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Fragend voran ... zu anderen Weisen der Bedürfnisbefriedigung

Maintainer: Annette Schlemm, Version 1, 17.06.2005
Projekt-Typ:
Status: Archiv

(1)

Willst du ein Schiff bauen, so rufe nicht die Menschen zusammen,
um Pläne zu machen, Arbeit zu verteilen,
Werkzeuge zu holen und Holz zu schlagen,
sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen endlosen Meer.
(Saint-Exupéry)

(1.1) willst Du einschiffen? nun, schlage Dein Wasser ab, 18.06.2005, 14:20, Uvvell H:W:Berger: Ja bitte, fragt! vorann marie,
Fragelisticsextraktkategorisch
auf aeuszert Euch euphorisch
und lasst uns St.Marie, die See.
Ooh_himmel_strahlender_azur -
höll´under hollywood Natur,
dasz Einarmige im Gehölz weichen
und warme SonnenRegenBogen reichen

(2) Es gibt viele Gründe, sich auf die Suche nach neuen Wegen des gesellschaftlichen Lebens und Wirtschaftens zu machen. Sogar in den hochindustrialisierten kapitalistischen Ländern geht es immer mehr Menschen immer schlechter – von den Milliarden verelendenden Menschen in anderen Weltteilen und der fortschreitenden Naturzerstörung gar nicht zu reden. Und immer noch werden uns die Lügen aufgetischt, dass nur noch mehr Wachstum, noch mehr Ausbeutung, noch mehr Investitionen von Kapital irgendwie irgendwann wenigstens den weiteren Absturz ins Elend aufhalten könnte. Es wird so getan, als würden wir alle immer ärmer, als müssten wir alle die Gürtel enger schnallen – während gleichzeitig Rabattausverkäufe und enorme Marketingkampagnen sich bemühen, eine Fülle von Gütern noch irgendwie loszuschlagen. Der Papier- bzw. Bitgeldreichtum und seine Ungleichverteilung soll hier gar nicht mal bemüht werden – es geht um jene Mittel, die unsere Bedürfnisse befriedigen, die wir zum Leben wirklich brauchen. Uns wird der unmittelbare Zugang zu diesen Gütern verwehrt, weil die jetzigen Machtverhältnisse darauf beruhen, dass nicht etwa für die Bedürfnisse produziert wird, sondern um den Kapitalgebern genügend Profite abzusichern. Alle Wirtschaft muss durch den Flaschenhals der Profiterzeugung. Das heißt konkret, dass Bedürfnisse unbefriedigt bleiben, die sich nicht auf dem Markt als zahlungskräftig nachweisen. Aber es ist noch schlimmer. Da das wirtschaftliche Leben für die Kapitalgeber nicht mehr genügend Profit erwirtschaftet, werden immer mehr Lebensbereiche in den Würgegriff der kapitalistischen Wirtschaft gepresst. Sogar in der Enzyklopädie WIKIPEDIA (http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaften) wird die Wirtschaft definiert als „Entgeltwirtschaft“ auf Grundlage von Knappheit und Wertzuschreibung. Diese Definition will uns einreden, das Haushalten (was dem ursprünglichen Begriff von Wirtschaft entspricht) könne nur entsprechend den Prinzipien der kapitalistischen Wirtschaft erfolgen. Diese Einengung des Denkens will behaupten „There Is No Alternative!“ (TINA). Diese Ideologie des allgemeinen Mangels, dem wir nur durch kapitalistisches Wirtschaften entkommen könnten, zementiert gegenwärtig die Herrschaft. Sogar auf den „Montagsdemos“ gegen die räuberischen Sozialreformen wie Hartz IV wird üblicherweise nicht etwa diese Herrschaft kritisiert, sondern angerufen, doch bitteschön etwas humaner vorzugehen. Es ist nicht gerade ein Wunder, dass zu diesen traurigen Veranstaltungen nicht mehr Menschen kommen.

(3) Abwehr und Protest sind notwendig, vor allem, wenn die Lage sich so verschärft, dass die das Leben für immer mehr Menschen immer unerträglicher wird. Aber was soll aus der Wut werden? Reicht es aus, die Menschen wieder 40 Stunden wöchentlich an die Fließbänder zu schicken, damit sie sich ihr Häusle finanzieren können und ansonsten darauf hoffen, ungestört weiter auf Kosten des Rests der Welt die Ressourcen verbrauchen und auch ihre eigene Umwelt zerstören zu können? Reicht es aus, die Goldenen Zeiten des westlichen Wirtschaftswunders von einer anderen Regierung zurück zu verlangen?

