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Die Brötchenfrage

Maintainer: Benni Bärmann, Version 1, 22.02.2004
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Die Brötchenfrage

(1) In den allermeisten Diskussionen, die ich über die Frage geführt habe, ob die Produktionsweise Freier Software verallgemeinerbar ist, sei es jetzt bei Vorträgen [1] oder einfach so unter Freunden, scheint sich die Diskussion immer wieder auf einen "seltsamen Attraktor" zuzubewegen, nämlich die Frage der materiellen Produktion. Ich nehme das zum Anlass, zum einen den Kenntnisstand und die geführten Diskussionen zusammenzufassen und zum anderen zu zeigen, warum die bisher gegebenen Antworten bei weitem nicht ausreichen und schliesslich zu versuchen die Frage zu präzisieren und wieder neu fruchtbar zu machen. Antworten habe ich dabei allerdings wenig zu bieten.

(1.1) Die Böotchenfrage, 25.02.2004, 15:50, Uvvell H:W:Berger: Das "Brötchen" ist auf jeden Fall schön anschaulich. Es ist nämlich ein Modell des Weizenkorn. Metaphore Paralellen begleiten auch die Lemminge, die sich aufgrund eines Giftes, das Gräser bei Überpopulation bilden, ins Meer stürzen. Darunter müßen auch Menschen leiden, wenn dies den Getreidegräsern in den Sinn kommt. Was transportiert eine freie softform mit welchem Ziel? Achten wir nicht sosehr auf das Produkt, sondern die formgebenden Hände, dann sind kleine Brötchen genauso effektiv die imateriellen Inhalte erfahrbar werden zu lassen.

(2) Vielen Menschen zeigt das Beispiel Freier Software anschaulich, dass im immateriellen Bereich eine irgendwie anders strukturierte Produktion und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens möglich scheint. Doch bei der Frage der Übertragung auf die materiellen Sektoren erhebt sich meist eine große Skepsis. "Aber wo kommen meine Brötchen her?" oder "Ich will aber auch Waschmaschinen haben und nicht bloß Software." heißt es dann. Ich denke, dass diese Skepsis nicht auf bloßer Unkenntnis oder schlichter Verblendung der Theorie-Rezipienten beruht, sondern auf wirkliche Schwachstellen hindeutet. Kern dieser Schwachstellen sind einige Argumente, die ich im Einzelnen nun aufführe.

(2.1) Ja, aber..., 25.02.2004, 16:01, Uvvell H:W:Berger: woher??. und ich will auch noch... - Ein leicht zu beschauender Ausdruck: "sage mir, wo die Brötchen herkommen, mich beschäftigt gerade allzusehr die Frage, wo ich herkomme!" "Ich will aber auch dies und jenes noch HABEN - meint: dies und jenes auch noch SEIEND zu werden überfordert meine Identifikationskapazitäten. _ Der Einzelne ist in erster Linie nur dazu da EINZELNd zu sein, alles andere bringt der Gruppenprozeß. Der Individualwahn und der Wunsch Existenzangst zu delegieren zwingen in der Sackgasse zur Umkehr.

(2.2) 28.02.2004, 19:23, Annette Schlemm: Mir fällt dabei auch auf, dass die Gefahr besteht, dass Inhalt und Form der Produktion hier zu sehr getrennt werden könnte. Wir versuchen die Form eines Inhalts auf einen anderen Inhalt zu übertragen – das kann schnell formal werden. Wichtiger ist es, jeweils auf den konkreten Inhalt selbst zu schauen. Welche Tendenzen vollziehen sich im (noch?) materiellen Produktionsprozess selbst? (Ich meine nicht nur das punktuelle Suchen von Beispielen der Annäherung an die utopische Replikatortechnik). Wodurch werden strukturelle Änderungen, die uns interessieren (dezentrale Vernetzung) inhaltlich getragen? Was sagt uns das? Was bedeutet das für unser jeweiliges Handeln, politisch, wirtschaftlich...

(2.2.1) Übertragung nur formal, 01.03.2004, 13:30, Benni Bärmann: Sehr schön formuliert. Genau dafür war dieser Text auch gedacht. Und deswegen bin ich auch der Meinung, dass Übertragung nur gelingen kann, wenn man den Untersuchungsfokus erweitert weg vom sturen gucken auf Freie Software.

Das Replikator-Argument

(3) Die Produktionsweise Freier Software ist offensichtlich nicht einfach ohne tiefgreifende Veränderung verallgemeinerbar, weil sie wesentlich auf den Eigenschaften der digitalen Kopie und der weltweiten informationellen Vernetzung beruht, nämlich beliebig viele Kopien eines Produktes an beliebigen Orten mit extrem geringem Aufwand verfügbar zu machen. Die einfachste Lösung der Frage der materiellen Produktion ist demnach auch die Erfindung eines Replikators, wie man ihn aus der Science-Fiction - z.B. den Startrek-Serien [2] - kennt. Ein solcher ist nun aber leider vorerst nicht in Sicht.

(3.1) Re: Das Replikator-Argument, 23.02.2004, 23:26, Birgit Niemann: Unsere Welt besteht geradezu aus vielen Millionen verschiedener Sorten von Replikatoren. Insbesondere unsere "Brötchenproduktion" wäre ohne Replikatoren wie z.B. Rindviechern und anderen Tierlein sowie diversen Getreide- und sonstigen Pflanzenarten im Traume nicht denkbar. Es will mir beim besten Willen nicht aufgehen, was sich nun durch die eventuelle Herstellung noch ein paar weiterer Replikatoren grundlegend ändern sollte.

(3.1.1) Re: Das Replikator-Argument, 24.02.2004, 14:24, Benni Bärmann: Ja, die biologischen Replikatoren sollte man nicht aus den Augen verlieren. Aber dennoch: Brötchenbäume sind noch nicht gesichtet worden ;-) Eine Möglichkeit auch technische Gegenstände zu replizieren würde schon grundlegend etwas ändern. Nur ist die ja in den nächsten Jahren nun nicht in Sicht.

(3.1.1.1) Brötchen-bäume, 25.02.2004, 16:20, Uvvell H:W:Berger: Erinnert sei an die Eulen und Meerkatzen, was wollte Ulysses uns damit spiegeln? In Frankreich heisst er nur éspiegle (ohne Ul und Nachtigall). Und noch eine recomplizierende arguementation ist das spiegelverkehrte U in den Nibelungen "U!ns ist die Mär überkommen" in der Bur-gundter Lüge und Carmina Burana. Gans erhebliche Lügengespinnste, die vor den zukünftigen Irretümern erstmal angeschaut werden wollen - 3 und 4 sprachig.

(3.1.1.2) Re: Das Replikator-Argument, 09.03.2004, 23:55, Birgit Niemann: Wir leben nicht nur mit biologischen Replikatoren. Auch jedes Kapitalsystem ist ein Replikator (von Kapital). Aus meiner Sicht ist es unserer eigenen geistigen und stofflichen Replikation auf Dauer zuträglicher, wenn technische Produkte unsere Werkzeuge bleiben und keinen eigenen Selbstzweck entwickeln. Denn man muss sich über folgenden Zusammenhang im Klaren sein: wo Selbstreplikation abläuft, ist Selbstzweck am werkeln.

(3.1.1.2.1) Re: Das Replikator-Argument, 22.11.2004, 22:01, Steffen Münzberg: Kapital ist ein Replikator. Die Co-Evolution der Meme-Replikatoren "technische Erfindungen" und des Replikators Kapital haben die industrielle Revolution ermöglicht. Die Meme-Replikatoren "technische Erfindungen" haben nun nicht nur die Köpfe als Wirt, sondern auch die Bücher und Computer und damit ist die Evolution dieser Meme immer weniger an die materielle Produktion gekoppelt. Über die Struktur der Replikatoren Gene und Meme besteht halbwegs Klarheit, aber was für ein Replikator ist das Kapital? Die anderen Replikatoren sind sich replizierende Informationen. Welche Information wird bei der Kapitalvermehrung repliziert? Das Kapital als Zahlengröße ist nur eine Quantität, hinter der keine Information zu stehen scheint. 1.000.000€ ist eine so unspezifische Große wie wie 1kg Fleisch. Aber um ein kg Fleisch zu erzeugen, braucht es viele kleine Replikatore. Wer oder was sind die Replikatoren um 1.000.000€ zu erzeugen? Sind es die Produktionsmittel, die sich replizieren? Ich kann aber auch Kapital wachsen (replizieren?) lassen, indem ich Leute mit blößen Händen arbeiten lasse. Oder sind es die Informationen der Produktionsmittel? Dann würden diese Informationen (hier ist Software ein typisches Beispiel) der normalen memetischen Evolution, also der Evolution der Ideen, unterliegen und gleichzeitig der Evolution als replizierendes Kapitalbestandteil. Ich glaube, wir sind bei der Untersuchung zum Replikator Kaptital an der Stelle, an der die Biologen vor der Entdeckung der Gene waren. Man sieht die Evolution, kennt aber nicht die wirklich treibende Kraft dahinter.

