; das bedeutet, dass es sogenannte Billiglohnländer nicht mehr geben wird.

III. WEGE ZU EINER ALTERNATIVEN WELTWIRTSCHAFTSORDNUNG

1. Weltwirtschaftsordnung im ökologischen Gleichgewicht

(114) Eine dem Ziel der Nachhaltigkeit verpflichtete ökologische Wirtschaftspolitik hat als Zielmarke die Reduzierung des Umweltverbrauchs um 80-90 % gegenüber heute. Die Rechte der Gemeinschaften auf ihre Ressourcen könnten in einer internationalen und durchsetzbaren Konvention verankert werden. Die verstreuten internationalen Verantwortlichkeiten für Umweltfragen sollten in einer Weltumweltorganisation gebündelt werden. Analog zur Internationalen Atomenergiebehörde könnte eine „Internationale Behörde für Erneuerbare Energien“ eingerichtet werden, um deren Verbreitung zu fördern.

(115) Handel braucht internationale Regeln und Institutionen. Neue internationale Handelsregeln müssen vor ihrer Verabschiedung eingehend auf potentielle ökologische und soziale Folgen überprüft werden. Das Verursacherprinzip ist durchzusetzen, d. h. effektive Haftungssysteme und Schadensausgleich. Multilaterale Umweltabkommen müssen über das Handelsregelwerk gestellt werden. Zudem müssen sie mit einem ebenso starken Durchsetzungsmechanismus wie dem der WTO versehen werden. Zudem muss der Handlungsspielraum der Staaten, Umweltgesetze zu erlassen, gegenüber der WTO wieder gestärkt werden.

(116) Der Zwang der Entwicklungsländer, ihre Naturreichtümer zu verschleudern, muss aufgehoben werden. Dazu müssen ihre Schulden erlassen, die Strukturanpassungsprogramme des IWF beseitigt und die entfesselten Finanzmärkte re-reguliert werden. Die Subsistenzrechte lokaler und indigener Gemeinschaften haben Vorrang vor externer Nutzung. Dieses Vorrecht betrifft insbesondere die von diesen Gemeinschaften genutzte und gepflegte biologische Vielfalt. Die Patentierung genetischen Materials muss gestoppt werden.

1.1 Der ökologische Umbau

Position Globalisierung gerechter gestalten:

(118) Die WTO muss sich dem Leitbild einer ökologisch tragfähigen und sozial gerechten Entwicklung anpassen oder durch eine geeignetere Organisation abgelöst werden.

Position Entglobalisierung:

(119) Schritte zur Entglobalisierung (vgl. II.2.1) sind sowohl die Unterlassung von Maßnahmen, welche die Globalisierung weiter vorantreiben, als auch Aktivitäten, die eine Wende zu einer regionalen Orientierung einleiten. Auch die Erhebung von Nutzungsgebühren für globale Gemeinschaftsgüter wie der atmosphärischen Absorptionskapazität für Schadstoffe oder der ozeanischen Schifffahrtswege sollte diskutiert werden.

(120) An passiven Maßnahmen (der Unterlassung) sind besonders wichtig:

(121) * Jegliche umweltschädliche Subventionen werden eingestellt. Das ist notwendig, um besonders umweltbelastende Wirtschaftssektoren durch ökologisch verträgliche Sektoren weitgehend zu ersetzen.

(122) * Eine wachstumsorientierte Wirtschafts-, Finanz-, Geld- und Zinspolitik wird abgelöst durch eine selektive Wachstums- und Schrumpfungspolitik, die insgesamt auf einen Gleichgewichtspfad3 ohne Zwang zum Wirtschaftswachstum einschwenkt.

(123) * Von einer Orientierung der EU, die sie zum wettbewerbsfähigsten und „dynamischsten” Wirtschaftsraum der Welt machen will (Erklärung von Lissabon, 2000), wird Abstand genommen. Vorrang vor weiterer Liberalisierung der Märkte müssen Vereinbarungen für ökologische und soziale Standards haben.

(124) An aktiven Maßnahmen stehen im Vordergrund:

(125) * Eine umfassende ökologische Steuerreform ist durchzuführen, die konsequent das Verursacher- und Vorsorgeprinzip anwendet. Ein wichtiger Baustein sind die Transportpreise für Flug- und Schiffsverkehr.

(126) * Eine Verkehrswende ist ein wichtiger Schritt zu einer umweltgerechten Gestaltung der Ökonomie, vor allem auch durch starke Regionalisierung. Das verlangt unter anderem das Umsteuern der angebotsorientierten zu einer nachfragesteuernden Verkehrspolitik mit den Zielen der Verkehrseinsparung, -verlagerung auf umweltfreundlichere Träger und -optimierung.

(127) * Auch die neue Energieinfrastruktur sollte dezentral organisiert sein. Fossile und nukleare Energieträger müssen durch Energieeinsparung und erneuerbare Energien abgelöst werden. Diese sind langfristig das Fundament einer ökologischen und friedlichen Weltwirtschaftsordnung. Auf dem Wege dahin bedarf es auch einer radikal erhöhten technischen Energieeffizienz.

(128) * Notwendig sind der Aufbau einer Rezyklierungswirtschaft und der Übergang zu langlebigen und leicht zu reparierenden Produkten, auch zur Reduktion von Rohstoffimporten.

(129) Solche Veränderungen erfordern natürlich einen tiefgreifenden Wandel auch in der Beschäftigungspolitik, der Steuerpolitik und den sozialen Sicherungssystemen, deren Finanzierung bislang auf permanentem Wachstum beruht. Von entscheidender Bedeutung, um den Wandel möglich, akzeptabel und nicht nur „sozialverträglich”, sondern gemeinwohlfördernd zu gestalten, wird es sein, eine gerechte Verteilung des Volkseinkommens zu erzielen und den Trend zur sozialen Schere umzukehren. Arbeitszeitverkürzungen sowie die verstärkte Einbeziehung höherer Einkommen und Vermögen in die Finanzierung der sozialen Sicherung sind hier zu nennen. Anstelle menschlicher Arbeit muss der Naturverbrauch besteuert werden, um soziale Leistungen zu finanzieren.

Position Lokalisierung:

(130) Die in II.2.3 genannten Prinzipien der Subsidiarität und Self-Reliance lassen sich nur in kleineren Wirtschaftsräumen durchsetzen und überprüfen. Eine dahingehende Umstrukturierung der Wirtschaft verlangt andere Prioritäten als in der gegenwärtigen Weltwirtschaft, z. B.:

(131) * Landwirtschaft vor Industrie: Da die Nahrung immer noch aus der Erde kommt und lokal und regional erzeugt werden soll, kann Landwirtschaft nicht dem Industrie-Modell heutiger Prägung folgen. Dieses ist auf die Bedienung des Weltmarktes ausgerichtet. Die Kleinbauern müssen gestärkt werden. Sehr viel mehr Menschen als heute können Arbeit in der Landwirtschaft finden.