(3.1) Mutter Courage und das "Epische Theater" als Beispiel der Abwehr, 18.06.2005, 04:43, Wolfgang Wallner F.: Ich bin der Meinung, dass die grundlegende Weichenstellung zur wirtschaftlichen Globalisierung und damit zu der derzeitigen „Verarmung“ der Bevölkerung schon mit dem „Heiligtum“ der EU, der Festlegung unbeschränkter freier Handelswege, gelegt wurde. Hinweise auf mögliche Folgen habe ich unmittelbar nach dem EU-Beitritt Österreichs an Vertreter aller Parteien (inklusive KPÖ), den Fraktionsführern der österreichischen Parteien im EU-Parlament sowie an „Non-Profit-Organisationen“ (z.B. Caritas usw.) und damaligen Opinion-Leadern gesandt. Ich erhielt tatsächlich durchwegs zustimmende Antworten (besonders auch von Bürgermeister Häupl, wäre daher vielleicht ein wichtiger Ansprechpartner, wenn er Ambitionen auf den Parteivorsitz hat), geschehen ist aber nichts. Nun habe ich als Schriftsteller ein Gespräch darüber geführt, das ich unten stehend anführe. In diesem Gespräch zeige ich (meiner Meinung nach) den einfachsten Weg auf, um eine Änderung in der Globalisierung zu erreichen. Soweit mir das möglich war, habe ich dieses Gespräch auch im Internet verbreitet. Am Ende des Gesprächs weise ich auf Brechts „Episches Theater“ im Zusammenhang mit der Mutter Courage hin. Auch Brecht wollte den Zuseher auffordern, selbst zu denken. Ich habe diese Meinung zur „Globalisierung“ und auch andere politische Kommentare in dieser Richtung versucht zu veröffentlichen. Althergebrachte Leserbriefe (die eine größere Leserzahl erreichen könnten) brachte ich nur ganz selten durch, dort wurde aber öfter wesentlich gekürzt und der Sinn somit verschleiert. So versuche ich im Interesse der Angelegenheit in allen mir zugänglichen Internetforen und durch Postings in allen deutschsprachigen Medien, die im Internet diese Möglichkeit bieten, mögliche Wege aufzuzeigen und meine Meinung einzubringen (man wird da leicht zu einem angeblichen Querulanten gestempelt, wie auch bei dem österreichischen Politiker Peter Pilz zu beobachten). Jedenfalls erlebte ich da einige Überraschungen: Zum Beispiel konnte ich zu einem Kommentar Paul Lendvais im "Der Standard", der penetrant der Slowakei trotz deren Armutsanteil die Vorteile der Globalisierung anpries, kein Posting anbringen. Bei vielen Meinungsäußerungen wurde mit mangelnder Altruismus vorgeworfen, oder die Diskussion fadenscheinig auf ein anderes Thema gebracht. Wenn ich solche Vorkommnisse merkte, warf ich z.B. in die Diskussion ein, dass Altruismus nur funktionieren kann, wenn alle Seiten (auch die Unternehmer) auch einen solchen zeigten bzw. warf ich den Widersprechenden vor, von den Unternehmern bestellte Postings einzubringen, was manchmal Abhilfe schaffte. Das alles brachte mich zu folgender Ansicht und Möglichkeit (ich versuche mich möglichst kurz aber verständlich zu halten): These: Die Ambitionen der Wirtschaftstreibenden innerhalb der EU sind diese, möglichst billig zu produzieren und möglichst treuer zu verkaufen. Das ist ein durchaus legitimes Bestreben der Unternehmer seit jeher und führt dort zur Ansiedlung von produzierenden Betrieben, wo die Rahmenbedingungen günstig sind. Rahmenbedingungen dazu sind: Geringe Löhne, geringe Umweltauflagen, geringe Steuerpflicht, geringe Transportkosten. Geringe Löhne können in „Entwicklungsländern erreicht werden und in Regionen, in denen keine Organisation der Arbeitnehmer und keine öffentliche Meinung gegen alle Arten des oben angeführten Dumpings besteht. Das wird durch finanzielle Zuwendungen aller Art (bis zur Bestechung) an Politiker, Medien, Einzelpersonen etc. erreicht. Geringere Umweltauflagen haben tödliche Wirkung, geringe Steuerpflicht führt zur Aushungerung der Kommunen, also dem Volk selbst. Ein Volkswille könnte die Transportkosten jedoch so erhöhen, dass eine Produktion außerhalb des Landes in vielen Fällen nicht günstiger wäre, als eine innerhalb der Region! DER ZEITPUNKT DÜRFTE NUN ERREICHT SEIN, DA LETZTMALIG AUF EVOLUTIONÄREM WEG (ohne Revolution) NOCH EINE ÄNDERUNG MÖGLICH WÄRE. „Wir“ müssten dazu möglichst viele gleich empfindende Menschen gewinnen. Diese sollten in allen möglichen Medien versuchen, immer wieder unbeirrt ihre Meinungen zu deponieren (kostenlose Möglichkeiten wie oben angeführt). Jede widersprechende Ansicht müsste sofort angegriffen werden (am Besten von anderen Gleichgesinnten). Die „Gegenseite“ macht dies ja auch! „Wir“ müssten immer wieder öffentlich Menschen loben, die Meinungen gegen die Globalisierung veröffentlichen, sei dies auch vielleicht aus populistischen Gründen wie eventuell bei Müntefering. Politiker sind Menschen, die auf solche Zusprüche mit der Zeit hören werden, da sie vom Willen des Wählers abhängig sind. Dazu sollten wir immer wieder propagieren, dass dies eben so ist. Auch Zeitungen und andere Medien können sich einem Zustrom solcher Leserbriefe nicht auf Dauer verschließen, sind sie doch vom Leser (Käufer) abhängig. Schämen wir uns für solche Manipulationen nicht mehr, die Unternehmer betreiben bereits offiziell Lobbying!!! Im Gegensatz zu anderen (gekauften oder bestellten?) Postings, sollten wir aber soweit möglich unter Angabe des Namens unsere Meinung kundtun, dann könnten wir Widersprechenden vorwerfen, sie wären einer Interessensgemeinschaft zugehörig, die Globalisierung befürwortet (warum sonst die Anonymität!). In einigen Foren vertrat ich die Meinung, dass die österreichischen Politiker Schüssel und Haider hochbegabte Politiker wären und sie unbedingt ernst zu nehmen seien. Ich erhielt Antworten, sie wären Populisten und Demagogen und Sesselkleber usw., was aber immer auf eine Bagatellisierung hinausläuft und damit notwendige Achtsamkeit auf politische Ambitionen verhindert. Schüssel hat Österreich zielstrebig in die globale Abhängigkeit geführt und Haider verfolgt mit Ausdauer einen Populismus, der ihm die Durchsetzung seiner Ziele ermöglichen wird. So könnte auch durchaus Haider für seine (scheinbare?) Opposition zur EU-Verfassung Lob gezollt werden, wenn das unter der Einschränkung geschieht, dass er z.B. sich dadurch Wähler der ÖVP und links davon ködern will (eine Meinung, die vielleicht sogar Schüssel in Panik geraten lässt). Bedauerlicherweise vertritt die Opposition SPÖ und die Grünen keine Politik, die gegen die Globalisierung gerichtet ist und von den Resten der KPÖ bekam ich nie Antwort. Das alles mag menschlich verständlich werden, wenn man bedenkt, um welche Geldsummen es sich bei der Globalisierung handelt und in welcher Höhe Gewinne durch eine politische Verhinderung, wie