(4) Dennoch gibt es einen starken Widerhall dieser techno-utopischen Sicht in den geführten Diskussionen. Dies ist dann der Fall, wenn auf die Möglichkeiten von Industrierobotern, Fabbern und Rapid-Prototyping verwiesen wird, die durchaus auf den ersten Blick einen Teil des Weges zum Replikator schon hinter sich haben [3]. Nun hat dieses Argument einige Schwächen. Zum einen ist es sehr technisch und alleine schon deswegen für viele Menschen abschreckend, weil sie sich auf Grund eines verhältnismäßig technikfernen Alltags eine gesunde Skepsis gegenüber allen maschinellen Heilsversprechungen bewahrt haben. Zum anderen sagen solche Voraussagen wenig über die Handlungsmöglichkeiten für Nicht-Ingenieure im Hier und Jetzt aus und haben strukturell dasselbe Problem wie die alte Ost-Propaganda, die uns das sozialistische Jammertal mit dem zukünftigen kommunistischen Paradies schmackhaft machen wollte. Beides zusammen ergibt oft eine Gemengelage, in der die allermeisten Leute - völlig zu Recht - wieder einmal mehr das Gefühl haben, Objekt und nicht Subjekt der Geschichte zu sein. Deswegen gilt für jede Befreiungstheorie, die zu sehr auf technizistische Wege setzt: Thema verfehlt!

(4.1) Woher kommt das Gefühl "Subjekt-sein"?, 25.02.2004, 16:27, Uvvell H:W:Berger: Ohne das "DU" ist da nix zu machen. Im übrigen könnten uns die gebratenen Tauben ins Mäulchen flattern, hätte Don Quischott an den Windmühden Flügeln mehr versagdt x:+:x:+ . Die Technik verhindert den Genuß anstatt ihn zu fördern.

(4.2) 28.02.2004, 19:24, Annette Schlemm: Der letzte Satz stimmt auf jeden Fall. Andererseits war es bisher eben eine wirklich offene Flanke alternativer Konzepte, dass sie die Produktion nicht alternativ denken konnte. Es war immer offen geblieben
1. wie hochproduktive Produktion „demokratisch“ und human, d.h. selbstbestimmt, autonom etc. erfolgen kann und
2. wie den Erfordernissen ökologischer Produktions- und Lebensweise (die auf jeden Fall sehr für Dezentralisierung steht) entsprochen werden kann.
Insofern darf das Technizistische nicht der Hauptinhalt einer Befreiungstheorie sein, aber das Möglichkeitsfeld, in dem sich dann menschliches Tun tummeln kann, sollte man schon abchecken können. Sonst wird – wegen Missachtung des Themas – wieder einfach unbedacht und unkritisch das Alte übernommen.

(4.2.1) 01.03.2004, 13:33, Benni Bärmann: Ja, aber ist das nicht eher ein Problem mancher Ökos aus den 80ern? Sicherlich gibt es immer noch viel Technikfeindlichkeit in der Linken, aber der Internethype hat das doch ziemlich marginal werden lassen, oder? Und gerade bei Oekonux besteht glaube ich nicht wirklich die Gefahr, dass es technikfeindlich werden könnte ;-)

(4.2.1.1) feindlich werden könnte, 10.03.2004, 00:29, Birgit Niemann: Wer aber bestimmt die Zukunft? Oekonux oder Microsoft und Palladium (bzw. wie diese Kontrollbestrebungen sonst noch heißen).

(4.2.1.2) Technikverbot?, 13.03.2005, 21:13, Annette Schlemm: Verflixt, warum wird immer angenommen, dass allein das Sich-Damit-Beschäftigen eine Verabsolutierung mit sich bringen muesste? Ich gehe davon aus, dass die Frage nach den Brötchen und Kühlschränken etc. legitim sind und durch die softwarebezogene Oekonuxdebatte noch nicht beantwortet sind. Doch genau wie für die FS-Szene so was wie PCs notwendig sind, wird auch eine Freie-Güter-Welt technische Voraussetzungen haben, die zu diskutieren und anzueignen und zu entwickeln sein werden. Deshalb ist es als EIN Thema auch erst mal legitim. Grad wenn wir Fragen von Ökologie und Produktionsform diskutieren, müssen wir erst mal sachkundig sein (um welche Materialien gehts, welche Formen der Kooperation sind nahegelegt/welche ausgeschlossen etc., etc.).

(4.3) Moralische Grenzen, 06.09.2004, 22:16, Henrik Lohrberg: Ohne vom Thema abschweifen zu wollen: Neben der Brötchenproduktion gibt es noch andere Problembereiche, die sich der Kapitalismus gerade einverleibt oder bereits einverleibt hat, und die zu befreien wären. Bei einigen Dienstleistungen wie Pflege, medizinischer Versorgung, Kinderbetreuung verbietet die Moral einen technizistischen Ansatz. Dies sind teilweise Leistungen, die nicht eben der Selbstentfaltung dienlich sind, sondern die - sofern sie noch nicht warenförmig sind - im Rahmen der familiären Fürsorge schlicht an Frauen hängen bleiben.

(4.3.1) Re: Moralische Grenzen, 13.12.2004, 14:19, Annette Schlemm: Warum sollten im Rahmen einer selbstbestimmten Lebensführung diese Tätigkeiten "nicht eben der Selbstentfaltung dienlich" sein??? Hast Du nicht das Glück erleben dürfen, Dich im Umgang mit Kindern selbst aufblühen zu fühlen? Meinst Du nicht, dass die Pflege anderer Menschen auch Dich bereichern könnte? Unter heutigen Zwangs- und Stressbedingungen ist gerade Letzteres eher schwer spürbar, aber grad bei Kindern von Nicht-Selbstentfaltung zu sprechen...

(4.4) Abschreckung?, 13.03.2005, 21:16, Annette Schlemm: So abschreckend ist es übrigens gar nicht. Es gibt immer wieder erstaunlich viele AHA-Effekte, grad bei Leuten, die mit dem reinen Softwarebezug bei Oekonux nix anzufangen wissen. Da läufts dann andersrum: man zeigt die Möglichkeit der Fabber und dann wird Oekonux überhaupt erst interessant als Beispiel, wie damit anders produziert werden kann....

(4.5) Objektsein?, 13.03.2005, 21:20, Ano Nym: Natürlich, wenn man Technik so sieht, dass sie immer nur an den Menschen vorbei entwickelt wird, dann sind die Menschen eher Objekte. Unter bestimmten (anderen als jetztigen) gesellschaftlichen Bestimmungen können und sind bestimmte Techniken aber durchaus unterschiedlich bezüglich ihrer Objekt-oder Subjektsetzung. Im Fließband kann ich immer nur als Objekt agieren - ein Personal Fabrikator wartet auf jedoch auf genau meine Spezifikation, fordert mich als Subjekt ganz anders heraus (unter kapitalistischen Bedingungen wird genau dies dann wieder ausgebeutet - aber dafür kann die Technik nix).

(5) Natürlich ist den Protagonisten der Diskussion diese Falle durchaus bewusst. Deswegen wird auch immer wieder die soziale Dimension von Technologie beschworen. Doch sind solche Beschwörungen eben nur Beschwörungen, wenn die Alltagssicht der Leute nicht vorkommt. Deswegen kreist die Diskussion zwischen Techies und Nicht-Techies auch immer wieder um die Frage der materiellen Produktion und kommt in diesem Kreisen nicht vom Fleck.

(5.1) soziale demenz & no-logie, 25.02.2004, 16:41, Uvvell H:W:Berger: Der Stärkste wird von der Masse gezwungen seine alleinseinsangst an den Schwachen zu delegieren. Erst hieß es: Möllemann, geh Du voran! Woran der, vereinzelt, dann denkt und hänkt ist Ihm dann selbst überlassen. Frei und einzeln wie ein Baum, einen Fleck in der Landschaft zu hinterlassen ist Ausdruck, den keiner übersehen kann. Eine "Alltagssicht der Leute" kann nicht einer bestimmen, es sei denn er guckt mit facetten-Fliegenaugen und zertrümmert mosaikal.

(5.2) 28.02.2004, 19:24, Annette Schlemm: Alltagssicht der Leute: meiner Erfahrung nach trauen sich viele nicht über den Kapitalismus hinaus zu denken, weil sie sich effektive Produktion eben nur kapitalistisch vorstellen können. Der reale Sozialismus hats ja auch nicht besser gekonnt.
Im Prinzip kann man hier den Spieß umdrehen: Grad weil uns Technizistik und Produktivismus einen Dreck interessieren, müssen wir zusehen, dass wir Bedingungen herstellen (und verstehen), die uns genau das Herunterdrücken der Bedeutung von Technik und Produktion ermöglichen (ohne dabei zu verhungern).

