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Thesen zum Informationskapitalismus

Maintainer: Benni Bärmann, Version 1, 16.01.2008
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Thesen zum Informationskapitalismus

(1) Ich arbeite gerade an einem längeren Text zum Informationskapitalismus. Das hier ist sozusagen eine erste Version davon, die sehr vorraussetzungsreich ist und wenig erklärt und zitiert. Es ist also eher eine Diskussionsgrundlage, bei der Kenntnis der Quellen vorausgesetzt wird. Das soll aber niemanden von der Diskussion ausschliessen. Wenn irgendetwas unklar ist,also bitte einfach nachfragen.

(1.1) Weltraumkommunismus überholen ohne einzuholen, 18.01.2008, 09:45, Stefan Meretz: Cooler Artikel! Etwas dialogischer umgeschrieben könnte das glatt den Weltraumkommunismus abhängen! Das meine ich ganz ernst, ich bin ein Science Fiction Fan:-) Im folgenden allerdings noch ein paar Quengeleien...

(1.1.1) Re: Weltraumkommunismus überholen ohne einzuholen, 21.01.2008, 13:36, Benni Bärmann: Hm... eigentlich war das nicht als Science-Fiction gedacht. Ich bin zwar auch Science-Fiction-Fan aber wollte hier schon versuchen reale Vorgänge zu verstehen und nicht nur wild rumzuspekulieren.

zum dialogischen: Wer wären denn die Dialogpartner?

(1.1.1.1) Re: Weltraumkommunismus überholen ohne einzuholen, 21.01.2008, 17:09, Stefan Meretz: Science Fiction würde ich nicht "wildes Rumspekulieren" bezeichnen, sondern eher als "begründetes Extrapolieren", wie du es hier machst. -- Dialogpartner? Hm, da müsste man noch mal ein bißchen Phantasie aufbringen, die mir gerade fehlt. Vielleicht Gordon Moore und Ray Kurzweil? Stanislaw Lem und Alvin Toffler? Ellen Ripley und Seven-of-Nine?

(2) Das Problem des Informationskapitalismus und seiner Beschreibung durch eine Arbeitswerttheorie scheint zunächst nur ein Problem mit massenhaft verbreiteten digitalen Informationsgütern (mvdI) zu sein. Diese werden einmal produziert und beliebig oft kopiert. Wieviel sind sie also wert? Ist die Produktion solcher Güter wertproduktiv im Marxschen Sinne? Folgende Antworten sind im Umlauf:

(2.1) AWT ist nicht gleich Marx, 18.01.2008, 09:52, Stefan Meretz: Die sogenannte Arbeitswerttheorie ist nicht identisch mit der Werttheorie von Marx. Zwar hat Marx den Diskurs ganz maßgeblich beeinflusst, aber dass etwa Arbeitskraft und Arbeit zu unterscheiden sei, sehen schon nicht mehr alle Anhänger/innen der AWT ein. Die Marxsche Werttheorie ist gewissermaßen eine spezielle Teilmenge der AWT.

(2.1.1) Re: AWT ist nicht gleich Marx, 21.01.2008, 14:07, Benni Bärmann: naja, aber die probleme um die es hier geht betreffen ja schon jede AWT, oder etwa nicht?

(2.2) AWT positiv?, 18.01.2008, 09:59, Stefan Meretz: Zweitens wird von den meistens (auch marxistischen) Anhänger/innen der AWT diese als positive Lehre verstanden: "Aha, toll, jetzt wissen wir, dass der Wert aus der Arbeit kommt, jetzt müssen wir das Wissen darum richtig anwenden, denn Arbeit ist ja nun mal ewige Naturnotwendigkeit." Ich bin dagegen der Meinung, dass Marx da nichts "anwenden", sondern den Kapitalismus in Grund und Boden kritisieren wollte, eben "Kritik der politischen Ökonomie" -- "alles andere ist Quark" (Rosa Luxemburg)

(2.3) Gültigkeit aussuchen?, 18.01.2008, 10:16, Stefan Meretz: In deinem Text klingt es ein bißchen so, als ob wir uns das aussuchen könnten, ob die Marxsche Werttheorie (MWT) genommen wird oder nicht und ob sie dann irgendwann nicht mehr gilt. Die MWT erfasst das zentrale Form(ierungs)prinzip des Kapitalismus, nämlich dass die gesellschaftiche Vermittlung über ein Abstraktum geschieht. Dies wird solange der Fall sein müssen, wie die Basisprinzipien -- getrennte Privatproduktion -- eine solche Ex-Postvermittlung verlangt. Die MWT wird erst ungültig, wenn ihr Gegenstand verschwindet, sprich der Kaptalismus selbst. Dass dieses Verschwinden schon heute beginnt (Universalgüterthese) und dass sich gleichzeitig neue Formen ausbilden (Keimformthese), das ist das Spannende wie Umstrittene. Nur auf Basis der AWT kann überhaupt Abweichungen von ihr begreifen. Deswegen setzt die Universalgüterthese die AWT nicht außer Kraft, sondern bestätigt sie (genauer: die MWT), wie Juli richtig anmerkt. IMHO kann sich nicht "aussuchen", auf die MWT zu verzichten, weil eben der Kapitalismus noch da ist. Allerdings kann man ihre Gültigkeit natürlich bestreiten, z.B. indem man das Problem gesamtgesellschaftlicher Vermittlung ausblendet -- aber das ist dann Theorienstreit, die Welt ist dadurch ja nicht anders.

(2.3.1) Re: Gültigkeit aussuchen?, 21.01.2008, 14:16, Benni Bärmann: Das ist mir schon klar. Ich bin allerdings eben skeptisch ob die MWT die kapitalistische Realität beschreibt und für den Informationskapitalismus bin ich noch skeptischer. Deswegen gibt es für mich keine logische Schlußfolgerung aus "MWT funktioniert nicht mehr" zu "Kapitalismus funktioniert nicht mehr". Stimmt, die Welt wird durch Theorienstreit nicht anders, aber ob Marx da schon das letzte Wort gesprochen hat, wie "die Welt" (lies hier: der Kapitalismus) ist, darüber bin ich halt skeptisch.

Das heisst natürlich nicht, dass wir uns aussuchen könnten ob die MWT gilt oder nicht. Aber wir sollten ja auch gerade als ihre Verfechter ihre Gültigkeit nicht vorraussetzen sondern immer wieder an aktuellen Entwicklungen belegen oder eben widerlegen. Alles andere wäre nur noch ein Glaubenssystem.

(2.4) das Ka des Ptah wertproduktiv in den dadurch enstehenden Raum (Kapitel) gespalten, 25.01.2008, 16:53, Uvvell H:W:Berger: wertschätzend und wertschöpfend kann auf die Werte-Eigner und -Erweber noch verteilt werden. Und alle Mosaikteilchen bestätigen 'mosaische Unterscheidung'en. Aber es ist auch, wie eine schillernde Seifenblase 'Musen*Musikalisch', frei von wert- und wer-sein.
Der Kunstgriff des InfoMarkt ist doch, dass an den Synapsen ein Signal erzeugt wird, welches an den existenziellen Mangelerlebnissen andockt, auch oder gerade wenn uns gar nichts fehlt.
Folge ungestörten Marktgeschehens wird sein, dass ein statistisches Abbild des durchschnittlichen Botenstoffzustandes der Synapsen ermittelbar wird. Dieses Abbild hat eine perspektivische Subjektivität des Betrachters, der die Ebenen, die eigendlich zusammenhangsfrei hintereinander liegen, spielerisch ineinander gleiten lassen kann, bis er seinen derzeitigen Botenstoffzustand durchschaut und diesen, im dann durchsichtigen TopfKopf, entdeckeln und drin rumrühren kann. Oder für ein paar Runden, sich am Löffelstiel festhaltend, von sich meinen der Koch zu sein.

(3) Sabine Nuss sagt in ihrem Buch "Copyright und Copyriot", dass Güter in die Verwertungskette integriert werden, sobald ihr Status als kapitalistisches Eigentum gewährleistet wird. Der Wert von solchen Gütern ergibt sich also aus einem Akt "ursprünglicher Akkumulation" (Marx). Die Arbeitswerttheorie gilt hier also erst in einem zweiten Schritt, nach Wieder-Eingliederung in die kapitalistische Produktionsweise.

(3.1) Sabine Nuss, 18.01.2008, 10:18, Stefan Meretz: Öh, echt, hast du das so rausgelesen? Kannst du Textstellen im "Copyriot" nennen, wo ich das nachlesen kann?

(3.1.1) Re: Sabine Nuss, 21.01.2008, 14:18, Benni Bärmann: Das ist natürlich schon eine Interpretation, aber wie ich finde eine naheliegende. Mit Textstellen hab ich grad Probleme, weil meine Ausgabe von Sabines Buch verschollen ist. Entweder hab ichs verliehen oder in meinem Chaos verlegt. So oder so hab ichs grad nich.