z.B. die Beschränkung der Handelswege geschmälert werden. Da ist sogar mit Gewalt in jeder Art zu rechnen. Also (mit GEORG BÜCHNER): FRIEDE DEN HÜTTEN! KAMPF DEN PALÄSTEN! Loben wir jeden öffentlich, der „unsere“ Ziele befürwortet oder diesen dient, JEDER ZUSPRUCH ZEUGT NACHAHMER! Zum Beispiel schrieb Alfred Schirlbauer (Professor für Pädagogik an der Universität Wien) am 30.5.2005 ebenfalls im Standard einen „Kommentar der Anderen“ mit dem Titel „Kontrolle durch Konkurrenz“, der im Bereich der Bildung auf alarmierende Umstände aufzeigt (schon im Weißbuch der EU angeführt, Kommentar im Internet sicher abrufbar). Da muss man doch AUFSCHREIEN, wenn man sieht, wohin die Globalisierungsbestrebungen führen. Menschen werden nur mehr zu einem Zweck AUSGEBILDET, nicht mehr (als Mensch selbst) GEBILDET, sie dienen einem Zweck, der außerhalb ihrer selbst liegt und durch gezielte Werbung, die möglicherweise sogar nicht absichtlich das erreicht, merken sie nicht einmal etwas davon. Der Großteil der „Generation“ der heute 30-jährigen hat durch die Globalisierung schon keine Chancen auf „Menschwerdung“, da ihm ein lebenslanger und täglicher Kampf ums nackte Überleben blüht. Das sollten „wir“ beenden. Entschuldigen Sie bitte die lange Belästigung, soweit es mir möglich sein wird, bin ich gerne bereit, zur Verbreitung und Vernetzung „unserer“ Bestrebungen mit zu helfen. Bedenken Sie bitte, dass es wenig Sinn hat, immer mit Gleichgesinnten zu diskutieren, Wir müssten „unsere“ Meinung vervielfältigen! Vielleicht helfen meine Anregungen!Ich glaube es wäre günstig, die derzeitige Diskussione zu nützen. Eventuelle Eitelkeiten und kleine Meinungsverschiedenheiten können nach Erreichen eines ersten Zieles wieder gepflegt werden (damit meine ich nicht unbedingt Sie, sondern nur allgemein Unterschiede in der Meinung zur Bekämpfung der "Globalisierung"). Das Gespräch: Ferdinand Niehammer spricht mit Wolfgang Wallner F., dem Autor des Buches: ‘Elihu; Hinterlassene Aufzeichnungen aus der Ewigkeit’ http://elihu.wolfgangwallnerf.com Niehammer: Hallo Wolfgang! Wallner F.: Freut mich, wieder von Dir zu hören! N: Heute habe ich Fragen zum Kapitel ‚8B / g726 - DAX14 - 598Li - 755 / DU’, einem Kapitel des Buches ‚Elihu’. Da geht es um ein Leben in Elihus Wanderung auf einem ‚Ereignisstrahl’, wie Du sagst, der keine Zukunft bringt. WF.: Ich bin sicher, dass es so etwas geben kann. N: Du schreibst da: ‚Eine Änderung zum Besseren hätte nur dann eintreten können, wenn die Handelswege teurer oder ganz beschränkt geworden wären’. In Anbetracht der alarmierenden Zahl der Arbeitslosen in Deutschland und Österreich möchte ich von Dir gerne wissen, ob es hier mit dem unantastbaren ‚Heiligtum’ der Europäischen Union, der ‚Unbeschränkten Transportwege’ einen Zusammenhang geben könnte. WF.: Da muss ich ein wenig in die Vergangenheit Österreichs gehen. Vor dem Beitritt Österreichs zur EU hatte dieses Land relativ wenig Arbeitslose, ein hohes Lohnniveau und trotzdem eine ‚funktionierende’, heimische Wirtschaft. N: Es war doch so, dass Österreichs Wirtschaft auch deswegen ‚funktionierte’, da für eingeführte Waren, die einheimische Produktionen gefährdeten, fast ‚Strafzölle’ verlangt wurden. Österreich war praktisch eine ‚geschützte Werkstatt’ WF.: Das sehe ich auch so. Aber ich sehe das auch nicht unbedingt als etwas Schlechtes an. N: Aber diese Zölle stellten doch eine Wettbewerbsverzerrung dar. WF.: In allen Zeiten wurden bei der Einfuhr von Waren Zoll verlangt, manchmal auch in fast räuberischer Absicht. Das gewährte aber den heimischen Arbeitern ein relativ sicheres Einkommen und, was wichtiger ist, die Möglichkeit der ‚absichtslosen Bildung’. Wichtig war immer, ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen Import und Export zu erhalten. Es gab sogar im Mittelalter Städte, die durch eine rigorose Zollwirtschaft wegen der Handelsbeschränkungen – mitunter auch ‚nur’ kulturell - zugrunde gingen! Daran, dass es zwischen den einzelnen Staaten keine Zölle gibt, kann nur eine stark exportierende Wirtschaft Interesse haben. N: Was meinst Du mit ‚absichtsloser Bildung’. WF.: Das ist die Bildung, die ‚zwecklos’ ist. Sie ist keine Ausbildung für einen Zweck, der nicht im sich bildenden Menschen selbst liegt. Ein Zweck zur Ausbildung liegt immer in etwas, was außerhalb des Menschen existiert, zum Beispiel ein Arbeitsplatz. Bildung bedarf immer der freien Entscheidung zu ihr. N: Aber eine sinnvolle Ausbildung erleichtert doch die Arbeitsfindung. WF.: Ist das wirklich das Interesse des Menschen oder liegt das ‚nur’ in dessen Rolle die er ‚spielt’, zum Beispiel als Arbeiters? N: Wie könnte man sich eine Einfuhrbeschränkung zur Ankurbelung einer heimischen Wirtschaft aber vorstellen? WF.: Die Europäische Union nimmt immer mehr Länder auf, deren Lohnniveau, Arbeitsbedingungen und Umweltstandards so niedrig sind, dass einheimische herstellende Betriebe wegen der geringeren Konsumentenpreise damit nicht konkurrieren können. Man fürchtete bei Erweiterungsverhandlungen immer, dass die ‚Hochlohnländer’ von ‚billigen Arbeitern’ überschwemmt werden. N: Das hat sich aber nicht so ergeben, jedenfalls nicht im befürchteten Ausmaß. WF.: Ja, da gleich Produktionsstätten wegen der Arbeitsbedingungen und der Umweltstandards günstiger in die neuen Billiglohnländern exportiert wurden. Die Einführung der gemeinsamen Währung hilft der Wirtschaft, Geld ohne Wechselverluste zu transferieren. Es hat sich herausgestellt, dass es billiger kommt, gleich die ganze Produktion zu exportieren, als billige Arbeitskräfte ins Land zu holen. N: Die dann zusätzlich für Ängste in der Bevölkerung sorgen. WF.: Es gibt Medien, die ‚das Fremde’ als etwas Bedrohliches darstellen. es könnte aber auch z.B. Neugierde repräsentieren. Das Fremde, hier absichtlich auf ausländischen Arbeiter projiziert, bedroht das System, wird behauptet. Das stimmt ja auch irgendwie, denn dadurch werden die möglichen Arbeitsplätze im Land geringer. Es stimmt aber grundsätzlich nicht, denn diese Menschen sind ja früher von der Wirtschaft herein geholt worden! Und was noch ärger ist, die Wirtschaft muss daran interessiert sein, dass solche Arbeiter diskriminiert werden, denn dann müssen sie sich ruhig verhalten und weiter billigst und ohne Mindesterfordernisse an den Arbeitsplatz arbeiten. Es ist noch immer nicht anders, als Wallraff in ‚Ganz unten’ schrieb. Nur heute sind die Verantwortlichen gewarnt. So ein Buch hätte keine Chance zu erscheinen. So etwas geschieht aber ganz automatisch aus dem Grunde, da die Wirtschaft