Das historische Argument

(6) Ein weiteres häufig angeführtes Argument ist, dass der Übergang zur neuen besseren Gesellschaft - heiße sie jetzt "Kommunismus", "GPL-Gesellschaft" oder wie auch immer - nach ähnlichem Muster wie der Übergang von der Feudalgesellschaft zum Kapitalismus ablaufen würde. Wie dort die landwirtschaftliche Produktion nicht mehr gesellschaftich prägend sei, wird nun die industrielle Produktion in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung von der informationellen Produktion abgelöst. Die industrielle Produktion wird damit zum Anhängsel der informationellen Produktion, so wie schon heute die Produktion des primären Sektors Anhängsel der Industrieproduktion sei.

(6.1) his tor ische Argumente, 25.02.2004, 16:57, Uvvell H:W:Berger: Die Übergänge des Einzelnen vom Liegen an den Tisch, zur Bahn durch Gänge an den Arbeitsplatz, und zurück (wo ist das Bessere?) Das Tibetanische Totenbuch beschreibt die Übergänge ins "frei-davon-sein" die PsychoAnalyse bis ins präkonzeptionelle untersucht das "woherdarin-gefangen-sein". Es handelt sich aber um Einzelne - plante sich dies für mehrere (Gruppen, Familien, Menschen, Tiere, Pflanzen...), müßte dies Indurstie-pro-duckt ins Jenseits reichen, alles zu versorgen. Soweit reicht die Lieblosigkeit nich.

(6.2) Re: Das historische Argument: Produktionsweise, 26.02.2004, 11:03, Casimir Purzelbaum: Was heißt Anhängsel? – Die Frage ist, welche Produktionsweise drückt der Wirtschaft allgemein den Stempel auf. Es gibt immer weniger „landwirtschaftliche Industrieproduktion“ aber immer mehr „industrielle Landwirtschaft“, oder? Abgelöst oder zum Anhängsel wird nicht in erster Linie der Produktionssektor, welcher vor allem über sein Produkt definiert ist. Sondern die Produktionsweise in einem Sektor ändert sich infolge der zunehmenden Bedeutung anderer Sektoren. Das betrifft sowohl die Produktionsverhältnisse als auch die Produktivkräfte im Allgemeinen und die Produktionsmittel im Besonderen, welche in den jeweiligen Sektoren zur Anwendung kommen.

(6.2.1) Re: Das historische Argument: Produktionsweise, 01.03.2004, 13:35, Benni Bärmann: Ja, das ist sicherlich eine sauberere Formulierung der These. Meine Kritik an ihr, berührt das aber nicht, oder?

(6.3) Re: Das historische Argument, 19.04.2004, 17:20, Wolf Göhring: "Die industrielle Produktion (wird) in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung von der informationellen Produktion" beileibe nicht "abgelöst", sonst wuerde man auch von informationellen broetchen satt.

"Die industrielle Produktion wird damit zum Anhängsel der informationellen Produktion": Das erscheint mir als eine ganz imperiale sicht vom norden auf den sueden, wo die verlagerte industrielle produktion stattfindet.

Ein kleiner hinweis: In china werden jaehrlich etwa 1,1 milliarden tonnen kohle gefoerdert. Die hiesigen verbliebenen 50 millionen tonnen sind unterhalb der statistischen fehlergrenze der chinesischen zahlen. Einiges der chinesischen kohle landet in hiesigen kohlekraftwerken. Zumindest eines davon (Ensheim/Saar) steht direkt auf 6 meter maechtigen floezen , die man aber eines unterschieds von 45 euro pro tonne wegen nicht foerdert.

(7) Auch hier zeigt sich wieder das Problem der Praxisferne. Weder lässt sich historisch ein für alle mal beweisen, dass dieser Prozess wirklich so stattgefunden hat, noch ist nachvollziehbar, wieso sich Geschichte gerade nach diesen und nicht nach anderen oder überhaupt nach irgendwelchen Gesetzen vollziehen sollte. Und nicht zuletzt: Wie kann es sein, wenn der primäre Sektor so unwichtig ist, dass noch immer Kriege um Wasser und Öl geführt werden? Auch hier wieder: Es fehlt der Anknüpfungspunkt zum eigenen Alltagshandeln, der jede Theorie erst interessant macht. Oder für Hegelianer formuliert: Die Theorie bleibt in der Wesenslogik stecken und dringt nicht bis zur Begriffslogik vor [5].

(7.1) 25.02.2004, 17:17, Uvvell H:W:Berger: Es sollte uns ein fehlender Angelpunkt nicht davon abhalten theorätisch theatralisch Interesse zu entfalten. Nimm es als Vorteil, fern fremder Praxis zu sein. Kriege werden um etwas geführt, um sich einen Begriff vom Wesen zu machen. Zum Brunnen geht der Krug, kragt über den Rand (was ist ein KrokoDir?) und wenn der Vers nicht spricht, müßten einen Reim uns machen wir, mit Eimer und Henkel und Senkel. Theologos bleibt vor, drum Wesenglockig stecken, nicht Jedermann begreift dringlockichkeit um Ecken, vor, vor jede Seite nur ein Tor. Wo hört sich hin, mit welchem Ohr?

(7.2) Nicht nachvollziehbar?, 26.02.2004, 11:22, Casimir Purzelbaum: Mir ist nicht klar, warum es praxisfern sein soll zu konstatieren, daß industrielle Produktionsmethoden und Prod-Mittel früher in der Landwirtschaft eine geringere Rolle gespielt haben als heute. Für ebensowenig praxisfern halte ich die Feststellung, daß „Produkte geistiger Arbeit“ sowohl in der Landwirtschaft als auch in der industriellen Produktion eine zunehmende Rolle spielen. Was hat das mit „Gesetzen“ oder „Beweisen“ zu tun? Ist es nicht eher praxisfern, dies zu leugnen?

(7.3) »primäre Sektor so unwichtig«?!, 26.02.2004, 11:33, Casimir Purzelbaum: »Wie kann es sein, wenn der primäre Sektor so unwichtig ist, dass noch immer Kriege um Wasser und Öl geführt werden?« – Es geht gar nicht darum ob der primäre Sektor unwichtig ist oder nicht, sondern darum, ob und inwieweit er die allgemeinen Produktionsverhältnisse, -methoden usw. bestimmt.

(7.3.1) Re: »primäre Sektor so unwichtig«?!, 01.03.2004, 13:45, Benni Bärmann: Ja, erneut danke, dass Du meine unsauberen und saloppen Formulierungen korigierst. Ich bin manchmal vielleicht etwas sehr vereinfachend.

(7.4) Anknüpfungspunkte?, 26.02.2004, 12:26, Casimir Purzelbaum: ◦ Anknüpfungspunkte eröffnen sich einem sofort, wenn man feststellt, daß „geistige Fließbandarbeit“ nicht die effektivste Form der Produktion im „tertiären Sektor“ ist. Denn die meisten hemmenden Formen, denen „geistige Arbeit“ heute unterworfen ist, können durchaus praktisch als Auswirkungen der Dominanz der industriellen Produktionsweise begriffen werden.
◦ Umgekehrt ergeben sich Anknüpfungspunkte in der Sphäre der eigentlich materiellen Produktion überall da, wo es Unzufriedenheit mit den nicht-materiellen Produktionsfaktoren gibt (z.B. mit der Arbeitsorganisation, Datenverfügbarkeit, Flexibilität, Logistik usw.). – Und wo gibt es die nicht?

(7.4.1) Re: Anknüpfungspunkte?, 01.03.2004, 13:44, Benni Bärmann: Ja, sehr schön. Das wären erste Ansatzpunkte um mal genauer hinzugucken und weg von dem etwas generalisierenden Argument zu kommen, dass ich oben skiziert habe. Nur: Gibt es nicht auch Bestrebungen genau diese Probleme _innerhalb_ der Verwertungslogik zu lösen? Klar, es gibt Probleme bestimmte Bereiche zu verwerten, aber darüber, wie die Zukunft aussieht, sagt das wenig aus.

(7.4.1.1) 04.03.2004, 19:07, Hektor Rottweiler: Also, ihr beiden Diskutanten habt zumindest mal die lustigsten Namen. Auch wenn der eine vielleicht ja echt ist (was weiß ich?) ...

(7.4.1.1.1) Namen, 07.03.2004, 23:29, Ano Nym: ... spach Hektor Rottweiler :-))

(7.5) 28.02.2004, 19:25, Annette Schlemm: Das Verhältnis der Sektoren: Wenn man sich den „höheren“ als wesentliche zuwenden will, müssen die „unteren“ selbstverständlich funktionieren. Meine menschliche Aktivität basiert auf den biochemischen Vorgängen, die mich gesund erhalten - auch auf Grundlage eingehaltener chemischer und physikalischer Gesetze. Wenn die Biochemie aushakt, funktioniert auch das „Höhere“ nicht mehr. Allerdings gibt es auch Rückwirkungen. Und so eine Rückwirkung ist es auch, dass angesichts der verkorksten kapitalistischen Weltökonomie und –politik der primäre Sektor wohl leider doch wieder der Wichtigste der nächsten Jahrzehnte werden wird (auch angesichts der Klimaveränderungen). Dass das so ist, hängt aber wohl wirklich weniger damit zusammen, dass es prinzipiell nicht anders ginge, sondern damit, dass wir wahrscheinlich zu spät gangbare Wege (oder Sprünge) aus dem Kapitalismus finden.

