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Zur Wissenschaftstheorie

Maintainer: Annette Schlemm, Version 1, 24.11.2006
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(A.S. - Stand 22.11.06)

(1) Beim Nachlesen eines Buches über die Entstehung der Allgemeinen Relativitätstheorie (Renn 2006) begegnete mir im 1. Kapitel erstmals die Bezeichnung "Mentales Modell" als wichtige Komponente von wissenschaftlichen Theorien, die eine besondere Rolle in der Entwicklung der Wissenschaft spielen. Ich versuche im Folgenden, das Wichtigste dazu zu notieren und es dabei in eine umfassender Wissenschaftstheorie einzuordnen.

Die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung

Die Aufgabe der Wissenschaft

(3) Wissenschaftliche Erkenntnis ist nicht einfach die Verallgemeinerung von Wahrnehmungsinhalten. Bereits in der DDR-Wissenschaftsphilosophie wurde der "Mensch als Persönlichkeit und der Freiheitsgewinn des einzelnen" (Hörz, Wessel 1988: 14) als Grundlage der Wissenschaft betrachtet. Es geht dabei nicht nur um eine Kenntnisnahme der Welt, sondern primär um die objektive Erforschung ihrer Veränderbarkeit (vgl. Laitko 1979: 84) im Interesse der Menschen.

(4) Menschliche Existenz erfordert nicht nur das Nutzen vorhandener Naturressourcen, sondern die gesellschaftlich-praktische Umgestaltung der eigenen Lebensbedingungen. Das bedeutet, dass umfassende Zusammenhänge zwischen Zuständen und Prozessen und deren Existenz- und Wirkungsbedingungen bekannt sein müssen. Schon natürliche Veränderungen der Umwelt können nur in ein rationales Weltbild eingeordnet werden, wenn die wesentlichen Zusammenhänge von relativ stabilen Zuständen und ihre Bedingungen sowie deren Verhalten bei Bedingungsänderungen bekannt sind. Für bewusste Eingriffe ist dieses Wissen ebenso notwendig. Das Wechselspiel von Stabilität und Veränderung wird in der Wissenschaft nicht nur beschrieben, sondern es muss in seinen wesentlichen Grundlagen und Zusammenhängen begriffen werden. Wissenschaft zielt darauf, hinter den wechselnden Erscheinungen zur Erkenntnis wesentlicher Zusammenhänge zu kommen, denn: "[...] alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen [...]. (Marx Kap. III: 825)

(4.1) 11.02.2007, 20:24, Hans-Gert Gräbe: Einspruch: "Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich nur darin zurechtfinden." (A. Einstein) Die "Umgestaltung der eigenen Lebensbedingungen" kann auch ganz oder tw. ohne "rationales Weltbild" erfolgen. Außerdem ist unklar bzw. auf dem Hintergrund je eigenen Erfahrungswissens suspekt, ein solches "rationales Weltbild" zu bemühen, ohne dessen Genese als Kohärenzprozess individuellen menschlichen "Raisonnierens" dauerhaft im Blick zu behalten. Das kommt mir hier im ganzen Text deutlich zu kurz.

(4.1.1) 12.02.2007, 19:34, Annette Schlemm: Es geht nicht um irgendein "man", sondern die Menschheit. Und ohne das, was wir heutzutage doch unter "Wissenschaft" kennen, wäre kaum ein Stück unsrer Technik machbar. Und auch zur Orientierung verwendet jeder Mensch inzwischen Wahrnehmungsmodi, die er/sie aus den wissenschaftlichen Entwicklungen der Menschheit heraus als "normal" kennen gelernt hat (z.B., dass wir den Raum als euklidisch gestaltet wahrzunehmen vermeinen, obwohl wir Längen in die Gerade oder der Tiefe rein physio-neurologisch anders wahrnehmen).
Es geht wirklich um die menschliche Dimension der Umgestaltung der Lebensbedingungen, und die ist durch Bewußtheit bestimmt, die nicht auf instrumentelle Rationalität beschränkt ist.

(5) Wissenschaft ist deshalb nicht lediglich eine Abspiegelung dessen, was uns in der Welt begegnet, sie ist keine kontemplative Verdopplung der Welt in Form von Wissen oder eine "Übersetzung" natürlicher Gegebenheiten in eine Symbolsprache, sondern sie zielt auf das Erkennen der hinter den Erscheinungen wirkenden Zusammenhänge, die z.B. als Gesetze erfasst werden. Dazu bedienen sich die WissenschaftlerInnen verschiedener Methoden.

(5.1) 11.02.2007, 20:24, Hans-Gert Gräbe: ... wobei diese Zusammenhänge wenigstens potenziell wieder Erscheinungen noch komplexerer Zusammenhänge sind und dies ad infinitum.

