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»GNU/Linux is not a thing of value - and that is fine!«

Maintainer: Stefan Meretz, Version 1, 10.09.2000
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

PLEASE

(1) This is a german-english translation project. Do not comment the CONTENT of the text until the project is announced as »final release«.

(1.1) Re: PLEASE, 27.01.2002, 01:16, Benja Fallenstein: 36 von 72 zu übersetzenden Absätzen (ohne (1), (55) und (56)) haben einen Kommentar... Halbzeit ;-)

(1.1.1) Re: PLEASE, 01.02.2002, 16:34, Stefan Meretz: Applaus!!!

(1.2) Re: PLEASE, 09.07.2005, 19:04, Stefan Merten: With a little luck this project is continued as a Oekonux_translation_project

(1.2.1) Re: PLEASE, 22.11.2005, 12:10, Ano Nym: Hey, cool! You relicensed it under the CC-BY license.

(2) Man versteht wie etwas ist, wenn man versteht wie es geworden ist. Daher beginne ich mit einem kurzen Rückblick in die (Vor-) Geschichte Freier Software. Im zweiten Kapitel befasse ich mich mit der Frage, wie Freie Software ökonomisch in unser Wirtschaftssystem, den Kapitalismus, einzuordnen ist. Hieraus gewinne ich Kriterien für die Beleuchtung der scheinbar konträren Positionen von E. S. Raymond und R. M. Stallman, die stellvertretend für prominente Strömungen Freier Software stehen. Ich schließe ab mit einer Betrachtung der individuellen Handlungsmöglichkeiten und der Rolle, die Freie Software dabei spielen kann.

(2.1) 12.05.2001, 12:49, Stefan Meretz: One understands how something is, if one understands how it had come into existence. Therefore I start with a short review of (pre-) history of free software. In the second chapter I discuss the question how free software fits into our economical system of capitalism. From that I gain criteria for an examination of apparently contrary positions of E. S. Raymond and R. M. Stallman -- both standing for prominent movements of free software. I finish with a view on individual action possibilities and the role free software can play with them.

1. Eine kurze Geschichte Freier Software

(3) Es gibt freie Software, weil es unfreie Software gibt. Unfreie Software ist »proprietäre Software«, also Software, die einem Eigentümer gehört [1]. Das wäre nicht weiter schlimm, würde die Tatsache des Privateigentums an Software nicht zum Ausschluß anderer führen. Der Eigentümer schließt andere von der Nutzung der Software aus, um ein knappes Gut zu erzeugen. Das geht bei Software relativ einfach durch Zurückhalten des Quellcodes des Programms. Nur knappe Güter besitzen Tauschwert und lassen sich zu Geld machen. Das ist das Funktionsprinzip des Kapitalismus [2]. Ich komme darauf zurück.

(3.1) 1. A Short History of Free Software, 20.09.2000, 20:31, Thomas Uwe Grüttmüller: There is *free* software, because there is *unfree* software. Unfree software is "proprietary software", which means, it is software that is owned by someone[1]. That would not be bad so far, if the fact of this private property on software would not lead to the exclusion of others. The software owner prevents others from using the software, in order to create a scarce good. To turn software into a scarce good is relatively simple, you just have to hold back the source code of the program. Only scarce goods are of monetary value, so that cash can be made. This is the operational principle of capitalism[2]. I will come back to this, later.

(4) Unfreie wie freie Software gibt es noch nicht lange, gerade einmal ca. 20 Jahre. Die Entstehung unfreier wie freier Software versteht man, wenn man in Vorgeschichte schaut. Im Kalten Krieg, wir befinden uns in den 50er Jahren, wurde zwischen den USA und der Sowjetunion verbissen um die ökonomische Vorherrschaft gerungen. Vorherrschaft hatte damals eine militärische und eine symbolische Komponente, beide waren oft miteinander verwoben. So war es ein ungeheuerlicher Vorgang, als es der Sowjetunion 1957 gelang, den Sputnik in die Erdumlaufbahn zu schießen. Davon erholten sich die USA mental erst 1969, als sie es waren, die den ersten Menschen zum Mond brachten.