interessiert sein muss, möglichst billig zu produzieren und möglichst teuer zu verkaufen. Aber wie gesagt, heute verlegt man die Produktion. N.: Ja, aber das kann doch nur solange gut gehen, als wir, die Käufer, Geld zum Kauf der Waren haben. Die Wirtschaft muss also auch dafür sorgen, dass Geld vorhanden ist, um die billig produzierten Waren auch zu kaufen. WF.: Unbedingt muss sie daran Interesse haben. Aber denken wir das einmal durch. Es werden vielleicht in China billig Waren erzeugt und bei uns verkauft. Was geschieht? Wenn bei uns keine Waren mehr erzeugt werden, gibt es bald kein Geld, um die Waren aus China, seien sie noch so billig, zu kaufen. Mit reinen Dienstleistungsbetrieben und ‚Fun- and Eventveranstaltungen’ kann eine Wirtschaft nicht existieren. Aber es steigt natürlich das Lohnniveau in China und die dortige Bevölkerung kann sich bald mehr Einkäufe leisten. Es kann sich die Richtung der Exporte dann umkehren. Von billigen Produktionsstätten dann bei uns zu den finanzstarken Käuferschichten in China. Unzweifelhaft wird es – natürlich über den Umweg von Dritt- und Viertländern – dazu kommen. Das bedeutet, die Wirtschaft braucht sich nicht darum kümmern, dass wir Mitteleuropäer höhere Einkünfte beziehen, um ihre Waren auch kaufen zu können. Durch die billigen Importe von z.B. Agrargütern wird dabei auch gleich die Primärwirtschaft vernichtet. N: Also, was tun? WF.: Ich bin mir sicher, dass die Wirtschaft auch dann produzieren wird, wenn die Gewinne vorhanden, aber geringer wären. Wenn importierte Waren so teuer wären, wie im Land produzierte, entstünden sofort neue einheimische Betriebe. Der Transportweg für bestimmte Produkte, die auch im eigenen Land erzeugt werden können, muss so teuer werden, dass sich ein Transport nicht mehr lohnt. N: Es würde damit auch Sozial- und Steuerdumping, wie es in den Ländern der Europäischen Union populär gemacht wird, zurückgedrängt! WF.: Es kann nur im kurzsichtigen Interesse der arbeitenden Bevölkerung sein, Stolz oder Befriedigung wegen niederen Sozialleistungen und geringer Steuerpflicht der Unternehmer zu empfinden. Mit Bedingungen wie sie derzeit bedauerlicherweise in Entwicklungsländern herrschen, kann eine einheimische Wirtschaft nie konkurrenzieren. Tatsächlich liegt billigste Produktion aber im durchaus legitimen Interesse eines Unternehmers. Wäre ich ein Unternehmer, wären mir niedere Löhne, viele Arbeitslose, keine Umweltschutzbedingungen, niedere Steuern und freie, kostengünstige Transportwege aus vitalem Grunde wichtig. Wenn hier vom arbeitenden Volk Altruismus für einen endlich geschafften Aufschwung der ‚Dritten Welt’ eingefordert wird, muss man sehen, welche Gewinne andererseits hiermit gemacht werden. Altruismus, der aus solchen Gründen von Unternehmern angeregt und durch Medien populär gemacht wird ist mehr als fadenscheinig. Im puren Kapitalismus gibt es eben keine Menschlichkeit. N: Eine Beschränkung der Transportwege wäre aber eine verwaltungsaufwendige Angelegenheit. WF.: Das kann ich mir vorstellen. Aber billiger als immer mehr Arbeitslose zu haben, ungeachtet der brisanten politischen Zustände, in die man sich da begibt. Wenn ein Unternehmer im Ausland wegen der Kosten des Transportes nicht billiger produzieren kann, wird er aber sicher im Inland produzieren. Geld verdient er damit allemal auch. Bei allen solchen Überlegungen muss man beachten, um welche horrenden Geldbeträge es geht. Da scheint auch ein wenig Misstrauen angebracht, dass über eine relativ einfache und Erfolg versprechende Methode, wie es eine Beschränkung der Verkehrswege wäre, auch von Politikern nicht gesprochen wird. N: Und durch weniger Transporte wäre auch der Umwelt geholfen. WF.: Mir gefällt der Ausdruck ‚Umwelt’ nicht, da eine ‚Umwelt’ uns umgibt und nicht Teil unserer Selbst ist. Die Welt umgibt uns nicht nur, wir sind Teil davon! Derzeit versuchen Politiker, egal ob Linke oder Rechte, uns davon zu überzeugen, dass die schlechte Wirtschaftslage aus der ‚globalen’ Vernetzung entsteht und deswegen bestenfalls geringe, nationale Mittel dagegen bestehen. Da erheben sie die Verschlechterungen praktisch zu ‚Naturgesetzen’. Mir fällt da Bert Brechts Uraufführung der ‚Mutter Courage’ ein. Damals hatte in der Schweiz Therese Giese die Mutter Courage so ‚gut’ gespielt, dass die Zuseher ergriffen und zu Tränen gerührt waren, weil die arme Frau im Dreißigjährigen Krieg ihre Kinder verlor aber trotzdem nicht aufgab. Ein grandioser Erfolg also. Brecht aber war erzürnt. Er hatte das Drama als ‚Episches Theater’ geschrieben. Damit wollte er erreichen, dass der Zuseher eben nicht ‚mitleidet’, sondern die Handlung als kritischer Mensch beurteilen konnte. Da hätte er unweigerlich gemerkt, dass die Mutter Courage gerade wegen ihrer wirtschaftlichen Interessen ihre Kinder verlor. Krieg ist kein Naturgesetz! Hätte die Courage nicht unter so menschenverachtenden Bedingungen, wie sie im Krieg herrschen, ihre wirtschaftlichen Gewinne im Auge gehabt, hätten ihre Kinder überlebt. Tatsächlich war also die Courage am Tod ihrer Kinder Schuld. Brecht verfasste mit ‚der Weigl’ eine Modellinszenierung, die das klar stellte. (Zu Brechts ‚Mutter Courage’ siehe Wallner F´s. Bemerkungen am Schluss dieses Gespräches) Mir kommen die Begründungen der Politiker über die Wirtschaftslage als eine ebenso ‚schlechte’ Inszenierung wie die Uraufführung der Courage in der Schweiz und die von vornhinein aussichtslosen Versuche, die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik zu verstecken oder auch mit Hilfe der Medien zu verschleiern als bemerkenswert falsch motiviert vor. Medien wecken dazu Emotionen, aber sind an Ideen nicht interessiert. Auch Auflagenzahlen korrumpieren bekanntlich. Auch vor dem Zweiten Weltkrieg wurden Schuldige für die schlechte Wirtschaft gesucht und gefunden. Der Hass auf bestimmte Bevölkerungsteile könnte aber heute verhindert werden, wenn das gewollt ist. N: Brecht hat vollkommen Recht wenn er sagt: ‚Das Fressen kommt vor der Moral!’ es ist eigentlich zum ‚Kotzen’, dass die Menschen sich noch immer so leicht manipulieren lassen WF.: Da fällt mir eine Meldung einer Zeitung in Österreich anlässlich des Mordes an einen Bayerischen Modemacher Anfang des Jahres 2005 ein. Die vielgeliebte Zeitung sagte vom Mörder, es war ein „irakischer Asylstricher!