Home   Was ist ot ?   Regeln   Mitglieder   Maintainer   Impressum   FAQ/Hilfe  

Peer-Ökonomie

Maintainer: Stefan Meretz, Version 1, 25.11.2007
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Ein Übergangskonzept

(1) In der wertkritischen Linken gibt es eine kleine Gruppe, die darauf verweist, dass es vor allem mit der Freien Software- und Kulturbewegung bereits Ansätze (»Keimformen«) gibt, die auf neue Möglichkeiten jenseits von Ware, Geld, Markt und Staat verweisen. Solche Ansätze werden ihrerseits kritisiert, sie seien auf kopierbare Informationsgüter beschränkt und könnten nicht die Welt der stofflichen Güter erreichen.

(1.1) Re: Ein Übergangskonzept, 25.11.2007, 21:34, Benni Bärmann: Ich sehe mich nicht unbedingt als Teil der "wertkritischen Linken" aber dennoch als jemand, der "mit der Freien Software- und Kulturbewegung bereits Ansätze (»Keimformen«) gibt, die auf neue Möglichkeiten jenseits von Ware, Geld, Markt und Staat verweisen." Deswegen störe ich mich etwas am "In ..." am Anfang. Zugegeben macht das den Satz nicht direkt falsch, höchstens ein wenig irreführend.

(1.1.1) Re: Ein Übergangskonzept, 26.11.2007, 10:27, Stefan Meretz: Ja, stimmt, jetzt beim Wiederlesen klingt das etwas exklusiv. Dabei sollte es sich inklusiv an die (mutmaßlich wertkritisch-linken) LeserInnen der Zeitschrift richten. -- Sorry!

(1.1.2) Re: Ein Übergangskonzept, 02.12.2007, 12:35, Juli Bierwirth: naja, aber so genau genommen steht da ja auch nicht, das alle diejenigen, die sich für Freie Software aus den genannten gründen interessieren auch wertkritikerInnen sind. nur halt andersrum: das es bei den wertkritikerInnen auch welche von denen gibt.

(2) Christian Siefkes hat mit der »Peer-Ökonomie« nun ein Konzept vorgestellt, das diesen zentralen Kritikpunkt an den Keimform-Ideen angeht. In seinem englischsprachigen Buch »From Exchange to Contributions« verallgemeinert Siefkes die Prinzipien Freier Software- und Kulturproduktion in die physische Welt.

(2.1) 26.11.2007, 11:36, Christian Siefkes: Danke für die Rezension! :-)

(3) Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass Menschen bei der Herstellung ihrer Lebensbedingungen Aufwand verausgaben. Während der Kapitalismus den Markt als »Indirektion« verwendet, um die produzierten Güter zu verteilen - wobei vorher gar nicht klar ist, ob sie gebraucht werden oder gekauft werden können -, verteilt die Peer-Produktion nicht die Güter, sondern den Aufwand zu ihrer Herstellung. Dabei wird nur das hergestellt, was auch gebraucht wird - das Verhältnis zwischen Bedürfnissen und Produkten ist »direkt«.

(4) Wie kann das gehen? Hier kommt das Peer-Prinzip ins Spiel. Der Begriff »Peer-Produktion« wurde von Yochai Benkler eingeführt, um die offene und kooperative Produktionsweise freier Informationsgüter zu beschreiben. Individuelle Menschen (»Peers«) arbeiten auf freiwilliger Basis zusammen, und zwar aus einem einzigen Grund: Sie wollen es. Sie leisten Beiträge zu einem Projekt, um es zum Erfolg zu bringen. Intensität, Ausmaß und Dauer bestimmt jede/r selbst. Peer-Projekte wiederum sind auf die Beiträge angewiesen und werden daher alles dafür tun, für die Teilnahme attraktiv zu sein.

(5) Die Peer-Produktion basiert auf den so genannten Commons, also Ressourcen ohne Eigentümer, die eine Nutzung kontrollieren könnten. Die Ergebnisse von Peer-Projekten werden in der Regel wiederum Teil der Commons. Physische Produktionsmittel fallen derzeit nicht darunter. Sie sind Privateigentum der Peers, die Beiträge leisten.

(5.1) nicht notwendigerweise Privateigentum, 25.11.2007, 15:45, Franz Nahrada: Ich glaube gerade an diesem Punkt kann es aber jetzt schon jede Menge Übergangsformen geben: genossenschaftliches Eigentum, Eigentum von Providern etc.

(5.2) 02.12.2007, 12:42, Juli Bierwirth: Wie verhält sich das mit den Commons denn zu Projekten wieder Projektwerkstatt in Saasen? Da ist das Privateigentum bereits in Eigentumslosigkeit übergegangen. Oder ist das zu wenig Produktionsmittel (immerhin gibts es ja Computer und eine Bibliothek und dergleichen mehr, mit denen sich Texte produzieren lassen)
--> http://www.projektwerkstatt.de/pwerk/saasen.html

(5.2.1) "derzeit", 02.12.2007, 13:41, Stefan Meretz: Das sind Commons. Vielleicht ist der Übergang im Text vom "jetzt" (wo das Konzept anknüpft, deswegen "derzeit") zum "später" nicht deutlich geworden: Die verallgemeinerte Peer-Produktion bedeutet, dass auch die physischen Produktionsmittel zu den Commons gehören.