(7.5.1) 01.03.2004, 13:46, Benni Bärmann: Ach quatsch, wird schon. Kopf hoch ;-)

(7.5.1.1) Ach quatsch, wird schon, 10.03.2004, 00:02, Birgit Niemann: Das sieht aus wie Zweckoptimismus oder Vogel-Strauss-Politik.

(7.5.2) 04.04.2005, 02:53, Peter Dauth: Nein! Gerade bei komplexen Strukturen ist es wesentlich, daß das Funktionieren der höheren Systemebenen nicht mehr vom Funktionieren hierarchisch hinreichend tief gelegener Systemelemente abhängt! Mit einem Bein kann ich vielleicht nicht mehr tanzen, aber FS sogar ganz ohne entwickeln, oder siehe Steven Hawkins. Genau darum geht es doch hier! Wenn Dinge oder Leistungen, die früher durch Aufwenden lebendiger Arbeit erbracht werden mußten, jetzt (ganz oder teilweise) als Struktureffekt entstehen, ist der Prozess der Wertschöpfung und insbesondere der Wertaneignung von neuem Interesse. Ob die kapitalistische Weltökonomie und -politik "verkorkst" ist oder bestens funktioniert, ist eine Frage des Standpunkts. Die Gewinne der Großen sind besser als je zuvor, die aus deren Sicht hinreichend tief liegenden Strukturelemente, wie z.B. ich, müssen dazu wohl nicht unbedingt in voller Funktionsfähigkeit erhalten werden.

Das Knappheitsargument

(8) Eine weiterer ebenso richtiger wie unzureichender Argumentationsstrang kreist um das Thema Knappheit. Es wird völlig zu Recht deutlich gemacht, dass Knappheit nicht eine Naturkonstante ist, sondern gesellschaftlich erzeugt wird. Diese gesellschaftlich erzeugte Knappheit sei die Bedingung für eine kapitalistische Wirtschaftsweise. Der Witz ist nun, dass im immateriellen Bereich das heute für jeden erfahrbar ist, der auch nur rudimentäre Berührung mit den neuen Medien hat, während es gerade in Krisenzeiten nicht vermittelbar ist, dass Überfluss auch im materiellen schon längst erreicht ist. Die fein säuberliche Unterscheidung zwischen "Knappheit", "Begrenztheit" und "Vorkommen" wirkt da schnell spitzfindig.

(8.1) Rittersmann und Knapp´ springen ins Güllyvers & Reis hinab, 25.02.2004, 17:30, Uvvell H:W:Berger: Kapitale Wirtschaftsweise ist Abhängige machen, auch ohne Geld. Wir sind unabhängig von selbstverschuldeter Unmündigkeit. Die gibt es allerdings im Überfluss. In diesen geht keiner zweimal in den Selben. Folglich erschöpft die Dummheit sich dannmal, transformiert sich, befindet sich jenseits fein säuberlicher UNTER-SCHEIDUNG - sozusagen auf einer Ebene, scheidungsfrei und langsam stumpf seiend.

(8.2) Re: Das Knappheitsargument, 28.02.2004, 19:25, Annette Schlemm: Warum soll es nicht vermittelbar sein, „dass Überfluss auch im materiellen schon längst erreicht ist“? Problematisch an den diesbezüglichen Versuchen sehe ich, dass bei der Aufzählung des Reichtums der 100 Reichsten der Welt oder der Profite der Konzerne nur so was wie Sozialneid geschürt wird und eher davon abgelenkt wird, die strukturelle Gewalt der Verhältnisse zu begreifen. Ansonsten ließe sich sicher an den konkreten Arbeitserfahrungen der Menschen anknüpfen – mir gegenüber haben schon viele (leise) zugegeben, dass ihr Job eigentlich ziemlich sinnlos ist... Genau so wie man zu DDR-Zeiten im tiefsten Inneren wusste, dass das nicht gut gehen kann, so haben auch heute viel mehr dieses Gefühl, als es meistens nach außen zugeben.

(9) Schließlich kann man direkt angeben, was die Faktoren sind, die ein immaterielles, digital kopierbares Gut knapp machen: Urheberrecht, Patente usw. Doch was sind diese Faktoren bei materiellen Gütern? Landen wir dann wieder bei den Klassikern wie Privateigentum an Produktionsmitteln? Wo hat dann noch eine Theorie von Selbstentfaltung und Begehren ihren Platz?

(9.1) Private Illusionen, 25.02.2004, 17:39, Uvvell H:W:Berger: Der Private Eigentümer ist auf die "Gegenseite" angewiesen - ein kollektives Spiel. Interessiert sich kein anderer für die große Briefmarkensammlung, was macht der Eine dann? Egal worin, es ist das Selbst, das sich entfaltet und begehren spüre ich in mir, nicht in dem, was ich begehre. Diesen Platz kann keiner nehmen, nur größern, um sich mit zu fühlen.

(9.2) 28.02.2004, 19:26, Annette Schlemm: Warum sollen sich die Frage nach Privateigentum an Produktionsmitteln und die Frage nach Begehren und Selbstentfaltung gegenseitig ausschließen? Sie hängen doch miteinander zusammen. Meine Selbstentfaltungsmöglichkeiten werden strukturell von der auf PE an Pm basierenden Gesellschaftsform begrenzt. (Dass ich das so sehe, hat natürlich mit Einsicht in strukturelle Zusammenhänge zu tun, die im Alltag nicht auf der Hand liegen...). Nur, weil die PE-Frage „klassisch“ ist, muss sie doch nicht falsch sein. Die Frage ist, ob sie ein Problem ist und wenn ja, ob sie gelöst ist. Manche Klassiker werden halt uralt.

(9.2.1) 01.03.2004, 13:53, Benni Bärmann: ausschliessen tun sie sich nicht unbedingt, nur sind es halt völlig unterschiedliche Ansätze . Das eine mehr top-down, das andere mehr bottom-up und es ist oft sehr schwer zwischen diesen beiden Sichtweisen zu übersetzen. Den Treffpunkt in der Mitte haben wir noch nicht gefunden.

(10) So wirkt diese Argumentation ein wenig wie ein Zirkelschluss, denn materielle Produktion ist ja gerade deshalb ein Problem, weil sie keinen eingebauten Begrenztheits- und Knappheitsvernichter wie die digitale Kopie hat. Dann darauf zu verweisen, dass Knappheit gesellschaftlich hergestellt wird, ist zwar richtig, dreht sich aber im Kreis, weil man damit nur erfährt, was man schon wusste, nämlich, dass materielle Produkte ein Problem sind, weil sie knapp sind.

(10.1) Zirkel Stichpunkt und Rechte Winkeln digitale Steine Hinkeln, 25.02.2004, 17:48, Uvvell H:W:Berger: Knappheit ist das eigene Einverständnis in die Neuro-endokrine-Weltsicht nebst Gegenüber. Wir sind allerdings mehr Haut-und-Knochen auch nur für uns und ansich. Hat der Ritter ein Problem, ruft er nach dem Knappen. Gegner werden mit, im Schild & Lanzen, geführt begegnet - auch wenn´s regnet.

(10.2) 28.02.2004, 19:26, Annette Schlemm: „denn materielle Produktion ist ja gerade deshalb ein Problem, weil sie keinen eingebauten Begrenztheits- und Knappheitsvernichter wie die digitale Kopie hat“.
Das ist eine gute Formulierung des Problems!
Indirekt ist natürlich auch die forcierte Steigerung der Produktivität so ein Knappheitsvernichter, er führt aber nicht automatisch weder zu einem neuen Inhalt, noch einer neuen Form der Produktion. Die diesbezüglichen Grenzen der Produktion sind aber schon auszumachen:
1. Ökologische Belastbarkeit (die Folgen der ökologischen (incl. klimatischen) Zerstörungen werden leider neue Knappheit erzeugen; die dürfen Utopisten auf gar keinen Fall aus den Augen verlieren!!!). 2. Produzierte Güter müssen auch konsumiert werden, wenn der Wirtschafts- und Kapitalverwertungskreislauf funktionieren soll. Daran haperts. Leider führt das nicht automatisch zum Zusammenbrechen des Kapitalismus (oder der Neuerfindung eines Keynesianischen Sozialstaats), sondern zu Zerstörung durch Rüstung und Krieg... 3. Es gibt keine sich nichtlinear beschleunigenden technologischen „langen Wellen“ mehr. Es gibt zwar technologische Innovationen (z.B. auf dem Biosektor), die erzeugen aber keine nichtlinear in sich zurücklaufenden Profitsteigerungsspiralen mehr, weil der Absatz nur eine gewisse Zeitlang erzwungen werden kann (Erpressung durch Ersatz natürlicher Nahrungsmittel durch nur noch künstliche, Gesundheits“markt“; wofür es aber irgendwann nicht mehr genug Kaufkraft geben wird).
Alle diese Faktoren haben das Problem, dass sie nicht relativ automatisch in Richtung Befreiung tendieren, sondern wenn sie automatisch funktionieren, lösen sie nur völlig katastrophale Tendenzen aus.