“. Was da für Emotionen mit jedem Wort und Wortteil erweckt werden und, was noch schlimmer ist, auch für mich hat jeder Wortteil bereits negative Besetzungen, trotzdem ich glaubte, ein ‚bewusster’ Konsument zu sein! N: Immer schon hat man über Medien auch Negatives sagen können. WF.: Man müsste halt wissen, was man tut und auch was man liest. Vielleicht habe ich mit den ‚Transportwegen’ Recht. Das ist natürlich nicht die Hauptaussage und das wichtigste Anliegen des Buches ‚Elihu’. Aber ich meine, dass es endlich menschenunwürdig sein sollte, täglich Sorge um die Existenz zu haben. Was aber nicht unbedingt zu einer automatischen Versorgung ‚von der Wiege bis zur Bahre’ führen muss. Der mündige Mensch ist für sich verantwortlich, nur so kann er dem Beispiel Elihus nachfolgen. Die Gemeinschaft der Menschen, also auch der Staat, hat für die günstigsten Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen, also von sich selbst vorzusorgen. Ein Staat ist eine Gemeinschaft von Menschen, nicht der Wirtschaft oder des Kapitals! Sonst hat der ‚Ereignisstrahl’ auf den wir uns befinden, wie im Kapitel ‘8B / g726 - DAX14 - 598Li - 755 / DU’ aus dem Buch ‚Elihu’ keine Zukunft. Das ‚DU’ am Ende des Titels steht übrigens für das persönliche Fürwort dort, allerdings ist im Titel auch ‚DAX’ enthalten, der Börseindex! Ich hoffe aber doch auf eine Zukunft und auf Vernunft. Karl Marx soll nicht Recht behalten, wenn er wollte, dass Kapitalismus nur durch eine gewaltvolle Revolution zu beenden ist. Vielleicht erscheint wieder eine ‚sanfte Evolution’, wie es einmal die Utopie des Sozialismus war. Als Mehrheit im Staat könnten wir Menschlichkeit ja einfordern, indem wir nur Politiker wählen, die das garantieren. Eine faire Wirtschaft und eine Menschheit, die bewusste Regeln der Wirtschaft festlegt, könnten gewährleisten, dass nicht eine Region zugunsten einer anderen absichtlich in den Ruin getrieben wird. Es wäre um die Aufklärung schade! N: Danke für das Gespräch. WF.: Bitte Ferdinand, ich danke Dir. Setzen wir einmal fort? N: Bin mir ziemlich sicher. Wolfgang Wallner F., „Elihu; Hinterlassene Aufzeichnungen aus der Ewigkeit“, jbl-Literaturverlag, ISBN 3-902159-13-8, http://elihu.wolfgangwallnerf.com www.wolfgangwallnerf.com ferdinand.niehammer@inode.at Bemerkungen zu Bert Brecht: ‚Mutter Courage und ihre Kinder’ (verfasst von Wolfgang Wallner F.) Episches Theater Entwicklung: 1. Aristotelisch-Lessingsche Dramaturgie Aristoteles (384 - 321 v. Chr.) bestimmte in seiner Schrift Poetik das Wesen der Dichtkunst. Der Dichter sollte berichten, was geschehen sein könnte, Dichtung darf nichts Unwahrscheinliches enthalten, was im wirklichen Leben niemals geschehen könnte. Aristoteles Definition der Tragödie: „Die Tragödie ist die Nachahmung einer edlen und abgeschlossenen Handlung von einer bestimmte Größe in gewählter Rede, derart, dass jede Form solcher Rede in gesonderten Teilen erscheint und dass gehandelt und nicht berichtet wird und dass mit Hilfe von Mitleid und Furcht eine Reinigung von derartigen Affekten bewerkstelligt wird“. Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781) begründete auf der Poetik des Aristoteles die Hamburger Dramaturgie, eine Neubegründung einer nationalen Dramatik. Diese neue Form des Theaters hat in der Folgezeit nicht nur die Autoren, sondern auch die Theaterpraxis bestimmt, mit ihr setzte sich Brecht auseinander. Lessing: (über Aristoteles) „ Man hat ihn falsch verstanden, falsch übersetzt. Er spricht von Mitleid und Furcht, nicht von Mitleid und Schrecken, und seine Furcht ist durchaus nicht die Furcht, welche uns das bevorstehende Übel eines anderen, für diesen anderen, erweckt, sondern die Furcht, welche aus unserer Ähnlichkeit mit der leidenden Person für uns selbst entspringt; es ist die Furcht, dass die Unglücksfälle, die wir über diese verhänget sehen, uns selbst treffen können...., mit einem Worte: diese Furcht ist das auf uns selbst bezogene Mitleid“. 2. Brechts „Epische Theater“ Nach Brecht soll der Zuseher sich nicht mit den Personen identifizieren, sondern er soll sich distanzieren. Das epische Theater will den Zuschauer in eine kritische Distanz zu dem auf der Bühne Dargestellten halten, will ihm keine allgemeingültigen Lösungen vorexerzieren, sondern zum Nachdenken anleiten. Er soll nicht kulinarisches Theater genießen, sondern beim Geschehen mitdenken. Ein solches Verhalten entspricht dem eines Menschen, der weiß, dass er Natur und Geschichte durch seine Hände verändern kann. Das Epische Theater bildet die Welt nur modellhaft ab, legt sie dem Zuschauer vor, damit er selbst eingreifen und die gewonnenen Einsichten bei seiner gesellschaftlich - praktischen Tätigkeit anwenden kann. Epische Struktur in „Mutter Courage..“: In der Uraufführung (Zürich 1941), an deren Inszenierung Brecht nicht mitwirkte, wurde die Mutter Courage von Therese Giese so gespielt, dass der Zuschauer Mitleid mit der tragischen Mutter empfinden musste, die durch die Schrecken des Krieges ihre Kinder verlor. Der Ausgang ist, wie in der klassischen Tragödie tragisch, weil die Courage unwissentlich die Kinder ins Verderben stürzt, obwohl sie alles zu tun glaubt, sie vor den Schrecken des Krieges zu retten. Brecht war über diese Aufführung bestürzt, da er sich gründlich missverstanden sah. So erarbeitete er 1949 in Berlin eine Modellinszenierung (seine Frau Helene Weigel als die Courage), in der Weigel die Courage als zornig darstellte. Dieser Zorn war aber nicht der Zorn der Courage, sondern der Zorn der Schauspielerin über die Courage. Obwohl die Züricher Aufführung ein großer Erfolg war, hat sie lediglich das Bild des Krieges als eine Naturkatastrophe und eines unabwendbaren Schicksals gegeben und noch dazu dem Kleinbürger im Zuschauerraum seine eigene Unzerstörbarkeit, seine Fähigkeit zu überleben, bestätigt. Interpretation Charaktere: Mutter Courage: Mutter Courage ist eine Händlerin, die im Dreißigjährigen Krieg als eine den Soldaten folgende Marketenderin lebt und die ihre Kinder, so weit möglich, aus den Kriegsgeschehnissen heraushalten will. Zu Beginn des Dramas zeigt sich aber schon, wo sie ihre Prioritäten setzt: Sie will Eilif vor den Werbern schützen, durch den Handel mit einem Werber übersieht sie aber, dass Eilif mit dem Werber mitgeht. Sie stellt ihre Interessen als Händlerin über denen der Mutter. So sagt auch einer der Werber: Will vom Krieg leben, wird ihm wohl auch etwas geben“. Als Marxist ist der Widerspruch im Handeln der Courage für Brecht aber keine tragische, unabwendbare Katastrophe. Die kapitalistische Gesellschaft ist Ursache dieses Handelns, Mutter Courage ist eine Vertreterin des Kapitalismus, deren Grundlage der Handel, das Verschaffen von persönlichen Vorteilen ist. Diese Haltung wird auch in der Szene deutlich, in der die Courage