(4.1) 12.05.2001, 13:11, Stefan Meretz: Unfree and free software yet does not exist long, even once approx. 20 years. One understands the emergence of unfree and free software, if one looks in prehistory. In cold war, we are in the 50's, the USA and the Soviet Union stubborn struggled for the economic supremacy. At that time supremacy had a military and a symbolic component, often both intertwined. So it was an enormous event, when Soviet Union 1957 succeeded to shoot the Sputnik into the earth orbit. Not until 1969 USA mentally recovered from this shock, when they were it, which brought first humans to the moon.

(5) Der Sputnik wurde als technologische Niederlage erlebt. Sofort begannen hektische Aktivitäten, um den vermeintlichen Rückstand aufzuholen. 1958 wurde die ARPA (Advanced Research Projects Agency) gegründet, die die Aufgabe hatte, die Forschungsaktivitäten zu koordinieren und zu finanzieren. In einem Klima der Offenheit und Innovationsfreude wurden in der Folgezeit zahlreiche seinerzeit revolutionäre Produkte geschaffen, von denen ich zwei herausheben möchte, weil sie für die Freie Software eine besondere Bedeutung bekommen sollten: das Internet und das Betriebssystem UNIX (beide 1969). In diese Phase der staatlich finanzierten und koordinierten Forschung fällt auch die Festschreibung zahlreicher Standards, die heute noch Bestand haben [3].

(5.1) 20.09.2000, 21:16, Thomas Uwe Grüttmüller: The Sputnik was experienced as technological defeat. Immediately, hectic activities started, in order to catch up the alleged arrears. In 1958, the ARPA (Advanced Research Projects Agency) was created in order to coordinate and finance the research activities. In a climate of frankness and innovation joy, numerous revolutionary products have been created during the next years. I would like to point out two of them, because they have got a special meaning for the free software: the Internet and the operating system UNIX (both 1969). In this phase of the nationally financed and coordinated research, also numerous standards have been set, which are still valid, today [3].

(6) Zum staatlichen Interesse an starken Standards kam das geringe Interesse der Computerindustrie an der Software. Computerindustrie war Hardwareindustrie, Software war Beiwerk zum Hardwareabsatz. Das änderte sich erst Ende der Siebziger Jahre als Computer immer leistungsfähiger wurden und Software auch eigenständig vermarktbar zu werden begann. In dem Maße, in dem Software zur profitablen Ware wurde, zog sich der Staat aus den Innovationen zurück. Um die je eigene Software verwerten zu können, mußte der Quelltext [4] dem Konkurrenten und damit auch dem User verborgen bleiben. Software war nur als proprietäre Software profitabel. Mit offenen Quellen hätte sich zum Beispiel Microsoft nie als monopolartiger Moloch etablieren können. Staatsrückzug und Privatisierung von Software bedeuteten jedoch auch eine Aufweichung von Standards. So entstanden in der Folge sehr viele zu einander wenig oder gar inkompatible Unix-Versionen (AT&T, BSD, Sun, HP, DEC, IBM, Siemens etc.).

(6.1) 12.05.2001, 13:41, Stefan Meretz: The national interest in strong standards was complemented with small interest of the computer industry in software. Computer industry was hardware industry, software were trimmings to the hardware sales. This situation changed at the end of the seventies when computers performance increases and software started to be independently put on market. To the same extend as software begun to be a profitable commodity, the state withdrew themselve from innovations. In order to be able to make profit from software, the source code [4] had to remain hidden from the competitor and also from the user. Software was only profitable as proprietary software. With open sources Microsoft for example never would have established itself as monopoly-like Moloch. However, state withdrawal and privatisation of software also indicated a softening of standards. Thus as a consequence a lot of less compatible or incompatible Unix versions (AT&T, BSD, Sun, HP, DEC, IBM, Siemens etc.) were created.

