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Kapital-Wert

Maintainer: Annette Schlemm, Version 1, 25.11.2008
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(1) Wir haben bei der Diskussion des Tauschwerts festgestellt, dass der Tauschwert nur auftritt, „wo Ware im Plural vorkommt“ (MEW 19: 375). Das heißt, wir haben letztlich noch gar nicht den inneren Widerspruch, wie er in einer Ware auftritt, erfasst. Der interessiert uns aber, wenn wir das Verworrene klarer sehen und begreifen möchten.

(2) Also schauen wir uns die Tauschwertproportionen genauer an. Wenn, wie Marx beschreibt (MEW 23: 51), beispielsweise ein Quarter Weizen gegen x Stiefelwichse oder y Seide oder mit z Gold getauscht werden, so sind x Stiefelwichse, y Seide und z Gold gegeneinander austauschbar, d.h. es sie sind gleich große Tauschwerte (gegenüber dem Quarter Weizen). Auch wenn wir zwei Waren direkt tauschen, z.B. Weizen und Eisen, ergibt sich als Gleichung z.B. 1 Quarter Weizen = a Ztr. Eisen. Marx fährt fort: „Was besagt diese Gleichung? Daß ein Gemeinsames von derselben Größe in zwei verschiednen Dingen existiert, in 1 Quarter Weizen und ebenfalls in a Ztr. Eisen. Beide sind also gleich einem Dritten, das an und für sich weder das eine noch das andere ist. Jedes der Beiden, soweit es Tauschwert, muß also auf dies Dritte reduzierbar sein.“ (MEW 23: 51) Dieses Dritte, Gleiche „darf weder Weizen noch Eisen sein und muß gleichzeitig in Weizen und Eisen sein.“ (Haug 1989: 90)

(3) Genau deshalb kann es nichts sein, das mit den Gebrauchswerten der Waren direkt zu tun hat. Im Tausch wird gerade vom Gebrauchswert abstrahiert, denn wenn der Gebrauchswert gleich wäre, würde niemand tauschen wollen. Ein anderes Beispiel, warum es nicht der Nutzen sein kann, der als Maß gilt, wurde schon von Adam Smith angegeben: Wasser hat einen sehr hohen Nutzen, aber einen geringen (Tausch-)Wert (bei Heinrich 2005: 40). Auch wenn der Tauschwert des Wassers derzeit wächst und wohl auch weiter wachsen wird, gilt das Argument weiter.

(4) Was wir suchen, wenn wir vom gegenseitigen Tauschwert auf etwas der einzelnen Ware Immantes schließen wollen, muss mit der gesellschaftlichen Form der Produktion zusammen hängen. Schon weil wir ja letztlich die ein gesellschaftliches Verhältnis erklären wollen, macht es keinen Sinn, etwas Stoffliches oder Energetisches oder Informationelles als Maß nehmen zu wollen. Marx fasst den Zusammenhang von Tauschwert und dem jetzt zu entwickelnden „Wert“ auch als Verhältnis von „Erscheinungsform“ und „Gehalt“ (MEW 23: 51). Daraus ergibt sich die Frage, was es denn ist, was da als Tauschwert erscheint.

(5) Die Antwort ist schon von Adam Smith gegeben worden: die einzige gemeinsame Eigenschaft aller Waren im Kapitalismus ist es, durch menschliche Arbeit hergestellt worden zu sein. Arbeit wird dabei im allgemeinsten Sinne verstanden, als „abstrakt menschliche Arbeit“ (MEW 23: 52). Jede Ware wird durch menschliche Arbeit erzeugt, und die Arbeitsprodukte sind deshalb „bloße Gallerte unterschiedloser menschlicher Arbeit, d.h. der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ohne Rücksicht auf die Form ihrer Verausgabung“ (MEW 23: 52). Oder anders ausgedrückt: „Als Materiatur der gesellschaftlichen Arbeit sind alle Waren Kristallisationen derselben Einheit.“ (MEW 13: 16 f.). „Als Materiatur der gesellschaftlichen Arbeit sind alle Waren Kristallisationen derselben Einheit.“ (MEW 13: 16 f.)

(6) Nun kommen wir zum „Wert“: „Wenn wir Waren als Werte betrachten, so betrachten wir sie ausschließlich unter dem einzigen Gesichtspunkt der in ihnen vergegenständlichten, dargestellten oder, wenn es beliebt, kristallisierten gesellschaftlichen Arbeit.“ (MEW 16: 123) Daraus folgt, dass z.B. unbearbeiteter Boden zwar getauscht werden kann, dass dieser Tauschwert aber anders als durch die enthaltene Arbeit erklärt werden muss. (Heinrich 2005: 40)