Das Konzept globaler Subsistenz

(11) Vor allem Franz Nahrada hat sich verdient gemacht um die Frage, wie globale und lokale Ökonomie und Ökologie ineinandergreifen könnten. Dabei handelt es sich im Kern auch um eine Antwort auf die Frage der materiellen Produktion. Die materielle Produktion sei in "globalen Dörfern" so zu organisieren, dass sie das digitale Wissen in einer Form von globalisierter Subsistenz nutzt und erzeugt [6]. Diese Antwort hat viele der oben genannten Probleme nicht. Es ist ziemlich einsichtig, dass so etwas Sinn machen könnte. Nur leider reicht das nicht aus. Wenn es nur darum ginge, eine vernünftige Organisationsform der Gesellschaft anzugeben, wäre der Kapitalismus schließlich schon längst Geschichte.

(11.1) Konzeptionslosigkeit schafft Sinnierende, 25.02.2004, 17:59, Uvvell H:W:Berger: Vernähme einer ein Organ, verliehe organisiert diesem Form, Geselligkeit bräuchte nicht angegeben zu sein. Niemand wüßte von langen Geschichten. Ineinandergreifen tut das Getriebe, um anzunehmen, das dort nichts ist, wo es sich hinbewegt. Ist dem so? - das haben wir nun davon :)

(11.2) Ökologie, 28.02.2004, 19:27, Annette Schlemm: Formal sollten dezentral-vernetzte Produktionsweisen ökologisch adäquater sein als zentralistisch-konzentrierte. Ob damit aber die Ökologiefrage für das Thema Oekonux gegessen ist, wage ich auch sehr zu bezweifeln.

(11.2.1) Re: dezentral-vernetzt, 10.03.2004, 00:10, Birgit Niemann: Das finde ich praktisch überhaupt nicht nachvollziehbar. Ich kenne zwei wesentliche und ausschließlich dezentral-vernetzte Lebenswelten. Das eine ist die Biosphäre, deren Expansionsprozesse, Zusammenbrüche und Katastrophen ja Bestandteil von ökologischer Betrachtung sind und das andere ist die "Welt der Kapitale". Deren Expansionsprozesse, Zusammenbrüche und Katastrophen sind ja nun wirklich alles andere als ökologisch. Woraus ich schließe, dass die am meisten dezentral-vernetzte Produktionsweise, die kapitalistische, am wenigsten ökologisch ist.

(11.2.1.1) Re: dezentral-vernetzt, 13.12.2004, 14:33, Annette Schlemm: Weder die Biosphäre noch der Kapitalismus ist in dieser Weise "dezentral-vernetzt", wie ich es meine. Und ich meine ja auch nicht, dass es mit solchen Strukturen keine qualitativen Umbrüche mehr gäbe. Bezüglich der Ökologie beziehe ich mich auf solche Debatten wie sie bei Frederic Vester strukturell diskutiert werden. Es geht da z.B. darum, inwieweit jeweils nicht zentralisierte Lösungen für Energieversorgung, Entsorgung etc. ökologisch angemessener sind als zentralistische. Die Frage der Katastrophen in der Biosphäre ist insgesamt sehr interessant. Außer dem "Kippen" in die Sauerstoffatmosphäre ganz zu Beginn der Ein/mehrzellerentwicklung habe ich kaum Katastrophen /Zusammenbrüche gefunden, die nicht durch jeweils äußere Einwirkungen hervorgerufen wären. Ich denke auch nicht, dass der Kapitalismus eine "dezentral-vernetzte" Produktionsweise ist, sondern eine durch die Kapital(-Wert)herrschaft sehr dominant-zentralistische (auf Konzentration des Kapitals) ausgerichtete.

(12) Das erstaunliche an Freier Software ist ja gerade, dass es viele verschiedene Kräfte sind, die sie vorantreiben, darunter so mächtige, wie globale Konzerne und Nationalstaaten, aber eben auch die sich selbst entfaltenden Individuuen der Multitude. Genau dies passiert aber bei der globalen Subsistenz nicht. Weder ist eine breite Bewegung in Sicht, die so etwas von unten organisieren würde, noch gibt es mächtige "global Players", die ein Interesse an einer solchen Entwicklung von oben haben, geschweige denn, dass sich die Interessen von beiden treffen. Gutes Zureden wird da nicht weiterhelfen. Es scheint also ganz materielle Gründe zu geben, die eine solche Entwicklung verhindern. Selbst diese zu benennen hilft alleine noch nicht weiter. Es ginge darum, eine Variante dieser globalen Subsistenz zu entwickeln, die dieses Handicap nicht hat.

(12.1) erst tao n lich, 25.02.2004, 18:04, Uvvell H:W:Berger: also die (12) läßt mich ans Tao Te King denken: das Kleinkind weiß noch nichts von der Vereinigung von Mann und Frau, trotzdem regt sich sein Glied. Es schreit ohne heisern werden und ohne unterlass, das ist "im Einklang sein".

(12.2) 28.02.2004, 19:27, Annette Schlemm: „Es scheint also ganz materielle Gründe zu geben, die eine solche Entwicklung verhindern.“
Ich denke, die Antiglobalisierungsbewegungen „vor Ort“ geben uns viele Antworten dazu. Wir können in Gegenden, wo eine regionale Wirtschaft vielleicht noch einigermaßen funktioniert hat, gerade genau zuschauen, welche Interessen und Gründe genau diese auf brutalste Weise zerstören.

Fallen vermeiden!

(13) Falsch sind alle diese Argumente nicht, nur kreisen sie eher um das Problem, als dass sie zu einer Lösung beitragen. Die zentrale Stärke der Theorien rund um Freie Software und immaterielle Arbeit ist, dass sie das Handeln der individuellen Menschen zu ihrem Thema machen. Es geht nicht um einen sich verwirklichenden Weltgeist, sondern darum, dass das Handeln der Leute hier und heute über die Zukunft entscheidet. Bei Oekonux findet sich das im Begriff der Selbstentfaltung als Produktivkraft [7] und im Postoperaismus im "Begehren der Multitude" [4].

(13.1) Re: Fallen vermeiden!, 28.02.2004, 19:28, Annette Schlemm: Ja, das habe ich auch immer als eigentlich wichtigen Inhalt angesehen. Als höhere Ebene, die sich „nur“ der adäquaten Funktionsweise der „untere“ materiell-produktiv-wirtschaftlich-technischen Ebene vergewissern muss (und sie natürlich auch aktiv gestaltet). Ich habe Oekonux nie so verstanden, als ginge es da um Freie Software oder auch materielle freie Produktion als Selbstzweck. Deshalb hatte ich ja mal für die neue Gesellschaft den Namen „Selbstentfaltungsgesellschaft“ vorgeschlagen, weil so was wie GPL ja doch nur Mittel zum wirkliche Zweck Selbstentfaltung sein soll.

(13.1.1) Re: Fallen vermeiden!, 01.03.2004, 14:06, Benni Bärmann: Ja, ist viel besser. "GPL-Gesellschaft" ist eindeutig ein fürchterlich irreführendes Unwort. Oder wir sagen halt doch einfach Kommunismus? Ne, nicht wirklich. "Kommunismus" klingt zu sehr nach Arbeitsameise und Stalin. Das Wort ist verbraucht. Andererseits ist "Selbstentfaltungsgesellschaft" irgendwie auch ein bisschen bürokratisch und schwerfällig. Nicht parolentauglich ;-)

(13.1.1.1) Re: Fallen vermeiden!, 01.03.2004, 16:54, Burkhard Stackelberg: Hmm -- wie koennte eine Gesellschaft heissen, in der Gebrauchsgueter, Produktionsmittel und Land (G,P,L) allen gehoeren und von der Gemeinschaft direktdemokratisch verwaltet und von den Einzelnen freiheitlich genutzt werden? Der uebliche Name dafuer: libertaerer Kommunismus (da haben wir ihn wieder, und ganz ohne Stalin und Arbeitsameise).
Oder, das Problem des erschlagenden Schlagwortes beruecksichtigend, habe ich dafuer die Redewendung der "Gemeinschaft von Freien und Gleichen" sehr passend gefunden, ein Begriff, der die alten Ideale von Freiheit, Gleichheit und Solidaritaet in sich traegt.

(14) Sobald es dann aber um die Frage der materiellen Produktion geht - sprich, sobald es Ernst wird - ist auf einmal von dieser direkt erfahrbaren Theorie nicht mehr viel übrig. Dann wird wieder auf zukünftige Entwicklungen verwiesen, der historische Materialismus bemüht, sich im Kreise gedreht, oder materielle Bedingungen außer Acht gelassen.