(7) Die Konsequenzen für den universitären Forschungsrahmen waren verheerend. Wo früher freier Austausch von Ideen herrschte, wurden jetzt Forschende und Lehrende gezwungen, Kooperationen zu beschränken oder ganz zu unterlassen. Software als Ergebnis von Forschungsaktivitäten durfte nicht mehr dokumentiert werden, sobald es über proprietäre Software an Firmen oder Patente gekoppelt bzw. selbst für die Patentierung vorgesehen war. Richard Stallman beschreibt diese Situation so:

»1983 gab es auf einmal keine Möglichkeit mehr, ohne proprietäre Software einen sich auf dem aktuellen Stand der Technik befindenden Computer zu bekommen, ihn zum Laufen zu bringen und zu nutzen. Es gab zwar unterschiedliche Betriebssysteme, aber sie waren alle proprietär, was bedeutet, daß man eine Lizenz unterschreiben muß, keine Kopien mit anderen Nutzern austauschen darf und nicht erfahren kann, wie das System arbeitet. Das ist eine Gräben öffnende, schreckliche Situation, in der Individuen hilflos von einem ‘Meister’ abhängen, der alles kontrolliert, was mit der Software gemacht wird.« (Stallman 1999).

(7.1) 19.09.2000, 08:22, Stefan Meretz: The consequences for research work at universities were devastating. Where in former times free exchange of ideas prevailed, researching and instruction were forced to reduce cooperations or omit them completely. Software as a result of research activities could not be documented any more, as it was coupled to companies or patents via proprietary software or it was intended for patenting itself respectively. Richard Stallman describes this situation in such a way: »In 1983 I found myself in a situation where the only way you could get a modern computer and run it and use it was to get a proprietary operating system. There were various operating systems available but they all were proprietary what means you have to sign a licence and you were prohibited from sharing copies with other people. You would not be allowed to see how the system worked. This is a dividing and terrible situation where individuals are helplessly dependent on their master who controls everything done with the software.« (Stallman 1999)

1.1. Der erste Geniestreich

(8) Als Reaktion darauf gründete Stallman das GNU-Projekt [5]. Ziel des GNU-Projekts und der 1985 gegründeten Free Software Foundation (FSF) war die Entwicklung eines freien Betriebssystems. Hunderte Komponenten für ein freies Betriebssystem wurden entwickelt. Doch die wirklich geniale Leistung des GNU-Projekts bestand in der Schaffung einer besonderen Lizenz, der GNU General Public License (GPL) – auch »Copyleft« genannt. Die Lizenz beinhaltet auf folgende vier Prinzipien:

Diese Rechte werden gewährleistet, in dem die GNU GPL vorschreibt, daß

(8.1) Re: 1.1. Der erste Geniestreich, 04.10.2001, 10:51, Stefan Meretz: As a reaction Stallman founded the GNU-project. The Goal of Free Software Foundation (FSF), founded in 1985, was the development of a free operating system. Hundreds of components for a free operating system had been developed. However, the real brilliant idea of the GNU-project was the creation of a special license, the GNU General Public License (GPL) - also known as »Copyleft«. The License contains four principles:
- the right to use a program freely
- the right to make and distribute copies of the program
- the right to modify the program
- the right to distribute modified versions
These right are guaranteed by stipulating via GNU GPL that
- the source code must stay availble
- the license of a GPL-program cannot be changed
- a GPL-program cannot be part of non-free software

(9) Die besondere Stärke der GNU GPL besteht in dem Verbot, GPL-Programme in proprietäre Software zu überführen. Auf diese Weise kann sich niemand offene Quelltexte aneignen und modifiziert in binärer Form in eigenen Produkte verwenden. Damit kann Freie Software nicht reprivatisiert werden, die Freiheit bleibt gewährleistet. Die besondere Stärke der GPL, die Reprivatisierung zu unterdrücken, ist in der Augen der Privatisierer ihr größter Nachteil. In der Folge entstanden daher zahlreiche Lizenzen (vgl. Tab. 1), die die strikten Regelungen der GPL aufweichten, um auch Freie Software kommerzialisierbar zu machen. Ich komme darauf zurück.