(7) Der Wert ist also ein Ausdruck für die Arbeitshaltigkeit, die sich in der Vergleichbarkeit über die Tauschwerte zeigt. Die Wertgröße ist festgelegt durch die Quantität der gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen Arbeit (Zeitdauer) (MEW 23: 53 f. )
„Wie aber mißt man Arbeitsquanta? Nach der Dauer der Arbeitszeit, indem man die Arbeit nach Stunde, Tag etc. mißt. Um dieses Maß anzuwenden, reduziert man natürlich alle Arbeitsarten auf durchschnittliche oder einfache Arbeit als ihre Einheit. [...]
Die Größe ihres Werts oder ihr relativer Wert hängt ab von der größeren oder geringeren Menge dieser in ihr enthaltnen gesellschaftlichen Substanz; d.h. von der zu ihrer Produktion notwendigen relativen Arbeitsmasse“ (MEW 16: 123)

(8) Das bedeutet aber nicht, dass diese Wertgröße einfach empirisch mit einer Stoppuhr festgestellt werden könnte. Es geht nicht darum, wie lange eine konkrete empirische Person an einer Ware arbeitet, sondern es geht um die gesellschaftlich durchschnittliche Arbeitszeit für die Gesellschaft in einem konkreten historischen Entwicklungsabschnitt. Die Werte der unterschiedlichen Waren stehen in einem bestimmten Verhältnis, auch „Wertgesetz“ genannt:
„Der Wert einer Ware verhält sich zum Wert jeder andren Ware wie die zur Produktion der einen notwendigen Arbeitszeit zu der für die Produktion der anderen notwendigen Arbeitszeit.“ (MEW 23: 54, vgl. MEW 13: 18)

(9) Wie groß die Wertgröße ist, d.h. wieviel menschliche Arbeit gesellschaftlich durchschnittlich gebraucht wird, verändert sich mit der weiter entwickelten Technik und neuen Formen der Arbeitsorganisation. Wenn wir unter Produktivkraft die “schöpferische Kraft, die produktive Tätigkeit der Individuen auf allen Stufen der historischen Entwicklung“ (Jaeck 1978: 62) verstehen, so gilt:
„Je größer die Produktivkraft der Arbeit, desto kleiner die auf eine gegebne Menge Produkt verwendete Arbeit; desto kleiner also der Wert des Produkts.“ (MEW 16: 127)

(10) Daraus ergibt sich die Tendenz zum Sinken der Werthaltigkeit in den Waren bei sich entwickelnder Arbeitsproduktivität.

(11) Letztlich gibt es in allen Gesellschaftsformen ein Interesse daran, den Zeitaufwand für die Produktion der notwendigen Güter zu reduzieren („Ökonomie der Zeit“), bzw. über den Zeitaufwand und den Aufwand anderer Ressourcen (z.B. ökologischer) zu entscheiden. In allen Gesellschaftsformen hat die Arbeit einen gesellschaftlichen Charakter und es wird „gesellschaftliche Arbeitskraft“ verausgabt (vgl. MEW 19: 375). Marx betont aber ausdrücklich, dass dieser gesellschaftliche Arbeitscharakter sich „nur in einer historisch entwickelten Form“ (ebd.) ausdrückt, nämlich im Kapitalismus. Warum ist der Wert „nur eine bestimmte historische Form“ des „gesellschaftlichen Charakter[s] der Arbeit (ebd.)? Nur hier liegen jene Voraussetzungen vor, unter denen sich der Austausch der zur Bedürfnisbefriedigung notwendigen Güter in Form eines Warenaustauschs abspielen muss. Denn die Produzenten sind vereinzelt („Privatproduktion“) und der Zweck ihrer Produktion ist der Verkauf, nur mittelbar der Gebrauchswert für den Käufer. „Nur Produkte selbständiger und voneinander unabhängiger Privatarbeiten treten einander als Wagen gegenüber.“ (MW 23: 57). Unter anderen Voraussetzungen nimmt der gesellschaftliche Charakter der Arbeit keine Wertform an.

Tauschwert und Wert

(12) Wenn wir die Kategorien „Tauschwert“ und „Wert“ vergleichen wollen, so haben wir folgende Unterscheidungen entwickelt:

(12.1) Re: Tauschwert und Wert, 12.12.2008, 14:24, Bernd Mullet: Kritisieren möchte ich bitte hier den Satz: "Der Tauschwert kommt den Waren zufällig im Austausch zu ..." Richtiger ist: "Der Tauschwert kommt den Waren willkürlich zu ...", da berücksichtigt werden muss, dass sich hier 2 Handelspartner gegenüberstehen. Jeder von ihnen hat einen mehr oder minder dringenden Bedarf, den er mit einem Eigentum des jeweils anderen decken will und er dafür bereit ist, eigenes Eigentum aufzugeben. Der Tauswert bzw. der Preis, hängt also zum Einen von der Dringlichkeit bzw der Erheblichkeit / Erforderlichkeit des Bedarfs ab. Danach richtet sich, zu welchem Gegenwert der Eigentümer einer Sache bereit ist, seinen Eigentum aufzugeben. Die Andere Seite ist die, die oben bereits angedeutet wurde, nämlich, welchen Wert der Arbeiter seiner Arbeit zumisst, welche damit bereits selbst wieder ein Handelsgut darstellt und für welchen Gegenwert er bereit ist, das Eigentum am Produkt seiner Arbeit aufzugeben. Es ist schlicht eine Vereinbarung der Handelspartner über den Preis. Somit ist die Festsetung eines Tauschwertes nicht zufällig sondern willkürlich, sprich vom Willen - bzw. auch der Bedürftigkeit für ein Gut - der Handelspartner abhängig.