(132) * Produzenten-Konsumenten-Vereinigungen können Kleinproduzenten ein regelmäßiges Einkommen und den Konsumenten gesunde Nahrung und andere Produkte sichern. Sie können vor allem wieder so etwas wie Verantwortung für die Erde bei beiden – Produzenten und Verbrauchern – herstellen.

(133) * Abschaffung von Agrarsubventionen, die das Agrobusiness ermutigen und die Kleinbauern liquidieren, die für lokale Märkte produzieren. Förderung der Umstellung auf ökologischen Landbau. Förderung der Forschung über alte, nachhaltige Anbaumethoden, sowohl in Ländern des Südens als auch des Nordens.

2. Neuordnung des Welthandels

2.1 Mechanismen der Welthandelsordnung

(135) Das Dach der Welthandelsordnung kann nur die UN sein. Innerhalb der UN sollten die verschiedenen Aufgabenbereiche jeweils eigenen Organisationen zugeordnet bleiben, etwa Arbeitsstandards der ILO, Umweltpolitik der UNEP, Entwicklungspolitik der UNDP. Es ist falsch, diese Aufgaben in die WTO zu ziehen, wie es in vielen Bereichen geschehen ist. Dies muss rückgängig gemacht und die WTO auf Fragen des Handels beschränkt werden. Das heißt insbesondere: Bedingungsloser Verzicht auf die „Singapur Issues” (Wettbewerb, öffentliche Beschaffung, Investitionen, technische Handelsfragen). Soweit in Zukunft globale Vereinbarungen über Investitions- oder Wettbewerbsfragen für wünschenswert gehalten werden, könnte die UNCTAD oder die UNIDO das geeignete Forum dafür sein.4 Jedoch muss klar und eindeutig gelten:

(135.1) Re: 2.1 Mechanismen der Welthandelsordnung, 20.04.2004, 14:31, Ano Nym: ihr macht müde.... übrigens in der un sitzen auch nur die staaten, und die von der wirtschaftsordnung wie sie ist am meisten profitieren dürfen sogar vetos einlegen (deutschland bald wohl auch, da freut sich der nationlist ...) also nix da mit un, schaut euch doch erstmal die un an, was ist das eigentlich etc.

(136) * Es gibt eine Hierarchie der Aufgaben, in der das Welthandelsregime dem Umwelt- und dem Entwicklungsregime untergeordnet ist. D. h. insbesondere, dass die Rechtsprechung des WTO-Schiedsverfahrens dem UN-Recht entsprechen muss, insbesondere ist eine Abkehr von der nationalen Sanktionsverhängung (Strafzölle) anzustreben. Langfristiges Ziel ist eine einheitliche internationale, unabhängige Judikative.

(137) * Vereinbarungen über Wettbewerb oder Investitionen müssen demokratisch transparent ausgehandelt werden. Dazu gehört, dass sie nicht unumkehrbar sein dürfen, vielmehr ist eine realistische Austrittsklausel vorzusehen.

(138) * Regeln und Maßnahmen zum Umwelt- und Ressourcenschutz und zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren, und Pflanzen dürfen nicht durch internationale Handelsabkommen außer Kraft gesetzt werden.

Position „Globalisierung gerechter gestalten“:

(139) Eine auf Handelsfragen konzentrierte WTO muss in die UN integriert sein. Prinzipien sind zu vereinbaren, die eine dauerhafte Rolle regionaler und lokaler Wirtschaftskreisläufe ermöglichen. D. h. insbesondere, dass die Staaten ihre Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge frei festlegen, ohne durch WTO-Prinzipien wie z. B. die Inländerbehandlung eingeschränkt zu werden. Die Großen müssen glaubhaft machen, dass sie sich dem multilateralen System unterordnen und dies dauerhaft zur zentralen Instanz weiterentwickelt werden soll. Die Grundlage globaler Abkommen muss Fairness und gegenseitiger Respekt sein. Daher sind Verfahrensregeln zu vereinbaren, die allen Beteiligten ausreichend Zeit und Möglichkeit geben, sich in den Verhandlungsprozess einzubringen. In allen Ländern sollte auf demokratische Teilhabe an diesen Prozessen (z. B. der Zivilgesellschaft, der Tarifpartner, etc.) gedrungen und dafür unterstützende Mittel bereitgestellt werden.

Position Entglobalisierung:

(140) Aus ökologischen und sozialen Gesichtspunkten wäre eine weitgehende Dezentralisierung der Produktion sinnvoll. Wirtschaftskreisläufe sollten regional sein und der Binnenhandel eine eindeutige Priorität vor dem Außenhandel genießen. Die derzeitige WTO-Ordnung sichert durch die Prinzipien Gegenseitigkeit und Inländerbehandlung einen Anspruch auf Marktzugang für ausländische Anbieter. Wir lehnen allgemeine Abkommen dieser Art ab. Weltwirtschaftsbeziehungen bedürfen keiner eigenen Administration und Regelwerke, es reicht völlig, sie ggf. durch Einzelfall-Regelungen zu ermöglichen.

(141) Ziel einer Neuordnung der Weltwirtschaftsinstitutionen müsste daher eine radikale Beschränkung der Macht von IWF, Weltbank und WTO sein, weder ihre pure Reform noch ihre Abschaffung, und die Schaffung eines pluralistischen Systems von internationalen und regionalen Institutionen und Organisationen. Das Leitbild dieser Neuordnung wäre ein nachhaltiger Internationalismus, der die Verschiedenheit von nationalen und regionalen Entwicklungen anerkennt und schützt.

2.2 Neuordnung des Warenhandels

(142) Das bis 1995 geltende GATT-Abkommen stellte eine tragbare, entwicklungsfähige Grundlage für den internationalen Warenhandel dar. Es bot ein einigermaßen ausgewogenes Verhältnis von Liberalisierungsinstrumenten und Beschränkungsmechanismen, so dass jede Regierung – ihrer Verantwortung gemäß – den jeweiligen „Mix” wählen konnte.