(5.1.1) 12.02.2007, 20:02, Annette Schlemm: Ja und?
Es ist tatsächlich kennzeichnend für die neuzeitliche Wissenschaft, aus all dem, "was alles zusammenhängt", einiges zu unterscheiden und auch zu trennen. Aber jeweils auf begründete, konkret kritisierbare und veränderbare Weise (was z.B. bei den vielen historischen Versuche, physikalische Grundgrößen zu bestimmen, nachzulesen ist). Dabei werden "Schnitte" gemacht, die so in der Welt da draußen nicht vorliegen - aber letztlich geht das Ganze von der Voraussetzung aus, dass es in der Welt in aller Zusammenhänglichkeit doch bezüglich verschiedener Fragestellungen relativ stärkere und relativ schwächere Zusammenhänge gibt (z.B. macht es Sinn, physikalische von biologischen Bewegungsformen zu unterscheiden, den Elektromagnetismus von der Gravitation, auch wenn die entwickeltesten Formen von Wissenschaft deren Zusammenhänge wieder zum Thema machen) und dass eine Unterscheidung von Wesentlichem und Unwesentlichem (z.B. beim freien Fall: das Medium wird als unwesentlich bestimmt) sinnvoll ist (solange man nicht vergisst, dass das Ergebnis kein Spiegel der Welt ist). Ohne solche Voraussetzungen ist Wissenschaft, zumindest in der jetzigen Form als Einzelwissenschaft, nicht möglich.

Wissenschaftliche Erkenntnismomente

(6) Wissenschaftliche Theorien, als wichtigste Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit, durchlaufen in ihrer Entwicklung verschiedene Momente[1] wie Hypothesen, Modelle, Experimente, usw. In der Wissenschaftstheorie - soweit sie nicht nur die Ergebnissaussagen der Wissenschaft in logischer oder sprachlicher Weise analysiert - wird vorwiegend das Zusammenwirken dieser Momente untersucht. Einige dieser Momente sind recht gut auf folgende Weise bestimmt:

(6.1) 11.02.2007, 20:25, Hans-Gert Gräbe: M.E. - siehe (graebe 2000) - geht die Stufung so: Beobachtungen und Experimente, Aufdecken von Regelmäßigkeiten, (A) Verdichten zu Gesetzmäßigkeiten, Zusammenfügen zu eine Theorie, Quantifizierung der Theorie im Kalkül, Beobachtungen und Experimente auf der quantitativen Ebene der neuen Theorie. Wobei (A) den Abstraktionsschritt markiert, wo das Raisonnieren über die Erscheinungen zum Raisonnieren über die Zusammenhänge wechselt.

(6.1.1) 12.02.2007, 19:35, Annette Schlemm: Vertrittst Du wirklich so eine "positivistische" Wissenschaftsauffassung? Meinst Du, ohne schon theoretisch bestimmte Vorherannahmen "reine" Beobachtungen oder Experimente machen zu können?
Aus meiner Sicht läßt sich das Ganze nicht wirklich linear und gleich gar nicht von einem Ausgangspunkt aus aneinanderketten. Die Zusammenhänge dieser Momente sind viel komplexer, für den "Normalzustand" der Wissenschaft dann auch anders als in revolutionierenden Phasen.
Ich denke, es ist nicht sehr aussichtsreich, ein einziges "Modell" der Theorienentwicklung ableiten zu wollen, die SRT entstand anders als die ART, und diese wiederum anders als die Quantentheorie usw. (und in der Biologie ist es dann schon wieder ganz anders...) Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten, aber ich bin da sehr vorsichtig. Es haben sich immer wieder Wissenschaftstheorien entwickelt, die aus angeblichen Verallgemeinerungen der wissenschaftlichen Praxis heraus dann den Wissenschaftlern Vorgaben machen wollten...
Naja und Wissenschafter selbst sind auch oft geneigt, Einzelausschnitte schnell zu verallgemeinern...

(7) Theorien: Reproduktion des Konkreten und seiner wesentlichen Bestimmungen mit und im wissenschaftlichen Denken unter Einschluss praktischer Erfahrungen und der Ergebnisse von Beobachtungen bzw. Experimenten (Hörz, Wessel 1988: 164); = Erklärung der untersuchten Prozesse (Erkenntnisbereich) durch die Zusammenfassung der erkannten wesentlichen Beziehungen und Gesetze (Erkenntnisgegenstand) zu einem Gesetzeswissen mit den entsprechenden Existenz- und Wirkungsbedingungen (ebd.: 167) [2]

(8) Hypothesen: wissenschaftlich begründete Annahmen über experimentell noch nicht untersuchte und theoretisch noch nicht erfasste Sachverhalte (ebd.: 171)[3]

(9) Beobachtung: Form erkennend-theoretischer Tätigkeit, die sich auf Wahrnehmungsprozesse im Zusammenhang mit der Reizaufnahme und -verarbeitung gründet (ebd.: 164f.);

(10) Experiment: objektiver Analysator der Wirklichkeit, wobei die Wahrnehmungen bzw. Messungen festgelegter Eigenschaften und Beziehungen unter teilweise kontrollierten und vom Erkenntnissubjekt bewusst variierten Bedingungen ablaufen (ebd.:167);