(5.3) Commons - Ressourcen ohne Eigentümer?, 02.01.2008, 01:41, Silke Helfrich: Das ist IMHO nicht korrekt. Ressourcen sind das eine. Die Eigentumsverhältnisse sind was anderes. Im Englischen wird zwischen Common Pool Ressources und den entsprechenden Property Regimes unterschieden. Jede Ressource kann prinzipiell in jede Eigentumsform fallen. Also Privateigentum, staatliches Eig., Gemeineigentum, Mischformen usw. In der Regel sind die Eigentumsverhältnisse an den Commons, v.a. an den lokalen commons, definiert. Sie sind eben gerade kein Niemandsland (keine "Ressourcen ohne Eigentümer"). Das ist genau die Verwirrung, die Hardin angerichtet hat und es hat fatale Konsequenzen davon auszugehen, dass Commons niemandem gehören! Vielmehr stehen commons immer einer definierten community zu. Und in den Fällen, wo tatsächlich keine Eigentumsrechte definiert sind (wie bei global commons, der Atmosphäre, dem Sonnenlicht, den Bodenschätzen des Mondes, der Arktis usw.) sind sie dennoch Kollektivbesitz (in dem Fall der ganzen Menschheit, dafür haben wir dann aber keine geeigneten Regelungsverfahren)- und unterliegen deswegen eigentumsrechtlichen Schranken. Das ist die Ausgangsposition, aus der heraus man die private Verfügung über Commons kritisieren kann und muß. Vielleicht ginge es so: Commons sind Ressourcen, deren Mit-eigentümer wir (bzw. die Mitglieder einer spezifischen Gemeinschaft) sind, ohne andere um Erlaubnis fragen zu müssen (weil sie ererbt sind, weil sie so gestrickt sind, dass sie nicht privateigentumsfähig sind oder weil sie vitale Funktion haben; weil sie uns urprünglich zugehörig sind" -wie unser Anteil an der Erde, dem Sonnenlicht, der Luft- so ähnlich hat das Kant formuliert.) Eine Ressource entfaltet sich nur dann als Common, wenn es eine gemeinschaftliche Kontrolle, Verfügungsgewalt und Verantwortung für die jeweilige Ressource gibt. Das große Problem ist, in jedem Fall die Bezugsgemeinschaft zu definieren.

(5.3.1) Re: Commons - Ressourcen ohne Eigentümer?, 02.01.2008, 12:14, Stefan Meretz: Danke, das ist das, was ich von dir gelernt habe (obwohl die einzelnen Fakten mir durchaus bekannt waren), vgl. http://www.keimform.de/2008/01/02/commons-und-open-access/ . Ich unterlag also auch der Hardin'schen Verwirrung. Die große Frage ist in der Tat, auf welche Weise sich die Bezugsgemeinschaft konstituiert und wie sie die Commons-Nutzung regelt.

(5.3.2) "Kein Eigentümer" heißt nicht "Niemandsland", 03.01.2008, 17:27, Christian Siefkes: "Kein Eigentümer" heißt ja nicht, dass es keine Regeln gibt. Ich würde "Eigentümer" im engeren Sinne definieren als "derjenige, der das Recht hat, etwas zu verkaufen". Da es in dem von mir vorgeschlagenen Modell keinen Kauf und Verkauf gibt, gibt es dort auch kein Eigentum in diesem Sinne. Besitz und Nutzung gibt es dagegen natürlich durchaus, und ebenso gibt es Entscheidungs- und Regelungsmechanismen, wenn es um die Nutzung von z.B. Ressourcen geht (vgl. z.B. Kap 5.5.2: "Local Management and Pooled Usage").

(5.3.2.1) Re: "Kein Eigentümer" heißt nicht "Niemandsland", 04.01.2008, 09:52, Silke Helfrich: Habe Dein Buch nicht gelesen. Ohne Drucker, sind mir 177 S. engl. Text am Rechner zuviel :-(. Bezog mich auf die Formulierungen hier auf der Seite: Aber, Du hast völlig Recht, dass der entscheidende Punkt die Veräußerungsrechte sind, bzw. das "absolute Herrschaftseigentum" (dominium), was ein "Eigentümer im engeren Sinne" theoretisch auch mißbrauchen/zerstören darf. Ich finde daher, man sollte sich in der Commonsdebatte immer auf Begriffe wie "Miteigentum" "Kollektives Eigentum" bzw. "Besitz" oder "Mitbesitz" beziehen, weil dies das Nicht-Veräußerungsrecht impliziert.

(6) Freie Kooperation ist eine weitere Grundlage von Peer-Projekten. Zwang als Mittel der Organisation der Produktion existiert nicht, denn es fehlen die Zwangsmittel. Die Teilnahme ist freiwillig und es gibt keine Sanktionen, wenn man ein Projekt verlässt. In Peer-Projekten spielen formaler Status und seine Symbole, aber auch andere Kriterien, wie Gender, Herkunft, Alter etc., keine Rolle. Was zählt, sind die Beiträge, die ein Mensch leistet. Sie bestimmen über die Reputation, also das Ansehen und das Vertrauen, dass sich eine/r erwirbt.

(6.1) Leistungsgesellschaft, 02.12.2007, 13:01, Juli Bierwirth: Ich formuliere es mal provokativ, bitte nicht persönlich nehmen:

Es geht also darum, dass eine Reihe mit hohem kulturellem Kapital ausgestatteter Person (zumeist weiß, westlich, männlich) das mit der Leistungsgesellschaft mal so richtig umsetzen wollen. Alles ständische soll verdampfen (Marx im Kommunistischen Manifest über die Herrschaft der Bourgeoisie), wichtig soll nur noch sein, was der oder die Einzelne leistet. Sagen die, die sich in dem entsprechenden Gebiet als leistungsfähig imaginieren. Und weil sie die entsprechenden Arbeitsnormen bereits verinnerlicht haben, können sie sich dann weiterhin einbilden, das hätte mit Zwang nichts zu tun. Das ein System, in dem über Leistung ("Beiträge, die ein Mensch leistet") Reputation hergestellt wird, tatsächlich genau über diesen Mechanismus ein Zwangsprinzip enthält, fällt unter den Tisch.

