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Entwicklung von politischen Positionen für eine neue Partei - siehe auch http://www.freizeitpartei.de

Maintainer: Markus Schaal, Version 1, 03.03.2001
Projekt-Typ:
Status: Archiv

Lebensqualität statt Leistungsdruck steigern

(1) Immer mehr Arbeitnehmer/innen müssen heutzutage immer länger arbeiten. Dabei bleiben viele wichtige und schöne Dinge auf der Strecke: Wer unter der Woche den ganzen Tag arbeiten muss, hat keine Zeit für ein erfülltes Privatleben mit der Familie und/oder Freunden. Entspannung und Kreativität, die persönliche Weiterentwicklung und sogar die eigene Gesundheit wird der Arbeit untergeordnet. Dass Arbeit nicht nur die Existenz sichert, sondern auch Sinn und Identität stiftet, bezweifeln wir nicht. Aber zur Zeit zeichnet sich eine erschreckende Entwicklung ab, die es aufzuhalten und umzukehren gilt, damit wir nicht nur die Arbeitsleistung, sondern auch die Lebensqualität steigern. Alle Menschen haben ein Recht auf ein lebenswertes Leben, auch und gerade diejenigen, die aktiv am Arbeitsleben teilnehmen wollen.

(2) Unser Ziel ist es, dass alle Menschen, die arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen wollen, das auch tun können, ohne dafür mit gesundheitlichen Schäden durch Stress und Überarbeitung oder mit sozialer Isolation bezahlen, weil für menschliche Beziehungen außerhalb der Arbeitswelt keine Zeit mehr bleibt.

(3) Augenblicklich ist leider das Gegenteil der Fall: allein die zunehmende Zahl von (berufsbedingten) chronischen Erkrankungen ist eine ernstzunehmende Warnung, dass wir bereit sind, wortwörtlich unser Leben zu riskieren, um den Anforderungen des gegenwärtigen Arbeitslebens gerecht zu werden.

Nicht nur Arbeit, auch Zeit haben

(4) Und das, obwohl die Produktivität und damit die Wirtschaft immer weiter wächst, während die Gesamtzahl der Menschen in diesem Land eher abnimmt. Durch die fortschreitendende Weiterentwicklung unserer Produktionsmethoden, durch die gesteigerte Effizienz die der Einsatz neuer Technologien mit sich bringt, müssten wir für einen gleichbleibenden Lebensstandard eigentlich weniger arbeiten als zuvor. Anstatt uns an den Früchten dieses Erfolgs zu freuen, sind unbezahlte Überstunden und erhöhter Leistungsdruck die Regel. Feiertage werden gestrichen, die Löhne wachsen, wenn überhaupt, nur im Schneckentempo - mit dem scheinheiligen Argument der Arbeitsplatzsicherung.

Arbeit fair-teilen

(5) Tatsächlich wird in den traditionellen Produktionsbereichen immer weniger menschliche Arbeitskraft gebraucht. Aber es gibt in unserer Welt viele andere Dinge zu tun. Das Problem ist nicht, dass uns die Arbeit ausgeht, sondern dass sie zum einen nicht fair verteilt und zum anderen die Ausübung verschiedener Tätigkeiten höchst ungerecht entlohnt wird. Leistung und Produktivität sind bei der Bewertung von Arbeit entgegen der geläufigen Lippenbekenntnisse nicht Maßstab für die Bezahlung. Denn wenn es so wäre, könnte es nicht sein, dass jemand für die täglich acht Stunden, die er oder sie beispielsweise an einem Schreibtisch vor einem PC verbringt, einmal zweitausend und einmal zehntausend Mark monatlich verdient - selbst wenn es einen Unterschied macht, ob nun Geschäftskorrespondenz oder Befehlszeilen für Coputerprogramme, wissenschaftliche Artikel oder Unterhaltungsromane produziert werden.

(6) Es kann nicht sein, dass die Lebenszeit eines Menschen fünf oder zehn oder zwanzigmal mehr wert ist, als die eines anderen, der genauso bereit ist, seine Fähigkeiten und seine Zeit zur Verfügung zu stellen. Deshalb muss erstens die Arbeit neu bewertet werden, damit nicht nur die Menschen, die zufällig etwas können, was augenblicklich als wichtig und nützlich angesehen wird, nicht unverhältnismäßig viel besser dastehen, als die, die eben andere Fähigkeiten haben und deshalb auch andere Dinge tun. Und zweitens muss die vorhandene Arbeit auf alle verteilt werden, die bereit sind, sie zu tun.