(11) Modell: materielle oder ideelle (Re-)Produktion von möglichen und wirklichen Objekten, Prozessen, Eigenschaften, Beziehungen und Funktionen, durch die ein Erkenntnissubjekt mittels Analogien (Homologien) oder das Nutzen solcher Analogien in anderen materiellen oder ideellen Systemen zur Beherrschung des modellierten Originals. (ebd.: 168f.) Es werden dabei nur bestimmte Seiten des Originals zweckbestimmt erfasst, nicht alle.[4]

(12) Gedankenexperiment: ideelle Modellierung wirklicher bzw. möglicher (eventuell nicht verwirklichbarer) Experimente, wobei der Gegenstand der Untersuchung das ideelle Modell wirklicher oder möglicher Objekte bzw. Prozesse (ihrer Beziehungen, Eigenschaften, Funktionen) unter idealisierten Bedingungen mittels idealisierter "Geräte" ist (ebd.: 171).

Dialektik der Wissenschaftsgeschichte - Beispiel SRT

(13) In der Entwicklung der Wissenschaft werden immer wieder neue Theorien entwickelt, deren Verhältnis zu den früheren unterschiedlich bewertet wird. Häufig wird der Bruch mit den jeweils früheren Theorien überbewertet (so auch bei vielen Verwendungen des Kuhnschen Paradigmenbegriffs oder in postmodernen Sichtweisen). Eine dialektische Sichtweise betrachtet die Aufeinanderfolge der Theorien wie beispielsweise der Newtonschen Mechanik und der Speziellen Relativitätstheorie als dialektische Aufhebung (siehe hierzu Hörz, Pöltz 1980: 61ff.). Als Entwicklungswiderspruch der Theorie[5] wirkt hier, dass in der Newtonschen Mechanik das Galileische Relativitätsprinzip[6] gilt, während die Maxwellgleichungen der Elektrodynamik mit diesem Prinzip nicht vereinbar sind. Das zeigt sich auch in dem logischen Widerspruch, dass in der Newtonschen Mechanik die Geschwindigkeit größer als die Lichtgeschwindigkeit sein kann und dass gleichzeitig die Lichtgeschwindigkeit innerhalb der für die Elektrodynamik geltenden Lorentz-Transformation[7] nicht größer werden kann als die Lichtgeschwindigkeit.

(14) Durch das Michelson-Experiment ergibt sich als Lösung für diesen Widerspruch die Aussage, dass die Geschwindigkeit nur kleiner oder gleich der Lichtgeschwindigkeit sein kann. Die Formeln der Newtonschen Mechanik und der Speziellen Relativitätstheorie haben dabei eine interessante Beziehung. Immer, wenn das Verhältnis v/c (Geschwindigkeit durch Lichtgeschwindigkeit) gegen Null geht (wenn also die Geschwindigkeit gegenüber der Lichtgeschwindigkeit sehr klein wird), gehen die Formeln der Speziellen Relativitätstheorie in jene der Newtonschen Mechanik über. Das Verhältnis v/c kann also als Maß im Übergang von der alten Qualität (Newtonsche Mechanik) zur neuen Qualität (Spezielle Relativitätstheorie) gelten (Hörz, Pöltz 1980: 64). Zwischen den aufeinander folgenden Theorien besteht ein Korrespondenzprinzip, die allgemeinere enthält die vorhergehende als Sonderfall.

(14.1) 11.02.2007, 20:25, Hans-Gert Gräbe: Illustriert (5.1). Der vermeintliche Zusammenhang (Newtonsche Physik) wird zur Erscheinung (Grenzwert) eines umfassenderen Zusammenhangs. Damit hat aber die Newtonsche Mechanik auch als Zusammenhang mitnichten ausgedient!

(14.1.1) 12.02.2007, 19:38, Annette Schlemm: Nein, ein umfassendereres Gesetz macht das enthaltene Gesetz nicht zu seiner Erscheinung. Es sind einfach Wesenszüge jeweils anders bestimmter Gegenstandsbereiche, aber für diese Gegenstandsbereiche WESENTliche Beziehungen und nicht plötzlich "nur" Erscheinungen. Wichtig ist der jeweilige Zusammenhang eines Gesetzes mit SEINEN Bedingungen, die dann auch den jeweiligen Gegenstandsbereich abstecken. Den Charakter eines Gesetzes behält ein Gesetz auch, wenn übergreifende Gesetze entdeckt werden.

Einschub: Gibt es eine Einzelwissenschaft der Entwicklung?

(15) Die Aufeinanderfolge wissenschaftlicher Theorien über die Lösung von Problemantimonien ist keine unmittelbare Widerspiegelung objektiver dialektischer Widersprüche. Es gab in der DDR-Wissenschaftsphilosophie streitbare Debatten darüber, ob die Gegenstände der Naturwissenschaften selbst als sich dialektisch widersprechende widergespiegelt werden oder nicht. Hörz und Pöltz schreiben: "Zu beachten ist, daß sich diese Widersprüche nicht auf die von der Physik erfaßte Wirklichkeit beziehen, also nicht den physikalischen Objekten selbst eigen sind." (Hörz, Pöltz 1980: 65).

