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Krieg dient der polit-oekonomischen Interessendurchsetzung - Frieden auch!

Maintainer: Sergej Netschajew, Version 1, 09.03.2003
Projekt-Typ:
Status: Archiv

Krieg dient der Durchsetzung polit-ökonomischer Interessen - Frieden auch!

(1) Die Proteste und der Unmut gegen den (drohenden) Irak-Krieg, als Ausdruck der Ablehnung von systematischer Gewalt gegen Menschen, finden die VerfasserInnen dieses Textes äußerst sympathisch. Trotzdem gibt es einige Fehlvorstellungen und Irrtümer bei den KriegsgegenerInnen, welche wir im folgenden Text aufgreifen und kritisieren wollen.

"Sperrt den deutschen Luftraum!" ...

(2) ... aber auch "Für ein NEIN Deutschlands im UN-Sicherheitsrat!": Dies sind Forderungen, mit denen weite Teile der KriegsgegnerInnen auftreten. Auffällig ist dabei, dass diese sich offen positiv auf den deutschen Staat zur Verwirklichung von Frieden berufen. Jedoch hat eben dieser Staat im Jahre 2001 gegen Afghanistan und 1999 gegen Serbien mit der gleichen, demokratisch legitimierten Regierung Krieg geführt. Dies dürfte den KriegsgegnerInnen durchaus noch in Erinnerung sein. Warum sind Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer (B´90/Grüne) seit der Toten durch die Bombardements in Kabul und Belgrad Freunde des Friedens geworden? Was hinter den medial wirksam präsentierten Friedensparolen von Frankreich, Belgien und Deutschland gegen die Kriegspläne der USA steckt, ist nicht pazifistischer Absicht. Der Grund, warum die drei EU-Staaten und Russland gegen die USA friedlich in Stellung gehen, liegt in ihren politischen Interessen im Nahen Osten, welche eben mit denen der USA nicht identisch sind. Während die USA im Irak eine US-freundliche Regierung installieren wollen, um ihre Interessen zu wahren, ist die derzeitige Regierung im Irak für die Interessen der deutsch-französischen Achse durchaus passabel.

Wenn ich esse, wirst Du nicht satt!

(3) Nationalstaaten handeln nämlich nicht, wie in politischen Sonntagsreden immer wieder formuliert, "als Verbündete" oder in "(deutsch-amerikanischer, deutsch-französischer) Freundschaft", sondern stehen in Konkurrenz zueinander. Sollten wirklich einmal Bündnisse von Staaten entstehen, so geschieht dies nicht aus Zuneigung, Nächstenliebe oder "Völkerfreundschaft" dem anderen Nationalstaat gegenüber, sondern aus reinem Eigeninteresse. Die staatliche Konkurrenz ist ein Resultat aus der Verwaltung der menschlichen Konkurrenz. Diese ist notwendiges Beiwerk seit der Entwicklung des freien Warenverkehrs im 17. und 18. Jahrhundert in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika. Während vorher in feudaler Subsistenzwirtschaft gesellschaftlich notwendige Güter produziert wurden, organisieren sich die Menschen bis heute ihr gesellschaftliches Zusammenleben in freier Konkurrenz.1 Im Rahmen dieses freien Warenverkehrs ist dabei der individuelle Vorteil des Einen der Nachteil anderer Menschen ("Wettbewerb"). Dies wird beschönigend freie Marktwirtschaft genannt und dem ist jedes Individuum unterworfen. Der unbegrenzte Vorteilsdrang der warenproduzierenden und -tauschenden Individuen kann zu Verhaltensweisen führen, die dem Tausch (Gleiches für Gleiches) entgegenstehen (wie z.B. Diebstahl, Betrug etc.). Es wird deshalb eine Organisation notwendig, welche Verhältnisse schafft, in denen der Warenverkehr ungestört funktionieren kann. Diese Verwaltung der Warenverhältnisse muss die freie Konkurrenz ermöglichen, also gesetzlich festschreiben und mittels Gewalt durchsetzen. Der beschriebene Verwalter dieser zurichtenden Konkurrenz ist der moderne Nationalstaat, dessen (eventuell gewählte) VertreterInnen wiederum ihre nationalen Interessen gegen die anderer Nationalstaaten durchsetzen wollen. Dies ergibt sich notwendig aus folgendem Zusammenhang: Ein florierender Warenhandel ist für den ihn verwaltenden Nationalstaat von Vorteil, denn so kann die weitere Organisation der betreuten Verhältnisse gelingen. Der durch die Konkurrenz gesetzte Zwang zur permanenten Steigerung des eigenen Gewinnes führt die warenhandelnden Individuen dazu, über den "eigenen" Nationalstandort hinaus profitable Geschäfte zu betreiben. Dies wird notwendig, da die eigene, stetig gesteigerte Produktion nicht endlos Absatz findet (Konsumtion). Expansion und gewinnbringende wirtschaftliche Kontakte zu den ökonomischen VertreterInnen anderer Nationalstandorte gewährleisten also eine bessere nationale Volkswirtschaft: Durch Steuern, die in Zeiten eines wirtschaftlichen Hochs vermehrt fließen, wird für die weitere Existenz des Verwalters gesorgt. Daraus folgt als Konsequenz für den Nationalstaat, profitable Geschäfte nicht nur nach innen, sondern auch nach außen zu verwirklichen.