Leistung belohnen, Ausnutzung vermeiden

(7) Sicherlich ist es ein wertvoller Ansporn, wenn man für überdurchschnittlichen Einsatz und überdurchschnittliche Kenntnisse auch überdurchschnittlich belohnt wird. Wer gute Ideen hat, soll davon auch profitieren können. Allerdings darf auch eine brilliante (Geschäfts-)idee kein Freibrief für Ausbeutung sein.

(8) Gegenwärtig glaubt eine wachsende Zahl von Menschen, dass man mit weniger Leistung und Einsatz mehr für sich herausholen muss, und genau hier liegt das Übel: Weil die einen abzocken, gehen die anderen leer aus. Und weil trotz allem Fortschritt noch immer eine Menge Arbeit übrig bleibt, die getan werden muss, entstehen immer mehr unangenehme, aber schlecht bezahlt Jobs, um die sich diejenigen streiten, die es nicht schaffen, auf Kosten der anderen zu leben.

(9) Dieser Entwicklung wollen wir entschieden entgegentreten. Die vorhandene Arbeit muss fair verteilt und entlohnt werden. Es darf nicht sein, dass aus denjenigen, die im Wettbewerb um die tatsächlich weniger werdenden konventionellen Arbeitsplätze erfolgreich waren, immer mehr Leistung herausgeholt wird, ohne dass sie einen angemessenen Gegenwert dafür bekommen. Zum anderen darf es auch nicht sein, dass viele wichtige und nützliche Tätigkeiten, wie die Betreuung von Kindern, Alten und Kranken, nicht entsprechend belohnt werden.

Arbeiten, um zu leben - nicht leben, um zu arbeiten

(10) Wer den immer höheren Leistungsanforderungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr genügt, wird zunehmend schlechter bezahlt oder verliert seinen Job. Wer arbeitslos wird, gerät in unserer Gesellschaft schnell ins soziale Abseits. Anstatt die offensichtlich menschenfeindlichen Strukturen unserer Arbeitsgesellschaft den Bedürfnissen der Menschen anzupassen, leisten wir es uns, immer mehr Menschen völlig aus dem Arbeitsleben auszugliedern, während die übrigen paradoxerweise immer mehr arbeiten müssen.

(11) Der rasante Aufschwung von Naturwissenschaften und Technik in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten - mit all seinen positiven und negativen Auswirkungen - könnte den meisten Menschen in den modernen Industrieländern erlauben, deutlich weniger zu arbeiten und trotzdem einen angemessenen Lebensstandard zu genießen.

(12) Der Gewinn aus der zunehmenden Produktivität wird von weltweit operierenden Unternehmen bzw. deren Eigentümern abgeschöpft oder in aufwendigen und eigentlich überflüssigen Verwaltungsabläufen verpulvert. Wir leisten es uns, ganze Industrien zu unterhalten, die nur dazu dienen, verdientes Geld wieder ausgeben zu können bzw. dieses Geld dann wiederum zu verdienen, weil wir vergessen haben, dass Arbeit kein Selbstzweck ist, sondern eigentlich dem Lebensunterhalt dient. Leider wird das Leben dabei oft vergessen

Ein Grundrecht auf Freizeit

(13) Die Freizeit-Partei fordert deshalb ein gesetzlich einklagbares Grundrecht auf Freizeit bei angemessenem Lohn für jeden Bürger! Ein erfülltes Leben besteht nicht darin, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang als moderner Arbeitssklave für den stetig steigenden Reichtum von Unternehmern und Aktionären zu schuften, sondern auch über ausreichend Zeit für die individuelle Lebensgestaltung - soziale Bindungen, kreative Tätigkeiten, private Projekte usw. - zu verfügen. Als Mindeststandard würden wir deshalb gegenwärtig eine Arbeitszeit von durchschnittlich maximal 25 Stunden pro Woche bei mindestens drei Monaten Urlaub im Jahr betrachten. Diese Arbeitszeit ist selbstverständlich auch Grundlage für die Gewährung von Bürgergeld als soziale Grundsicherung.

Existenzgründer

(14) Ausnahmen gibt es nur bei Existenzgründungen: Menschen, die sich mit einem eigenen Unternehmen selbständig machen wollen, können selbstbestimmt mehr arbeiten - und zeitweise auch höhere Gewinne erzielen. Mitarbeiter von solchen neu entstehenden Unternehmen, die ebenfalls bereit sind, ihre ganze Zeit für das Unternehmen einzusetzen, müssen dann allerdings eine ihrer Arbeitszeit und Leistung entsprechende Gewinnbeteiligung erhalten - beispielsweise über Firmenanteile. Für reine Arbeitnehmerverhältnisse gilt das Grundrecht auf Freizeit unmittelbar und ist einklagbar.