(16) Dem entspricht die Analyse von Wahsner und von Borzeszkowski (1992), dass speziell die Physik ihre Grundgrößen gerade so bildet, dass jeweils Momente der widersprüchlichen Welt so unterschieden werden, dass sie in logisch nicht widersprüchlichen Gleichungen wesentliche Zusammenhänge des Gegenstandsbereiches erfassen können. Dieser Gedanke wurde schon von Peter Ruben ausgearbeitet, der die Bildung der Grundgröße Geschwindigkeit untersuchte, die "Entdialektisierung" dabei beschrieb und schließlich betonte, dass im Experiment, also in der tätigen Arbeit der Wissenschaftler, erst wieder ein Widerspruch als realer Widerstreit der Menschen gegen die Natur hergestellt wird (Ruben 1969: 168). Bei Hörz und Pöltz heißt es: "Die Beziehung von Produktion und Wissenschaft besitzt dialektisch-widersprüchlichen Charakter und wirkt so als Antrieb von Wissenschaft und Produktion." (Hörz, Pöltz 1980: 62).

(17) Wird der Gedanke des Ausschlusses des Widerspruchs, bzw. der Verteilung seiner Momente auf unterschiedene Grundgrößen der Physik ("Dualisierung" nach Wahsner und von Borzeszkowski) jedoch ernst genommen, so ergibt sich, dass die Physik auf dieser Grundlage nicht wirklich widersprüchliche Entwicklungszusammenhänge erfassen kann. "Es gibt keine Entwicklungsphysik!" (Wahsner 2002, S. 114) Natürlich gibt es Wissenschaftsformen wie Kosmologie oder Evolutionsbiologie und Geschichtswissenschaft. Soweit dabei jedoch die Methode der entdialektisierenden Grundgrößenbildung vorgenommen wird (z.B. in ökonomischen Theorien), wird Entwicklung damit nicht erfassbar sondern das Verstehen von Entwicklung braucht dann immer die Einführung zusätzlicher Annahmen, die nicht selbst in der Theorie enthalten sind.

Das Entstehen einer Theorie - Beispiel ART

(18) Der Weg von den Tatsachen zur Theorie ist weder eine Einbahnstraße von anscheinend rein empirischen Tatsachen über eine induktive Verallgemeinerung zu den Theorien noch eine Ableitung der Tatsachen aus vorausgesetzten theoretischen Axiomen. Einstein spricht davon, dass jeweils Ausgangshypothesen durch die Erlebniswelt selbst nahe gelegt werden. Aus den Ausgangshypothesen werden Konsequenzen abgeleitet, die sich dann wiederum in der Praxis zu bewähren haben. Albert Einstein verdeutlichte den Erkenntnisweg in folgender Zeichnung:

(19)



Abb.1.: Einsteins Beschreibung des Erkenntniswegs (Hörz, Wessel 1988: 177)

(20) In einer etwas erweiterten Form bedeutet dies, dass praktische Erfahrungen und theoretische Aussagen sich wechselseitig voranbringen. Einstein selbst schreibt dazu: "Der Glaube an eine vom wahrnehmenden Subjekt unabhängige Außenwelt liegt aller Naturwissenschaft zugrunde. Da die Sinneswahrnehmungen jedoch nur indirekt Kunde von dieser Außenwelt bzw. vom "Physikalisch-Realen" geben, so kann dieses nur auf spekulativem Wege von uns erfaßt werden. Daraus geht hervor, daß unsere Auffassungen vom Physikalisch-Realen niemals endgültige sein können. Wir müssen stets bereit sein, diese Auffassungen, d.h. das axiomatische Fundament der Physik, zu verändern, um den Tatsachen der Wahrnehmungen auf eine logisch möglichst vollkommene Wiese gerecht zu werden." (Einstein 1953: 207-208) Es waren tatsächlich nicht irgend welche Tatsachen, die den früheren Theorien entgegen gestanden und Einstein zur Erarbeitung seiner neuen Theorien veranlasst hätten.

(21) Einstein spricht bei der Erarbeitung der jeweils neuen Axiome und theoretischen Grundlagen auch von "freie[n] Erfindungen des menschlichen Geistes" (ebd.: 151). Hier erweist sich sein eigener Ratschlag jedoch als unerlässlich: "Wenn Ihr von der theoretischen Physikern etwas lernen wollt über die von ihnen benutzten Methoden, so schlage ich Euch vor, am Grundsatz festzuhalten: Höret nicht auf ihre Worte, sondern haltet Euch an ihre Taten!" (ebd.: 148). Denn es wurde anhand Einsteins eigenen Aufzeichnungen herausgearbeitet, in welcher Weise Einstein selbst umfangreiches physikalisches Grundlagenwissen erarbeitet wurde, und inwieweit er verschiedenste Wege ausprobiert hatte, bis er schließlich auf verschlungenen Wegen zur richtigen und entscheidenden Feldgleichung kam (vgl. Renn 2006). Dabei ist mehrmals aufeinanderfolgend ein "Wechselspiel zwischen [...] Assimilation an Strukturen höherer Ordnung und deren Modifikation aufgrund von Erfahrung" (ebd.: 314) zu beobachten.

