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Selbstorganisation im Alltag mit Kindern

Maintainer: susanne kaffeekanne, Version 1, 29.02.2008
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Selbstorganisation im Alltag mit Kindern

(1) Selbstorganisation ist in Teilen der Linken ein wichtiger Bezugspunkt. Sowohl zur Verbesserung des alltäglichen Lebens im Hier und Jetzt (z.B. mit weniger Geld auskommen und somit weniger Zeit für Erwerbsarbeit aufwenden müssen), als auch als Wegweiser in Richtung einer möglichen nicht kapitalistisch organisierten Gesellschaft.

(2) Für die Einzelne gibt es auch heute schon zahlreiche Möglichkeiten selbstorganisierten, oder zumindest von eigener Erwerbsarbeit unabhängigen, Lebens: Trampen als Fortbewegungsmittel, Voküs und Containern um satt zu werden, WG-Hopping statt eigenem Zimmer, Leben ohne Krankenversicherung u.ä.

(3) Treten dann jedoch Kinder in das eigene Leben ein verändert sich die Situation gravierend, weil die Gesellschaft im allgemeinen und auch die Linke im besonderen kaum Rücksicht auf die Bedürfnisse von Kindern und deren Bezugspersonen nimmt. Sehr schnell wird mensch dann auf das eigene kleinfamiliäre Dasein zurückgeworfen und/oder ist angewiesen auf kinderspezifische Angebote wie Krippen, Kindergärten und Schulen. Mit der Vorstellung vom generationenübergreifenden, gleichberechtigten und selbstbestimmten Zusammenleben aller, wie sie in der Linken häufig propagiert wird, haben die letztgenannten Einrichtungen meist wenig zu tun.

(4) Meist beschäftigt mensch sich entweder mit der Selbstorganisationsfrage *oder* der Frage wie ein gleichberechtigtes Leben mit Kindern aussehen kann (Stichwort: Nicht-Erziehung). Aber wie geht beides zusammen?

(5) Daher die Frage: Wie kann Selbstorgansiation im Alltag mit Kindern aussehen? Wie können die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kindern und Ältern* berücksichtigt werden, ohne daß sie in gänzlich getrennten Welten leben müssen (Kindergarten/Schule vs. Erwerbsarbeitsplatz)?

(6) Eine klassische Lösung ist wohl die Einverdienerfamilie: Ein Älternteil ist erwerbstätig, um die Finanzierung der Familie zu sichern, während das andere Älternteil mit den Kindern 'zu Hause' bleibt, zumindest solange bis die Schulpflicht greift. Bei dieser meist geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung hat die Kinderbetreuungsperson dann die Möglichkeit verschiedene Elemente von Selbstorganisation in den eigenen Alltag einzuflechten, wie z.B. den Aufbau einer Eltern-Kind-Gruppe gemeinsam mit Gleichgesinnten o.ä. Doch der eigene Haushalt will auch noch gemanagt werden und frißt viel Kraft und Zeit, so daß es oft schwer fällt da raus zu kommen. Und wie gesagt: meist läuft die Arbeitsteilung in diesen Familien geschlechtsspezifisch ('Der Mann verdient nun einfach mal mehr als ich.'), was mit dem Ideal der Gleichberechtigung nicht vereinbar ist. Und vielleicht will mann ja auch mehr Zeit mit den Kindern verbringen und frau einer außerhäuslichen Tätigkeit nachgehen? Grad der Selbstorganisation: sehr niedrig.

(7) Eine andere Möglichkeit: WG-Leben. Hilft bei der Selbstorganisation in Bezug auf Haushaltsführung (wenn's gut läuft), senkt die Lebenshaltungskosten und ermöglicht vielleicht auch die (meist leider nur kurzzeitige) Kinderbetreuung durch Nicht-Ältern oder Ältern anderer Kinder. Insbesondere wenn andere Kinder mit in der WG wohnen, vereinfacht sich der Alltag, da Ältern nicht erst Verabredungen und Treffen mit anderen Kindern organisieren müssen. Ungeklärt bleibt aber auch hier die Frage nach den Finanzen: die Miete und Essen müssen bezahlt werden und vieles andere auch. Grad der Selbstorganisation: besser als bei der klassischen Einverdienerfamilie, aber auch nicht besonders toll.

(8) Zwischenbemerkung: Natürlich lassen sich viele Selbstorganisationsmöglichkeiten auch mit Kindern nutzen: Umsonstläden, Food-Coops u.a. Aber vieles geht eben auch nicht: Trampen zum Beispiel.