(14.1) 28.02.2004, 19:28, Annette Schlemm: „direkt erfahrbare Theorie“ – ich denke, das gibt es nicht, so wie einen schwarzen Schimmel. Direkt erfahrbar ist nur das, was Du im Moment an Deinen Sinnesorganen an Eingangsreizen hast – die sinnliche Wahrnehmung, aus der Du bereits etwas veränderst, wenn aus der Wahrnehmung Erfahrung wird (nicht jede Wahrnehmung wird zur Erfahrung, viele verschwinden auch einfach wieder...). Schon indem Du sinnlichen Wahrnehmungen Bedeutungen zuschreibst („dies ist hart“, „jenes ist kalt“, „das ist ein Apfel“) steckst Du einen Allgemeinbegriff hinein, der etwas mit dem zu tun hat, was in höheren Erkenntnisformen dann wirklich Theorie wird.
Ich denke, es macht Sinn, zwischen wahrnehmbaren Phänomenen und nicht direkt wahrnehmbaren, sondern nur durchs Denken zu erschließenden inneren Zusammenhängen (wie dem Wesen) zu unterscheiden. Beides hängt aber immer zusammen, ich kann nicht nichtdenkend nur wahrnehmen. Irgendetwas unterstelle ich immer. Am besten ist es, wenn ich mir immer sehr bewusst bin, was ich unterstelle und das auch verändern kann.

(14.1.1) 01.03.2004, 14:08, Benni Bärmann: Was ich meine, ist eine Theorie, die man "wahrnimmt" und in der man sein Leben wider erkennt. Kann sein, dass die Formulierung philosophisch unsauber ist.

(15) Was also stattdessen tun? Es gilt, neue Fragen zu stellen, die vieleicht aus diesen Zirkeln und Fallen herausführen. Das will ich im folgenden probieren.

Verhältnis zwischen materieller und immaterieller Produktion

(16) Anstatt über historische Epochen zu räsonieren, ist es möglicherweise fruchtbarer, sich anzugucken, wie das Verhältnis von materieller und immaterieller Produktion hier und heute aussieht.

Ein erster Ansatz dazu:

(17) Die Produktion von Autos wird ja - gerade auch bei Oekonux - immer wieder gerne dazu herangezogen um als Paradebeispiel materieller Produktion zu gelten [8]. Wenn man sich diese mal im Detail anguckt, kriegt man aber schnell ein anderes Bild. Ich muss allerdings dazu sagen, dass das was ich hier schreibe, nicht besonders empirisch belegt ist, ich bin halt kein Wissenschaftler, sondern mach mir nur so meine Gedanken. Ich bin aber der Überzeugung, dass man es empirisch belegen könnte, hätte man nur genügen Zeit, Geld und Ausdauer für solche Spielereien. Ich zeichne also einfach mal ein Bild der Autoindustrie, wie sie mir erscheint - mit winzigen empirischen Einsprengseln. Einspruch ist gerne genommen. Da kann ich nur von lernen.

(18) Das meiste an einem Auto wird heutzutage garnicht von den Autofirmen gebaut, sondern von diversen Zulieferern. Diese sind sehr oft Mono- oder Oligopolisten. Es gibt z.B. eine Firma, die 80% aller Zigarettenanzünder verkauft. Zwei Firmen teilen den Markt für Bremskontrollsysteme unter sich auf. Diese beiden Beispiele nehme ich mal als Low- und als Hightech-Ende diese Produktion. In beiden Fällen hab ich mit IngenieurInnen dieser Firmen gesprochen.

(19) Beide hab ich gefragt, was sie denken, wieviel Prozent der Arbeit, die in einem Auto stecken, ihrer Einschätzung nach im weitesten Sinn immateriell sind (Also inklusive Marketing, Logistik, Verwaltung, Entwurf, ...). Der Zigarettenanzündermensch sagte: 60%, die Bremsfrau sagt: 100%. Das Problem mit einer solchen Abschätzung ist natürlich, dass sie immer eine Grenzziehung beinhaltet. Was zählt noch zur Autoproduktion dazu, was nicht? Was ist mit dem Erzabbau für den Karosseriestahl? Was mit der Produktion des Papiers auf dem die Kalkulationen für den Vertrieb des Autos ausgedruckt werden? Wenn man keine Grenzziehung vornimmt, landet man logischerweise bei der gesammten menschlichen Produktion als Bedingung des Autobaus. Dennoch sind die Antworten nicht egal, sie zeigen nämlich einiges interessantes:

(20) 1. Beide schätzen den Anteil immaterieller Produktion höher ein als den der materiellen Produktion. Die These von der zunehmenden Bedeutung immaterieller Produktion könnte also was Wahres haben. Natürlich sind beide durch ihre Position als IngenieurIn vorbelastet - ihre Perspektive ist also ja schon immer eine immaterielle.

(20.1) zunehmende Immaterialisierung, 23.02.2004, 23:39, Birgit Niemann: Noch nie in meinem Leben bin ich in einem immateriellen Auto gefahren. Alle Autos, die ich bisher zu Schrott gefahren habe, waren zu 100% materiell. Und die 100%ige Materialität war komplett unabhängig von der Tatsache, wieviel Organisation, Planung und Logistik in die Produktion des Autos hineingesteckt wurde. Es blieben immer 100%. Woraus folgt, das hier wohl keine einfache Rechnung "je größer der Anteil der immateriellen Arbeit, desto immaterieller das stoffliche Produkt" aufmachen lässt. Und solange die Produktion der zu 100% stofflichen Autos von Kapital-Replikatoren betrieben wird, solange werden wohl die Autos sich eben nicht frei durch die Massen verbreiten. Egal in welche Ausmasse der logistische Anteil ihrer Herstellung noch getrieben wird. Und das, obwohl Autos nicht einmal knapp sind.

(20.1.1) Re: zunehmende Immaterialisierung, 24.02.2004, 14:34, Benni Bärmann: Wo mach ich diese Rechnung auf? Nirgends. Wenn doch, hab ich mich wohl falsch ausgedrückt. Auch Linux ist ja kein immaterielles Produkt. Es ist sehr materiell in Form von CDs, DVDs, Magnetspeichern usw. Dennoch ist seine Produktion zu großen Teilen immateriell. Wenn die Produktion eines Autos zu gleichem Anteil immateriell wäre, gäbe es also nach den bisher meist bei Oekonux geführten Argumentationen keinen prinzipiellen Grund, warum nicht auch die Produktion eines Autos auf die selbe Art und Weise organisiert werden könnte, wie das bei Linux der Fall ist.
Worauf ich hinaus wollte, ist aber etwas anderes: Nämlich, dass meiner Meinung nach, zum einen die Immaterialität nicht der alles entscheidende Faktor sein kann, weil sonst heute schon viel größere Teile der Produktion FS-like funktionieren würden (das scheinst Du ja auch so zu sehen, wenn Du von "Kapital-Replikatoren" sprichst, oder?). Und das zum anderen unser Alltagsverständnis von matteriell/immateriell irgendwie für die ganze Problematik nicht passt.
Aber das ganze ist für mich sowieso mehr so ein Zwischenstand. Ich bin mir selbst bei diesen Sachen sehr unsicher. Deswegen die vielen Fragezeichen.

(20.1.1.1) Re: zunehmende Immaterialisierung, 10.03.2004, 00:19, Birgit Niemann: Na, dann sind wir ja gar nicht so weit entfernt. Das ganze Gesummse um die Immaterialität oder nicht trifft nicht das Wesen des Problems. Aus dem einfachen Grund, weil ausnahmslose jeder organisierte Produktionsprozess seine immaterielle Seite (ich würde sie passender logistische Seite nennen) hat. Und eines ist doch klar: Je komplexer die gesamte Produktionsstruktur, desto komplexer die organisatorischen Regulationsprozesse. Der Anteil der Logistik steigt also in Abhängigkeit von der Komplexität. Das aber hat wenig damit zu tun, um wessen Reproduktion es sich handelt. Die entscheidende Frage für uns ist doch, sind wir Funktionselemente der Kapitalreproduktion oder benutzen wir Werkszeuge und Logistik (also organisierte Prozesse) für unsere eigene individuelle und gesellschaftliche Reproduktion.

(20.2) "immaterielle" Arbeit ?, 09.06.2004, 15:51, Joost Klüßendorf: Vielleicht ist es verständlicher, nicht von "immaterieller" Arbeit zu sprechen, sondern von "aufwandsfrei kopierbarer" Arbeit. Arbeit im Call-Center ist auch immaterielle Arbeit, aber darum geht es hier ja nicht.# Das besondere an freier Software ist ja, dass sie beliebig kopiert werden kann. Wenn ich mir Linux runterlade ist Linux nicht weg, sondern kann weiterhin von jedem anderen benutzt werden. Das ist die Eigenschaft, die Knappheit im digitalen Bereich so absurd erscheinen lässt. Die spannende Frage in Bezug auf Bremsen ist ja: inwieweit ähnelt die Bremsenproduktion der Produktion von Software. D.h., was würde die Herstellung von Bremsen kosten, wenn die betreffende Firma sämtliche notwendige Software und alle Informationen frei ins Internet stellen würde ?# Diese begriffliche Klarstellung vermeidet auch Verwirrungen der Art "aber mein Auto ist immer zu 100% materiell". Es geht nicht um die Frage, wie viel geistige und wie viel körperliche Arbeit in einem Produkt steckt. Es geht um die Frage, wie hoch der Aufwand für die Produktion unserer Autos (oder Brötchen) wäre, wenn alles relevante Wissen nicht in unternehmerischen Panzerschränken sondern allgemein zugänglich wäre.