(6.1.1) gesellschaftlicher und individueller Zwang, 02.12.2007, 14:03, Stefan Meretz: Na endlich kommt mal eine Polemik, die ich schon lange erwartet habe. Du benennst den Punkt, den ich unten etwas freundlicher als Kopplung von Geben und Nehmen nenne. Es hilft hier jedoch kein Schematismus (alles das Alte vs. ein völlig neues Konzept), sondern nur eine genaue Diskussion. Ich glaube, der Kernfehler, den du machst, ist die Verwechselung von gesellschaftlichem und individuellem Zwang. Das Konzept redet eben nicht wie so viele Verbalradikale davon, dass sich jeder Zwang nach Überwindung des Kapitalismus schon in Luft auflösen werde, sondern es stellt sich der Herausforderung, unter Nicht-Überflussbedingungen mit dem gesellschaftlichen Zwang gesellschaftlich in einer Weise umzugehen, dass daraus nur minimaler individueller Zwang entsteht: Niemand kann dich zwingen, eine bestimmte Tätigkeit zu tun, sondern du entscheidest selbst, was du tust. Aber dass du etwas tun musst, dieser Zwang besteht (durchschnittlich), das ist die Kopplung von Beitrag und Entnahme. Auch hierfür gibt es jedoch Ausnahmen, nämlich dann, wenn du deine Peer-Community davon überzeugen kannst, dass du keine Beiträge lieferst. Es ist nicht hilfreich, hier das Bild der "Arbeit" im Kopf zu haben. Ein Beitrag ist was anderes, nämlich das, was andere für Nützlich halten (und nicht, was Geld bringt wie jetzt). So kann es auch nützlich für andere sein, den Genuss zu verfeinern, die Kultur im weitesten Sinne zu entwickeln etc. Aber das wäre dann -- obwohl vielleicht sonst nur Entnahme -- bereits ein Beitrag. Was ein Beitrag sein kann, entscheiden alleine die beteiligten Menschen.

(6.1.2) Reputation, 02.12.2007, 14:40, Stefan Meretz: Dich zwingt niemand, Reputation und Vertrauen zu erwerben. Wenn deine Beiträge davon nicht oder wenig abhängen, ist es doch ok. Wenn du deine Handlungsmöglichkeiten allerdings erweitern willst, dann ist das Weg. Das ist die Reziprozität der Selbstentfaltung: Das geht eben nicht auf Kosten anderer, sondern die Anderen müssen dir schon vertrauen, in ihren Augen musst du schon "das richtige tun". Es gibt keinen abstrakten Bewertungsmechanismus: Die Wertschätzer/innen sind die konkreten anderen Menschen.

(7) Wie lassen sich nun die Bedürfnisse der Produzenten mit denen der Konsumenten koordinieren? Heute können Peer-Projekte funktionieren, weil die Peers über Produktionsmittel verfügen und weil die nicht-stofflichen Produkte - sind sie einmal entwickelt worden - nahezu beliebig vervielfältigt werden können. Das gilt für die physische Welt nicht. Peer-Projekte stofflicher Güter müssen für die Entnahme von Gütern, die jeweils neu einen Aufwand zu ihrer Herstellung erfordern, einen angemessenen Beitrag zum Projekt als Gegenleistung anfordern.

(7.1) Semi-Peer-Produktion, 26.11.2007, 23:20, Maike Arft-Jacobi: Anfänge von Peer-Produktionen mit physischen Ergebnissen lassen sich vielleicht im Hochschulbereich finden. Zum Beispiel, wenn sich eine Gruppe Studierender zusammentut, um als Diplomarbeit ein elektrostimulationsgesteuertes Fahrrad für Querschnittsgelähmte zu entwickeln. Die Bedürfnisse der EntwicklerInnen werden hier mit denen der KonsumentInnen weitgehend spontan koordiniert (vrmtl. gab es eine individuelle Erfahrung, die zur Projektidee motivierte), was sich aber systematisieren ließe. Solche Projekte erfüllen potenziell die Bedürfnisse aller Beteiligten: der EntwicklerInnen und KonsumentInnen und auch der Produzierenden (siehe "Strike Bike", wo sich Produzierende finden, die Lust hätten, Spezialfahrräder zu machen, aber am mangelnden Kapital auflaufen). Perspektivisch kann die Trennung dieser drei Gruppen aufgehoben werden. Solange dies nicht der Fall ist, wären gesellschaftliche Vermittlungsinstanzen nötig, die Richtungen für die Ressourcenlenkung vorgeben.

(8) Welcher Beitrag ist jedoch angemessen? Darüber entscheidet das Projekt. Es gewichtet Beiträge, deren Zeitdauer als Maß verwendet wird, umgekehrt proportional zu ihrer Beliebtheit: Für unbeliebte Aufgaben ist nur ein kleiner Beitrag erforderlich, während beliebte Aufgaben einen großen Beitrag erfordern. Das klingt nach einer ähnlichen Rolle, die in der Markt-Ökonomie der Wert spielt.

(8.1) 02.01.2008, 02:06, Silke Helfrich: Hoffentlich wird das Buch bald übersetzt. Das ist ein sehr anregender Vorschlag. Ich denke nur, dass jede Verabsolutierung von Bewertungsmaßstäben irgendwie hinkt. So wie der Mensch nicht permanent in Nutzenmaximierungskategorien denkt und handelt, tut er Dinge auch nicht nur "weil sie mehr oder weniger Spaß machen".