Wenn wir trinken, habt ihr noch Durst!

(4) Zur Durchsetzung nationaler Interessen in Zeiten, in welchen die volkswirtschaftliche Lage stetig wächst, stehen Diplomaten bereit, in Krisenzeiten eine Armee. Dies gilt für alle Nationalstaaten, und es würde auch für solche gelten, die sich erst formieren ("befreien") wollen (Tschetschenien, Palästina, Baskenland). Daraus folgt: Die Staaten, welche aufgrund fortgeschrittener Ökonomie (d.h. ihrer hohen Produktivität) über bessere Möglichkeiten zur gewalttätigen Durchsetzung (z.B. bessere Waffen) verfügen, werden ihre Interessen situationsabhängig auch gegen schwächere Staaten einsetzen oder es versuchen (und evtl. scheitern). Ob dies offen gewalttätig, also militärisch abläuft, oder diplomatisch unter Androhung von Gewalt, ggf. wirtschaftlichem Boykott, hängt je vom Interesse des intervenierenden Staates ab. Kommt es zu einem militärischen Intervenieren eines Staates, werden diejenigen Staaten, die mit diesem konkurrieren, sich je nach Eigeninteresse entweder an dem Angriff beteiligen oder gegen diese Intervention agitieren ... mit dem Argument, diesen Konflikt doch bitte friedlich zu lösen.2 Das bedeutet längst nicht, dass diese - gerade in einer defensiven Position steckenden - Staaten bzw. ihre RepräsentantInnen sich ein schönes Leben für alle Menschen auf dieser Erde wünschen oder sich in irgendeiner Verantwortung der "Bombentoten in Dresden und Hamburg verantwortlich" fühlen. Dies ist nur die moralische Argumentation einer durchaus kriegsbereiten Nation in Lauerstellung. In concreto: Der Kriegspropaganda der USA wird die des Friedens von Deutschland und Frankreich gegenübergestellt. Die Interessen der genannten Staaten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die USA wollen den Irak, welchen sie mitaufgerüstet haben, entwaffnen, inkl. dessen Präsidenten. Die deutsch-französische Achse, die offenbar noch mehr am militärischen Aufbau des Iraks beteiligt war, lieber nicht; schließlich wären die derzeitigen ertragreichen wirtschaftlichen Beziehungen gestört. Die "Erklärung der Acht" (Italien, Spanien...), sich hinter die USA zu stellen, beweist auch nur einmal mehr, dass die EU, wie von den meisten EU-BürgerInnen angenommen, keine "europäische Wertegemeinschaft" ist, sondern ein Zusammenschluss konkurrierender Staaten, welche sich im Zweifel lieber dem vielversprechenderen Bündnispartner zuwenden.