(20.3) Der gar nicht so immaterielle Entwicklungsprozess, 06.09.2004, 21:00, Henrik Lohrberg: Der von der Entwicklungsingenieurin als immateriell aufgefasste Anteil am Produkt, nämlich der von Ihr schwer gewichtete Entwicklungsprozess, hat durchaus eine materielle Seite, den Fahrversuch. Hierzu benötigt man ein Auto, dessen Bremssystem mit Sensoren und dessen Kofferraum mit Messgeräten vollgestopft ist. Dies zeigt mir, dass nicht nur die Replikatorseite, sondern auch die Entwicklungsseite materiellen Aufwand bedeuten kann. Der entwicklungsseitige materielle Aufwand könnte gegenüber dem replikatorseitigen sogar ein prinzipiell anderes Gewicht haben. Denn zwar lässt sich neues Wissen durch die Verknüpfung von vorhandenem und codierten Wissen erzeugen, aber das Experiment, die Frage an die Natur wird immer materiell und aufgrund des innovativen Charakters auch schwer automatisierbar bleiben müssen.

(21) 2. In ihrer unterschiedlichen Beurteilung kommen sie ganz passend zu ihrer eher Low- und eher Hightech-Perspektive. Folgt daraus, dass man nur einen Teepflücker in Indien fragen muss um 0% als Antwort zu erhalten? Wenn ja, bedeutet das was? Und was?

(22) 3. Das man überhaupt ernsthaft 100% als Antwort in Erwägung ziehen kann, sollte uns zu denken geben. Was macht es noch für einen Sinn von der Spezifik materieller Produktion zu reden, wenn diese möglicherweise garnicht mehr relevant ist? Dennoch ist ja gerade dieses Problem so zentral für Oekonux wie oben gezeigt. Doch alles nur Verblendung der Unerleuchteten? Irgendwas ist da massiv faul, oder?

(22.1) Ja , irgendwas..., 25.02.2004, 18:17, Uvvell H:W:Berger: 10x10=100 , 3x37=111 , Zahlen können auch einfach nur schön sein, das Korn gemahlen - nicht gewogen,

(22.2) 28.02.2004, 19:28, Annette Schlemm: Ja, da sollte klarer werden, was sich Oekonux als Aufgabe stellt. Die „Theorie für alles“ oder die Bearbeitung einer ganz spezifischen Fragestellung, die dann auch in das „Alles“ eingeordnet werden kann.

(23) Auf das Bremsenbeispiel gehe ich mal noch etwas näher ein. Interessant war daran zum einen die Schilderung, an was für Problemen da gearbeitet wird. So kann man heute das Fahrverhalten eines Autos zu großen Teilen durch Software steuern. Man könnte sich im Prinzip in einen BMW das Fahrverhalten eines VW "runterladen". Zum anderen: Diese Software ist zu 100% proprietär entwickelt und wird das wohl auch erstmal bleiben. Wie kommts? Könnte eine solche Firma, deren Kosten zum großen Teil in Softwareentwicklung steckt und die dennoch nur Hardware verkauft, nicht enorme Einsparungen durch Freie Software erzielen? Möglicherweise. Dem entgegen steht aber wohl weniger das Problem des Geheimnisses. Die zentralen Techniken sind ja wahrscheinlich eh patentiert, weil sie Hardware sind. Ein viel größeres Problem ist die Oligopole Marktstruktur. Die Stückzahlen sind einfach so hoch, dass es sich mehr lohnt eine hochspezifische Software zu entwickeln, die jedes Bit einzeln rumdreht, als eine allgemeinere Software an der auch andere Firmen Interesse hätten. Diese hochspezifische Software freizugeben schliesslich bringt keinerlei Nutzen mehr für die Firma. Also bleibt sie proprietär.

(23.1) 19.04.2004, 17:39, Wolf Göhring: "Die Stückzahlen sind einfach so hoch, dass es sich mehr lohnt eine hochspezifische Software zu entwickeln, die jedes Bit einzeln rumdreht, als eine allgemeinere Software an der auch andere Firmen Interesse hätten."

Und wenns denn ne software von bosch waere, die im bmw, im vw, im renault, im peugeot usw. liefe? Die bosch-leute tun sich gerne als zulieferer fuer alle moeglichen autofirmen hervor.

(24) Wenn wir diese Beispiele mal eben frech verallgemeinern, können wir also Folgendes festhalten:

(25) * Die Produktion in der Industrie ist schon heute zu großen Teilen immateriell. Viel wichtiger als die Frage der materiellen Produktion sind also vielleicht ganz andere Fragen.

(25.1) zu großen Teilen, 25.02.2004, 18:22, Uvvell H:W:Berger: Nicht zu verwechseln mit: daß große immaterielle Werte geschaffen würden. Das Materielle ist nur subtil geworden, der Plan so eben, daß sich an nix orientiert werden kann. Und wovon man nix hört, das ist heimlich.

(26) * Ob in dieser Produktion freie Elemente zum Tragen kommen, entscheidet sich demnach nicht so sehr am Grade der Materialität oder Immaterialität der Produktion sondern an der Stückzahl. Wenn die Stückzahl nur groß genug, die Anwendung speziell genug und der Markt oligopolistisch genug ist, lohnt sich proprietäre Softwareproduktion immer.

Und jetzt kommt die ketzerische These (aus Oekonux-Sicht):

(27) Unter bestimmten Bedingungen sind es gerade die Eigenschaften der digitalen Kopie, die dazu führen dass _keine_ FS eingesetzt wird. Ihre Eigenschaft beliebig viele identische Kopien eines immateriellen Originals in fast beliebig kurzer Zeit zu fast beliebig niedrigen Kosten zu produzieren treibt also beide Entwicklungen an: Die Freiheit der Information ebenso wie ihre Monopolisierung. Die digitale Kopie fördert beides, Freie Software _und_ Microsoft, Multitude _und_ Empire.

(28) Was würde daraus folgen, wenn es wahr wäre? Ich denke, ganz von vorne anzufangen. Die Formel "Freie Software = Internet + Selbstentfaltung" macht viel weniger Sinn aus dieser Perspektive. Vielleicht macht es mehr Sinn auf den Aspekt "Selbstentfaltung" zu setzen als auf den Aspekt "Internet"? Ganz von vorne anzufangen würde zumindestens für mich auch bedeuten, die Frage nach Materialität und Immaterialität neu zu stellen. Was ist das überhaupt. Mit der einfach Antwort "Was Materielles ist was zum anfassen" ist irgendwas faul. Da wäre man dann allerdings bei einem sehr philosophischen Projekt. Wie schafft man das, dass das dann nicht wieder nur Wortschieberei und Hirnwixerei wird?

(28.1) 28.02.2004, 19:29, Annette Schlemm: „Vielleicht macht es mehr Sinn, den Aspekt auf „Selbstentfaltung“ zu setzen als auf den Aspekt “Internet“?
Unbedingt!!! Das letztere ist nur Mittel zum Zweck (und auch das nur manchmal). Strukturen alleine sind inhaltlich unbestimmt, nie automatisch fortschrittlich oder emanzipativ oder so.

(28.2) Internet, 07.03.2004, 23:48, Ano Nym: Aber nein!
Oben hast du geschrieben "Ein viel größeres Problem ist die Oligopole Marktstruktur." In deiner Formel "Freie Software = Internet + Selbstentfaltung" steht das Internet für diese Struktur.
Das bedeutet: Wichtig ist nicht die Frage, wie materiell die Produktion ist, sondern in welche Strukturen sie eingebunden ist. Und wenn du freie Software als Modell nimmst, dann ist das Internet das Modell für die Strukuren, in die die Produktion eingebunden ist.
Was jetzt aber an den Strukturen des Internet das entscheidende ist, müsste man sich erst angucken.

(28.3) Ein Anfang, 30.12.2005, 12:55, Benni Bärmann: dieses Projektes findet man hier: http://aymargeddon.de/laboratorium/index.php/Neues_zur_Br%C3%B6tchenfrage

(29) Oekonux als Projekt über "Freie Software" wäre dann aber eigentlich abzuschliessen und statt dessen ein Projekt zu beginnen, dass die Frage nach einer neuen, besseren Gesellschaft direkt angeht. Digitale Kopie, Internet und Freie Software verlieren dann vielleicht etwas von ihrem Mythos, aber vielleicht gewinnen wir das Leben. Wär ja auch mal was.