(22) Es ergibt sich ein Bild der Theorienentwicklung, das den angedeuteten Zyklus zwischen theoretischen Momenten und der Erfahrung mehrmals durchläuft, wobei Hypothesen mit der Wirklichkeit konfrontiert und entsprechend dem Ergebnis weiter entwickelt bzw. verworfen werden oder in eine neue Theorie münden.

(23)



Abb. 2: Erkenntniszyklus (Hörz, Wessel 1988: 179)

Zum Wahrheitsanspruch von Wissenschaft

(24) Seit Kant wäre es naiv anzunehmen, dass Wissenschaft die Welt so abbilden kann, wie sie "wirklich ist", d. h. als Welt "an sich" - wie sie ohne unsere Welterkenntnis wäre. Auch die Quantentheorie zeigt, dass "den ontologischen Aussagen für bestimmte Konzepte und Größen die jeweiligen erkenntnistheoretischen Bedingungen hinzugefügt werden" (Röseberg 1994: 131) müssen. Trotzdem ist die Bildung der Konzepte und Größen nicht willkürlich-beliebig, sondern folgt einer gewissen Logik, die sich nicht zuletzt dem wirklichen Verhalten der Welt außerhalb unserer Selbst angemessen sein muss, wenn es sich um Erkenntnis handelt. Der Gegenstand wissenschaftlicher Arbeit ist nicht die Welt "an sich", sondern unsere wirkliche Wechselwirkung im Veränderungs- und Erkenntnisprozess, bei der die äußere Welt durchaus nicht beliebig verformbar ist, sondern uns Widerstand entgegensetzt, der die Eigenqualität der äußeren Welt deutlich macht und die von naiv realistischen Ansichten als alleiniger Gegenstand der Wissenschaft angenommen wird (siehe dazu auch Schlemm 2005).

(24.1) Re: Zum Wahrheitsanspruch von Wissenschaft, 02.12.2006, 17:52, Annette Schlemm: Dazu gibts inzwischen auch einen ausführlicheren Text:
http://www.opentheory.org/kf_wahrheit/text.phtml

(24.2) 11.02.2007, 20:27, Hans-Gert Gräbe: Muss sie "dem wirklichen Verhalten der Welt" oder nur dem für unsere praktischen Belange erforderlichen Teil "angemessen sein"? Ersteres würde ein abstraktes Erkenntnisinteresse, zweiteres die Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen in den Mittelpunkt stellen. Eine kleine, aber m.E. wichtige Nuance. Jenseits der Frage, ob bzw. in welchem Ausmaß es "das wirkliche Verhalten der Welt" in einem theoretisierbaren Sinn einer "objektiven Wahrheit" überhaupt gibt.

(24.2.1) 12.02.2007, 19:40, Annette Schlemm: Ich wollte mit dem "wirklichen Verhalten der Welt" gerade auch dafür plädieren, dass es auch etwas von da draußen gibt, das in unsere Theorie von der Welt, wie sie nun mal ist, hineinspielt und nicht nur von uns und unseren Interessen und unseren Belangen konstituiert wird, wie das der radikale Konstruktivismus meint.
Dass all unsere Wissenschaft nur Moment unserer Praxis ist und nicht außerhalb steht, ist vorausgesetzt. Aber in dieser Praxis sind nicht nur wir und unser Verhalten, sondern auch Verhalten von Objekten, die wir nicht vollständig konstituieren.

(24.2.2) 12.02.2007, 20:08, Annette Schlemm: Ich denke auch nicht, dass ein Interesse, das nicht direkt "unsere praktischen Belange" berührt, dann "abstrakt" ist. Was ist bei Dir eigentlich der Unterschied zwischen "praktisch" und "abstrakt"? Ich kann das gar nicht gegenüber stellen, denn auch das Abstrahieren ist als Methode eine, die Bestandteil menschlicher Praxis ist.

(25) Auch unter Berücksichtigung der Überlegungen aus den Science Studies, die den "Zusammenhang des epistemischen Status von Wissenschaft und ihrer institutionellen Stellung in der Gesellschaft" (Scharping 2001:9) untersuchen und davon ausgehen, dass auch das wahre Wissen sozial konstruiert ist, läuft die soziale Konstruktion nicht im luftleeren Raum ab, sondern gerade aus der Art und Weise der Konstitution von Wissen lässt sich auf die Konstituenten selbst - und damit auch die Wirklichkeit - zurück schließen (wenn auch tatsächlich keine Erkenntnis der Welt, "so wie sie ohne unsere Erkenntnis wäre" zu erreichen ist). Wie Röseberg jedoch schreibt, gehört zum Inhalt einer inhaltlichen Aussage über die Welt auch die Transparenz der jeweiligen verwendeten Denk- und Erkenntnismittel. Dazu gehören nicht zuletzt auch mentale Modelle.