Position „Globalisierung gerechter gestalten“:

(143) Ergänzt werden sollte der Warenhandel um Mechanismen, die einen Ausgleich für eine Verschlechterung von „terms of trade” aufgrund von Nachfragerückgängen nach Rohstoffen, die aus technischem Fortschritt in den Industrieländern resultieren. Ein solcher Mechanismus muss sich einfügen in ein Entwicklungsprogramm, dass die Abhängigkeitskosten der internationalen Arbeitsteilung gerecht aufteilt. Es darf nicht länger hingenommen werden, dass diese Kosten einseitig den rohstoffproduzierenden Ländern des Südens aufgebürdet werden.

(144) Jedes grenzüberschreitende Unternehmen soll zu einer „Sozialbuchhaltung” verpflichtet werden, aus der seine Beiträge zur menschlichen Entwicklung hervorgehen.5

Position Entglobalisierung:

(145) Zur Politik des ökologischen Umbaus gehört eine Verringerung der Mengenströme von Ex- und Importen. Ein Wirtschaftsmodell, das Naturverbrauch bezahlen lässt, wird eher kleinformatige Produktionsweisen mit einem höheren Anteil an menschlicher Arbeit befördern. Maßnahmen der Exportförderung müssen eingestellt werden (z. B. Subventionen, Hermesbürgschaften, Steuerbefreiung des Flugverkehrs, bestimmte Maßnahmen der Forschungs- und Technologieförderung, z. B. im Bereich der Gentechnologie, Metrorapid). Das Projekt weiterer Deregulierung der Weltmärkte muss aufgegeben werden, wozu ein Moratorium für die gegenwärtige Welthandelsrunde nur ein Einstieg wäre.

2.3 Neuordnung des internationalen Dienstleistungsverkehrs

(146) Wir fordern einen sofortigen Stopp der Dienstleistungsverhandlungen (GATS). Von der EU und der Bundesregierung verlangen wir, sofort alle bereits eingeleiteten Verhandlungsschritte und die damit verfolgten Zielsetzungen offen zu legen. Soweit internationaler Dienstleistungshandel vereinbart wird, sollte er folgenden Bedingungen genügen:

(147) * Die Gestaltung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse durch die Betroffenen nach den Prinzipien der Demokratie und Subsidiarität ist zu gewährleisten, d. h. Entscheidungen müssen durch die Bürgerinnen und Bürger so lokal wie möglich getroffen.

(148) * Jede Gemeinschaft muss autonom und immer wieder neu entscheiden können, wie sie ihre öffentlichen Dienste (Bildung, Gesundheit, Wasser- und Energieversorgung, Verkehr, etc.) organisieren will, und darf nicht zur Beteiligung transnationaler Konzerne gezwungen werden.

(149) * Wirtschafts-, entwicklungs-, umwelt- und sozialpolitisch motivierte Regulierungsmöglichkeiten auf kommunaler, nationaler und regionaler Ebene müssen erhalten bleiben.

2.4 Weltagrarmarkt

(150) [Die hier dargelegten Positionen sind umstritten. Das Attac-Agrarnetz wird sie im Mai 2004 diskutieren und einen eigenen Textvorschlag vorlegen.]

(151) Ernährungssicherheit und Nahrungssicherheit gehen vor! Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind nicht in erster Linie Handelsgüter, es sind Lebens-Mittel und Elemente der Kulturen, in denen sie erzeugt werden. Internationaler Handel mit Agrarprodukten sollte den Ländern möglich sein, die das wünschen. Diese Entscheidung sollte jedoch demokratisch getroffen und reversibel sein. Allen Ländern, die nicht oder nur eingeschränkt an diesem Handel teilhaben wollen, muss das ermöglicht werden. Unabhängig davon sind alle Länder bzw. Regionen dabei zu unterstützen, ihre Ernährungs- und Nahrungssicherheit herzustellen.

(152) Soweit internationaler Agrarhandel für wünschenswert erachtet wird, muss gelten:

(153) * Sofortiger Abbau aller Formen von Exportsubventionen bei gleichzeitiger Umwidmung der derzeitigen Subventionsgelder in ein Förderprogramm zum Aufbau leistungsfähiger Agrarproduktion in den Entwicklungsländern.

(154) * Festschreibung von Mechanismen zur defensiven außenwirtschaftlichen Absicherung schwacher Regionen, um einen chancenreichen Markteintritt erst einmal zu ermöglichen. Ausgleichszölle können dann sinnvoll sein, wenn in einzelnen Ländern externe Kosten der Produktion in die Preise einbezogen werden (z. B. durch Ökosteuern auf fossile und nukleare Energieträger); dann dienen Ausgleichszölle nicht dem Schutz einer ineffizienten heimischen Wirtschaft, sondern dem Schutz einer nationalen oder regionalen Politik, die nationale und globale öffentliche Güter schützt. Dasselbe gilt auch gegenüber den Exportwirkungen der internen Stützung in Industrieländern.

(155) * [Diese Position ist bei Attac umstritten; Anm. d. Red.] Einseitiger Marktzugang für Entwicklungsländer zu den Agrarmärkten der Industrieländer. Jedoch ist zu verhindern, dass einseitige Abhängigkeit vom Weltmarkt (Entwicklung von Monokulturen, Verschlechterung der terms of trade) entsteht bzw. sich verfestigt.

(156) * Im Bereich des Saatguts treten wir für Stärkung der Recht der Landwirte (Farmer’s Rights) ein. Landwirte sind nicht und sollen nicht zu „Franchisenehmern” der Agrarindustrie degradiert werden. Wir wollen eine entschiedene Bekämpfung von Bio-Piraterie, der Verbindung von geistigen Eigentumsrechten (Patente auf Saatgut) und genetischer Manipulation von Pflanzen.

2.5 Geistiges Eigentum/Technologietransfer

(157) Wir treten für die Vision einer Wissensallmende ein.6 Das meint einen gesicherten Bestand allgemein zugänglicher „Wissensgüter“ als globalen öffentlichen Raum, in dem zum Wohle aller ausgetauscht und verknüpft werden kann, was der Einzelne an Wissen schafft Wissen hat zwei besondere Eigenschaften: Es wird durch Teilung nicht weniger, d. h. das Lesen derselben Internetseite, das Hören derselben Musik, das Verwenden desselben Rezeptes usw. ist davon unberührt, ob eine, zwei oder sehr viele Personen davon Gebrauch machen. Und Wissen ist komplementär, d. h. es kann umso einfacher neues Wissen aufgenommen/geschaffen werden, je umfangreicher der bereits erworbene Wissensstand ist.7

(158) Wir lehnen die künstliche Beschränkung dieser Eigenschaften ab. Deshalb muss das TRIPS (WTO-Abkommen über geistiges Eigentum) abgeschafft werden. Unter dem Deckmantel „geistiges Eigentum” sollen die Entwicklungschancen der Länder des Südens dauerhaft beschnitten und jeder Wissenstransfer blockiert werden. Zugleich wird Tür und Tor für die weitere Nutzung der „grünen” Gentechnik geöffnet mit der Patentmöglichkeit auf Gensequenzen. Wir wollen keine Patentierung von Gensequenzen, kein Patent auf Leben!