(9.1) Paragraph 9 - English, 19.12.2001, 07:21, David Riley: The most important strength of the GNU GPL lies in its
prohibition of the use of GPL'ed code in proprietary software. For this reason nobody can assume ownership
of Free Software and distribute derivative works in binary form as their own product. Thus Free Software
cannot be reprivatised, its freedom remains guaranteed. The main strength of the GPL, the prevention of
reprivatisation, is from the viewpoint of the business community its biggest disadvantage. Because of this,
numerous licences (see table 1) were developed which relax the strict rules of the GPL, in order to make Free
Software commercially acceptable. I will come back to these later.

(10)

Lizenz-Eigen-
schaften

Soft-
Ware-Art
Null-Preis Freie
Verteilung
Unbe-
grenzter
Gebrauch
Quellcode
vor-
handen
Quellcode
modifi-
zierbar
Alle Ab-
leitungen
müssen
frei sein
Keine Ver-
mischung
mit pro-
prietärer
Software
Kommerziell
(»Microsoft«)
             
Probe-Software,
Shareware
(X) X          
Freeware
(»Pegasus-Mail«)
X X X        
Lizenzfreie
Libraries
X X X X      
Freie Software
(BSD, NPL, ...)
X X X X X    
Freie Software
(LGPL)
X X X X X X  
Freie Software
(GPL)
X X X X X X X
Tab. 1: Vergleich der Lizenzarten

(10.1) 20.01.2002, 15:53, Benja Fallenstein:
[Row 'headers':]

Type of software
Commercial ('Microsoft')
Demos, Shareware
Freeware ('Pegasus-Mail')
License-free libraries
Free Software (BSD, NPL, ...)
Free Software (LGPL)
Free Software (GPL)

[Column headers:]

Zero price
Free distribution
Unlimited use
Source code available
Source code may be modified
All derivative works have to be free
No use by proprietary software

1.2. Der zweite Geniestreich

(11) Das GNU-Projekt entwickelte ein nahezu komplettes Betriebssystem – bis auf einen kleinen, aber nicht unwichtigen Rest: den Kernel. Obwohl seit Beginn des GNU-Projekts geplant, gelang es nicht, einen GNU-Kernel zu entwickeln. Die mißliche Situation änderte sich 1991 schlagartig als Linus Torvalds die Version 0.01 eines freien Unix-Kernels vorstellte – fortan »Linux« genannt. Die Entwicklungsdynamik war rasant, der Erfolg war überwältigend – so überwältigend, daß heute oft vergessen und sprachlich verdrängt wird, welchen Anteil das GNU-Projekt am Zustandekommen des freien Betriebssystems hatte und hat.

(11.1) Re: 1.2. Der zweite Geniestreich, 14.12.2001, 16:35, Ano Nym: The GNU project developed an almost complete operating system - except for one small, but important piece: the kernel. Despite having been planned from the outset of the GNU project on, efforts to implement a GNU kernel were unsuccessful. In 1991, the unfortunate situation changed all of a sudden when Linus Torvalds released version 0.01 of a free Unix - called "Linux." Development was fast, success was overwhelming - so overwhelming in fact that today, it is often overlooked and remains unmentioned how big the GNU project's share in the creation of the free operating system was and is.