Guten Appetit und Prosit für alle!

(5) Staatsgeschäft ist immer nationale Interessenvertretung, welcher zu Grunde liegt, optimale Warenverwertungsverhältnisse zu gewährleisten. Dies kann je nach Situation und Stärke des Nationalstaates kriegerisch oder friedlich ablaufen und gilt für jeden Nationalstaat. Also nicht nur für die USA, Israel oder Großbritannien, wie es in vielen Köpfen hierzulande verbreitet ist, sondern auch für Deutschland, Irak, Kenia oder Nepal. Deshalb ist es auch horrender Unsinn, den drei erstgenannten Staaten vorzuwerfen, es würde ihnen nur um ihre Interessen gehen, den letztgenannten aber nicht! Mag sein, dass ein Leben in Frieden zunächst angenehmer für das lebende Individuum ist. Das mögliche Glück der Individuen jedoch (wie es vielleicht auch vielen KriegsgegnerInnen im Grunde vorschwebt), welches nur in vernünftig eingerichteten Verhältnissen ohne Zwangskollektive (Staat) und Verwertungslogik gewährleistet werden kann, findet in der Debatte um Krieg und Frieden keinen Platz. Nun könnte dem eben gesagten entgegengehalten werden: "Aber Moment mal! Ein Leben in friedlichen Warenverwertungsverhältnissen ist immer noch besser als kriegerische Konflikte!" Eine solche Position beinhaltet die Annahme, dass Krieg nur ein Betriebsunfall ansonsten vernünftiger Verhältnisse ist. Zu dieser Annahme haben sich die VerfasserInnen dieses Textes oben bereits geäußert; die Warenverhältnisse sind in ihrer Konstitution bereits durch Gewalt vermittelt. Es ist eine verkürzte Sicht, nur zwischenstaatliche Gewalt zu kritisieren, welche doch lediglich eine Konsequenz aus den generell gewaltvermittelten Verhältnissen ist. Wer dies nicht reflektiert und weiterhin für "den" Frieden oder gegen "den" Krieg auf die Straße geht, der macht sich, bewusst oder auch unbewusst, zum Unterstützer eines außenpolitischen Interesses. Wer sich, einfach ausgedrückt, ein schönes Leben für alle Individuen wünscht, dem sollte nach dieser Lektüre klar geworden sein, dass der (deutsche) Nationalstaat dafür kein Garant sein kann, da es ihm lediglich um die Gewährleistung optimaler Warenverwertung geht, er damit dem Glück und Wohl des Einzelnen unversöhnlich gegenübersteht. Wer sich letzteres ernsthaft wünscht und für Veränderungen für diesen Wunsch bereit ist, dem kann es nicht genügen, für Frieden zu demonstrieren. Er/sie sollte die Verhältnisse auf- und angreifen, die Denk- und Handlungskategorien wie Krieg und Frieden hervorbringen!

Mäck Reiän und Tomm Hänkz (für Kritik: sleepless0302@yahoo.de)

1 Hier soll - beim Jupiter - keine Partei für die Subsistenzwirtschaft ergriffen, sondern ein historischer Vorgang umrissen werden!
2 Selbstverständlich ist auch der Fall denkbar, in welchem ein (militärischer) Konflikt keine Bedeutung für einen Nationalstaat darstellt und dieser sich neutral verhält. Etwa der Fall Venezuela: Der dortige Regierungschef Chavez, sonst ein populärer Gegner amerikanischer Außenpolitik, verhält sich im Fall Irak auffällig ruhig. Der für seinen Staat wichtige Ölhandel spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Wenn die Lieferungen aus dem Nahen Osten - so wohl seine Spekulation - im Falle eines langjährigen Krieges ausfallen, dann könnten die nachfragenden Unternehmen vielleicht nach Südamerika schielen...


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