(159) Angleichungen von geistigem Eigentumsschutz, z. B. Patentrechte, können nur zwischen gleichartig strukturierten Volkswirtschaften angestrebt werden und sollten nicht Teil der multilateralen Wirtschaftsordnung sein.

3. Neuordnung der Währungs- und Finanzbeziehungen

3.1 Finanzbeziehungen

3.1.1 Entschuldung

(162) Wir treten ein für ein neues Verfahren der Bewältigung von untragbaren Auslandsschulden. Zu diesem gehören eine unparteiische Entscheidungsfindung, ein Anhörungsrecht für alle Betroffenen und die Sicherstellung eines Existenzminimums für Staaten vor dem Zugriff der Gläubiger (Insolvenzrecht für Staaten).8 Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen zu ergreifen:

(163) * Ausweitung der durch die HIPC-Initiative nur unzureichend gewährleisteten Entschuldung der ärmsten Länder auf ein wirklich tragfähiges Maß. Orientierungsgröße bleibt dabei die Entschuldung Deutschlands im Jahr 1953 auf eine Schuldendienstquote von weniger als 5 % der jährlichen Exporteinnahmen.

(164) * Reform der Konditionierung von Schuldenerlassen im Sinne einer umfassenden Abkehr vom traditionellen Konzept des „Washingtoner Konsens“. Stärkung der Möglichkeiten der Betroffenen in den verschuldeten Ländern, wirtschaftliche Reformprogramme selbst zu entwickeln und die Verwendung der durch Entschuldung frei werdenden Mittel zu kontrollieren.

(165) * Ausweitung des Kreises der Länder, die Zugang zu Entschuldung haben über den willkürlich definierten Kreis der Hochverschuldeten Armen Länder (HIPC) hinaus.

(166) * Ersetzung der bisherigen, allein von den Gläubigern dominierten Entschuldungsverfahren im Pariser Club, Londoner Club und den Internationalen Finanzinstitutionen durch ein Faires und Transparentes Schiedsverfahren.

(167) * Berücksichtigung der Legitimität bzw. Illegitimität von Gläubigeransprüchen im Internationalen Schuldenmanagement auf der Grundlage der Doktrin der „Verabscheuungswürdigen Schulden“ (Odious Debts); Streichung von Forderungen, welche in einem fairen und transparenten Verfahren als illegitim identifiziert wurden.

3.1.2 Entwicklungsfinanzierung

(168) Die weltweite – oder zunächst auch: europaweite – Einführung einer Tobin-Steuer könnte ein erhebliches Finanzvolumen realisieren (das „Spahn-Gutachten“ nennt z. B. eine Summe von 17 Mrd. €, siehe 3.3.1), dass für die Finanzierung von Menschlicher Entwicklung/Armutsbekämpfung in den Ländern des Südens eingesetzt werden soll.

(169) Der seit langem beschlossene Anteil von 0,7 % des BIP für Entwicklungshilfe muss endlich politische Praxis werden. Seit Beschluss dieser Quote haben die Industrienationen ihren Entwicklungshilfeansatz fortwährend nach unten bewegt, auf z. Z. ca. 0,23 %.

Position „Globalisierung gerechter gestalten“:

(170) Derzeit befinden sich viele Entwicklungsländer in der paradoxen Situation, soziale und ökologische Standards nicht umzusetzen, obwohl diese die Lebenssituation ihrer Menschen verbessern würden. Die Nicht-Umsetzung ist aber ihr einziger Vorteil im Konkurrenzkampf des Weltmarktes. Um die Umsetzung von Sozial- und Umweltstandards in Entwicklungsländern möglich zu machen, ist diesen eine Ko-Finanzierung anzubieten, nach dem Vorbild des gleichnamigen EU-Instrumentes.

(171) Als politisches Signal können Initiativen wie die „Global Marshall Plan-Initiative“ gelten. Diese setzt sich für die Realisierung von Entwicklungshilfe, Ko-Finanzierung und Tobin-Steuer ein. Weiterhin wird beispielsweise eine Welthandelsabgabe, die „Terra-Tax“, genannt.9

Position Entglobalisierung:

(172) Die Global Marshall Plan-Initiative ist ein Versuch aus Wirtschaft, Politik und Nicht-Regierungsorganisationen, im Namen der Nord-Süd-Solidarität den globalen Machtanspruch der EU politisch und ökonomisch zu unterstützen. Ausdrücklich soll die Entwicklungsfinanzierung einen weltweiten Wachstumsschub auslösen, auch zum Nutzen der europäischen Exportländer. Es charakterisiert diese Initiative, für diesen Zweck ein Beratungsgremium bei der Europäischen Kommission einrichten zu wollen, mit dem Koordinator der EU-Interventionspolitik, Herrn S. Solana, für ihr Konzept zu werben und die NRO in dieses Projekt einbinden zu wollen.

(173) Eine Entwicklungsstrategie, die in erster Linie auf eine eigenständige Entwicklung des Südens setzt statt auf europäisch-imperiale Machtansprüche, sollte sich an der Devise orientieren: „Weniger nehmen (im Sinne von ausbeuten) ist besser als mehr geben“.

3.2 Kapitalmarktordnung

(174) Das Recht auf souveräne Steuerung des Zahlungs- und Kapitalverkehrs darf durch die Liberalisierung von Finanzdienstleistungen nicht eingeschränkt werden. Kein Land darf von IWF/Weltbank – oder demnächst: der WTO (!) – zur Kapitalmarktliberalisierung gezwungen werden. Die Staaten müssen jederzeit das Recht ausüben können, sich vor unerwünschten Kapitalbewegungen zu schützen.

Position „Globalisierung gerechter gestalten“:

(175) Ein reformierter IWF muss die Unterstützung der Liberalisierung von Kapitalmärkten aufgeben. Statt dessen soll die in der IWF-Satzung stehende Formulierung, „solche Kontrollen auszuüben, die notwendig sind, um internationale Kapitalbewegungen zu regulieren“ (Art. IV, Abs. 3), zu einer zentralen Aufgabe werden.