(4) Stefan Meretz und Ernst Lohoff sagen, mvdI sind Universalgüter und ihre Herstellung deswegen genuin wertunproduktiv. Man kann nur über Repression Kaufgüter draus machen und dann Wert aus anderen Bereichen der Produktion als Informationsrente aquirieren. Die Arbeitswerttheorie gilt hier also für mvdI garnicht mehr.

(4.1) 17.01.2008, 10:38, Juli Bierwirth: Das stimmt zwar, legt aber ein Missverständnis nahe: Meretz und Lohoff beziehen sich schon auf die marx'sche Werttheorie. Sie gehen aber davon aus, das sich mit dieser den mvdI kein Wertcharakter zugeschrieben werden kann. Dein Satz klingt ein bisschen so, als würden sie sich von der Werttheorie verabschieden. Ich finde aber, sie nehmen sie lediglich ernst.

(4.1.1) 21.01.2008, 14:19, Benni Bärmann: Ja, so wars gemeint. Danke für die Klarstellung.

(5) Christian Siefkes und Holger Weiß sagen: Die Arbeitswerttheorie gilt ganz normal weiter, die Arbeit geht halt weiterhin anteilig ein, also bei mvdI in infintesimal kleinen Portiönchen.

(6) Die Postoperaisten sagen, dass die Arbeitswerttheorie gesamtgesellschaftlich nicht mehr gilt, weil die Arbeitszeit bei einer hegemonialen Stellung "immaterieller Arbeit" nicht mehr als Wertmaß herhalten kann, weswegen in der "immateriellen Arbeit" bereits das Potential des Kommunismus aufscheint.

(7) Ich meine, sie haben alle Recht obwohl natürlich auf dieser Ebene da eine Vielfalt von Widersprüchen zu sein scheint. Deswegen gehen wir mal einen Schritt zurück und hoffen, dass sich dann einige der Widersprüche auflösen.

(8) Der Grund, dass mvdI quasi kostenlos kopiert werden können ist, dass die dafür nötige Infrastruktur (Computer, Internet, Telekommunikation, ...) quasi kostenlos ist. Und der Grund, dass diese quasi kostenlos ist, ist die mikroelektronische Revolution.

(9) Die mikroelektronische Revolution erklärt sich am Besten über die Gültigkeit des "Moorschen Gesetzes". Dieses ist kein technologisches sondern ein ökonomisches Gesetz. Es besagt, dass sich ein bestimmter Aspekt des Gebrauchswerts von Mikroelektronik - nämlich die Anzahl Transistoren pro Fläche - alle zwei Jahre verdoppeln. Und das schon seit 50 Jahren. In der alten Geschichte der Reisparabel befinden wir uns also bereits mitten auf dem Brett auf dem 25. Feld. Der Kaiser von China stände wohl schon kurz vor der Pleite. Gebrauchswert allgemein ist natürlich keine quantifizierbare Größe, dennoch kann man bestimmte Aspekte des Gebrauchswerts von Gütern quantifizieren, das sind meist diejenigen, die sich auf der letzten Seite der Gebrauchsanweisung unter "technische Daten" finden lassen. Mit der Anzahl der Transistoren pro Fläche unterliegt ein Aspekt dem Mooreschen Gesetz, dass sehr viele andere Bereiche beeinflusst (Speicher, Übertragungsgeschwindigkeit, Rechenkapazität, ...). In der mikroelektonischen Revolution verdoppelt sich also ein wesentlicher Teil des Gebrauchswerts mikroelektronischer Güter alle zwei Jahre.

(9.1) Mooresches Gesetz, 16.01.2008, 22:03, Wolf Göhring: Ich verstehe dieses gesetz zunaechst technologisch. Im prinzip weiss man seit einsatz von transistoren in rechnern (vorher roehren und relais), dass man "nur" die transis kleiner machen muss, um mehr schaltlogik (das ist das, was den computer ausmacht) auf einer flaeche unterzubringen. Seit den ersten integrierten schaltkreisen (etwa mitte der 1960er) weiss man auch, welche grundsaetzlichen schritte man machen muss, um auf einem siliziumplaettchen eine mehr oder weniger komplizierte logische schaltung unterzubringen.

Der gigantische "rest" der entwicklung bis heute bestand darin, die immer hoeheren feinheitsgrade gegen alle physikalische und technische unbill mit trick und falle hinzukriegen. Die physikalische moeglichkeit dieser verfeinerung besteht, darin, dass fuer einen transistor lediglich einige dutzend atome und molekuele gebraucht werden (bei wie wenigen ein haeufchen atome kein transistor mehr wird, weiss man nicht so genau). Angefangen hatte man mit transistoren, die etwa 10 hoch 20 atome enthielten. Mittlerweile ist man ziemlich dicht bei der endgroesse, so dass die siliziumtechnologie (und vergleichbare wie etwa gallium-arsenid) in kuerze ausgereizt sind. An anderes wie etwa quantencomputer glaube ich nicht, es zeichnet sich auch nichts ab, was in 8-10 jahren auf dem leistungsniveau der Si-technik diese abloesen koennte. Eine deutliche kritik am quantencomputer findet man ua. beim physiknobelpreistraeger Laughlin: Abschied von der weltformel.

Die oekonomie kommt dadurch ins spiel, dass die jeweiligen aufwendungen (vorgeschossnes kapital) fuer eine weitere verfeinerung schnell durch den verkauf produzierter chips zurueckkommen muessen. Eine laengere entwicklungsspanne als etwa 2 jahre haelt das vorgeschossene kapital unter dem druck der konkurrenz offenbar nicht aus. Dabei denke ich sowohl an die konkurrenz durch andere chiphersteller als auch an die konkurrenz, durch einsatz des kapitals in andern branchen profit machen zu koennen.

(9.2) 18.01.2008, 10:29, Stefan Meretz: Dass es sich nicht (nur) um eine technologisch gegründete Faustregel (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mooresches_Gesetz), sondern "eigentlich" um ein ökonomisches Gesetz handelt müsstest du begründen. So ist es eine überraschende Behauptung, die im Artikel dann ja eine tragende Rolle spielt.

(9.2.1) 21.01.2008, 14:21, Benni Bärmann: Auf der von Dir zitierten wikipediaseite stehts ja schon:

"Das Mooresche Gesetz (engl. Moore's Law) sagt aus, dass sich die Komplexität integrierter Schaltkreise mit minimalen Komponentenkosten etwa alle zwei Jahre verdoppelt." (Hervorhebung von mir)

Ansonsten meinte ich eigentlich das in Abschnitt 13 dargestellt zu haben, warum es ein ökonomisches Gesetz ist. Die Reihenfolge der Darstellung mag hier unglücklich sein, stimmt.

(9.2.1.1) Technologie und Oekonomie 1, 23.01.2008, 08:55, Stefan Meretz: Deine Argumentation ist so (inkl. Abs. 13): Mooresches Gesetz sagt Verdopplung der Integrationsdichte bei Prozessoren alle zwei Jahre; damit verdoppelt sich ein Gebrauchswertaspekt mikrolektronischer Güter; wer Mikroelektronik einsetzt, kann diesen Gebrauchswert als Konkurrenzvorteil nutzen; in der Konkurrenz müssen das alle tun, also werden alle von Moores Gesetz getrieben. -- Soweit korrekt wiedergegeben?

(9.2.1.1.1) Re: Technologie und Oekonomie 1, 24.01.2008, 10:33, Benni Bärmann: ja.

(9.2.1.2) Technologie und Oekonomie 2, 23.01.2008, 09:01, Stefan Meretz: Was ich daran nicht verstehe ist die Argumentation über den Gebrauchswert, und zwar mehrfach. Auf der Seite der Moore-Exekutierer (der Chiphersteller) interessiert der GW nur insoweit er hilft, Wert zu realisieren. Der Wert ist das Ziel, und der nimmt permanent ab. Die Abnahme des Werts kann nur durch Steigerung der Leistungsfähigkeit aufgefangen werden, sonst würde die Produktion auf dem jeweiligen Stand in kürzester Zeit wertlos werden. Das bedeutet Moores Gesetz ökonomisch.

(9.2.1.2.1) Re: Technologie und Oekonomie 2, 24.01.2008, 10:35, Benni Bärmann: Ja, genau. Die Wertreduktion und die Gebrauchswertsteigerung gehen Hand in Hand.

(9.2.1.2.2) Re: wert nimmt ab, 27.01.2008, 22:27, Wolf Göhring: "Der wert nimmt permanent ab." Das geht mir etwas zu schnell.