(9) Der Wert bildet komplexe Tätigkeiten auf einfache ab. Während jedoch stets komplexe ein Mehrfaches einfacher Tätigkeiten ergeben - was bedeutet, dass sie in geringerem Umfang verausgabt werden müssen -, ist es in einer verallgemeinerten Peer-Produktion tendenziell umgekehrt: Einfache Tätigkeiten, die niemand gerne erledigen will, werden hoch gewichtet, um ihre Erfüllung zu gewährleisten, während beliebte und oft hoch qualifizierte Tätigkeiten ein geringes Gewicht bekommen. Die Gewichtung, so der Vorschlag, ist nichts Statisches, sondern wird permanent angepasst. Diese Anpassung erfolgt automatisch über ein »Auktionssystem«, in dem sozusagen Nachfrage und Angebot vermittelt werden. So kann eine Stunde Müll entsorgen durchaus einer Woche Programmieren entsprechen.

(9.1) 02.12.2007, 13:05, Juli Bierwirth: Hier scheint sich meine Kritik von oben zu bestätigen:
Letztlich wird die Welt durch "Nachfrage und Angebot" geregelt, es gibt sogar (analog zur neoklassischen VWL) eine Art Auktionator, so das sich auch weiterhin "hinter dem Rücken" der Beteiligten die Vergesellschaftung vollziehen kann.
Wird hier nicht - um eine Kritik aufzugreifen die Petra Haarmann mal formuliert hat - ein Formprinzip einfach durch ein anderes ersetzt? Und, last but not least, ließe sich auch hier ein bestimmter Habitus nachzeichnen, in dem beliebte und hoch qualifizierte Tätigkeiten gleichgesetzt und als erstrebenswert dargestellt werden. Eine Utopie der Leistungswilligen, sozusagen...

(9.1.1) Formprinzip?, 02.12.2007, 14:19, Stefan Meretz: Ja, Nachfrage und Angebot. Das ist VWL-Sprech, aber dennoch inhaltlich was anderes. Es gibt keine Wertabstraktion, sondern ein Verhältnis von Bedürfnissen und Möglichkeiten, um mal andere Worte für das Gleiche zu verwenden. Dem muss sich ein (Übergangs-) Konzept stellen, und das macht Christian. Die Regulation, die vorgeschlagen wird, wiederum geschieht transparent, sozusagen "vor dem Bauch". Jede/r kann da zugucken und eingreifen, aber niemand kann diktieren. Gemeinsame Fragen müssen gemeinsam entschieden werden (wie, das wird im Buch detailliert beschrieben). Das ist, wenn du so willst, ein neues Formprinzip: entschieden wird kommunikativ und durch Abstimmung nach Bedürfnissen. Aber bitte, was ist kein Formprinzip? Ich halte es für Quatsch, etwa den Kommunismus als "Formprinzipienlosigkeit" zu begreifen: Das je individuelle Bedürfnis hat formendes Prinzip zu sein. Ich glaube, das hat auch schon Petra verwechselt mit der Uniformierung der Ergebnisse durch die Wertabstraktion. Da kommt man theoretisch nur ran, wenn man das Verhältnis von abstrakt-Allgemeinem und konkret-Allgemeinem mal aufdröselt. Sonst ist das nur selbstvergewisserende Formelsprache.

(9.1.1.1) Re: Formprinzip?, 02.01.2008, 01:54, Silke Helfrich: Das finde ich hochspannend: 1. Wertabstraktion ist Unsinn und muß flexibel dem Charakter der Ressourcen, den betreffenden Bedürfnisse, den Eigenheiten der Gemeinschaft der ProsumerInnen um die es geht, den Raum-Zeit-Verhältnissen usw. angepasst werden. Das scheint mir überzeugend. 2. Zentrale Prinzipien, um diese Flexibilität in der Definition des Wertes bestimmer Beiträge zu erreichen sind: Konsens und ein hohes Maß an Zustimmung der Beiteiligten (sozusagen Aneignung des kollektiven Aushandlungsergebnisses durch den Einzelnen) und all dies Bedarf einer hohen Kommunikationsintensität.

(9.1.2) VWL Sprech, 12.02.2008, 22:40, Stephan Soll: erstmal entschuldigung falls meine Anmerkungen/ Fragen schon anderswo geklärt wurde, ich entdecke die Idee gerade erst und habe mich noch nicht überall umgesehen...
Bin auch ein par mal über die Nähe zu VWL Begriffen und Ideen gestolpert.
(1) Wenn ich durch meinen Beitrag in ein oder ein par Projekte die Möglichkeit bekomme aus allen Projekten des jeweiligen Pools zu entnehmen, 'verkaufe' ich doch immer noch meine Arbeitskraft, oder? Nur nicht gegen Geld sondern um mein 'weighted labour' Konto aufzufüllen? Resultat: klassische Arbeitsteilung, nur mit gerechteren Löhnen durch Gewichtung nach Auktion (was der klassische Markt auch verspricht:-))
(2) Durch die Gewichtung wird auf das klassische Anreizsystem un den homo oeconomicus zurückgegriffen. Was bleibt von der Idee, das ich mich dort einbringe wo es mich interessiert? Ich bringe mich dort ein wo der Mix aus Interesse und Lohn (weighted labour) passt.
Finde den Ansatz sehr spannend und hoffe auf gute Diskussion (oder nen kurzen Tipp, wo alles schon erklärt ist:-))