mit dem Koch über den Verkauf des Kapauns handelt. Der Koch ist in einer Zwangslage, da er für seinen Feldwebel Fleisch auftreiben muss. Der Preis für das Tier wird vorerst, den Gesetzen des Angebotes und der Nachfrage gehorchend immer mehr gesenkt. Als sie ihren Sohn Eilif (als Held) entdeckt, treibt sie, obwohl das Essen auch ihrem Sohn zugute kommen soll, den Preis in unverschämte Höhe. Die Courage sucht im Krieg ihre Vorteile, als ein Gerücht über Frieden ausbricht, glaubt sie, ruiniert zu sein, doch als sie merkt, dass der Krieg weitergeht, ist sie wieder obenauf. Im gesamten Drama verflucht sie nur dann einmal den Krieg, als ihre Tochter Kattrin überfallen und verstümmelt wird. In der 7. Szene behauptet sie, dass der Krieg den Menschen besser ernähre, und dass auch der Friede den Schwachen vertilgt. Ihrer kapitalistischen Gesinnung folgend, ist sie auch Schuld an der Nichtrettung ihres Sohnes Schweizerkas. Sie will ihn durch Bestechung vor der Hinrichtung bewahren. Der Versuch gelingt aber nicht, da sie ihre wirtschaftliche Grundlage gegen das Leben des Sohnes eintauschen muss. Sie handelt zu lange und so wird Schweizerkas doch hingerichtet. Als sie im letzten Moment doch bereit wäre, ihren gesamten Handel gegen das Leben des Sohnes einzutauschen, ist es schon zu spät. Sie hat wieder ihre wirtschaftlichen Interessen über das Leben des Sohnes gestellt. Als sich die Courage und ein junger Soldat, dem Ungerechtigkeit unerträglich ist beim Offizier beschweren wollen, sagt die Courage zum Soldaten, dass jeder einmal kapitulieren müsse, weil die Wut verraucht und ein Aufbegehren den Geschäften schadet. Sie singt das Lied von der großen Kapitulation. In diesem Lied werden Entwicklungsphasen der Courage geschildert. Zu Beginn ist sie ein optimistisches Kind, das sich für etwas Besonderes hält, dieser Teil endet mit einer optimistischen Redewendung (Jeder ist seines Glückes Schmied). Weiter wird im Lied die folgenden Erkenntnisse erzählt, die Courage hat Kinder und kein Geld. Wieder folgen Redewendungen, diesmal aber solche, die nach Anpassung verlangen (Man muss sich mit den Leuten stellen, eine Hand wäscht die andere, man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand). Im Weiteren werden diese beiden Erfahrungen gegenüber gestellt, der grenzenlose Optimismus und die Resignation ( Der Tüchtige schafft es, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, wir werden den Laden schon schmeißen - entgegen - Man muss sich nach der Decke strecken). Die einzelnen Strophen enden: „Der Mensch denkt: Gott lenkt. Keine Red davon!“ Die letztendlich gefasste Lebensweisheit der Courage lautet also Anpassung. Durch diese Anpassung kommt es zu einem Widerspruch zwischen ihren Geschäftsinteressen und den menschlichen Bedürfnissen, der unter den Bedingungen dieser Gesellschaft unüberbrückbar ist und an dem ihre Kinder sterben. Eilif: Eilif ist ein tapferer Mann. Im Krieg ist er ein Held, weil er brutal Bauern tötet und das Vieh raubt. Seine Mutter hat ihm nicht Moral beigebracht hat, da sie Krieg und Frieden nur aus einem geschäftlichen Gesichtspunkt betrachtet. So hat sie ihm auch nicht gesagt, wie man sich verschiedenen Gegebenheiten entsprechend verhält. Als Eilif sich im (vermeintlichem) Frieden genau so verhält, wird er erschossen. Schweizerkas: Da Schweizerkas nicht klug ist, erzieht ihn die Courage zur Redlichkeit. Er liefert die Regimentskasse auch dann nicht aus, als sein Leben bedroht ist. Ohne seinen eigenen Vorteil zu beachten, richtet er sich nach den Lehren seiner Mutter. Durch die beabsichtigte Rettung der Kasse wäre nur weiter Krieg geführt und Menschen getötet worden. Es war also keine moralisch zu rechtfertigende Tat gewesen. Durch das zu lange Handeln seiner Mutter wird auch er hingerichtet. Kattrin: Kattrin ist ein fühlender Mensch, der stumm und verunstaltet ist und daher zu einem normalen Leben nicht fähig ist. Sie erhält die Wunden, als sie für den Handel ihrer Mutter tätig ist. Kattrin streichelt einen verwundeten Igel und schaukelt einen Säugling. Ihre Menschlichkeit ist jedoch stumm. Als sie vollkommen uneigennützig ihre Menschlichkeit artikuliert (Trommel am Dach), wird sie getötet. In ihrer Figur erweist sich, dass die Möglichkeit eines sozialen Daseins einer kapitalistisch orientierten Gesellschaft unterliegen muss. Als Kattrin getötet wird, halten sich die anwesenden Bauern heraus, obwohl durch den beabsichtigten Angriff auf die Stadt Halle eigene Verwandte ums Leben kommen könnten. Trotzdem gibt die Tat Kattrins auch Hoffnung gegen die Ideologie der Anpassung: Ein Bauernsohn lässt sich anstecken und unterstützt Kattrin. Yvette Pottier: Im Lied vom Fraternisieren erzählt die Hure über die aus ihrer Sicht einzigen Möglichkeit, den Krieg zu überleben, indem sie bei Gefahr durch Feinde ihren Körper einsetzt. Allgemein: Die Courage geht in zweifacher Hinsicht durch die Handlung des Krieges. Sie sieht den Krieg in ökonomischer Sicht, gewinnt und verliert auch wieder. Die Mutter jedoch verliert alles: ihre Kinder, da im Krieg eine Bedingung geschaffen wird, unter der ein normales menschliches Leben nicht möglich ist. Im Drama erkennt die Courage, dass die Ursache des Krieges in den Macht- und Wirtschaftsinteressen der Herrschenden liegt. Sie täuscht sich allerdings in der Ansicht, dass auch „einfache“ Leute am Krieg gewinnen können. Man muss das Werk unter dem Gesichtspunkt des Marxismus betrachten, der von Brecht sowohl in der Darstellung des Krieges und seiner Folgen für die handelnden Personen als auch in der Art der Inszenierung (episches Theater, siehe oben) betrachten. Als solches muss „Mutter Courage und ihre Kinder“ als großartiges Gesamtkunstwerk und als vorbildhaft im Bereich des politisches Drama gesehen werden. Wichtig erscheint, dass zum Unterschied zur Aristotelisch-Lessingschen Dramaturgie im epischen Theater kein, eigentlich auch so beabsichtigtes egoistisches Mitleid mit den dargestellten Personen entsteht ( siehe oben Lessing: ...diese Furcht ist ein auf uns selbst bezogenes Mitleid“) sondern der Zuseher, durch die Form des epischen Theaters bedingt, aus der Handlung und dem Mitleid herausgetreten, eine „wissenschaftlichere“ Betrachtungsweise ermöglicht bekommt, die ihm die Möglichkeit zur Reflektion und zum Andershandeln gibt. Das Mitleid wird dadurch auch von einem egoistischen Selbstmitleid zu einem soziologischen und humanistischen Mitleid gewandelt. Ich grüße Sie einstweilen nochmals mit Büchner: Friede den Hütten! Kampf den Palästen! Wolfgang Wallner-F. Wien, am 18. Juni 2005