Wessen wert? Der eines einzelnen chips konkreten typs, z.b. intel 4004 (damit fingen die integrierten prozessoren an)? Dieser chip (und viele andere konkrete) werden vermutlich nicht mehr produziert. Die beiden chips 4004 und der nachfolger 8008 sind nicht unbedingt vergleichbar (8008 mit 8 statt mit 4 bit langen, aber sonst gleichen operationen). Daher ist's schwierig, ein tauschwertverhaeltnis fuer beide zu erahnen. Laesst sich sinnvoll eine kette machen: 4004 - 8008 - 8080 - 8086 usw. und in dieser kette die entwicklung des werts dieser prozessoren an einander reihen, um das permanente sinken zu pruefen?

Meinst du die wertsumme aller in der weltweiten mikroelektronikbranche in einem bestimmten zeitabschnitt produzierten chips verglichen mit der wertsumme in einem andern gleich langen abschnitt?

Wenn diese branche waechst (was ja wohl cum grano salis der fall ist) und mit ihr das personal und die verfahrenen arbeitsstunden, wie ist es mit der wertsumme (vorausgesetzt die wertuebertragung vom fixen kapital auf die neuen produkte ist in den betrachteten zeitabschnitten gleich)?

Innerhalb einer bestimmten technologiestufe nimmt der wert jedes einzelnen chip-typs waehrend der laufzeit dieser technologie ab, da der ausschuss sinkt. Mit gleichem recht laesst sich aber auch ein durchschnitt bilden: der wert bliebe konstant.

Welche situation meinst du, seien es meine beispiele, sei es eine andre? (Bei baumwollhosen z.b. macht diese frage weniger probleme.)

(9.2.1.2.2.1) Re: wert nimmt ab, 28.01.2008, 10:52, Benni Bärmann: Interessant ist der Wert pro Transistor, der geht gegen Null.

(9.2.1.2.2.1.1) Re: wert nimmt ab, 29.01.2008, 20:33, Wolf Göhring: "Permanent abnehmender wert" und ein "gegen null gehender wert" sind, nicht nur im jahr der mathematik, verschiedene aussagen. Die reihe 2/1, 3/2, 4/3, 5/4 usw. nimmt permanent ab, geht aber gegen 1 statt gegen 0.

Ich bin bei deinen ohne begruendung gelieferten aussagen skeptisch.

Dass der wert eines transistors gegen null ginge, das glaube ich dir nicht, was nicht heisst, dass er ziemlich klein wird.

(9.2.1.2.2.1.2) Re: wert pro transistor, 29.01.2008, 20:46, Wolf Göhring: Der wert oder eher der preis pro transistor erscheint mir gar nicht so interessant. Ich halte das eher fuer eine populaere groesse, mit der man propagandistischen wirbel macht.

Es sind nicht die transistoren, die man aus dem Si-wafer schneidet und saeckeweise wie sand verkauft, sondern logische und serielle schaltungen (letztere bilden automaten im sinne der automatentheorie der informatik), die in silizium gegossen werden. Ein wesentlicher teil der arbeit besteht im entwerfen der schaltung: formale logische funktion, schrittweises umsetzen in ein layout, d.h. in die in mehreren ebenen liegenden strukturen, die auf dem silizium aufgebaut werden. Dazu gehoeren nicht nur transistoren, sondern ebenso die gegeneinander isolierten verbindungen (einschliesslich isolierter kreuzungspunkte).

Dieser entwurfsprozess betrifft die gesamte schaltung. Die spaetere konkrete herstellung der einzelnen chips in physiko-chemischen prozessen, das zerschneiden des wafers in die einzelnen chips, das testen jedes stuecks auf fehler und die schliessliche konfektierung betrifft ebenso die ganze schaltung, nicht einen transistor, fuer den die meisten dieser schritte banal waeren. Die testserie, die mit einem chip gefahren wird, muss fuer jede einzelne logische schaltung neu errechnet werden und variiert ggf. auch von technologie zu technologie.

Vor diesem hintergrund gibt es meiner ansicht nach nichts her, vom permanent sinkenden wert eines transistors zu sprechen. (Ebenso gut koennte man, um ein drastisches beispiel zu waehlen, vom permanent sinkenden wert eines nadelstichs sprechen, wie er beim hosennaehen vorkommt.) Waehlt man andere einheiten, so muss man klaeren, welche schaltungen man in eine zeitreihe stellen kann, um eine zeitliche entwicklung des werts analysieren zu koennen.

(9.2.1.2.2.1.2.1) Re: wert pro transistor, 30.01.2008, 13:41, Benni Bärmann: Dann nimm meinetwegen irgendwelche anderen Einheiten, zB. das Bit Speicher oder FLOPS oder whatever. Du kannst ja mal versuchen einen Computer von vor 10 Jahren zu verkaufen, dann wirst Du das mit dem Wert gegen Null sehr schnell verstehen.

(9.2.1.2.2.1.2.1.1) Re: wert pro transistor, 31.01.2008, 22:20, Wolf Göhring: Fuer ein speicherbit gilt das gleiche wie fuer den einzelnen transistor.

FLOPS, floating point operations per second, ist eine masseinheit, kein produkt, also passt der wertbegriff nicht darauf.

Alten computer verhoekern ist wie alte hose verkaufen. Der geringe erloes fuer die olle bux sagt nix darueber, ob der wert der hose, als sie neu war, und der wert einer heutigen neuen hose einander gleich sind oder welcher der hoehere. Gleiches fuer den schrottcomputer.

Ich stehe also nach wie vor mit deiner behauptung ohne wirkliche begruendung da. Deine behauptung mag stimmen, aber sie muss fundierbar sein.

(9.2.1.3) Technologie und Oekonomie 3, 23.01.2008, 09:08, Stefan Meretz: Auf der Seite der Mikroelektronik-Nutzer interessieren hier die produktiven Nutzer, also Produzenten, die Mikroelektronik einsetzen. Hier trifft zu, dass sie ein höherer GW interessiert, aber wofür, ist zu erklären. Du sagst, sie profitierten davon, indem sie sich immer mehr GW anwenden. Das erklärt jedoch nichts: Es gibt keinen logischen Zusammenhang zwischen mehr GW nutzen und mehr Profit. Der höhere Nutzen besteht für sie darin, dass sie ihrerseits ihre Produktion von was auch immer verbilligen können, d.h. den Wert ihrer Produkte senken. Das verschafft ihnen einen Konkurrenzvorteil und zwingt die anderen mitzuziehen. Mehr GW interessiert sie nicht, allein relativ mehr W realisiert auf dem Markt, indem sie ihr W vermindern, interessiert sie.

(9.2.1.3.1) Re: Technologie und Oekonomie 3, 24.01.2008, 10:37, Benni Bärmann: Doch, mehr GW interessiert sie sehr wohl aus dem selben Grund wie die Chiphersteller. Beispiel: Digitalkammeras. Da war es im letzten Jahrzehnt nötig immer mehr Megapixel anzubieten um noch was verkaufen zu können. Das ist inzwischen unsinnig geworden auch wenn es die Verbraucher noch nicht gemerkt haben, wird aber bald kommen und dann zieht die Moore-Karawane in die nächste Branche.

(9.2.1.3.1.1) Re: Technologie und Oekonomie 3, 07.02.2008, 11:54, Stefan Meretz: Das ist ein Missverständnis: Ich schrieb von den produktiven Nutzern, den Produzenten, die Mikroektronik einsetzen, um Produktion zu verbilligen -- und nicht von den End-Konsumenten.

(9.2.1.4) Technologie und Oekonomie 4, 23.01.2008, 09:16, Stefan Meretz: Was soll Gebrauchswertproduktivität sein? (Abs. 13) ich glaube, das gibt es nicht. Produktivität ist eine quantitative Größe und Gebrauchswert ein qualitative. Was steigert den GW einer Ware? Das lässt sich nicht quantifizieren. Es lässt sich nur quantifizieren, wieviel einer Ware (eines GW) pro Zeit hergestellt werden kann. Aber das meinst du ja nicht (oder doch?). Den einzelnen Verwerter interessiert der GW nicht. Wenn er Wert mit nichts realisieren könnte, würde er das tun. GW ist immer nur mittelbar interessant, um W zu realisieren. Um bei gegebenem Stand mehr W zu realisieren, ist es aber nicht notwendigerweise erforderlich auch mehr GW zu schaffen. Es kann auch daduch geschehen, dass man per Mikroelektronik die Produktion verbilligt und damit einen größeren Marktanteil erobert - bei gleichem GW. -- Kurz: Ich bin an deiner Argumentation über den Gebrauchswert hängen geblieben. Ich glaube, mit dem GW argumentiert geht das nicht auf.