(9.1.2.1) Re: VWL Sprech 1, 14.02.2008, 09:43, Stefan Meretz: Das Interessante an Christians Konzept ist, dass es auch in Begriffen der VWL gedacht werden kann, obwohl es mit den Paradigmen der VWL bricht. Kurz: Es sieht nach VWL aus, ist es aber nicht. IMHO. Zu deinen beiden Punkten: (1) Nein, du verkaufst nicht deine Arbeitskraft, denn wo kein Käufer, dort auch kein Verkäufer. Normal ist es in der Tat so, dass ein Käufer deine Arbeitskraft kauft, diese einsetzt und das Produkt deiner Arbeit verkauft. Der Preis für die Arbeitskraft ist der Lohn. Der Preis für das Produkt liegt höher, die Differenz ist der Mehrwert oder Profit, den der Arbeitskraft-Käufer einstreicht. -- Das alles gibt es hier nicht. Während der Kapitalismus den Markt als "Indirektion" verwendet, um die produzierten Güter zu verteilen -- wobei vorher gar nicht klar ist, ob sie gebraucht werden oder gekauft werden können --, verteilt die Peer-Produktion nicht die Güter, sondern den Aufwand zu ihrer Herstellung. Dabei wird nur das hergestellt, was auch gebraucht wird -- das Verhältnis zwischen Bedürfnissen und Produkten ist "direkt". Auch aus der Sicht des Arbeitskraft-Verkäufers sieht die Lage anders aus. Es stimmt, weighted labour tritt an die Stelle von Geld, ist aber nicht Geld. Mehr dazu kannst du in einer Maildiskussion nachlesen, Einstiegspunkt: http://oekonux.de/liste/archive/msg12640.html

(9.1.2.2) Re: VWL Sprech 2, 14.02.2008, 09:58, Stefan Meretz: Nun zum zweiten Punkt von dir: Ich glaube nicht, dass es sich um das klassische Anreizsystem und erst recht nicht um den homo oeconomicus handelt, von dem Christian ausgeht. Beide haben nämlich als unausgesprochene Voraussetzung eine Exklusions-Logik: Ich komme weiter, wenn ich besser bin als mein Konkurrent. Die Struktur der Peer-Ökonomie lässt sich als Inklusions-Logik fassen: Ich komme nur weiter, wenn ich mit den anderen kooperiere. Damit dreht sich auch das Verhältnis von Lohn/wL und Bedürfnis um: In der Exklusionslogik muss ich mich erst gegen andere erfolgreich durchsetzen, um an Geld zu kommen, um meine Bedürfnisse zu befriedigen, die damit meist in den Bereich der Konsumtion abgeschoben sind. In der Inklusionslogik ist die Tätigkeit selbst schon meine Bedürfnisbefriedigung, weil ich ja nur das tue, was ich auch tun will. Der Lohn als wL ist dann nurmehr Mittel, um an jene Dinge zu gelangen, die ich sonst auch noch brauche. -- Nehmen wir mal an, da gibt es eine Tür, hinter der die Peer-Ökonomie schon funktioniert. Da kann ich mir gut vorstellen, dass jemand, der von "hier" kommt und da durchgeht, zunächst mal genau das denkt, was du ausdrückst: Was ist der beste Mix aus wL und Interesse? Das ist unsere Sicht als Warenmensch, der sich andauernd verkaufen muss, um leben und dann vielleicht auch genießen zu dürfen. In der Peer-Ökonomie ist "Arbeit" nicht vom (eigentlichen) Leben getrennt, sondern es gibt nur das eine Leben, das ich lebe und "Abfallprodukt" meines Lebens sind jene Produkte, die andere brauchen. Die weighted labour ist (vorübergehendes?) Regulationsmittel für die gesellschaftliche Allokation.

(10) Auf der Seite der Verteilung der Güter schließen sich Peer-Projekte zu Verteilungspools zusammen, um eine größere Bandbreite nützlicher Güter anbieten zu können. Gleichzeitig soll die Projektgröße überschaubar bleiben, Probleme sollen direkt »peer to peer« verhandelbar sein. Jede/r, der zu einem lokalen Projekt einen Beitrag leistet, kann aus dem zugehörigen Verteilungspool Güter entnehmen. Je nach Güterart unterscheiden sich die Verteilungsweisen, von Flatrate bis Gewichtung nach Nachfrage.

(10.1) Gleichzeitig soll die Projektgröße überschaubar bleiben, 26.11.2007, 09:42, Christian Siefkes: Zur Projektgröße gebe ich eigentlich keine Empfehlungen ab – da vertraue ich auf die Selbstorganisation der Beteiligten, wie ja in dem meisten Fällen. Es gibt ja heute schon sehr große Projekte, die funktionieren – etwa die Wikipedia. Argument für Verteilungspools eher, dass sonst entweder jede/r zu sehr vielen unterschiedlichen Projekten beitragen müsste, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, oder ein einziges Projekt ein sehr breites Spektrum an Gütern anbieten müsste – was beides zumindest unpraktisch wäre.

(10.2) 02.12.2007, 13:11, Juli Bierwirth: Auch hier heißt es: nur wer arbeitet soll auch essen. Aus dem Verteilungspool darf nur Güter entnehmen, wer einen Beitrag geleistet hat. Zwar soll en detail der Mechanismus verändert werden, nachdem diese Zuteilung erfolgt, aber das war's auch schon. Das wäre viel, aber keine Grundauskommens-Gesellschaft.

(10.2.1) nur wer arbeitet soll auch essen, 02.12.2007, 14:30, Stefan Meretz: Nein, das ist wirklich Quatsch. Es gibt eben keinen abstrakten Mechanismus, der das regelt. Wenn du in deiner Community die Menschen davon überzeugen kannst, dass es sinnvoll oder notwendig ist, dass du keinen Beitrag leistet, dann wird es so sein. Selbstverständlich kann es dafür gute Gründe geben. Deswegen darf kein Regulationsvorschlag diesen Fall ausschließen. Nur gilt eben auch hier, dass solche Fragen kommunikativ gelöst werden müssen. -- Lies dazu Kap. 8.1.2., wo das diskutiert wird. Im übrigen wird diese Frage in dem Maße weniger bedeutend werden, je größer der Reichtum ist, aus dem alle schöpfen können. Nur interessant sind ja gerade solche Situationen, so dies (noch) nicht der Fall ist. Wenn "Milch und Honig fließen", brauchen wir nicht drüber reden. Finally: Gerade das wäre eine Grundauskommensgesellschaft, weil sie nicht mehr von der Verwertungslogik abhängt wie dein Vorschag.