3.3 Währungsordnung

3.3.1 „Spekulation“ und Tobin-Steuer

(177) Attac fordert die weltweite Einführung der als „Tobin-Steuer“ bekannten Devisenumsatzsteuer.10 Als Einzelinstrumente sind die „Tobin-Steuer” oder die „Spahn-Steuer”11 selbstverständlich unzureichend, die Probleme auf den internationalen Finanzmärkte zu lösen. Finanzkrisen oder gar die neoliberale Globalisierung lassen sich mit einer Devisenumsatzsteuer alleine nicht aufhalten. Wir betrachten die „Tobin-Steuer” vielmehr nur als einen Einstieg in die Re-Regulierung der internationalen Finanzmärkte.

Position 1:

(178) Die hohen Umsätze auf den Finanzmärkten werden häufig mit dem Begriff der Spekulation in Verbindung gebracht. Attac betrachtet Spekulation mit Währungen nicht als „böswillige” oder „raffgierige” Handlungen von Kapitalbesitzern, sondern vielmehr als eine im Kapitalismus unter den heutigen Bedingungen logischerweise anzutreffende Form von Kapitaleinsatz zur Profitmaximierung. Ein großer Teil der Finanzmarkttransaktionen ist zwar von sehr kurzer Anlagedauer (oft nur Minuten), letztlich ist aber jede wirtschaftliche Aktivität, die dabei notwendigerweise von einer bestimmte Entwicklung in der Zukunft ausgeht, genauso unsicher wie die Zukunft und somit spekulativ. Eine klare Trennung zwischen Spekulation und Nicht-Spekulation ist daher nicht möglich.

Position 2:

(179) Gewiss müssen wir bei den täglich gehandelten hohen Geldbeträgen berücksichtigen, dass viele sog. „Banksicherungsgeschäfte“ getätigt werden, doch wenn wir diese Beträge abziehen, bleiben trotzdem astronomisch hohe Beträge übrig, die man als spekulative Geldbeträge bezeichnen darf – Beträge, die allein das Ziel haben, aus Geld noch mehr Geld zu machen. Dies ist ein zentraler Beweggrund des neoliberalen Projektes.

(180) Angesichts der Tatsache, dass nicht Geld, sondern Menschen arbeiten, ist ein Ziel von Attac, alle Instrumente zu verwirklichen, die Kapital/Geld zu Investitionen machen. D. h. es muss alles unternommen werden, die Renditeerwartung von spekulativen Geschäften so zu schwächen, dass der Mut zu unternehmerischem Risiko von kleinen und mittelständischen Unternehmen wieder zu einer tragenden Kraft des Wirtschaftslebens werden kann. Mit der schwindenden Renditeerwartung aus spekulativen Geschäften entfällt auch der erpresserische Hebel, den viele Unternehmen – i. d. R. TNK – gegenüber staatlichen Institutionen einsetzen.

3.3.2 Leitwährung und Wechselkurspolitik

Position 1:

(182) Wir treten für die Einführung von Wechselkurszielzonen zwischen den drei Hauptwährungen (Euro, Dollar, Yen) ein, die in der Verantwortung einer internationalen Organisation, z. B. eines IWF-Nachfolgers, geführt werden sollten.

Position 2 :

(183) (Minderheitsmeinung in der AG AWWO):12 Das sog. Über- bzw. Unterschießen der Wechselkurse ist eines der schwerwiegendsten Probleme. Es wurde durch die Liberalisierung der Finanzmärkte verursacht, die praktisch unkontrollierte Währungstransaktionen und andere internationale Kurzfrist-Finanzgeschäfte ermöglicht. Eine Re-Regulierung kurzfristiger Finanzströme mit dem Ziel ihrer Eindämmung und Kontrolle ist deshalb dringend geboten. Hierin ist der wichtigste Hebel gegen die Währungsspekulation zu sehen. Eine Abschaffung freier Wechselkurse könnte zwar theoretisch zur Lösung des Problems beitragen. Es gibt jedoch bisher keine praktische Lösung, wie Wechselkurse angemessen politisch festgelegt werden können. Es darf nicht verkannt werden, dass falsche Wechselkurspolitik eine der Ursachen von Finanzkrisen ist. So finanzierte der IWF oft fixierte Wechselkurse, was den Banken/Kapitaleignern „das Fluchttor aufhielt“, um die Menschen dieser Länder anschließend einer um so schlimmeren Währungskrise zu überlassen (sog. „Bail-Out“). Festlegungen von Wechselkursen sind immer mit erheblichen Risiken verbunden; sie tragen oft zur Entstehung des Problems bei, das sie lösen sollen.

(184) Eine Abkehr von monetaristischen nationalen Geldpolitiken ist eine wichtige Bedingung für Entwicklung.

3.4 Internationale Organisationen und Institutionen

(185) Je nach der Einschätzung der Reformierbarkeit werden innerhalb Attac die Abschaffung oder eine grundlegende Reform von IWF und Weltbank gefordert. Maßstab ist dabei die Überwindung des neoliberalen Leitbildes. Einigkeit besteht darüber, dass

(186) * die ordnungspolitische Beeinflussung von Entwicklungsländern durch internationale (Finanz-)Organisationen abgestellt werden muss;

(187) * eine internationale, öffentliche Entwicklungsbank erstrebenswert ist, die als Finanzier auftritt für Projekte und Programme, die vor Ort entwickelt werden;

(188) * eine internationale Organisation zur Unterstützung einer makroökonomischen Steuerung (z. B. bei Zahlungsbilanzproblemen) sinnvoll sein kann, die plurale Wirtschafts- und Gesellschaftskonzepte fördert, welche in partizipativen Verfahren entwickelt werden.

Position Entglobalisierung/Lokalisierung:

(189) Eine Strategie der Entmachtung oder Abschaffung von IWF/Weltbank zugunsten regionaler Regulierung und Kontrolle der Finanzmärkte wird verfolgt. Grundlage der regionalisierten Finanzordnungen soll die demokratische Kontrolle durch die jeweiligen Bevölkerungen sein.

Position „Globalisierung gerechter gestalten“:

(190) Eine Reform wird verfolgt, nach der Weltbank und IWF die o. g. Aufgaben übernehmen können. Zentraler Ansatz hierfür sind interne demokratische Strukturen. Dazu bedarf es einer Neuordnung der Stimmrechte, die zwar die ökonomische Dimension eines Landes berücksichtigt, aber auch Bevölkerungszahl, menschliche Entwicklung u. ä. Neben den Regierungen sind die Zivilgesellschaften zu beteiligen. Ein derart reformierter Fonds könnte auch wieder Verantwortung bei der Koordination der Währungspolitik, der Kapitalverkehrsregulierung und der Krisenprävention (Liquiditätsprobleme) und Krisenbekämpfung übertragen bekommen.