(9.2.1.4.1) Re: Technologie und Oekonomie 4, 24.01.2008, 10:40, Benni Bärmann: Gebrauchswertproduktivität kann sich natürlich nur auf den quantifizierbaren Teil des Gebrauchswertes beziehen ("technische Daten", s.o.). In diesem Teilbezug macht der Begriff IMHO schon Sinn.

Nein, um das produzieren von mehr Einheiten pro Zeit geht es nicht primär, aber durchaus natürlich auch, siehe das Beispiel mit der Schraubenmaschine, das wir in einem anderen Text letztlich hatten.

(9.2.1.4.1.1) Re: Technologie und Oekonomie 4, 07.02.2008, 12:04, Stefan Meretz: a) Der Gebrauchswert kann nicht quantifiziert werden, auch nicht über die technischen Daten. Mehr Schaltkreise ergeben nicht mehr GW. GW hat einen Bezug zu den Bedürfnissen, ist also historisch und existiert nicht "als solches" und damit "quantifizierbares". Du könntest argumentieren, dass mit dem technischen Fortschritt (wozu die Packungsdichte der Schaltkreise gehört) auch neue Anwendungen entstehen, die neue Bedürfnisse entstehen lassen und vice versa. Ja, das stimmt, hat aber IMHO keinen direkten Bezug zu Moores Law.

(9.2.1.4.1.1.1) Re: Technologie und Oekonomie 4, 08.02.2008, 11:31, Benni Bärmann: Du machst da eine Strohpuppe auf. Ich behaupte garnicht, dass der GW quantifizierbar ist. Ich behaupte nur er hat quantifizierbare Aspekte, genauso wie der Planet Erde nicht quantifizierbar ist aber seine Umlaufbahn sehr wohl. Oder ein Mensch quantifizierbar ist, seine Größe aber schon. Tatsächlich dürfte es nichts geben, was nicht auch quantifizierbare Aspekte hätte. Die Frage ist hier nur, ob diese wesentlich sind für die untersuchte Fragestellung. Und da ist halt meine These im Falle von Moores Law sei das so. Du musst schon diese These angreifen und nicht allgemein die Quantifizierbarkeit von GW.

(9.2.1.4.1.2) Re: Technologie und Oekonomie 4, 07.02.2008, 12:09, Stefan Meretz: b) GW hat als solche keine Dimension "Produktivität". Produktivität bezieht sich auf den Einsatz von Arbeitskraft. Die Produktivkraft der Arbeit und damit die Produktivität (wieviel pro Zeit hergestellt werden kann) kann erweitert werden durch den Einsatz von Mikroelektronik. Produktivität ist also keine Dimension der Sache, sondern der Anwendung. Das siehst du auch schon daran, dass die gleiche Sache einmal in der Produktion eingesetzt werden kann (wo sie u.U. die Produktivität steigert) und einmal als Enduser-Gerät verbraucht werden kann. IMHO.

(9.2.1.4.1.2.1) Re: Technologie und Oekonomie 4, 08.02.2008, 11:33, Benni Bärmann: Ja, tatsächlich müsste ich wohl erstmal diese ominöse "Gebrauchswertproduktivität" definieren. Mir ist schon klar, dass es das so bisher nicht gibt.

(9.2.1.4.1.2.2) Produktivitaet keine dimension der sache, 08.02.2008, 22:28, Wolf Göhring: Wie willst du die eigenschaft einer sache, besser: eines gebrauchswerts, bezeichnen, dass sie angewendet, also im gebrauch, eine hoehere produktivitaet ermoeglicht als eine andere, einfachere, aeltere sache?

Beispiele:
- Mechanischer webstuhl im vergleich zum handwebstuhl.
- Raederpflug mit eiserner pflugschar statt hoelzernem hakenpflug. (Beide wurden lange in nicht-kapitalistischen gesellschaften verwendet.)
- Die im feudalismus eingesetzte, durch ein wasserrad getriebene getreidemuehle anstelle der handmuehle, mit der beispielsweise roemische legionaere ihr taegliches muesli schroteten.

Ansonsten gibt es sachen, die gerade wegen einer solchen die produktivitaet steigernden eigenschaft entwickelt wurden und werden, auch ganz weit vorkapitalistisch, etwa die steten verbesserungen an faustkeilen.

(9.2.1.4.2) Re: Technologie und Oekonomie 4, 24.01.2008, 10:40, Benni Bärmann: Jetzt klarer? Gehts immer noch nicht auf? Warum nicht?

(9.2.1.4.2.1) Re: Technologie und Oekonomie 4, 29.01.2008, 15:55, Stefan Meretz: Hm, ich glaube, wir sind an einem Punkt, wo du sagst "isso" und ich "isnichso". Ich würde mich wiederholen, was den GW angeht (nicht quantifizierbar, interessiert nicht primär). Also kein Verständnisproblem, sondern eine verschiedene Sicht, die wir auch so stehen lassen können. -- Ist ja auch dein Artikel;-)

(9.2.1.4.2.1.1) Re: Technologie und Oekonomie 4, 30.01.2008, 13:48, Benni Bärmann: Mein Artikel, Dein Artikel, wenn ich das Spielchen spielen wollte, würde ich das hier nicht bei OT reinstellen.

Ausserdem schockierst Du mich schon ziemlich. Ausgerechnet Du machst jetzt auf postmoderne Beliebigkeit? Ich hab doch keine Glaubenssätze da hingeschrieben, sondern Argumente. Darauf hätte ich schon gerne eine Antwort. Es mag ja sein, dass Du glaubst mich verstanden zu haben. Dann muss es wohl mein Unverständnis sein, dann klär mich doch mal auf. Warum genau ist der GW hier uninteressant? Natürlich interessiert im Kapitalismus primär nur Wert. Dennoch gibt es hier eine - durchaus zu großen Teilen quantifizierbare - Verbindung zwischen beidem. Das ist natürlich eine Ausnahme im Kapitalismus, das ist mir schon klar. Aber es geht hier ja gerade um die Spezifität des Informationskapitalismus und nicht allgemein um kapitalistische Gesetzmässigkeiten.

(9.2.1.4.2.1.1.1) Re: Technologie und Oekonomie 4, 07.02.2008, 12:19, Stefan Meretz: Du bist leicht zu schocken, keep cool. Es hat gar nichts mit Beliebigkeit zu tun, andere Positionen als ebenso mögliche gültige zu akzeptieren. Ich muss diese nicht übernehmen. Und außerdem habe ich Argumente geliefert. Ich habe nur an dieser Stelle den Eindruck, dass ich mich wiederholen würde. Ok, ich habe es nochmal versucht. Damit habe ich m.E. nichts Neues gesagt, aber vielleicht ist es verständlicher geworden. Nimm doch meine Einwände einfach als Hinweis dafür, dass (mir) hier was unklar ist, was du ggf. ausführlicher begründen müsstest (in einer zweiten Version). So wie Wolf das mit der Wertabnahme nicht einleuchtet (was ich nun wiederum als glasklar empfinde).

(9.2.1.4.2.1.1.1.1) Re: Technologie und Oekonomie 4, 08.02.2008, 11:33, Benni Bärmann: Doch, jetzt hab ich den Einwand glaube ich besser verstanden. Danke.

(10) Soweit erstmal nichts neues. Exponentielles Wachstum ist ja für den Kapitalismus nötig. Ohne exponentielles Wachstum kein Überleben in der Konkurrenz. Bisher bezog sich dieses Wachstum allerdings immer auf lange Sicht nur auf den Tauschwert. Es gab immer wieder einzelne Phasen in denen in einer bestimmten Branche oder auch einer ganzen Reihe von Branchen exponentielles Wachstum möglich war. Doch über kurz oder lang setzte immer eine Sättigung des Marktes ein und man geriet technologisch an Grenzen.

(10.1) Exponentielles Wachtum, 18.01.2008, 10:33, Stefan Meretz: Die Verdopplungszeit ist beim Wachstum im Kapitalismus allerdings dann doch erheblich größer als bei den Prozessoren.

(10.1.1) Re: Exponentielles Wachtum, 21.01.2008, 14:22, Benni Bärmann: Ja, das ist der Witz, deshalb schlägt die Mikroelektronik alle anderen Branchen.