(10.2.1.1) Je groesser der reichtum, 04.12.2007, 23:17, Wolf Göhring: Da lese ich: "je größer der Reichtum ist, aus dem alle schöpfen können." Und: "Wenn 'Milch und Honig fließen', brauchen wir nicht drüber reden."

In zeiten, in denen die erschoepfbarkeit der natuerlichen ressourcen fast schon allgemeine erkenntnis ist, erscheinen mir diese saetzchen allzu locker-flockig dahingestellt.

Was ist "reichtum"? Waeren es beispielsweise 1000 jahre haltbare, komfortable haeuser, deren daecher lediglich alle 200 jahre neu gedeckt werden muessten? Und aehnliche extrem langlebige gueter, so dass fuer deren herstellung und wartung in spaeteren zeiten kaum mehr eine gesellschaftliche anstrengung erforderlich ist?

Aber bei "milch und honig" als beispielen von lebensmitteln nuetzen langlebigkeit nichts. Sie werden gemeinhin nur einmal verzehrt. Ein hoher weltweiter milchkonsum wuerde, nebenbei bemerkt, aufgrund der bovinen methanfuerze erheblich zum klimawandel beitragen.

Generell erscheint mir die nahrungsmittelproduktion derzeit nicht nachhaltig gestaltbar (z.b. bodenerosion), obwohl sie es sein muesste. Das "fliessen von milch und honig" als metapher dafuer, dass alle knapp 7 milliarden gesund und angenehm satt werden, ist nur in einem weltweit verflochtenen prozess dieser 7 milliarden (abzueglich kinder, kranker und alter) herstellbar. Wie schwierig dies ist, zeigt die schusswaffengestuetzte suche nach schnellen loesungen - eines der von Hans-Gert angesprochenen funktionselemente des wertverhaeltnisses.

(10.2.1.1.1) Re: Je groesser der reichtum, 05.12.2007, 11:12, Franz Nahrada: Danke für den Beitrag. DERZEIT wird Reichtum grosso Modo vernichtet, da das Wert-Wirtschaftswachstum eben nur auf der Basis konstenloser Müllhalden zu Wasser, Luft und Erde zu machen geht. Deswegen sind alle Bemühungen unendlich wichtig, die Reichtumsproduktion einer kooperativen Verflechtung der sieben Milliarden gegen die kompetitive Verschwendungsökonomie darzustellen. Dazu gehört auch der reichtumseffekt der Dezentralisierung von Wissen, der eigentlich der größte der Geschichte sein MÜSSTE.

(10.2.1.1.2) Re: Je groesser der reichtum, 12.12.2007, 14:41, Christian Maxen: Tatsächlich liegt mir ein kleines Bild vor, "wie das Alles funktionieren kann". Ich versuche ja im Rahmen meiner Möglichkeiten immer wieder darauf aufmerksam zu machen. Veraendern, ohne Brueche und Verwerfungen hervorzurufen, erfordert einen recht nahtlosen Prozess, dies' bedingt Zeit, und auch wieder Macht über die (eigene) Zeit, vielleicht etwas natürlicher getaktet als zur Zeit. Zwar ist hier keine Revolution zu verkaufen, doch meine ich, mir sei zu Ohren gekommen, dass Eins des Ersten, was bei der franzoesischen Revolution zerstört worden sei die Uhren gewesen sind, das mag übertriebene Legende sein und "man" braucht ja nicht gleich zu übertreiben.

Ich glaube ja der Schlüssel liegt im Auto, also im Selbst, je von Einzelnen und Gruppen und wenn ich die Menge Kinder und Eltern (Familien) und Alte, einen Großteil von sechs -und mehr- Milliarden, seh', an Stockholm, den Club of Rome, Rio, Kyoto, Agenda21 und Marshall-Plan denke, dann fällt mir Morgentau ein.

Wenn sich ein Großteil der Familien, bald täglich an einem Ort trifft, liegt es mir natürlich nahe, diese Orte -auch zur Organisation von wesentlichen Angelegenheiten- verbunden zu denken und Netze zu assozieren. In der Vergangenheit und bisher bestehen diese Netze -je nach regionalen Gegebenheiten- mit aus Knoten wie religiösen Kultstätten, Rathäusern, Teestuben und Kneipen, aber auch Küchen und Märkten - auch global. Diese funktionieren -je nach Sicht und Blickwinkel- bedingt oder nicht. Angebot und Nachfrage gehen -wie die Menschen- ja nicht weg. Essen, das Befriedigen der Grundbedürfnisse, sollte dabei im Angebot "Mensch sein zu dürfen" drin sein.

Ich stelle natürlich einfach die Zukunft, also Kinder in den Mittelpunkt des Ganzen, denke' die treffen sich als Großteil der Familien sowieso fast täglich in den Schulen auf der Erde und spinn' aus deren geaeusserten und zukünftigen Bedürfnissen ein Netz, indem ich "das Leben in die Schulen" hole. Das betrifft die umfassende Organisation von Gesellschaft. Im Sinne der Verfassung und -das behaupte ich- zukunftsfähig, wie es die Zeit, kein Geld und das Wissen um die Resourcen verlangt.