(12) Warum gelang aber einem finnischen Student, was einem ausgewachsenen Projekt wie GNU nicht glückte? Die Antwort ist nicht so naheliegend und einfach: Es lag am unterschiedlichen Entwicklungsmodell. Stallman und die GNU-Leute hatten die klassische Vorstellung, daß ein komplexes Programm wie ein Kernel nur von einem kleinen eingeschworenen Team entwickelt werden könne, da sonst der Überblick und die Kontrolle verloren gehen würde. Das hat Torvalds intuitiv auf den Kopf gestellt. Ein Ausschnitt aus der inzwischen in die Geschichte eingegangenen Tanenbaum-Torvalds-Debatte [7] verdeutlicht das. Tanenbaum schreibt:

»Ich denke, daß die Koordination von 1000 Primadonnas, die überall auf der ganzen Erde leben, genauso einfach ist wie Katzen zu hüten ...
Wenn Linus die Kontrolle über die offizielle Version behalten will und eine Gruppe fleißiger Biber in verschiedene Richtungen strebt, tritt das gleiche Problem auf.
Wer sagt, daß eine Menge weit verstreuter Leute an einem komplizierten Stück Programmcode hacken können und dabei die totale Anarchie vermeiden, hat noch nie ein Softwareprojekt gemanagt.«
Torvalds antwortet:
»Nur damit niemand seine Vermutung für die volle Wahrheit nimmt, hier meine Stellungnahme zu 'Kontrolle behalten' in 2 Worten (drei?):
Habe ich nicht vor. [I won't]«

(12.1) 19.09.2000, 08:39, Stefan Meretz: But why did a Finnish student succeed, where a full grown project such as GNU did not had success? The answer is not so obvious and simple: The reason was the different development model. Stallman and the GNU people followed the classical conception that a complex program like a Kernel could only be developed by a small sworn team, since otherwise overview and control would be lost. This view was intuitively placed "on the head" by Torvalds. A window from the Tanenbaum Torvalds debate entered history in the meantime clarifies that. Tanenbaum writes: »I think co-ordinating 1000 prima donnas living all over the world will be as easy as herding cats... If Linus wants to keep control of the official version, and a group of eager beavers want to go off in a different direction, the same problem arises. (...) Anyone who says you can have a lot of widely dispersed people hack away on a complicated piece of code and avoid total anarchy has never managed a software project.« Torvalds answers: »Just so that nobody takes his guess for the full thruth, here's my standing on 'keeping control', in 2 words (three?): I won't.«

(13) Torvalds veröffentlichte frühzeitig und in kurzen Zeitabständen neue Versionen. Es bildeten sich mehr und mehr freie Softwareprojekte, die ähnlich strukturiert waren und sind. Ältere Projekte strukturierten sich nach dem Vorbild von Linux um. Maintainer, einzelne Personen oder Gruppen, übernehmen die Verantwortung für die Koordination eines Projektes. Projektmitglieder steigen ein und wieder aus, entwickeln und debuggen Code und diskutieren die Entwicklungsrichtung. Es gibt keine Vorgaben wie etwas zu laufen hat, und folglich gibt es auch verschiedene Regeln und Vorgehensweisen in den freien Softwareprojekten. Dennoch finden alle selbstorganisiert ihre Form, die Form, die ihren selbst gesetzten Zielen angemessen ist. Das einfache Prinzip, das reguliert ist: Was funktioniert, das funktioniert! Ausgangspunkt sind die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen – das ist bedeutsam, wenn man freie und kommerzielle Softwareprojekte vergleicht.

(13.1) 14.12.2001, 16:46, Ano Nym: Torvalds published early and released often. More and more similarly structured free software projects were and are formed. Existing projects were re-structured following the lead of Linux. Maintainer, single persons or groups, take responsibility for a project's coordination. Project members join and leave, develop and debug code and discuss the direction of development. There are no laws about the way things have to work, and so the rules and approaches differ between the free software projects. Still, in a self-organized process, all of them find their way, the way appropriate to the goals they've set for themselves. The simple regulating principle is: What works, works! The starting point are one's own needs, wishes and ideas - that's important for comparing free to commercial software projects.

1.3. Zusammenfassung zwischendurch

(14) Überraschender weise besteht die historische Leistung von Richard Stallman und Linus Torvalds nicht in Softwarebausteinen, die sie entwickelt haben. Das haben sie auch getan, doch die eigentliche historisch-geniale Tat haben beide sozusagen »nebenbei« vollbracht. Stallman schuf die GNU GPL, die Lizenz, ohne die Freie Software undenkbar wäre. Es ist die Lizenz von Torvalds' Linux [8] und es ist die Lizenz, die dem Kapitalismus schwer im Magen liegt wie wir gleich sehen werden.