(11) Dieser Zusammenhang wurde in der umstrittenen These der Kontratjew-Zyklen versucht zu fassen. Danach entsteht im Kapitalismus nach einem Boom immer eine Sättigungsphase, diese löst neue technologische Innovationen aus und schließlich einen neuen Boom. Man interpretiert diese Zyklen falsch, wenn man sie als nur von Technologie getrieben interpretiert, wie es oft geschieht. Es handelt sich um ein Wechselspiel aus Technologie und Konjunktur, dass sich durch die Gesetze des Kapitalismus erklärt. Kondratjew war Marxist, das vergessen viele seiner heutigen Verfechter gerne. Umgekehrt ist es eine Fehlinterpretation dieser Zyklen, wenn man über ihre Gültigkeit anhand von Konjunkturdaten entscheidet. Natürlich haben sie Auswirkungen auf die Konjunktur, diese können aber in jedem Zyklus durchaus wieder ganz anders aussehen, weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben. Entscheidender ist, dass sich die Produktivkräfte (und damit sind explizit nicht nur ihre technischen Aspekte gemeint) auf ein ganz neues Niveau heben. Ein neuer Kondradjew-Zyklus funktioniert nur zusammen mit neuen gesellschaftlichen Innovationen.

(12) Was passiert nun, wenn dieser Sättigungseffekt wegfällt, wie es zur Zeit mit der Mikroelektronik zu passieren scheint? Die kapitalistische Produktionsweise beginnt sich umzugruppieren rund um die eine Branche die als einzige in der Lage ist ihren Gebrauchswert über lange Zeit schneller zu steigern als das ja sowieso schon exponentielle Tauschwert-Wachstum des Kapitalismus in seinem historischen Durchschnitt.

(13) Warum das? Nun, man versetze sich in die Lage einer Firma in einer Branche, deren Gebrauchswertproduktivität langsamer wächst (was über kurz oder lang in den letzen 50 Jahren alle Branchen waren). Wenn man in der Lage ist Mikroelektronik in der eigenen Industrie anzuwenden um die Produktivität zu erhöhen, profitiert man von der dort enorm hohen Steigerung des Gebrauchswerts und hat damit einen Konkurrenzvorteil. Beispiele in den letzten Jahren sind Fotografie und Film. Und umgekehrt giert die Mikroelektronik geradezu nach neuen Anwendungsfeldern. Denn sie selbst hat ja ein enormes Problem: Sie müssen Moores Law erfüllen, wenn sie es nicht tun, tut es die Konkurrenz. Dazu sind immer höhere Ausgaben und Kapitalakkumulationen nötig (tatsächlich wachsen die nötigen Investitionskosten auch so schnell wie Moores Law). Die kann man nur erreichen, wenn man immer neue Anwendungsfälle für die Mikroelektronik findet, denn jede einzelne Anwendung hat ja meist schon nach einer kurzen Spanne exponentiellen Wachstums schon keinen Bedarf mehr an noch mehr Rechenpower. Zusätzlich gibt es noch einen Trend in den Branchen, die zu Anwendungsbranchen der Mikroelektronik werden, den Anteil an Mikroelektronik immer weiter zu erhöhen. So werden nach und nach ursprünglich eigenständige Branchen zu Teilen der Mikroelektronik oder die Logik der besonders starken exponentiellen Produktivitätssteigerung wird auf andere Weise verfolgt. Durch all diese Vorgänge wird ein immer größer werdender Teil der Produktion zu Mikroelektronik oder zumindestens etwas sehr ähnlichem. Im Ergebnis erhält also Moores Law Geltung in einem immer größeren Teil der Wirtschaft, was seine Chance auch weiterhin zu gelten immer weiter erhöht. In diesem Sinne ist Moores Law tatsächlich eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

(13.1) Investitionskosten wachsen wie Moores Law, 16.01.2008, 22:42, Wolf Göhring: Ist das eine vermutung oder gibt es dazu ueberpruefbares empirische untersuchungen? (Dass die investitionen enorm wachsen ist unbestritten. Aber wie Moores Gesetz?)

(13.1.1) Re: Investitionskosten wachsen wie Moores Law, 16.01.2008, 23:02, Benni Bärmann: Guck mal auf der Homepage von Intel, da gibt es irgendwo ein paar Vortragsfolien von Moore himself wo er das thematisiert.

(13.1.2) Re: Investitionskosten wachsen wie Moores Law, 21.01.2008, 14:26, Benni Bärmann: Hier der Link zu dem Vortrag: http://download.intel.com/research/silicon/Gordon_Moore_ISSCC_021003.pdf Vorletzte Seite, da geht es um die Kosten der Lithographietools (also nur eines Teils der Produktionskette), aber ich denke das ist ein wichtiger Hinweis.

(13.2) Immer mehr wird teil der mikroelektronik, 16.01.2008, 22:57, Wolf Göhring: Du schreibst: "Durch all diese Vorgänge wird ein immer größer werdender Teil der Produktion zu Mikroelektronik oder zumindestens etwas sehr ähnlichem." Das wuerde ich so nicht sagen wollen. Auch wenn zb. im fahrzeugbau die elektronik einen hohen teil an der sog. wertschoepfung hat, so werden autos doch nicht zu teilen der mikroelektronik oder "etwas aehnlichem".

Digitalkameras wurden moeglich, nachdem man eine hohe packungsdichte der transistoren erreicht hatte. Eine weitere erhoehung gestattet zb. kompaktere bildspeicher oder solche mit hoeherer kapazitaet. Ein exponentielles wachstum des gebrauchswerts der kameras wuerde ich damit nicht verbinden. Auch nicht eine verdoppelung der produktivitaet in der kamerafabrik alle weiteren 2 jahre.

Deshalb sehe ich auch nicht, dass Moores gesetz ("verdoppelung etwa alle 2 jahre" in welchem sinn auch immer) "in einem immer groesseren teil der wirtschaft" gilt. Damit ist nicht gesagt, dass dort nicht exponentielles wachsen zu verzeichnen waere, aber mit wenigen % pro jahr, sei es im weltweiten BIP oder in umgesetzten massen oder in stueckzahlen gemessen. Das wachstum im stoffumsatz ist auch bei diesen geringen % beaengstigend zerstoererisch.

Es gibt sogar ein "produktivitaetsparadoxon": Die in unternehmen eingesetzte rechenleistung verdoppelt sich ca. alle 18 monate, im gleichen zeitraum waechst die produktivitaet aber nur um rd. 4% (jaehrlich um ca. 2,5 ). Das besagt nicht, dass computereinsatz nichts mit rationalisierung zu tun haette, sondern dass sich das alles etwas subtiler abspielt.

(13.2.1) Re: Immer mehr wird teil der mikroelektronik, 21.01.2008, 14:28, Benni Bärmann: Meine Rede. In der einzelnen Anwendungsbranche sind die erreichbaren Fortschritte begrenzt. Genau deswegen muss die Mikroelektronik sich immer neue Anwendungsfäle ausdenken.

(13.3) Moores gesetz als sich selbsterfuellende prophezeiung, 31.01.2008, 22:29, Wolf Göhring: Moores vortrag, auf den der link verweist, traegt den klaren titel: "No exponential is forever."

Das ist in meinen augen das genaue gegenteil deiner aussage.

(13.3.1) Re: Moores gesetz als sich selbsterfuellende prophezeiung, 03.02.2008, 00:06, Benni Bärmann: Dann hast Du nicht richtig gelesen. Ich sage ja auch, dass das nicht für ewig geht. Die spannende Frage ist nur, ob es _lang_genug_ geht um die ökonomische Singularität zu erreichn.

(14) Was könnte diese Entwicklung stoppen? Natürlich zunächst ein Erreichen physikalischer Grenzen. Erstaunlicherweise wird das bereits schon seit dem Beginn der Gültigkeit von Moores Law immer wieder prognostiziert. Die Situation zur Zeit ist so, wie sie immer war: Die nächsten zwei Verdopplungen sind mehr oder weniger absehbar gesichert, für die Zeit danach wird Grundlagenforschung betrieben. Da nun mit der Expansion von Moores Law immer mehr Kapital auch für diese Grundlagenforschung zur Verfügung steht sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht mehr erfüllt wird immer mehr, je länger Moores Law gilt. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht tatsächlich mal vorbei sein könnte, aber es sieht nicht wirklich danach aus.

(14.1) Grenzen des wachstums, 16.01.2008, 23:29, Wolf Göhring: Zu den grenzen hab ich unter 9.1 schon geschrieben. Die frage in der vergangenheit war, ob man es schafft, bis an die grenzen eines transistors zu kommen, ihn so klein zu machen, dass er nicht mehr als transistor funktioniert, wenn man ihn ein paar atome kleiner macht. Es haette passieren koennen, dass man schon bei recht grossen transistoren nicht mehr weiter kommt. Es sieht aber so aus, dass man bis zur funktionsgrenze eines transistors kommt.