Wie sich dieses Netz spinnt und ob es sich dann um ein peer-to-peer - Netzwerk handelt, oder auf welche Weise ein mögliches routing oder meshing erfolgt und ob mehr analog (stofflich) oder digital gesponnen wird, das mag den Beteiligten und deren Bedürfnissen überlassen bleiben. Bleibt ihnen nur, die Werkzeuge und den Sinn zur Hand zu reichen, dass sie keine Angst zu haben brauchen, denn da kommt keiner mehr, der es ihnen besorgt, da sind nur Sie und da ist einfach nur Leben, das ist kurz vor Liebe und Glück

Die Wünsche, Träume und Hoffnungen von Andre Gorz mögen sich darin wieder finden.
Christian Maxen

(10.2.1.1.2.1) Re: Je groesser der reichtum, 12.12.2007, 16:03, Franz Nahrada: Ich weiss nicht wie der Satz "der Schlüssel liegt im Auto" gemeint ist, aber im wörtlichen Sinn würd ich ihn auch so sagen. Die stofflichen und geistigen Möglichkeiten jedes Ortes können multipliziert werden, sodass der immense Aufwand für Verkehr und Transport verringert wird. Die Öffnung für die Möglichkeiten intelligenterer Orte scheint für mich der Schlüssel zu sein, wobei nicht alles vor Ort geht, aber die Fokussierung darauf immens wichtig ist.

(11) Bemerkenswert ist, dass Siefkes eine Reihe kritischer Fragen, denen häufig mit dem Verweis auf die Zukunft, in der »es sich schon regeln werde«, ausgewichen wird, konkret diskutiert: Wie werden begrenzte Ressourcen und Güter verteilt? Was ist mit Infrastrukturen und Meta-Aufgaben? Wie werden Entscheidungen getroffen, wie Konflikte gelöst? Wie werden globale Projekte organisiert? Was ist mit Menschen, die keine Beiträge leisten können oder wollen? Wer entscheidet, was ein »Beitrag« ist? Was ist mit Migration? Sind weiterhin Gesetze notwendig?

(12) Nach meiner Auffassung handelt es sich um ein pragmatisches Übergangsmodell, nicht um ein generelles Modell einer postkapitalistischen Gesellschaft. Zentrale Beschränkung in dem Konzept ist die Kopplung von Beitrag und Entnahme. Es ist jedoch gut vorstellbar, dass sich eine strikte Kopplung von Beitrag und Entnahme in der Phase der Konkurrenz zum Kapitalismus nach seiner Überwindung auflösen wird.

(12.1) Von der Erwartungsökonomie zur Entfaltungsökonomie, 25.11.2007, 21:28, Franz Nahrada: Ich fand die folgenden Zeilen in einer email, sie erscheinen mir sehr gut geeignet, die möglichen Konsequenzen eines Entkopplungsvorganges verständlich zu machen:

Example : I have an intention that includes specific actions and needs , and if you share this intention , you can empower yourself by empowering me to fullfill my needs as to be able to accomplish actions that correspond to your intention.
for example : I am passionnate about " singing " , and you like to hear me sing. - so you support me by offering me some food so that I can spend more time practicing for my singing.
and NOT expectation economics where " you pay me to sing one specific song in one specific place ".
in effect , I do not sing because you pay or support me , I sing because I ampassionnate about it , and you can empower me to do it better and more by covering some of my living expenses and needs.
I will sing anyway , because thats what I love to do , but by supporting me , more people can enjoy listening to me sing , including yourself

Ich glaub es ist viel Wahrheit in diesen Zeilen, und sie machen vielleicht auch den ungeheuren Kulturbruch verständlich der sich in einer "wirklichen" Peer Economy ankündigt. Der kommt in den bisher dargelegten Überlegungen vielleicht noch ein wenig zu kurz, aber die immanente Kraft des Modells sich wechselseitig verstärkender Selbstentfaltungen scheint mir stärker als jedes Auktionsmodell. Die Voraussetzungen des "Funktionierens" eines solchen Modells sich wechselseitig verstärkender Selbstentfaltungen ("der kooperativen Kreislaufschlüsse") wären zu prüfen. Und zwar möglichst praktisch!

(12.2) Es ist jedoch gut vorstellbar, dass sich eine strikte Kopplung von Beitrag und Entnahme in der Phase der Konkurrenz zum Kapitalismus nach seiner Überwindung auflösen wird., 26.11.2007, 09:36, Christian Siefkes: Das würde ich auch so sehen, auch wenn ich skeptisch bin, ob das in allen Bereichen passiert. (Sofern nicht die Menschen die dann noch verbleibenden Beschränkungen internalisieren, was ich nicht wünschenswert fände – oder kann irgendwann wirklich jede/r, die/der gern direkt am Meer wohnen würde, das auch tun?) Und sonderlich strikt ist die Kopplung ja in dem Modell auch nicht unbedingt – vgl. insb. Flatrate-Modell. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in immer mehr Bereichen zu einer Flatrate ohne Beitragszwang kommt und das Rechnen immer unwichtiger wird.

(13) Christian Siefkes hat sein Buch nicht begriffskritisch, sondern pragmatisch formuliert und damit auf die Diskursformen im englischen Sprachraum orientiert. Da der Text unter einer Freien Lizenz steht, sollte einer deutschsprachigen Übersetzung nichts im Wege stehen. Pflichtlektüre!

(14) Christian Siefkes, From Exchange to Contributions. Generalizing Peer Production into the Physical World, Berlin, Edition C. Siefkes, 2007, 9 Euro, Web: peerconomy.org.

(14.1) zum ganzen Text, 26.11.2007, 10:19, Benni Bärmann: Ich wundere mich, dass Du Deine Kritik an Freier Kooperation (keine gesamtgesellschaftliche Ebene) hier nicht wiederholst. Kommt das noch an anderer Stelle oder denkst Du tatsächlich, dass Dein Anspruch hier eingelöst wird aber bei Christoph nicht?