(14.1) 1.3. Conclusion in between, 25.12.2001, 13:03, Stefan Meretz: Surprisingly the historical achievement of Richard Stallman and Linus Torvalds was not the development of useful software modules. That they have done too, however, the real historical ingenious act of both was realized so to speak "incidentally". Stallman created the GNU GPL, which is the license without free software is unthinkable. It is the license of Torvalds' Linux and it is the license, which heavyly lays in the stomach of capitalism as we will see immediately.

(15) Torvalds hat intuitiv mit der alten hierarchischen Entwicklungsweise kommerzieller Software gebrochen. Ihm war die geldgetriebene Haltung des »ich muß die Kontrolle behalten« einfach zu blöd. Als pragmatischer Chaot hat er die Energien freigesetzt, von denen Freie Software lebt: die Selbstentfaltung des Einzelnen und die Selbstorganisation der Projekte.

(15.1) 25.12.2001, 13:10, Stefan Meretz: Torvalds has intuitively broken with the old hierarchical type of development of commercial software. To him the money-driven manner of "I have to keep control" was too stupid. Being a pragmatic and chaotic person he released energies from which free software lives: the self-unfoldung (Selbstentfaltung) of the individual and the self-organization of projects.

2. Kapitalismus und Freie Software

(16) Es gibt eine bekannte Comic-Vorstellung vom Kapitalismus. Oben gibt es die mit den schwarzen Zylindern, die über das Kapital und die Mittel zur Produktion verfügen. Unten gibt es die mit den blauen Overalls, die unter der Knute der Schwarzzylindrigen schwitzen, weil sie keine Produktionsmittel haben und deswegen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Je nach persönlicher Vorliebe beklagt man, daß es ungerecht sei, daß die oben die unten ausbeuten, oder daß die Ausbeutung eben in der Natur des Unternehmertums liege.

(16.1) 2. Capitalism and Free Software, 25.12.2001, 13:21, Stefan Meretz: There is a well known comic-like picture of capitalism. On top there are those with the black cylinders being provided with capital and means of production. At the bottom there are those with blue overalls sweating under the thumb of the black-cylinder persons, due to not having menas of production and therefore have to sell their work-force. As to personal fond one complains, that it is unjust, that the above exploit the below, or that exploition is in nature of entrepreneurship.

(16.1.1) Re: 2. Capitalism and Free Software, 04.02.2006, 18:56, Max Strini: black cylinder -> black top hat?

(17) Dieses Comic taugt nichts, schon gar nicht, wenn man »Freie Software« verstehen will. Ein anderes Bild muß her. Man kann den Kapitalismus als kybernetische Maschine verstehen, also einer Maschine, die »sich selbst« steuert. Das schließt ein, daß es keine Subjekte gibt, die »draußen« an den berühmten Hebeln der Macht sitzen, sondern daß die Maschine sich subjektlos selbst reguliert. Zentraler Regulator ist der (Tausch-)Wert [9], und zwar in zweifacher Weise: für die Seite der Produktion und die des Konsums.

(17.1) 25.12.2001, 13:29, Stefan Meretz: This comic is no good, even not, if one wants to understand free software. Another picture has to come. One can understand capitalism as a cybernetic machine meaning a machine which drives "itself". This includes that there are no subjects which are "outside" at the controls, but that the machine is subjectless regulating itself. The central regulator is the (exchange-) value in a double manner: for the side of production and of consumption.

2.1. Der Produktionskreislauf

(18) In der Produktion wird Arbeit verrichtet. Sie heißt konkret insofern das Ergebnis ein Produkt ist, das auf ein Konsumbedürfnis trifft. Sie heißt abstrakt, weil es unerheblich ist, was produziert wird, Hauptsache es wird Wert geschaffen. Der Wert ist die Menge an Arbeitszeit, die in ein Produkt gesteckt wird. Werden auf dem Markt Produkte getauscht, dann werden diese Werte, also Arbeitszeiten miteinander verglichen. Zwischen den direkten Produktentausch tritt in aller Regel das Geld, das keinen anderen Sinn besitzt, außer Wert darzustellen.