Jenseits von atomaren strukturen, die einen transistor bilden, ist nichts in sicht, was wie bei einem staffettenlauf am ende der siliziumtechnik den dann gegebenen prozessor ersetzen koennte. Dazu waeren die erforderlichen investitionen zu taetigen auf einem technischen leistungsniveau, das das heutige uebertreffen muesste, aber mit derzeit unbekannten technischen eigenschaften. Da Moores gesetz noch etwa 8-10 jahre gelten duerfte, ist dieser uebergang in dieser zeit gaenzlich unwahrscheinlich. Das heisst nicht, dass man am ende der siliziumfahnenstange nicht noch enorme verbesserungen erreichen kann, sowohl im konkreten design von prozessoren als auch in den ungeheuren bergen von softwaremuell. (Es gibt keine hardwareverbesserung, die man nicht sofort durch software zunichte machen kann. Diese schnoddrigkeit aeussere ich seit etwa 1970.)

Bei speichermedien (ausser bei in silizium gegossenen bits) ist man, so scheint es, noch nicht so dicht an der durch atomare strukturen gegebenen grenze wie bei prozessoren.

(14.1.1) Re: Grenzen des wachstums, 21.01.2008, 14:35, Benni Bärmann: Natürlich geht das nicht ewig weiter. Die Frage ist nur: Geht es lange genug um die ökonomische Singularität herbeizuführen. Moore selbst sagte 2005 (zitiert nach englischer Wikipedia):

"In terms of size [of transistor] you can see that we're approaching the size of atoms which is a fundamental barrier, but it'll be two or three generations before we get that far—but that's as far out as we've ever been able to see. We have another 10 to 20 years before we reach a fundamental limit. By then they'll be able to make bigger chips and have transistor budgets in the billions."

Das würde wohl schon ausreichen meiner Schätzung nach.

(14.1.1.1) Re: Grenzen des wachstums, 20.02.2008, 21:21, Benni Bärmann: Noch zwei Links für die Skeptiker, die immer auf die physikalischen Grenzen des Siliziums verweisen:

http://www.technologyreview.com/read_article.aspx?ch=specialsections&sc=emerging08&id=20246 http://www.technologyreview.com/read_article.aspx?ch=specialsections&sc=emerging08&id=20242

und das sind nur zwei vielversprechende Ansätze von vielen.

(14.1.1.1.1) Re: Grenzen des wachstums, 21.02.2008, 11:19, Wolf Göhring: Die idee probabilistischer chips ist nicht neu. Ich hatte sie 1972 in einem grauen papier angedacht. Number crunching mit 64 bit langer, doppelt genauer gleitkommaarithmetik ist bei vielen anwendungen unsinn, erfordert aber einen erheblichen umbau der algorithmen (zb. das numerische loesen der stroemungsgleichung fuer die wetterprognose). Insofern trifft Palem auf ein wichtiges problem. Die chips werden erst nutzbar, wenn auch die algorithmische seite dazu steht, was nicht trivial ist und sicher einiger dissertationen bedarf. Ansonsten koennen diese Si-transistoren auch nicht beliebig klein werden, sondern verlaengern die verkleinerungsetappen um vielleicht 1, 2 schritte.

Die graphit-transistoren koennen auch nicht beliebig klein werden, so etwa 1 dutzend atome oder ein paar mehr werden auch dafuer gebraucht. Sie koennen also die Si-kette nur um geschaetzt 1, 2 schritte verlaengern. Im artikel steht nur, dass de Heer einige 100 transis auf einem array hergestellt hat, aber nicht ob die zu irgendeiner logischen funktion verschaltet sind. Wenn sich wirklich schaltungen aufbauen lassen, dann muss dazu in grossem stil die gesamte technische infrastruktur kommen, einschliesslich eines zum teil gewandelten chemismus fuer den herstellungsprozess. Auch das ist nicht so schnell zu haben. De Heer "believes", dass man solche graphen-transis hinkriegt, wie man sie in schaltungen benoetigt. Dabei sind die transis alleine noch nix, man muss auch leitungen dazwischen haben. Dafuer bestehen aehnliche schwierigkeiten und grenzen.

(15) Eine weitere Möglichkeit wäre es, dass sich keine weiteren Anwendungsmöglichkeiten für die Mikroelektronik mehr finden lassen und somit das nötige Kapital zur Aufrechterhaltung von Moores Law nicht mehr aufgebracht werden könnte. Aber auch hier gilt: Für die nächsten zwei Generationen ist gesorgt an weiteren wird geforscht. In letztere Kategorie fallen dann so nach Science-Fiction anmutende Sachen wie Personal Fabrication oder Nanoroboter, das Netz ist voll mit solchen Storys. Für die mikroelektronische Revolution ist allerdings nicht wichtig, dass alle diese Bereiche letzten Endes wirklich ökonomisch funktionieren. Wichtig ist nur dass es ausreichend viele Bereiche gibt, die funktionieren.

(16) Schließlich lässt sich beobachten, dass es enorm viele gesellschaftliche Veränderungen in der Zeit seit der Gültigkeit von Moores Law gibt. Diese sind sowohl Vorraussetzung als auch Folge der mikroelektronischen Revolution. Dabei geht es um den von den Postoperaisten als "immaterielle Arbeit" bezeichneten Komplex. Oder auch um viel was unter der Chiffre "Auswirkungen von 68" verhandelt wird. Es gibt eine Anekdote, die diesen Wandel und seine Verknüpfung mit der mikroelektronischen Revolution erstaunlich gut illustriert und lustigerweise spielt der Erfinder von Moores Law, Gordon Moore darin eine Hauptrolle: Er berichtet dass eines Tages ein junger Elektrotechniker zu ihm kam und ihm vorschlug einen kleinen kompakten Computer zu bauen, den jeder bei sich zu hause benutzen könnte. Moore lies ihn abblitzen, so daß spätere andere den Personalcomputer erfinden mussten. Seine Begründung war, dass er sich keine Anwendung für einen solchen Computer vorstellen konnte, außer die Verwaltung der Rezepte seiner Frau. Diese Anekdote zeigt zum einen, wie es erst gesellschaftlicher Veränderungen brauchte, damit der Mikroelektronik neue Anwendungsfälle erschlossen werden konnten. Frauen - auch Hausfrauen - machen heutzutage eben so einiges mehr als blos Rezepte sammeln - selbst in der Vorstellungswelt von Patriarchen wie Moore. Ausserdem haben sich die Abgrenzungen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verwischt, was viele eben auch zu Hause die Rechenkapazität verwenden lässt, die man früher nur in großen Rechenzentren hatte. Und umgekehrt zeigt es auch, wie viele gesellschaftliche Veränderungen erst durch kleine, rechenstarke, weltweit vernetzte Computer für zu Hause möglich wurden. Was ist daran für uns wichtig? Wenn dieses Zusammenspiel von gesellschaftlicher Veränderung mit der techno-ökonomischen Welt von Moores Law zu einem Ende kommt, endet auch Moores Law. Das kann jederzeit passieren. Aber auch hier gilt: Je mehr die Mikroelektronik den Alltag durchdringt umso unwahrscheinlicher wird es.

(17) Wir halten also fest: Wir können nicht sicher sein, dass Moores Law weiter gilt, aber die Wahrscheinlichkeit steigt eher als das sie fällt je länger es gilt.

(18) Was passiert nun, wenn das immer so weiter geht? Oder zumindestens eine hinreichend lange Zeit lang? Mit dieser Frage haben sich die Futurulogen rund um Raymond Kurzweil beschäftigt. Ihre Antwort: Das Mooresche Gesetz ist nur eine Anwendung eines allgemeineren Gesetz zivilisatorisch-technologischer Entwicklung. Dieses besagt, dass sich Technologie immer exponentiell verbessert und somit irgendwann eine "technologische Singularität" erreicht wird. Die Singularitarianer rechnen noch in diesem Jahrhundert damit. Ab dieser Stelle wird die menschliche Zivilisation von etwas ganz anderem abgelöst über das keinerlei Aussagen möglich seien, weil unsere Erkenntniskraft dafür nicht ausreicht. Vorschläge zu diesem "ganz anderen" gibt es natürlich trotzdem und die Science-Fiction-Literatur ist voll davon: Künstliche Intelligenz, Maschinenzivilisationen, Cyborgs, Genoptimierung usw.

(18.1) Kurzweil, 31.01.2008, 22:35, Wolf Göhring: Der liebe gott, um mal auf diesen zurueckzukommen, hat alles in 6 tagen geschaffen. Seitdem treibt er kurzweil. So wird denn allerlei kurzweiliges unter die menschheit gebracht. Es sei zitiert:

Laboratorium im Sinne des Mittelalters, weitläufige unbehilfliche Apparate zu phantastischen Zwecken:

Wagner am Herde
Die Glocke tönt, die fürchterliche,
Durchschauert die berußten Mauern.
Nicht länger kann das Ungewisse
Der ernstesten Erwartung dauern.
Schon hellen sich die Finsternisse;
Schon in der innersten Phiole
Erglüht es wie lebendige Kohle,
Ja wie der herrlichste Karfunkel,
Verstrahlend Blitze durch das Dunkel.
Ein helles weißes Licht erscheint!
O daß ich’s diesmal nicht verliere!—
Ach Gott! was rasselt an der Türe?