(4) Ein viel gewichtiger Grund für das Verlangen nach einem Neuaufbruch liegt darin, dass die jetzigen Wirtschafts- und Herrschaftsformen es verhindern, dass wir neu entstandene Möglichkeiten der Versorgung der Menschheit, der „Allianz“ mit unserer Umwelt und ganz allgemein einem schönen Leben für alle nutzen. Trotz aller Ausbeutung, entgegen Missbrauch und inmitten aller zerstörerischen Wachstumslogik sind in den letzten Jahrzehnten auch neue Potenzen entstanden. Der Fortschritt kommt nicht automatisch und es kann auch sein, dass die letzten Jahrzehnte nur ein fürchterlicher Rutsch in den endgültigen Abgrund waren. Aber noch haben wir die Möglichkeit, Mittel zum Überleben und sogar zu einem guten Leben, einem besseren Leben in die Hände zu nehmen und aufzubrechen in neue Lebens- und Wirtschaftsformen.

(5) Das Problem dabei besteht darin, dass viele Menschen sich nicht trauen, auf diesen Weg zu begeben, weil sie nicht daran glauben, dass eine andere als die kapitalistische Wirtschaft ihre Bedürfnisse befriedigen kann. Gerade der allgemeine Mangel in den realsozialistischen Ländern vertrieb viele Hoffnungen auf erfolgreiches nichtkapitalistisches Wirtschaften. Es ist nicht falsch, sondern verantwortungsvoll, bereits vor einer Revolution auch daran zu denken, wie wir danach die „Brötchen“ auf den Tisch bekommen. Jedoch zeigt mittlerweile auch das kapitalistische System deutlich, dass es keinesfalls eine Veranstaltung zu Gunsten des guten Lebens aller Menschen ist. Vom realen Sozialismus in der DDR aus konnten wir uns in die kapitalistische BRD-Wirklichkeit einklinken (andere Länder des Ostens werden in ihrer Hoffnung auf den Kapitalismus eher enttäuscht). Aber bei dem notwendigen nächsten Übergang zur nachkapitalistischen Wirtschaft müssen wir uns auf die Suche nach etwas Neuem, noch nie Dagewesenem begeben. Und es wird grundsätzlich nicht möglich sein, die Überlegenheit einer anderen Wirtschafts- und Lebensweise vorher zu beweisen, dies wird nur auf dem Weg „fragend voran“ gemeinsam zu realisieren sein. Außerdem kann es gar nicht sein, dass irgend jemand bereits vorher quasi ein „perfektes Modell“ zur Diskussion stellt, dass dann entsprechend dieser Blaupause zu verwirklichen wäre. Zumindest dann nicht, wenn Herrschaftsfreiheit und individuelle Entscheidungs- und Entfaltungsfähigkeit sowie kooperative Selbstorganisierung als Grundprinzipien einer neuen Lebens- und Wirtschaftsweise vorausgesetzt werden.