(12.1.1) Zufällig, 31.01.2009, 12:58, Dieter Nake: Stolperstein „zufällig“. Danke Bernd. Ich glaube hier kommt der Tauschwert auch bei Annette zu kurz. In MEW 23 S. 50 lese ich: „Der Tauschwert erscheint zunächst als ein quantitatives Verhältnis, die Proportion, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen, ein Verhältnis, das beständig mit Zeit und Ort wechselt. Der Tauschwert scheint daher etwas Zufälliges und rein Relatives“ (kursiv DN). Weiter S. 53 (im Folgenden immer MEW 23) lese ich: „Das Gemeinsame, was sich im Austauschverhältnis oder Tauschwert der Ware darstellt, ist also der Wert. Der Fortgang der Untersuchung wird uns zurückführen zum Tauschwert als der notwendigen Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Werts, ...“ (kursiv DN). Diese Untersuchung führt Marx ab S. 62 unter 3. „Die Wertform oder der Tauschwert“ von der einfachen, einzelnen oder zufälligen Wertform über die entfaltete Wertform hin zur allgemeinen Wertform und zur Geldform. S. 80 wird ausgeführt „Die erste Form (einfache, einzelne, zufällige Wertform Einfügung DN)...... kommt offenbar praktisch nur vor in den ersten Anfängen, wo Arbeitsprodukte durch zufälligen und gelegentlichen Austausch in Waren verwandelt werden.“ Diese Wertform mit ihrer Zufälligkeit ist für die im „Kapital“ untersuchte kapitalistische Produktionsweise aber nicht relevant. Marx entwickelt seine Analyse von der Sichtbarkeit an der Oberfläche, dem Tauschwert scheint Zufälligkeit anzuhaften, hin zum Wesen des Tauschwertes, und das ist, notwendige Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Werts zu sein. Die Eigenschaft der Zufälligkeit haftet dieser Wertform nach meinem Verständnis nur in einem vorkapitalistischen Entwicklungsstadium an und könnte damit nur sekundär den Tauschwert bestimmen.# Die Preisvereinbarung der Handelspartner, so schreibst Du, Bernd, sinngemäß, geschieht nach deren Willen, also willkürlich. Du setzt das mit der Festsetzung eines Tauschwertes gleich. Dabei hast Du übersehen, dass Annettes Texte zum Fortgang der „Kapital“-Analyse noch gar nicht beim Preis angekommen waren und das Tauschwert und Preis keine Synonyme sind. Siehe dazu Annettes Kapitel zum Tauschwert.# Zurück zur Willensfreiheit der kapitalistischen Handelspartner. Die ist gegeben, aber nur eingeschränkt. Sie müssen im Normalfall oder Durchschnittsfall mit dem Preis mindestens die Kosten der Waren decken und ein Gewinn oder Profit muss im Normalfall auch heraus kommen, sonst können die Handelspartner in Bälde Insolvenz anmelden. Obwohl wir jetzt dem Fortgang der Analyse in diesem Projekt vorgegriffen haben, meine ich, dass Willensfreiheit oder Willkür beim Warentausch so gering oder sekundär ist, dass es nicht dem Wesen des Tauschwertes zugeordnet werden kann.

(13) Wie verhalten sich nun die Inhalte der Kategorien „Arbeitskraft“, „Arbeit“ und „Wert“ zueinander? Während die Arbeitskraft potentiell, d.h. der Möglichkeit nach Arbeit verrichten kann, ist die Arbeit der wirkliche Prozess der Herstellung von Gütern selbst. Und während dieses Prozesses der Arbeit wird Wert gebildet.
„Arbeitskraft ist mögliche zukünftige Arbeit, Arbeit ist die gegenwärtige Verwirklichung und Verausgabung von Arbeitskraft, Wert ist vergangene und vergegenständlichte Arbeit.“ (Haug 1989: 102).

(14) Arbeit im Kapitalismus erzeugt Waren mit den oben diskutierten widersprüchlichen Momenten. Die Begründung für die Widersprüchlichkeit der Waren liegt in ihrem Produktionsprozess, den wir im Folgenden genauer diskutieren wollen. Vorher jedoch fassen wir zusammen, was wir über die „Ware“ und ihre Momente festgestellt haben.

(15) Weiter mit "Ware II"


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