(29.1) Aufwand und Beduerfnis, 25.02.2004, 16:20, Burkhard Stackelberg: ... oder, wie in der kapitalistischen Oekonomie formuliert: "Kosten" und "Nutzen". Ich habe den Eindruck, dass bei dem ganzen Diskurs ein nicht unerheblicher Aspekt vernachlaessigt wurde: der Aufwand, mit dem ich etwas (re)produzieren kann! Und seine Beziehung zu den Beduerfnissen die ich damit befriedigen kann.
Linux und viele andere Freie Software wurde und wird produziert, weil sie ein persoenliches Beduerfnis der Entwickler befriedigt -- sei es das nach freier Selbstentfaltung, oder die Entwicklung eines Tools, das man eben noch nicht hat, oder die Bezahlung, die man durch einen grossen Konzern enthaelt. Genau so koennte sich jeder Mensch selbst ein einfacheres Auto oder eines nach Bauplan wie etwa das OsCar vom AkaSol Darmstadt bauen.
Der eigentliche Punkt jedoch bleibt -- der Aufwand zur Herstellung der "Kopie". Fuer das Einrichten eines neuen Programms auf meinem Computer brauche ich guenstigstenfalls ein paar Minuten und habe eine vollfunktionsfaehige Kopie. Eine vollfunktionsfaehige "Kopie" eines Tisches oder Autos dagegen benoetigt zumindestens mehrere Personentage Arbeit.
Ist eine solche Kopie also mit geringem Aufwand verbunden, so sind praktisch alle Menschen bereit, sich diesen Aufwand zu machen. Hat natuerlich auch mit der "Immaterialitaet" des Produktes zu tun. Deswegen existiert freie Software, und deswegen existieren "Raub"kopien von Software und Unterhaltungsmedien. Deswegen wird zuhause auch noch Essen gekocht und Socken gestrickt.
Ist der Aufwand dagegen hoeher, wird Spezialistentum noetig, und die Arbeit, die ich mache, befriedigt meine Beduerfnisse nicht mehr unmittelbar. Der hoehere Aufwand hat natuerlich mit der "Materialitaet" des Produktes zu tun, weniger mit der "Materialitaet" der Arbeit: Ein Produkt benoetigt nur geringfuegigen Materialumsatz, wie die Kopie einer Software, ein anderes dagegen viel, wie ein Auto.
Ob ich diese Arbeit dann mache, haengt davon ab, wessen Beduerfnisse sie befriedigen kann -- fuer Familie und Freunde tut man es noch gerne, fuer entfernte Bekannte gelegentlich und fuer eine abstrakte Gemeinschaft oder ein abstraktes Ideal fast nie.
Der Markt ist nun das heute dominierende Modell, aus dieser indirekten Beduerfnisbefriedigung eine gegenseitige zu machen, indem hier Eigentum ausgetauscht wird, typischerweise Produkt gegen Geld. Welche anderen Modelle, die einen freien Austausch ermoeglichen, sind noch denkbar?
Der Austausch von Arbeit anstatt von Eigentum waere eine solche Moeglichkeit, verwirklicht hauptsaechlich durch Tauschringe.
Eine andere Moeglichkeit ist die Solidargemeinschaft (z. B. in Form des libertaeren Kommunismus), in der jeder Mensch einer Arbeit nachgeht, weil er sie gut kann, ohne dabei eigene Beduerfnisse zu befriedigen. Hier muss natuerlich gegen das Faulenzen auf andere Weise vorgebeugt werden, oft genuegt aber, dass man es sich mit seinen Freunden und Bekannten nicht verscherzen will. Ein solches Modell funktioniert aber radikal anders als unsere aktuelle Gesellschaft, benoetigt unbedingt Basis-Demokratie, die Abschaffung von Macht- und Eigentumsprivilegien und ist anfaellig gegen Aufstiegsgewinne fuer Aussteiger, weswegen eine solche Gemeinschaft staendig verteidigt und neu gedacht werden muss.

(29.1.1) Re: "Materialitaet", 07.03.2004, 23:55, Ano Nym: Du schriebst:
Der hoehere Aufwand hat natuerlich mit der "Materialitaet" des Produktes zu tun, weniger mit der "Materialitaet" der Arbeit: Ein Produkt benoetigt nur geringfuegigen Materialumsatz, wie die Kopie einer Software, ein anderes dagegen viel, wie ein Auto.

Bist du dir da sicher? Wenn das autp an einer vollautomatischen Roboterstraße gebaut wird, dann sind die einzigen Spezialisten, die für dessen Produktion gebraucht werden Ingenieure, Programmierer und Verfahrenstechniker (wenn die Straße schon steht). Dann hast du ein materielles Produkt aber immaterielle Arbeit.

(29.1.1.1) Re: "Materialitaet", 09.03.2004, 14:04, Burkhard Stackelberg: Hmm... Auch wieder richtig -- in diesem Falle benoetigt aber der Aufbau der Roboterstrasse viel Arbeit und Material, was wiederum zur Monopolisierung der Produktion fuehrt.
Eine andere Ueberlegung, die mir nach meiner vorangegangenen Ausfuehrung auch gekommen ist:
Warum gibt es "Raub"kopien? Weil es weniger Aufwand ist (auch in Arbeitszeit, das Geld zu verdienen) als in den Laden zu gehen und es zu kaufen.
Das gilt auch fuer die Verbreitung von freier Software.
Warum funktioniert das bei Autos schon nicht mehr? Weil es fuer mich wesentlich weniger Aufwand ist, Geld zu verdienen und ein Auto zu kaufen, als zu lernen, wie man ein Auto baut, und es dann selbst zu machen.
Dazwischen befindet sich der Bereich von Socken stricken, selber kochen und backen, Tapeten streichen etc. wo der Aufwand fuer beide Entscheidungen ungefaehr gleich gross ist.
Freie Software existiert, weil sich jemand diese Arbeit zum Hobby gemacht hat. Aus dem gleichen Grund gibt es auch zahllose heimische Bastelarbeiten, und -- gelegentlich -- auch das eine oder andere nicht-kommerzielle Auto, u.a. das OSCar des Darmstaedter AkaSol. Nur: freie Software zu verbreiten ist wesentlich einfacher als freie Autos zu verbreiten, aus oben genannten Gruenden.

(29.2) 28.02.2004, 19:29, Annette Schlemm: Warum abzuschließen? Es wird sicher spezifische Fragen geben, die ganz originär zu Oekonux gehören. Ich hätte ansonsten auch nie angenommen, in Oekonux allein „DIE“ Befreiungstheorie zu sehen. Diese Erwartung wäre meiner Ansicht nach tatsächlich unangemessen.
Deshalb siehe meine Bemerkung zu Punkt (22.2).

(29.2.1) 01.03.2004, 14:11, Benni Bärmann: Nun, die Formulierung ist natürlich absichtlich etwas provokativ. Mir geht es darum, dass sich Oekonux im Kreise dreht seid zwei Jahren und das für mich da kein Erkenntnisgewinn mehr entsteht. Und ich denke, dass es eigentlich den meisten so geht (ausser vielleicht Stefan Merten und Leuten, die neu dazukommen). Ich meine mich auch zu errinnern, dass Du selbst mir gegenüber das mal so gesagt hast.

Fußnoten und Quellenangaben

(30) 1 Vor allem über das Projekt Oekonux (http://www.oekonux.de/) bei dem die Frage diskutiert wird, worin die Produktionsweise Freier Software besteht und ob - und wenn ja wie - sich diese verallgemeinern lässt.

(31) 2 Eine sehr interessante und spannende Sichtweise auf das Startrek-Universum wird beim Projekt "Living Trekism" geboten (http://www.transfictiontrek.net/)

(32) 3 Sehr beliebt ist diese Argumentation bei Stefan Merten dem Maintainer des Oekonux-Projektes. Siehe z.B. seinen Text "GPL-Gesellschaft - Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft" (http://www.oekonux.de/texte/zukunft/)

(33) 4 Siehe "Empire" von Hardt/Negri. Über die Bedeutung dieses Buchs für die Diskussion rund um Freie Software siehe http://www.opentheory.org/fs_empire/text.phtml.

(34) 5 Siehe "Sein- Wesens- und Begriffslogik bei Hegel" von Annette Schlemm (http://www.thur.de/philo/hegel/hegel3.htm)

(35) 6 Siehe "Globale Dörfer und Freie Software" von Franz Nahrada (http://www.opentheory.org/globale_doerfer/text.phtml)

(36) 7 Herausgearbeitet von Stefan Meretz in seinem Text "Wem gehört das Wissen?" (http://www.opentheory.org/freies_wissen/text.phtml)

(37) 8 Was im übrigen eine vielleicht etwas veraltete Herangehensweise ist. Das Auto wurde unter Soziologen immer gerne genommen, weil es das zentrale Produkt des Fordismus war.

(37.1) gerne auch, weil´s so schön Pädagogisch ist, 25.02.2004, 18:26, Uvvell H:W:Berger: Wer selbst nicht lernt zu fahren, dem gewöhnen es die Anderen ab.


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