(191) Erwähnt werden soll hier auch das kaum bekannte Financial Stability Forum, dessen Basler Akkord (Basel II) in diesem Jahr die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen hat. Dieses Regelwerk zielt auf die internationale Handelbarkeit (durch Verbriefung) von Krediten. Es wird u.a. die Banken zu kurzfristiger statt langfristiger Kreditvergabe verleiten. Im Krisenfall bergen aber gerade hohe, kurzfristige Kreditschulden enorme systemische Risiken. Entwicklungsländer sind im Basler Komitee nicht vertreten, wiewohl sie von den Auswirkungen betroffen sein werden.

3.5 Steuerpolitik

(192) Für eine gleichmäßige Beteiligung der Kapitaleinkommen an den öffentlichen Aufgaben ist eine grundlegende Bekämpfung der Steuerflucht erforderlich.15 Kernpunkt ist die internationale Durchsetzung des Wohnsitzprinzips bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften, zunächst innerhalb der EU in Kooperation mit den USA. Die Steueroasen müssen und können mit einfachen Mitteln unter Druck gesetzt werden, sich diesen Standards anzuschließen. Gleiches gilt für Regeln im Bereich Geldwäsche und Standards der Finanzmarktaufsicht.

(193) Ein anderer wesentlicher Punkt ist die Einführung einer weltweit einheitlichen Gewinnsteuer, um die Erpressbarkeit von Regierungen zu verringern und Buchungstricks wie Firmensitzverschiebungen in andere Länder oder Übertragungen von Gewinnen auf Tochtergesellschaften sinnlos zu machen.

4. Beschränkung der Macht transnationaler Konzerne

(194) [Vorbemerkungen: – Zur Arbeit an diesem Abschnitt gibt es eine Mailingliste, siehe http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/awwo-tnk] – Auf der gleichen Internet-Seite soll bis Ende April ein Link erscheinen zu einer stark überarbeiteten Version dieses Abschnitts, die bis Ende April erarbeitet werden soll.]

(195) Die Aufhebung der Herrschaft von Menschen über Menschen und damit die Aufhebung der Ausbeutung und Unterdrückung, der Übergang von der Fremd- zur Selbstbestimmung ist eine alte Forderung demokratischer Partizipationsbewegungen. Die Entflechtung und Demokratisierung der Transnationalen Konzerne (TNK) ist ein tragender Baustein für die Humanisierung der Wirtschaft insgesamt.

(196) Die einseitig auf die Interessen der Kapitalgeber/Anteilseigner ausgerichteten Entscheidungsprozesse transnationaler Konzerne (TNK) müssen gebrochen werden. Wir treten ein für eine umfassende Entflechtung und Demokratisierung der TNK, durch welche die Betroffenen ein effektives Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht erhalten. Es reicht nicht, beim (im internationalen Vergleich als vorbildlich geltenden) deutschen Mitbestimmungsrecht stehen zu bleiben, das formal eine Gleichberechtigung von Kapitalgebern und Beschäftigten vorsieht, de facto aber ersteren die Mehrheit sichert.

(197) Alle TNK (Produktions-, Dienstleistungs-, Handels-, Medien- und Finanzkonzerne) müssen entflochten und demokratisiert werden, die einzelnen Tochterunternehmen durch demokratische Organe (in den jeweiligen Staaten [dieser Zusatz ist umstritten]) gelenkt und kontrolliert werden. Damit löst sich der transnationale Charakter und der Herrschaftsanspruch der Weltkonzerne über Staaten auf. Die Forderungen gelten für alle großen Unternehmen, insbesondere für alle Kapitalgesellschaften, nicht nur für TNK.

(198) Die Arbeit der Gewerkschaften, z. B. der Aufbau internationaler Betriebsräte, soll unterstützt werden. Eine gleichmäßige Vertretung von Frauen und Männern ist zu gewährleisten, d. h. insbesondere, dass Aufsichtsräte und Vorstände geschlechterparitätisch zu besetzen sind.

4.1 Position 1: Globale Verhaltenskodizes für TNK

(199) [Diese Position ist bisher im AWWO-Kontext noch nicht besprochen worden.]

(200) Die Balance zwischen den Anwälten der öffentlichen Anliegen und denen der Privatwirtschaft müssen wieder hergestellt werden. „Global Governance“ zielt darauf, international verbindliche Standards in den Bereichen Menschenrechte, Demokratie, Arbeit (ILO-Konventionen) und Soziales zu schaffen. Diesen müssen sich TNK als Verhaltenskodizes verpflichten und unterwerfen. Dazu muss die Rolle der Zivilgesellschaft gestärkt werden, durch einklagbare Transparenzregeln gegenüber den TNK und durch umfassende Mitbestimmung aller Stakeholder (BürgerInnen, MitarbeiterInnen, etc.) an den Entscheidungsprozessen innerhalb der TNK. Dann könnte die Vorstellung einer auf drei Säulen – den Nationalstaaten, der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft – gebauten Demokratie mit globaler Dimension Gestalt annehmen.16

4.2 Position 2: Demokratisierung der Unternehmensmitbestimmung in Großunternehmen

(201) Wir fordern für große Unternehmen (nicht nur für TNK): Im Aufsichtsrat, der auch den Vorstand wählt, muss es eine Minderheitsposition der Kapitalgeber/Anteilseigner geben und eine gemeinsame Mehrheit für die abhängig Beschäftigten und die Bevölkerung (als Beispiel für eine solchen Regelung siehe das Konzept in http://www.mitbestimmung.info). Dies ist eine zentrale Voraussetzung dafür, durch Besitz erworbene oder gesteuerte Macht demokratisch zu beschränken. Die Gruppe Bevölkerung soll nicht durch den Staat oder durch Staaten vertreten sein, auch oppositionelle Kräfte müssen Einfluss haben.

4.3 Position 3: Neue Demokratieformen für Großunternehmen

(202) Die Demokratieform kann die Beschäftigtendemokratie (= Arbeiterselbstverwaltung) oder eine Beteiligungsmischung aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen sein. Eine basisdemokratische wie eine parlamentarische Form der Lenkung und Kontrolle können gewählt werden. Kapitalgeber/Anteilseigner werden in Zukunft von den Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Damit wird der Prozess der Kapitalakkumulation zugunsten der Beschäftigten oder der Gesellschaft umgesteuert.