Mephistoles eintretend
Willkommen! Es ist gut gemeint.

Wagner ängstlich
Willkommen zu dem Stern der Stunde!
(Leise) Doch haltet Wort und Atem fest im Munde,
Ein herrlich Werk ist gleich zustand gebracht.

Mephistoles leiser
Was gibt es denn?

Wagner leiser
Es wird ein Mensch gemacht.

Mephistoles Ein Mensch?
Und welch verliebtes Paar
Habt ihr ins Rauchloch eingeschlossen?

Wagner
Behüte Gott! wie sonst das Zeugen Mode war,
Erklären wir für eitel Possen.
Der zarte Punkt, aus dem das Leben sprang,
Die holde Kraft, die aus dem Innern drang
Und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen,
Erst Nächstes, dann sich Fremdes anzueignen,
Die ist von ihrer Würde nun entsetzt;
Wenn sich das Tier noch weiter dran ergetzt,
So muß der Mensch mit seinen großen Gaben
Doch künftig höhern, höhern Ursprung haben.
Zum Herd gewendet
Es wird! die Masse regt sich klarer!
Die Überzeugung wahrer, wahrer:
Was man an der Natur Geheimnisvolles pries,
Das wagen wir verständig zu probieren,
Und was sich sonst organisieren ließ,
Das lassen wir kristallisieren.
Bisher immer aufmerksam auf die Phiole
Es steigt, es blitzt, es häuft sich an,
Im Augenblick ist es getan.
Ein großer Vorsatz scheint im Anfang toll;
Doch wollen wir des Zufalls künftig lachen,
Und so ein Hirn, das trefflich denken soll,
Wird künftig auch ein Denker machen.
Entzückt die Phiole betrachtend
Das Glas erklingt von lieblicher Gewalt,
Es trübt, es klärt sich; also muß es werden!
Ich seh in zierlicher Gestalt
Ein artig Männlein sich gebärden.
Was wollen wir, was will die Welt nun mehr?
Denn das Geheimnis liegt am Tage.
Gebt diesem Laute nur Gehör,
Er wird zur Stimme, wird zur Sprache.

Homunkulus in der Phiole zu Wagner
Nun Väterchen! wie steht’s? Es war kein Scherz.
Komm drücke mich recht zärtlich an dein Herz!
(Goethe, Faust II, Akt 2.)

Goethes 200 jahre alter spott trifft auch Kurzweil und konsorten.

(18.1.1) Harn und Hirn, 02.02.2008, 20:11, Uvvell H:W:Berger: Hierbei ist der Stand der Technik anzumerken, an welchem sich Goethe (seine geheimrätige Stellung verteidigend) so hoch verdichtete:
Der Harnstoff wurde in seiner chemischen Zusammensetzung ermittelt und künstlich hergestellt. Was ja fast den halben Menschen ausmacht. Wenn wir bedenken, was aus dem Nitrat so wurde, ausser in der Landwirrtschaft: jede Menge nitrierte Baumwolle, nitriertes Glycerin. Als dies im ersten Weltkrieg zur Neige ging schafften die chemixer den Sprung zum Zucker. Es ist nicht nur lieb gemeint Baumwolle und Zucker anzubauen. Gestern war im dradio ein Bericht über NS-Wissentschaftler, die sich gegen know-how nach Südamerika freitauschen konnten - um weiter zu forschen...
Den Einzelnen haben die Informationen um ein vielfaches überholt und es ist nur bedingt ein Ende in Sicht. Zur Zeit wird auch ermittelt welche Techniken die antiken Ägypter benutzten, es stimmt nicht, dass früher weniger gewußt wurde. Es wurde nur nicht so weit verbreitet und hat nicht ins Schulwissen kommen können, weil es seit der Antik nur im Militär erinnert wurde. Langsam sickert es durch in den langen Friedenszeiten.

(18.2) Maschinenzivilisation, 08.02.2008, 22:56, Wolf Göhring: War gestern in meinem einstigen institut und hab dort in einem glaesernen schaukasten den schaurig-schoenen buchtitel "robo sapiens" mit entsprechendem titelbild gesehen.

Bei sowas lupfe ich etwas die augenbraue.

(18.3) Was passiert, wenn es so weiter geht?, 01.03.2008, 17:30, Stefan Meretz: Auf diese Frage hat Chris Anderson (Herausgeber von Wired) auch mit Moore argumentierend so geantwortet: Alles mit IT fällt auf den Preis Null. Damit will er dann dennoch weiter »Business« machen: Free! Why $0.00 Is the Future of Business

(18.3.1) Re: Was passiert, wenn es so weiter geht?, 01.03.2008, 22:16, Benni Bärmann: Ja, der TED-Vortrag von Anderson dazu war eine meiner Inspirationsquellen. Ich hatte den ja auch damals auf Keimform gebloggt. Gut das Du das erwähnst, ich habs irgendwie im Text selbst nicht untergebracht.

(18.3.2) Re: Was passiert, wenn es so weiter geht?, 02.03.2008, 18:34, Wolf Göhring: Der text unter dem link endet: "— and free, increasingly, is what you're going to get."

Traumtaenzelei in schlauraffia.

(18.3.3) Re: Was passiert, wenn es so weiter geht?, 02.03.2008, 20:17, Wolf Göhring: Anderson scheint so viel geld zu verdienen, dass er sein konto nie ueberzieht. Dann wuerde er merken, dass ihn die ueberziehung, ganz gegen seine behauptung geld - ueberziehungszins - kostet, obwohl das ganze nur noch ueber IT laeuft.

(18.3.3.1) Re: Was passiert, wenn es so weiter geht?, 03.03.2008, 12:43, Uvvell H:W:Berger: Das Grundprinzip bleibt: den letzten beissen die Hunde. Niemand kann uns zwingen Geld auszugeben, auch wenn wir uns ganz unten und an allerletzter Stelle fühlen. Man muß die Hungerzeiten nur geschickt übers Jahr verteilen. Aber jeder arbeitet im Monetarismus intensiv an der Abseitsfalle des Anderen. Selbst Geschenke haben ihre Tücken. Das Gefühl transportiert sich nicht in Zahlen, eher in Erzählbarkeiten: "*Ach, wenn Du das erlebt hättest*!*" Das kann keine Handlung erreichen, was der Handelnde bei bloßer Handlung erfährt und bestenfalls mitteilt.

(18.3.4) Re: Was passiert, wenn es so weiter geht?, 03.03.2008, 09:45, Stefan Meretz: *lol* - das bekommt langsam Kultstatus: The Communist Manifesto of Chris Anderson

(19) Uns ist jetzt natürlich schon klar, was das Problem mit solchen technologischen Eschatologien ist: Sie interpretieren Moores Law als technologisches Gesetz, dabei ist es eigentlich ein ökonomisches. Aus dieser Perspektive ist Zivilisation immer nur eine Ansammlung von Gadgets. Wenn man nun Moores Law ökonomisch interpretiert, ist sofort klar, dass es nur innerhalb des Kapitalismus Gültigkeit hat. In einer Nicht-kapitalistischen Gesellschaft besteht ja keinerlei Notwendigkeit zur Ansammlung immer größerer Werte, um es zu erfüllen. In dem Moment, in dem der Kapitalismus endet, endet auch die Gültigkeit von Moores Law.

(20) Ich denke, wir können trotzdem etwas aus den verstiegenen Ideen der Singularitarianer lernen. Denn, wenn wir das Mooresche Gesetz als ökonomisches innerkapitalistisches Gesetz interpretieren, dann folgt daraus dennoch zumindestens die Möglichkeit einer Singularität, nur handelt es sich um eine ökonomische Singularität und nicht um eine technische. Diese tritt ein, wenn alle Branchen so sehr mikroelektronisiert sind, dass es keine weiteren Anwendungsfälle mehr gibt. Und über das "danach" können wir ökonomisch keine Aussagen machen. Alles kann passieren: Große Krise, Ende des Kapitalismus, seine Ablösung durch etwas schlimmeres, allgemeine Emanzipation, Verschärftes Regime ursprünglicher Akkumulation mit kapitalistischem weiterwurschteln, ... das heisst aber nicht, dass es nicht ausserökonomische Entwicklungen gibt, die sich heute schon abzeichnen und die auch im "danach" noch weiter funktionieren könnten deren erkennen uns also schon heute weiterhelfen könnte.