(14.1.1) Re: zum ganzen Text, 26.11.2007, 11:23, Stefan Meretz: Christians Begriff von Freier Kooperation (FK) entspricht nicht dem von Christoph, er ist allgemeiner. Unabhängig davon denke ich in der Tat, dass mit dem Peerconomy-Ansatz (in dem FK nur ein Aspekt ist) die gesamtgesellschaftliche Ebene erreicht wird, was bei der FK nach Christoph Spehr nicht der Fall ist.

(14.1.1.1) Re: zum ganzen Text, 26.11.2007, 18:32, Benni Bärmann: Warum? Deine Kritik an Christophs FK (nur über die sprach ich), war doch immer, dass FK die Welt nur als Kooperationen von Kooperationen sehen kann und darüber die Strukturebene vergisst. Christian sieht doch die Welt auch nur als Projekte von Projekten. Oder was überseh ich da?

(14.1.1.1.1) Re: zum ganzen Text, 27.11.2007, 16:10, Stefan Meretz: Kern meiner Kritik bei Christophs FK war, dass er nur personale Kooperationen kennt und keinen Begriff von gesellschaftlicher Kooperation hat und folglich auch nicht darüber spricht. Christian hingegen befasst sich explizit genau damit. Im 5. Kapitel diskutiert er zwei Sichtweisen: Gesellschaft als Vielzahl von Peer-Projekten oder als ein Peer-Projekt und kommt zu dem Schluss, dass es wohl eine Verbindung von beidem ist.

(14.1.1.1.1.1) Re: zum ganzen Text, 12.12.2007, 15:11, Benni Bärmann: Ich verstehs immer noch nicht. Eine Verbindung von "eine Vielzahl von Projekten" und "einem Projekt" sind ja immer noch nur Projekte. Da ist keine übergreifende Ebene "Gesellschaft". Also ich zumindestens sehe sie nirgends oder zumindestens nicht mehr oder weniger als bei Christoph Spehr. Dort wird ja auch explizit "das Ganze" verhandelt nur halt eben als Kooperationen von Kooperationen. Also mir ists ja recht so, ich fand diese Kritik schon immer schwierig zu verstehen (weil imho jede personale Kooperation auch immer gesellschaftlich ist und umgekehrt), nur wundere ich mich halt darüber, dass das jetzt nicht mehr gelten soll weil ich zumindestens in diesem Punkt keinen Unterschied bei den beiden Konzepten erkennen kann.

(14.1.1.1.1.1.1) Re: zum ganzen Text, 13.12.2007, 09:36, Stefan Meretz: Na ja, die Rede von der Gesellschaft als "einem Projekt" ist metaphorisch. Wenn alles nur ein Projekt ist, dann ist es kein Projekt mehr. Anyway. Bei Christoph gibt es das nicht. Da gibt es nur eine Anzahl von Kooperationen, also AFAIK noch nicht einmal "Kooperationen von Kooperationen". Die gesellschaftliche Vermittlung ist einfach nicht sein Thema. Gesellschaft ist nicht nur eine Summe von Einzeldingen (FKs oder was auch immer), sondern es gibt immer eine spezifische Art und Weise gesamtgesellschaftlicher Synthesis (im Kapitalismus halt Wert/Abspaltung). Genau diese Frage, wie denn die aussehen soll jenseits des Kapitalismus, muss auf den Tisch, und das tut kaum einer (weder Christoph noch etwa die radikale Linke).

(14.1.1.1.1.1.1.1) Re: zum ganzen Text, 04.01.2008, 09:50, Benni Bärmann: Christoph spricht explizit von "Kooperationen von Kooperationen" in "Gleicher als Andere". Ich finde jetzt das Buch grad nich, aber ich bin sehr sicher. Ich sehe immer noch in diesem Punkt keinen qualitativen Unterschied zwischen Christoph und Christian. Der Unterschied liegt eher im Fokus auf Konfiktregulation/Politik (Christoph) vs. Bedürfnisbefriedigung/Ökonomie (Christian).

(14.1.1.1.1.1.1.1.1) Re: zum ganzen Text, 04.01.2008, 13:50, Stefan Meretz: Ich kann mich nicht dran erinnern, und wenn du danach googelst ergibt das die Quelle, an die du dich vielleicht so sicher erinnerst;-)

(14.1.1.1.1.1.2) personale Kooperation, 13.12.2007, 09:38, Stefan Meretz: Wenn du schreibst "personale Kooperation auch immer gesellschaftlich ist und umgekehrt", dann würde mich mal interessieren, was das Gesellschaftliche ist. So allgemein stimme ich zu, aber wie ist das Gesellschaftliche inhaltlich bestimmt?

(14.1.1.1.1.1.2.1) Re: personale Kooperation, 04.01.2008, 09:55, Benni Bärmann: Also ganz allgemein betrachtet durch zwei Vorgänge: Personale Kooperation ist immer Gesellschaftlich darin, dass selbst noch in der privatesten Kooperation alle Geschichte der beteiligten Individuen und alle ihre Zukunftshoffnungen und Wünsche eingehen - und die sind immer notwendig gesellschaftlich. Und umgekehrt ist gesellschaftliches immer personal, weil es ja ganz trivial Personen braucht, die das exekutieren, sonst findet es ja nicht statt. Das ist natürlich immer noch sehr abstrakt, aber der nächste Schritt ist doch dann schon sich konkret anzugucken wie das in einer konkreten Kooperationssituation aussieht. Fragst Du nach einer Ebene dazwischen?


Valid HTML 4.01 Transitional