5. Die Europäische Union: ein anderes Europa – sozial, ökologisch und antimilitaristisch

(203) Trotz der unrühmlichen Rolle der EU bei der neoliberalen Umgestaltung Europas sehen wir ein vereintes Europa als eine große Herausforderung. Angesichts einer nach 40 Jahren Liberalisierungs- und Deregulierungspolitik zunehmend transnational organisierten Wirtschaft muss auch eine solidarische, die entfesselten Kräfte des freien Marktes eindämmende Politik über die Grenzen der Nationalstaaten aktiv werden. Europa bietet einige günstige Voraussetzungen für eine solche Politik: Es bildet einen wirtschaftlich relativ einheitlichen und nur in geringem Maße von den Handelsbeziehungen zu anderen Kontinenten abhängigen Wirtschaftsraum.

(204) Wir setzen uns für ein anderes Europa ein: Für eine Union, die die durch Liberalisierung und Deregulierung entfesselten Kräfte des Marktes bändigt und die Vorherrschaft demokratischer Willensbildungsprozesse wiederherstellt. Wir fordern einen sofortigen Stopp der europaweiten Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen Die progressiven Ansätze im Bereich sozialer Standards und sozialen Ausgleichs müssen ausgebaut und verbessert werden. Ein soziales Europa ist möglich.

(205) Europa muss sich international für eine demokratische Kontrolle und eine Re-Regulierung der Finanzmärkte und für eine solidarische Weltwirtschaftsordnung einsetzen, ohne dabei selbst in Großmachtgehabe zu verfallen. Die EU muss das Projekt einer EU-Interventionstruppe zur Sicherung ihrer globalen Machtansprüche aufgeben zugunsten einer zivilen und präventiven Politik der Konfliktbewältigung.

5.1 Für eine solidarische Währungsordnung

(206) Wir setzen uns für eine gründliche Umgestaltung der Währungsunion ein. Anstatt der einseitigen Fixierung auf die Preisstabilität muss die Zinspolitik der Zentralbank in erster Linie der Bekämpfung von Erwerbslosigkeit und sozialer Ausgrenzung und dem ökologischen Wirtschaften verpflichtet sein.

(207) Die Erzwingung weiterer Kürzungen der öffentlichen Ausgaben durch den sanktionsbewehrten Stabilitätspakt lehnen wir ab. [Diese Position zum Stabilitätspakt ist strittig; s. o.] Stattdessen muss es einen europäischen Pakt für soziales und ökologisches Wirtschaften geben, mit dem sich die EU-Mitgliedstaaten quantifizierbar und verbindlich zur Senkung der Erwerbslosigkeit, zur Umverteilung zwischen Arm und Reich, zum Nord-Süd-Ausgleich und zur Verringerung der Umweltzerstörung verpflichten.

(208) Die währungspolitische Bedeutung des Euro muss genutzt werden, um die einseitige Ausrichtung des internationalen Finanz- und Währungssystems auf die Interessen der Kapitalanleger mit dem US-Dollar als Leitwährung zu beenden und wirtschaftlich schwächeren Ländern eine Neuausrichtung ihrer Währungspolitik zu ermöglichen. Europa muss auf eine Koordinierung der Wechselkurse zwischen Dollar, Euro und Yen hinarbeiten.

5.2 Steueroasen austrocknen, Tobinsteuer einführen

(209) Die EU, die einst durch den Wegfall der Kapitalverkehrskontrollen viele Möglichkeiten der Steuerhinterziehung erst geschaffen hat, muss diese jetzt wirksam unterbinden: Steueroasen innerhalb der EU müssen sofort geschlossen werden. Weil fallende staatliche Einnahmen auch durch den unfairen Wettbewerb der gesamten Steuersysteme verursacht werden, muss es eine europaweite Mindestbesteuerung von Kapital- und Unternehmenserträgen geben. Zur Abschöpfung von Spekulationsgewinnen und zur Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte fordern wir zudem, dass die EU eine Vorreiterrolle bei der weltweiten Durchsetzung einer “Tobin-Steuer” einnimmt, indem sie eine Steuer auf alle Transaktionen mit dem Euro einführt.

5.3 Für eine demokratische Außenhandelspolitik

(210) Aufgrund der immer drastischeren Auswirkungen der Handelspolitik auf zahlreiche Wirtschaftssektoren, muss diese von den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten und vom EU-Parlament kontrolliert werden.

5.4 Für eine neue Agrarpolitik

(211) Ziel der europäischen Agrarpolitik muss eine nachhaltige Entwicklung der Lebens- und Wirtschaftsweisen im ländlichen Raum sein. Fördermittel müssen zielgerichtet an die der Nachhaltigkeit verpflichtete, ökologische Landwirtschaft vergeben werden. Nur so können die gesellschaftlichen Anliegen wie die Gesundheit der Verbraucher, der Schutz von Böden, Grundwasser und Kulturlandschaften und das Wohl von Nutztieren mit einer gesicherten beruflichen Perspektive der Bäuerinnen und Bauern vereinbart werden.

6. Strategien und Bündnisse auf dem Wege zu einer Alternativen Weltwirtschaftsordnung

(212) Das Netzwerk Attac als Teil der globalen sozialen Bewegungen benötigt geeignete Strategien und Bündnisse, um seine Anliegen voranzutreiben. Gleichwohl soll mit dieser Grundsatzerklärung nicht suggeriert werden, dass wir den „richtigen Weg wüssten”.

(213) Ein solches Positionspapier stellt vielmehr wichtiges Orientierungswissen dar und ist kein fixes, lediglich der Umsetzung harrendes Programm. Es wäre sogar kontraproduktiv, „Wege” zu sehr festzulegen. Denn wenn es für soziale Bewegungen gerade in diesen scheinbar „alternativlosen Zeiten” wichtig ist, Denk- und Handlungsräume zu öffnen, findet das in sehr vielfältiger Form statt. „Fragend gehen wir voran” (preguntando caminamos) sagen die mexikanischen Zapatistas, was gerade nicht Beliebigkeit, sondern Offenheit, strategische Klugheit und die permanente Suche der Ausweitung von Bündnissen bedeutet.

(214) Beim gegenwärtigen Zustand der parlamentarischen Systeme und großer Teile der Massenmedien können kohärente Alternativen fast ausschließlich durch breite Koalitionen von sozialen Bewegungen außerhalb des Parlaments zur Diskussion gestellt werden. Diese Bewegungen können sich auf die Massenbewegungen gegen den Krieg stützen, indem sie die kritischen Analysen der Friedensbewegung vertiefen und erweitern und praktisch an Aktionsformen anknüpfen, die sich in den letzten Jahren wieder herausgebildet haben.