(9) Oder vielleicht lieber: ein Haus- und Hofprojekt. Gemeinsam mit mehreren anderen Ältern (auf jeden Fall mehr als in einer WG) und einer Handvoll Kinder ein Haus bewohnen und beleben. Neben den mehr oder weniger privaten Schlafzimmern gibt es eine ganze Reihe gemeinschaftlich genutzter Räume. Zu allererst natürlich Küche und Wohnzimmer, aber auch Spiel- und Musikzimmer, Mal- und Bastelraum, vielleicht eine Werkstatt. Wenn das Haus genug Platz bietet können auch weitere öffentliche Räume eingerichtet und von Menschen aus der Umgebung genutzt werden. Wenn es die Beteiligten wollen, kann dieser Bereich beispielsweise als Lernzentrum genutzt werden: Kleine und Große kommen den Tag über zusammen und beschäftigen sich mit den Dingen, die sie gerade interessieren. Dazu müssen die Räume natürlich entsprechend ausgestattet sein. Aber selbst wenn es klein anfängt: wichtig ist die eigene Motivation aller zu berücksichtigen. Der Garten sollte gefahrlos bespielbar sein und möglichst allen ohne Barrieren zugänglich sein. Wenn mit dem gemeinsamen Leben auch gemeinsames Wirtschaften einhergeht und mensch nicht auf sich allein zurückgeworfen ist bei der Sicherung des Lebensunterhalt, dann ist ein erfreulicher Grad der Selbstorganisation erreicht.

(10) Soviel zur Utopie und der Richtung, die mir anstrebenswert erscheint. Natürlich gibt es auch jetzt bereits viele spannende Ansätze, die ein selbstorgansisiertes Leben mit Kindern ermöglichen: z.B. die Traumschule in der Altmark (http://veg.gs/de/wiki/traumschule) oder das Rockzipfel-Projekt in Leipzig (http://rockzipfel.unerzogen.de).

(11) Bin neugierig auf mehr ... und auf Anregungen und Kritik zu diesem Text.

(11.1) zum ganzen Text:, 01.03.2008, 14:43, Benni Bärmann: Mir ist der positive Bezug auf "Selbstorganisierung" in diesem Kontext nicht ganz klar. Eine Kleinfamilie ist ja erstmal durchaus "selbstorganisiert". Oder wer organisiert die?

Aber prinzipiell hast Du sicherlich recht, wenn Du meinst, dass es um so relaxter mit Kindern wird, je mehr davon zusammen mit halbwegs gleich tickenden Eltern auf einem Haufen sind. Ein bisschen in die Richtung haben wir schonmal hier diskutiert: http://www.keimform.de/2006/10/16/wertfrei-im-alltag-heute-kleinkindbetreuung/

Im aktuellen unerzogen-magazin gibt es einen Artikel (leider nur kostenpflichtig erhältlich), wo das Thema abgehandelt wird unter dem Stichwort "getrennte Lebenswelten" von Kindern und Erwachsenen und wie genau diese Trennung viel Streß erst erzeugt. Das ist sicherlich richtig, aber andersrum wünsche ich mir schon auch mal was alleine machen zu können und ich glaube auch Kinder haben diesen Wunsch (ok, das geht jetzt garnicht zu Deinem Text hier, sondern zu dem Artikel).

Ansonsten finde ich noch einen Ansatz ganz spannend, wie es bei der Freien Schule Frankfurt läuft. Die haben eine Art institutionalisierte Besuchsregelung nach der Schule. Die Kinder entscheiden da dann immer spontan wo sie hin gehen und übernachten dann auch oft da. Ich kenne das aber (noch) nicht aus der Praxis, bin da gespannt drauf, wie das werden wird (Mein Sohn kommt im Sommer an die Schule).

(11.2) Grad der selbstorganisation, 01.03.2008, 16:05, Rüdiger --: Ich bestreite das der Grad der selbstorganisation in einer wg, vor allem da mit kindern, höher sei als der, wenn man nur mit dem partner zusammen lebt. Ok, man muss dann zwar nicht so viel selbst erldigen, die kosten können gesenkt werden - jedoch auch nicht soo immens - und man hat daher mehr zeit zuhause und muss nicht so viel arbeiten. ABER, lebt man mit anderen menschen unter einem dach, muss man sich in bereichen unterordnen, in denen man, aufgrund einer leichten abstimmung mit dem partner, nie probleme hätte. Soll heissen, man nutzt beispielsweise räume gemeinsam, hat aber unterschiedliche vorstellung von der art der nutzung. Man wird, wenn es eine faire entscheidungsfindung gibt(was schon schwer genug ist mit personen, die das leben mit einem nicht so teilen wie ein partner) das ein oder andere mal überstimmt und muss sich anpassen. Ein klares minus für die selbstorganisation. Die Liste der beispiele lässt sich hier beliebig weiter führen. Insbesondere wenn es auf den punkt: was ist gut für "das" kind - kommt. Hier können konfilikte so manches mal nicht mit einfacher abstimmung gelöst werden, da die standpunkte äußerst individuell und sehr grundlegen sind. Mit dem partner ist das viel unproblematischer. Man hat also unterschiedliche typen von zwängen, die die selbstorganisation beeinträchtigen. Der eine wäre der materielle sachzwang, wenn man zu zweit als eltern organisiert ist. Der in der wg/ kommune ist der soziale, oder sogar auch materielle zwang, dem man sich unterordnen muss, zumindest im sozialen stärker als beim partner. Ich persönlich fände es unangehmer, entscheidungen, zb über die erziehung der kinder, hinzunehmen, die andere nicht mit meinem einverständniss ausführen, als etwas mehr zu arbeiten um mich und die familie zu ernähren/alle sachzwänge zu erfüllen. Ausserdem werden diese sachzwänge, wenn man glück hat, von neutralen institutionen gemildert. hier kommen andere forderungen an staat und gesellschaft zum tragen, die wohl ein extra kapitel darstellen.


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