(25.1) 11.02.2007, 20:28, Hans-Gert Gräbe: ... was eine "inhaltliche Aussage über die Welt" jenseits eines Praxiskontexts auch immer sei. Deine Ausführungen zur Entwicklung der ART in der hier beschriebenen Form ergeben z.B. nur im Praxiskontext der modernen akademischen Physik überhaupt einen Sinn.

(25.1.1) 12.02.2007, 19:43, Annette Schlemm: Natürlich, denn eine andere Praxis dazu gibt es nicht. Wo ist da das Problem? Du scheinst mir etwas entgegen halten zu wollen, verstehst aber nicht, dass mein Text genau Dein Anliegen erfüllt, weil Du Dich nicht darauf einläßt.
Wenn ich davon spreche, dass die Denk- und Erkenntnismittel transparent sein müssen, geht es genau darum zu zeigen, welche Voraussetzungen unsererseits in die Erkenntnis eingehen.
Anders herum wirst Du mir doch sicher auch zustimmen, das auch "etwas von der Welt" in unsere Erkenntnis einfließt, dass unsere Erkenntnis NICHT NUR durch uns konstituiert wird, oder? (sonst hätten wir einen faszinierenden Widerspruch: Dass Du einerseits eine positivistische Methodologie vertrittst, andererseits bezüglich unseres Zugangs zur Wirklichkeit radikal konstruktivistisch denkst. ;-) )

Mentale Modelle und Paradigmen

(26) Die Einsteinsche Theorie zeigt in besonderer Weise die Rolle von Prinzipien, wie den Relativitätsprinzipien, bei der Erarbeitung einer neuen Theorie. G. Holton ergänzte die Überlegungen von Einstein durch die Berücksichtigung der sog. "Filter". Diese "Filter" sorgen dafür, dass nicht alle beliebigen Einfälle als neue Axiome einer Theorie angenommen werden. Diese Ergänzung wird weiter komplettiert durch die Einbeziehung von philosophischen Prinzipien, methodologischen Prinzipien, Postulaten und Weltbildern, wie in der Abbildung 2 (Hörz, Wessel 1988: 179).

(27) Im Lehrbuch "Philosophie und Naturwissenschaften" ist dem Thema "Forschungsorientierung durch Denkmuster" ein ganzes Kapitel gewidmet (ebd.: 180ff.). Als derartige Denkmuster werden genannt "Weltbilder,", "Denkstil", "Archetyp", "Paradigma" oder "Forschungsprogramm". Inhaltlich sind einige dieser Benennungen auf folgende Weise bestimmt:

Das Paradigma der Paradigmen

(28) Unter Paradigmen versteht Kuhn "anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen liefern." (Kuhn 1999: 10). Der Begriff trägt in sich nicht nur die Feststellung, dass es vorbildhafte Konzepte gibt, sondern ist vor allem deshalb bedeutend, weil er sich gegen jene Auffassungen richtet, die in der Wissenschaftsgeschichte eine fortschreitende Kumulation von immer angemessenerem Wissen über die Welt sehen. Kuhn dagegen betont das "offenbar willkürliche Element, das sich aus zufälligen persönlichen und historischen Umständen zusammensetzt" als "ein formgebender Bestandteil der Überzeugungen, die von einer bestimmten wissenschaftlichen Gemeinschaft in einer bestimmten Zeit angenommen wird." (ebd.: 19)[8]

(29) Er greift dabei die Tatsache auf, dass Theorien nicht einfach die Verallgemeinerung von Fakten sind, sondern dass stets theoretische Vorannahmen (wie z.B. Raum-Zeit-Vorstellungen, sowie metrisierte Meßgrößen etc.) in die wissenschaftliche Erfahrung eingehen, so dass die "Wirklichkeit" der Wissenschaften nicht einfach ein Bild der Welt, wie sie "an sich" wäre, liefert, sondern stets das Ergebnis der Wechselwirkung aktiver Subjekte mit den durch sie auch mitbestimmten Objekten. Die Wissenschaftsgeschichte ist nach Kuhn durch die Aufeinanderfolge von Phasen sog. "normaler Wissenschaft", in der vor allem Fakten innerhalb des gerade gegebenen Paradigmas gesammelt werden und neue Phänomene eher systematisch übersehen werden, und Phasen von revolutionären Umbrüchen, in denen vor allem die Paradigmen ausgewechselt werden und dadurch ganz neue Fakten in den Blick geraten bzw. geschaffen werden. In das Paradigma gehen die "Erfahrungen des Menschengeschlechtes, der ... betreffenden Kultur und schließlich der Fachwissenschaft" (ebd.: 139) ein.