(6) Trotzdem brauchen wir auch nicht ganz kopflos herumprobieren oder losstürmen. Es ist uns möglich, „fragend voran“ zu kommen, in wechselseitigem Austausch von theoretischen Überlegungen und praktischen Erfahrungen, von Kritik am Gegenwärtigen und Visionen eines anderen Lebens, orientiert an individueller Selbstentfaltung und herrschaftsfreier kooperativer Selbstorganisierung.

Wie dieses Heft entsteht

(7) Dieses Heft ist ein Schritt auf diesem Weg, entstanden aus mehreren Anstößen wie dem Engagement für eine inhaltliche Bereicherung des Sozialforums in Deutschland 2005, dem Bedürfnis, Erfahrungen zusammen zu tragen und nicht zuletzt auch der Begeisterung für neue technische Möglichkeiten, die es anzueignen und inhaltlich entsprechend menschlich-ökologischen Bedürfnissen umzuwidmen gilt. Es versteht sich als Zwischenergebnis, das in seiner sehr kurzfristigen Entstehung bewusst Anleihen beim Prinzip der Herstellung Freier Software genommen hat. Aus einem Buchprojekt der Projektwerkstatt Saasen heraus wurde die Idee geboren, einzelne Schwerpunkte als Einzelhefte herauszugeben. Das ermöglicht eine Dezentralisierung vor allem der inhaltlichen Arbeit. Entsprechend dem Prinzip der Freiwilligkeit und der individuellen Selbstentfaltung, das darauf gestützt ist, dass verschiedene Menschen das Bedürfnis haben, neben vielen anderen Dingen auch Texte herzustellen, verständigen sich die Interessierten untereinander, was sie wie erarbeiten und gestalten wollen (kollektive Selbstorganisierung). Das Ergebnis ist nicht besser als der Prozess der Beteiligten es ermöglicht. Wir nutzen dazu verschiedene Formen der internetbasierten Kooperation. Alle Interessierten können sich selbsttätig einbringen, entweder über ein WIKI (http://coforum.de/index.php4?HeftProjekt) oder OpenTheory (http://www.opentheory.org/heftprojekt/) oder auch über Emails. Diese Organisationsform schließt NichttechniknutzerInnen nicht aus, wir haben auch den Text eines Gefangenen verwendet. Zwar bildet sich eine Art vermittelnder Verantwortlichkeit heraus, aber diese Vermittlung soll herrschaftsförmige Hierarchie ausschließen. Wir begeben uns mit diesem Projekt auch auf diesem neuen Wege „fragend voran“ und hoffen, dass unsere Erfahrungen uns alle voranbringen werden.

(7.1) iЯ -Re: Wie dieses Heft entsteht, 19.06.2005, 19:23, Uwe Berger: Orang_als_Vorhang.Voran! fragen können wir hinterher...

Zur inhaltlichen Gliederung

(8) Wir beginnen dabei inhaltlich mit dem wohl drängendsten Problem: der Erwerbslosigkeit. Dabei wird sofort ein Standpunkt, den wohl alle Beteiligten teilen, abgesteckt: Uns geht es nicht um eine Rettung der kapitalistischen Normalität, sondern um den Übergang zu einem ganz anderen Leben. Wie wir dann sehen, verhindern die gesellschaftlichen Eigentums- und Machtverhältnisse, die sich quasi wie „Naturgesetze“ hinter unserem Rücken durchsetzen, die wirklich eigenständige und selbstbestimmte Lebensgestaltung. Entgegen dem neoliberalen Glauben an die Unveränderlichkeit dieser gesellschaftlichen Gesetze wird begründet, inwieweit freiheitlich utopische Orientierungen dabei helfen können, das Gegebene geistig und praktisch zu überschreiten.

(9) Im nächsten Teil wird die Kritik und die Orientierung auf das Neue in verschiedenster Weise konkretisiert: Innerhalb von Umrissen einer konkreten, nicht herrschaftsförmigen Utopie öffnet sich ein Fächer von grundsätzlichen und praktischen Alternativen, die bereits in Angriff genommen werden. Die Auswahl dieser alternativen Ansätze ist einerseits zufällig, sie ergibt sich vorwiegend aus der Beteiligung der TextautorInnen an diesem Projekt (es gibt keine VordenkerInnen, die auswählen, wer etwas schreiben soll); andererseits ist uns die Orientierung auf eine radikale Herrschaftskritik, die Verbindung von individueller Selbstentfaltung und kooperativer Selbstorganisierung jenseits der Herrschaft der Ökonomie oder gar ihrer wertförmigen Variante besonders wichtig. Auf diese Weise wird auch klar, dass es uns inhaltlich um das Nachdenken über und die Entwicklung von emanzipativen, herrschaftsfreien und ökologisch verträglichen Weisen der menschlichen Bedürfnisbefriedigung geht, was abstrakte Definitionen für „Wirtschaft“ oder „Produktionsweise“ durch konkrete inhaltliche Vorstellungen ersetzt.

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