(215) Die Notwendigkeit von Alternativen steht außer Frage. Die Friedensbewegung in allen Teilen der Erde und die globalisierungskritischen Organisationen müssen sich für eine andere Welt und das heißt auch für eine andere Lebensweise einsetzen und dafür kämpfen.

(216) Vier Aspekte sind in diesem Zusammenhang entscheidend, die wiederum in die Entwicklungen spezifischer Strategien, Organisierungsprozesse und Bündnisse einfließen müssen:

(217) * Eine zentrale Bedingung von emanzipativen Bewegungen liegt darin, sich in permanenten Diskussion- und Klärungsprozessen der eigenen politischen Wirkungen, inhaltlichen Positionen und (eigener wie gegnerischer) Strategien zu vergewissern.

(218) * Das Verhältnis von Kritik und Handeln ist kein dichotomisches (hier die „Kritiker”, dort jene, die „etwas verändern”), sondern kritische Analyse ist integraler Bestandteil von kritisch-emanzipativem Handeln. Insbesondere kann damit vor Illusionen bewahrt werden, dass die gewünschten und dringend notwendigen weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen auf einem „klaren Weg” umsetzbar wären.

(219) * Wie es Kolleginnen und Kollegen von Attac Frankreich treffend ausdrücken, geht es unter anderem darum, sich nicht zu oft auf die institutionellen und diskursiven Terrains der Gegner zu begeben. Denn die herrschenden Sichtweisen und veröffentlichte Meinung geben sehr stark vor, welche politischen Formen und Inhalte als „plausibel” und „vernünftig” angesehen werden. So ist die herrschende Aufspaltung in die „große” staatliche Politik und die „kleine” im Alltag eher ein Problem für emanzipative Veränderungen. Emanzipative Veränderungen bedeuten auch, „Alltag” zu verändern, andere Praktiken auszuprobieren, sich gegen die alltägliche Durchsetzung des Neoliberalismus in den vielfältigen Institutionen zu widersetzen.

(220) * Eine Gefahr der aktuellen Entwicklungen besteht darin, „Markt” und „Staat” als eine Art Nullsummenspiel zu verstehen. Eine weit verbreitete Annahme lautet: Bedeutete die neoliberal-kapitalistische Globalisierung die Stärkung der Marktkräfte, so müsse nun wieder der Staat an Einfluss gewinnen, um die sozio-ökonomischen Entwicklungen „politisch zu gestalten”. So wichtig eine Zurückdrängung von Kapitalinteressen ist, so sehr droht ausgeblendet zu werden, dass staatliche Politik selbst ganz wesentlich an den von den jüngsten Bewegungen kritisierten Entwicklungen beteiligt ist und sie mitunter aktiv voran getrieben hat. Nun wäre es unsinnig, die dominanten politischen und medialen Mechanismen unberücksichtigt zu lassen. Doch müssen die Ambivalenzen klar sein. Es muss immer wieder eine kritische Reflexion darüber geben, inwieweit man eingebunden wird, sich zu sehr auf Vorgaben der „anderen Seiten” einzulassen.

Fußnoten

(221) 1 Vgl. etwa Joseph E. Stiglitz: „The Roaring Nineties – der entzauberte Boom“, Siedler-Verlag, 2004.

(222) 2 Vgl. Adelheid Biesecker/Stefan Kesting: „Mikroökonomik – eine Einführung aus sozial-ökologischer Perspektive“, R. Oldenbourg Verlag, 2003.

(223) 3 Vgl. Position „Abschied vom Wachstum“ in II.2.1.

(224) 4 ILO: Internationale Arbeitsorganisation; UNEP: Umweltprogramm der Vereinten Nationen (VN); UNDP: Entwicklungsprogramm der VN; UNCTAD: VN-Komitee für Handel und Entwicklung; UNIDO: VN-Organisation für industrielle Entwicklung.

(225) 5 Johan Galtung hat diesen Vorschlag auf der Attac-Demonstration in Köln 2002 vorgetragen. Vgl. z. B. sein Buch „Die andere Globalisierung“, 1998, Münster.

(226) 6 Die Allmende war die öffentliche Dorfwiese, auf der jede Familie des Dorfes ihr Vieh weiden lassen konnte. Dies konnte zu einer Überweidung oder gar Zerstörung der Allmende führen, wenn jeder möglichst viel Vieh auf diese Weide trieb (sog. „tragedy of the commons“). Daraus leitet der Neoliberalismus die Forderung nach Privateigentum ab. Ein anderer Blickwinkel zeigt jedoch: Allmenden werden dann erfolgreich bewirtschaftet, wenn es dafür gemeinsame Regeln gibt. Ob das Eigentum privat oder kollektiv ist, spielt dabei gar keine Rolle.

(227) 7 Vgl. beispielsweise Oliver Schmidt: Das Ende der Politik? – Die Globalisierung, das Wissen und die öffentliche Aufgabe, in: Ders. (Hrsg.): Die neuen Kommandohöhen – Untersuchungen über Globalisierung und Politik, Berlin, 2003.

(228) 8 Weitergehende Informationen etwa in den Schuldenreporten von WEED oder unter http://www.erlassjahr.de.

(229) 9 Vgl. Susan George: http://www.tni.org/archives/george/clusters.htm.

(230) 10 Weiterführende Texte zur Tobin-Steuer unter http://www.attac.de/archiv/index.php#tobin.

(231) 11 Vgl. http://www.wiwi.uni-frankfurt.de/professoren/spahn/tobintax/Tobinsteuer.pdf.

(232) 12 Vgl. dazu Joseph Stiglitz: „Die Schatten der Globalisierung“, Kapitel „Asienkrise“, 2002, Berlin.

(233) 13 Die Leistungsbilanz führt die Exporte und Importe von Waren/Dienstleistungen, grenzüberschreitenden Erwerbs- und Vermögenseinkommen/-übertragungen, sowie Entwicklungshilfe und Beiträge für internationale Organisationen.

(234) 14 Vgl. beispielhaft den Beitrag von Stefan Brunnhuber/Harald Klimenta (2003), http://www.attac.de/awwo.

(235) 15 Vgl. dazu die Maßnahmenliste, die von der Attac-Finanz-AG erarbeitet wurde. Vgl. auch Sven Giegold: „Steueroasen – austrocknen!“, Attac-Basis-Texte Nr. 4, 2003, VSA-Verlag.

(236) 16 Vgl. Weizsäcker, Ernst U. v. (2003): zur Herausforderung des öffentlichen Lebens durch Globalisierung, in: Schmidt, O., Die neuen Kommandohöhen, Berlin, S. 41 ff


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