(30) Als Ausgangspunkt für den Wechsel von einer normalen zu einer revolutionären Phase sieht Kuhn vor allem Anomalien. (ebd.: 65ff.) Dem folgt die "Wucherung von Versionen einer Theorie" (ebd.: 85), woraus sich auch Vorschläge für neue Paradigma ergeben. Das alte und neue Paradigma stehen in Konkurrenz, ein altes wird höchstens dann für ungültig erklärt, wenn ein neues vorhanden ist (ebd.: 90). Das Urteil zwischen ihnen wird auf Grundlage eines Vergleichs der beiden Paradigma (und ihrer Theorien) und dem Vergleich der neuen Theorie mit der Natur getroffen (ebd.). Bisher scheint diese Sichtweise noch ganz gut mit der oben genannten dialektischen Sichtweise verträglich zu sein. Der entscheidende Unterscheid betrifft die Ablehnung des Korrespondenzprinzips im wissenschaftstheoretischen "Paradigma der Paradigmen". Kuhn spricht von der "Inkommensurabilität[9] konkurrierender Paradigma" (ebd.: 161) und gibt zu bedenken, dass die veraltete Theorie zwar als Spezialfall der moderneren Nachfolgerin angesehen werden kann, aber er verweist darauf, dass sich dabei fundamentale Strukturelemente verändern. Er schließt daraus, dass "jene Männer, die Kopernikus verrückt nannten, weil er verkündete, daß die Erde sich bewege [...] nicht ganz und gar im Unrecht [waren]. Was sie unter "Erde" verstanden, war unter anderem feste Position. Zumindest ihre Erde konnte sich nicht bewegen. Dementsprechend bestand Kopernikus' Neuerung nicht einfach darin, die Erde in Bewegung zu versetzen. Es war vielmehr eine völlig neue Art und Weise, die Probleme der Physik und Astronomie zu betrachten, eine Art, die notwendigerweise die Bedeutung sowohl von "Erde" wie auch von "Bewegung" veränderte." (ebd.: 160f.)

(31) Begriffe verändern ihre Bedeutung. In Einsteins Gleichung ist eine Masse gemeint, die sich in Energie verwandeln kann, was für die Newtonsche Masse nicht gilt. (vgl. Einstein 1953: 170) Eine wissenschaftliche Revolution ist "eine Verschiebung des Begriffsnetzes" (ebd.: 115). Daten werden jeweils nach dem herrschenden Paradigma interpretiert: "Als Aristoteles und Galilei schwindende Steine betrachteten, sah der erste einen gehemmten Fall, der zweite ein Pendel" (ebd.: 133). Sogar die Definition der entsprechenden Wissenschaft verändert sich; es verändert sich auch, was überhaupt als ein zu lösendes Problem angesehen wird (hier sind dann gesellschaftliche Einflüsse maßgeblich). Wissenschaftliche Revolutionen im Sinne eines Paradigmenwechsels wandeln auch das Weltbild, denn Paradigmen bestimmen auch, "welche Entitäten es in der Natur gibt und welche nicht, und wie sie sich verhalten" (ebd.: 121). Das betrifft natürlich nicht die objektiv-reale Welt, aber "wenn auch die Welt mit dem Wechsel eines Paradigmas nicht wechselt, so arbeitet doch der Wissenschaftler danach in einer anderen Welt" (ebd.: 133).[10]

(32) Wenn die Theorien nicht in einer korrespondenzartigen Beziehung stehen, sondern inkommensurabel sind, steht der Fortschritt der Wissenschaftsentwicklung in Frage. Kuhn selbst meint: "Bei wissenschaftlichen Revolutionen gibt es Verlust und Gewinn, und Wissenschaftler neigen dazu, gegenüber dem Verlust besonders blind zu sein." (ebd.: 178) Einen roten Faden haben die einander abwechselnden Paradigmen aber doch: sie bewahren "eine große Zahl der konkretesten Bestandteile vergangener Leistungen" und gestatten "immer zusätzliche Problemlösungen" (ebd.: 181). Was Kuhn auf jeden Fall vermeiden möchte, ist aber eine Bezugnahme auf die "reale" Natur. Fortschritt in der Wissenschaft kann Verbesserungen in Problemlösungen bedeuten - aber es läßt sich nach Kuhn nicht behaupten, dass Wissenschaft "eine bessere Darstellung dessen sei, was die Natur wirklich ist" (ebd.: 217). [11]

(33) Wahrscheinlich ist es nicht richtig, die Inkommensurabilität gegen den Korrespondenzgedanken auszuspielen. Es ist genauer zu bestimmen, in welcher Weise dies beiden Bestimmungen in der konkreten Wissenschaftsentwicklung eine Rolle spielen. So gibt es nach Einstein beim Übergang von der Newtonschen Mechanik zur Speziellen Relativitätstheorie durchaus eine Unverträglichkeit, denn "der Begriff der Wechselwirkungskraft [...] verliert seine Grundlage, weil er auf demjenigen der absoluten Gleichzeitigkeit beruht" (Einstein 1936: 332).