Auswege aus dem Teufelskreis

(15) Menschen leben nicht nur für sich und für die Arbeit, sondern sind Teil einer Gemeinschaft. Das wird zunehmend weniger erlebt. Je weniger wir für andere da sind, desto weniger können wir davon ausgehen, dass andere für uns da sind. Deshalb verlagern wir -als Privatpersonen und als Gesellschaft - immer mehr Verantwortlichkeiten auf irgendwelche Institutionen, anstatt uns um funktionierende Beziehungen zu kümmern. Letztlich geben wir auch die Verantwortung für uns selbst ab - wir begreifen uns als Teil von etwas, gegen das wir ohnehin ohnmächtig sind. Also versuchen wir, das Beste daraus zu machen und wirken daran mit, dass alles noch schlimmer wird. Diesen Fatalismus wollen wir durchbrechen. Wir wollen bewusst machen, dass es einen anderen Weg gibt, als Konkurrenzdenken und Effizienzwahn. Wir sind für unser Leben verantwortlich - und genau deshalb müssen wir uns mehr Zeit dafür nehmen. Es reicht nicht, zu arbeiten, wir müssen uns auch klar werden, wofür wir arbeiten wollen. Arbeit als Selbstzweck ist selbstzerstörerisch: Workaholics sind wie Suchtkranke zu behandeln und in ihrem eigenen Interesse sukzessive wieder in ein geregeltes Privatleben zurückzuführen.

(16) Gegenwärtig gibt es nur noch wenige Schutzräume, in denen menschenwürdiges Verhältnis zwischen Freizeit und Arbeitszeit exisitiert: Schulen und Universitäten bieten in Deutschland zum Glück noch andere Spielregeln, obwohl auch hier ein beängstigender Trend zur vollständigen Ausnutzung des Menschen für Wirtschaftsprozesse festzustellen ist. Hier hat man noch Zeit, sich während eines grossen Teil des Tageslichtes und des Jahres mit den Dingen zu beschäftigen, die man eigentlich tun möchte: sich mit Freunden treffen, mit der Familie einen kleinen Ausflug machen, oder einfach träumen und zu lesen.

Überproduktion ist geistlos

(17) Es ist auch schon länger bekannt, dass die zur Zeit in unserem Wirtschaftssystem festzustellende fanatische Steigerung der Quantität in eine soziale und ökologische Sackgasse führt: Die Qualität, der geistige Gehalt und die Menschlichkeit der Produkte und Dienstleistungen scheint fast niemanden mehr richtig zu interessieren. Wer ist heute noch wirklich stolz auf sein Produkt? Stattdessen wird in großen Stückzahlen mehr oder weniger Schund produziert, der Produktentwicklungszyklus wird in vielen Bereichen ständig verkürzt. Das Endergebnis sind nicht bessere Arbeitsbedingungen und mehr Zufriedenheit aller, sondern z.B. Autos, die nur wenige Jahre voll funktionstüchtig sind, Bücher und Filme mit auffällig gleichen und geistlosen Inhalten, Betriebssysteme mit eklatanten Sicherheitslücken und Fehlern, kranke Rinder, geschmacklose Tomaten und eine scheußliche Architektur - kurz: Produkte, die unser Leben geistlos, unangenehm und gefährlich machen, auch wenn die Hersteller das Gegenteil behaupten.

Es gibt Alternativen

(18) Erfreulicherweise gibt es aber auch Beispiele bei denen gezielt mehr Qualität erzeugt wird, z.B. im Bereich ökologischer Produktentwicklung. Der ökologischen Landbau erzeugt nicht nur gesündere und schmackhaftere Produkte, sondern macht auch den an der Erzeugung beteiligten Menschen mehr Spaß.

(19) Mehr Freizeit, die man selbstbestimmt erleben kann und eine höhere Qualität der Produkte für unser tägliches Lebenwürde für uns alle wieder mehr Zufriedenheit, Lebensfreude, Glück und Gesundheit bedeuten. Nicht zuletzt würde das Interesse am Produktionsprozess zunehmen und damit bessere Arbeitsergebnisse erzielt.

(20) Mehr Zeit für jeden Einzelnen bedeutet eine in jeder Hinsicht gesündere Umwelt, einen freundlicheren Umgang miteinander und eine lebenswerte Zukunft.


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