(20.1) Singularitaet, 31.01.2008, 23:14, Wolf Göhring: Durch verweis auf die kurzweiligen wird der begriff der singularitaet nicht erlaeutert. Auch hier faellt mir sogleich der Goethe ein:

Wo die begriffe fehlen, da stellt zur rechten zeit ein wort sich ein.

(20.1.1) Re: Singularitaet, 03.02.2008, 00:08, Benni Bärmann: Dazu einen Begriff zu finden, das wollte ich hier machen.

(21) Tatsächlich gibt es bei Marx, eine Stelle, die man genau als die Vorhersage einer solchen ökonomischen Singularität interpretieren kann. Es handelt sich um das vielzitierte Maschinenfragment in den Grundrissen. Sein Status ist marxologisch höchst umstritten. Michael Heinrich z.B. hält es für einen später von Marx aus guten Gründen verworfenen Gedanken. Er nennt allerdings diese Gründe nicht. Tatsächlich lässt sich im später verfassten "Kapital" einiges über die Auswirkungen von Maschinerie finden, dass auch schon in den Grundrissen verhandelt wurde, aber nichts zu dieser Frage der ökonomischen Singularität oder dem Ende der Arbeitszeit als Wertmaß oder zur Verwissenschaftlichung der Produktion. Heinrich zieht daraus den Schluß, dass Marx seinen Irrtum erkannt habe und deswegen das Thema nicht mehr behandelt. Nur: Warum widerlegt er dann seine ursprünglichen Thesen nicht anstatt sie einfach zu ignorieren? Aus heutiger Sicht sind sie ja ziemlich naheliegend - das ist ja auch der Grund wieso das heute so heiß diskutiert wird.

(22) Meine Interpretation des Maschinenfragments im Lichte der obigen Überlegungen wäre eine andere: Tatsächlich lässt sich die ökonomische Singularität aus der Funktionsweise des Kapitalismus ableiten - ich habe das oben angedeutet. Dies musste aber zu Marxens Zeiten völlig abstrakt bleiben. Es gab keinerlei empirisch verwertbare Entwicklungen, auf die man sich bei der näheren Untersuchung dieser Frage hätte stützen können. Es gab keine Branche um die sich alles über einen langen Zeitraum exponentieller Verbesserungen hinweg umgrupierte. Es gab keine Mikroelektronik und auch keine andere Technologie, die diese Rolle spielen konnte. In einer solchen Situation ist es völlig naheliegend das bei der näheren Ausbuchstabierung einer Theorie sowas verschwindet.

(23) Was bedeutet nun die Möglichkeit einer ökonomische Singularität für die am Anfang vorgeschlagenen Lösungen des mvdI-Problems? Zunächst einmal, dass sich tatsächlich etwas ändert am Status der Arbeitswerttheorie. Es ist unklar - aber nicht ausgeschlossen - ob sie die Singularität überlebt.

(24) Außerdem wird der Status der mvdI deutlich relativiert. Es handelt sich nur noch um eine unter vielen Anwendungen der Mikroelektronik. Besonders interessant sind diese mvdI dennoch und zwar weil dies ein Feld ist, indem sich außerökonomische Veränderungen zeigen. Das empirisch beobachtbare Auftreten der Peer-Ökonomie (die ja eigentlich ein außerökonomisches Phänomen ist, nämlich gerade die global selbstorganisierte Kooperation ohne blos ökonomische Vorzeichen) in diesem Feld macht sie besonders interessant für Keimformen. Aber auch hier gilt: Es lassen sich sicherlich andere Felder finden, für die das auch gilt und die deswegen genauso interessant sind. Demokratisches, freies Leben mit Kindern oder aktives Auflösen der Geschlechtergrenzen ist in dieser Perspektive z.B. genauso eine Keimform wie es Freie Software ist, denn nicht ihre spezifischen ökonomischen Eigenschaften machen sie zu Keimformen, sondern gerade ihre ausserökonomischen Innovationen, denn nur die werden die ökonomische Singularität überleben.

(25) Der emphatische Aufschein des Kommunismus, den schließlich die Postoperaisten in der immateriellen Arbeit sehen, wird genauso relativiert. Klar, eine Möglichkeit ist diese Entwicklung. Das Neue an unserer Situation in der Prä-Singulären-Phase ist aber weniger, dass das Potential des Kommunismus steigt, sondern das generell alle Potentialitäten steigen, darunter auch die kommunistische.

(26) Ebenso relativiert wird die Vorstellung eines verschärften Regimes ursprünglicher Akkumulation zur Eingliederung der mvdI. Dieses gibt es und seine radikale Version ist auch eine Potentialität, die des Faschismus unter informationskapitalistischen Vorzeichen. Hier ist die ursprüngliche Akkumulation die ausserökonomische Komponente. Das interessante an dieser Perspektive ist vor allem, dass es Verbindungen zu anderen Kämpfen rund um ursprüngliche Akkumulation nahelegt. So ist die Situation im subsaharischen Afrika heute in vielem ähnlich zur Situation während der Hochzeit ursprünglicher Akkumulation in Europa: Landflucht, Einhegung der Commons, marodierende Warlords, religiöser Wahn, Hexenverfolgung, entstehende Nationalstaaten, absolutistische Herrscher, neue Kommunikationsformen, Generationen dauernde Kriege.

(27) Und schließlich ist auch nicht ausgeschlossen dass ein Weg gefunden wird, der die Arbeitswerttheorie ganz normal weiterbestehen lässt, wie es Christian Siefkes und Holger Weiß vorschwebt. Nur darüber lässt sich am allerwenigsten Aussagen, weil es keine ausserökonomische Komponente enthält.

(27.1) Erstrebenswert?, 17.01.2008, 10:45, Juli Bierwirth: Das klingt jetzt so, als wäre es ein 'Zweck an sich', die "Arbeitswerttheorie ganz normal weiterbestehen" zu lassen. Ich würde es eher als historische Notwendigkeit sehen, weil sie halt hilft, zu verstehen was passiert. Aber das muss mensch ja noch lange nicht gutfinden...

(27.1.1) Re: Erstrebenswert?, 21.01.2008, 14:36, Benni Bärmann: Es ist natürlich kein "Zweck an sich" sondern einer der kapitalistischen Produktionsweise.

(28) Was ist also zu tun? Angesichts der potentierten Potentialität der prä-singulären Phase braucht es für eine emanzipatorische Bewegung vor allem Flexibilität, Kreativität, netzwerkarktige Organisation, individuelle Verantwortlichkeit, Experimente und Suche nach Keimformen. Es ist kein Zufall, dass sich diese Mittel nur wenig vom Credo des Neoliberalismus unterscheiden. Tatsächlich sind es die Mittel der Zeit zur Erreichung jeden Ziels. Nur für eine emanzipatorische Bewegung muß noch einiges dazukommen, denn schließlich zeichnet sich ihr Ziel nach den schmerzhaften Lernprozessen des 20. Jahrhunderts gerade dadurch aus, dass es nicht jedes Mittel rechtfertigt: Solidarität, Empathie, freie Kooperation, soziale Sicherheit statt Vernichtungskonkurrenz, Krieg, erzwungene Kooperation und allgemeine Existenzangst. Und es ist ebenso kein Zufall, dass das etwas altbacken wirkt, denn an den Zielen der allgemeinen menschlichen Emanzipation hat sich seit Marx wenig geändert und an denen des Kapitalismus auch nicht.

(28.1) Keim ist der Atem, 02.02.2008, 20:35, Uvvell H:W:Berger: Urgrund von Aufmerksamkeit, Erkenntnis und Gewissheit. Die Ziele der Emanzipation sind in den letzten 2800 Jahren immer weiter ins Aussen definiert worden. Es braucht ein Bewußtsein der Muskelkoordination zwischen Zergfell und Bewegungsmuskulatur (bei Beachtung der gehirnwäschenähnliche Wirkung durch Schreibschulung links-/rechtshändiger Lernprozesse - stellt Euch vor wir dürften nur auf einem Bein hüpfen, damit keiner merkt, wie unterschiedlich die zwei Füße sind zensierte Bewegung), eine Erfahrung vom Gleichgewicht körpereigener Botenstoffe und deren Störungen durch Drogen, Strahlung, Umweltgiften. Dieses sind in den Zellen "gespeichert" mehr als in alle Computer zusammen passt, wir leugnen nur die Möglichkeit des Zugriff, weil wir uns selbst nicht trauen.
Frisch geatmet durch Nase, Mund und allen Poren
das Ka getanzt geklatscht und Kunde bei den Horen]

(28.2) Zweiter Teil, 14.03.2008, 10:48, Benni Bärmann: Zum ganzen Text: Ich hab mal einen zweiten Teil verfasst zu diesen Thesen um das Thema etwas klarer zu umreissen: http://www.keimform.de/2008/03/14/thesen-zum-informationskapitalismus-2/


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