(34) An anderer Stelle jedoch (für die Entstehung der Allgemeinen Relativitätstheorie) betont Einstein mehrmals, dass er im Unterschied zu anderen Physikern davon ausging, dass das Galileische Trägheitsgesetz gelten muss und die neue Theorie eine solche Verallgemeinerung sein soll, dass sie die frühere Theorie als Sonderfall enthält. Er forderte: "Es mußte doch eine neue Formulierung des Trägheitsgesetzes gefunden werden, die im Falle des Fehlens eines wirklichen "Gravitationsfeldes bei Anwendung eines Inertialsystems" als Koordinatensystem in die Galileische Formulierung des Trägheitsprinzips überging." (Einstein 1953: 179) Das zeigt sich schließlich auch an der fertigen neuen Theorie: "Jene Verallgemeinerung der Metrik [...] beruht im Wesentlichen darauf, daß die Metrik der speziellen Relativitätstheorie für kleine Gebiete auch im allgemeinen Fall noch Gültigkeit beanspruchen kann." (ebd.: 175) Jürgen Renn zeigte, dass Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie im Unterschied zu den Versuchen anderer Autoren, die Probleme zu lösen, gerade durch dieses Festhalten am Galileischen Trägheitsprinzip für den Sonderfall, also der Korrespondenz, Erfolg hatte. (vgl. Renn 2006: 204ff., 229, 233)[12]

Mentale Modelle

(35) Siehe Extratext dazu.

Anmerkungen

(36) [1] Vor allem Hypothesen und Modelle können auch "Bindeglieder" innerhalb des Erkenntnisprozesses genannt werden (vgl. Hörz, Pöltz 1980: 130f.)

(37) [2] Zum Vergleich die Bestimmung aus dem "Handlexikon zur Wissenschaftstheorie": Theorie = wissenschaftliches Lehrgebäude, gesichertes Wissen... (Handlexikon: 368)

(38) [3] Hypothesen, Beobachten, Experiment sind kein Thema im "Handlexikon". Das Problem der Übereinstimmung von Theorie und Wirklichkeit wird hier in den Stichworten "Bewährung", "Falsifizierbarkeit"; "Erklärung" u.ä. abgehandelt. "Erfahrung" wird aus der alltagsprachlichen Bedeutung abgeleitet und für wissenschaftliche Erfahrung wird lediglich eine "einschränkende Normierung... mittels theoretischer oder experimenteller Vorgriffe" (50) thematisiert.

(39) [4] Vergleiche im "Handlexikon": alltagssprachlich: "etwas, das für etwas anderes steht, das etwas anderes in gewisser Weise ersetzt", wissenschaftlich: "X ist ein Modell des Originals Y für den Verwender k in der Zeitspanne t bezüglich der Intention Z." (219) Es gibt eine sehr ausgefeilte Modelltheorie dazu.

(40) [5] auch diskutiert unter der Bezeichnung "Problemantinomie" (Narski 1973, Röseberg 1984)

(41) [6] Gesetze der Newtonschen Mechanik haben in allen gleichförmig-geradlinig gegeneinander bewegten Inertialsystemen (Bezugssystem, in dem Trägheitskräfte verschwinden und das sich frei und unbeschleunigt bewegt) dieselbe Form.

(42) [7] Koordinatentransformation, bei welcher die Maxwellschen Gleichungen forminvariant bleiben.

(43) [8] In einer Nachschrift von 1969 schlägt Kuhn vor, den Begriff des Paradigmas von dem der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu trennen, um subjektivistische und idealistische Tendenzen zu vermeiden (Kuhn 1999: 186f.)

(44) [9] inkommensurabel: nicht mit demselben Maß messbar.

(45) [10] Dazu, inwiefern die Wirklichkeit der Physik sich von der Welt unterscheidet, siehe Wahsner, von Borzeszkowski 1992.

(46) [11] "Meines Erachtens gibt es keine von Theorien unabhängige Möglichkeit, Ausdrücke wie "wirklich vorhanden" zu rekonstruieren; die Vorstellung von einer Übereinstimmung zwischen der Ontologie einer Theorie und ihrem "realen" Gegenstück in der Natur scheint mir jetzt prinzipiell trügerisch zu sein." (ebd.: 218)

(47) [12] Speziell als Hilfsmittel für die Auswahl aus mathematisch möglicher Konstruktionen bei der Formulierung der neuen Feldgleichung war das Korrespondenzprinzip für Einstein heuristisch richtungsleitend (vgl. Renn 2006: 240). Gleichzeitig lässt sich am Beispiel der Entstehung der Allgemeinen Relativitätstheorie zeigen, wie stark der Bedeutungswandel wichtiger Grundbegriffe geht und dass Einstein ca. zwei Jahre lang, zwischen 1913 und 1915, in der später wieder verworfenen sog. "Entwurfstheorie" das neue Wissen noch in klassischen Begriffen erfasste bevor die umfassende begriffliche Neuinterpretation gelang (Renn 2006: 262ff.) Renn betont, dass gerade die heuristische Verwendung des Korrespondenzprinzips den Realismus der Einsteinschen Theorie stärkt (ebd.: 283).

Literatur

(48)
Einstein, Albert (1936): Physik und Realität. Journal of The Franklin Institute. 221 (1936) No.3. S. 212-347.
Einstein, Albert (1953): Mein Weltbild. Zürich, Stuttgart, Wien: Europa-Verlag.
Handlexikon zur Wissenschaftstheorie. Hrsg. von Helmut Seiffert und Gerard Radnitzky. München: Deutscher Taschenbuchverlag 1992.
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