(18.1) 2.1. The production cycle, 11.01.2002, 09:32, Stefan Meretz: In production work is done. It is called concrete if the result is a product which meets a consumers need. It is called abstract, because it is irrelevant what is produced - the main point is, that (economic) value is produced. The value is the amount of work time which was sticked into a product. If products are exchanged on market, then these values respectively the work times are compared. Between the direct product exchange generally steps money, which has no other sense than representing value.

(19) Was ist, wenn beim Tausch im einen Produkt weniger Arbeitszeit als im anderen steckt? Dann geht der Hersteller des »höherwertigen« Produkts auf Dauer Pleite, denn er erhält für sein Produkt nicht den »vollen Wert«, sondern weniger. Wer fünf Stunden gegen drei Stunden tauscht, verschenkt zwei. Das geht auf Dauer nicht gut, denn die Konstrukteure der Produkte, die Arbeiter und Angestellten, wollen für die volle Arbeitszeit bezahlt werden. Also muß der Tauschorganisator, der Kapitalist, zusehen, daß die für die Herstellung des Produkts notwendige Arbeitszeit sinkt. Das wird in aller Regel auf dem Wege der Rationalisierung vollzogen, dem Ersatz von lebendiger durch tote Arbeit (=Maschinen).

(19.1) 11.01.2002, 09:50, Stefan Meretz: What if during exchange in one product is less work time than in another? Then the producer of the product with "higher" value goes bankrupt in the long run, because he did not get the "full value" for his product but lesser. Who exchanges five hours with three hours gives away two. This does not go well in the long run, because the constructors of the products, the workers and employees, want to get paid for the full work time. Thus the exchange organizer, the capitalist, must try to reduce the work time being neccessary for the production of the product. Generally this is done in the way of rationalization, the substitute of living through dead work (= machines).

(20) Was der eine kann, kann der Konkurrent auch. Wichtig und entscheidend ist dabei: Es hängt nicht vom Wollen der Konkurrenten ab, ob sie Produktwerte permanent senken, sondern es ist das Wertgesetz der kybernetischen Maschine, das sie exekutieren. Das Wertgesetz der Produktion besteht im Kern darin, aus Geld mehr Geld zu machen. Die Personen sind so unwichtig wie die Produkte, das Wertgesetz gibt den Takt an. Oder wie es der oberste Funktionär der Wertgesetz-Exekutoren, Hans-Olaf Henkel (BDI-Präsident), formuliert:

»Herrscher über die neue Welt ist nicht ein Mensch, sondern der Markt. (...) Wer seine Gesetze nicht befolgt, wird vernichtet.« (Süddeutsche Zeitung, 30.05.1996)

(20.1) 11.01.2002, 10:03, Stefan Meretz: What one is able to do, can be done by the competitor too. Important and essential is: It does not depend on the will of the competitors to reduce the product values, but it is the law of value of the cybernetic machine which are they execute. The core principle of the law of value is to make more money from money. The persons are as unimportant as the products, the law of value beats the time. Or in the words of the top official of excutors of the value-law, Hans-Olaf Henkel (former president of industry union):
"Ruler over the new world is not a human, but the market (...) Anybody who does not follow its laws will be destroyed." (Sueddeutsche Zeitung, 30.05.1996)

2.2. Der Konsumkreislauf

(21) Das Markt- oder Wertgesetz bestimmt auch die, nur ihre Arbeitskraft verkaufen können, um an das notwendige Geld zu kommen. Ohne Moos nix los. Auch die Arbeitskraft besitzt Wert, nämlich soviel wie für ihre Wiederherstellung erforderlich ist. Diese Wiederherstellung erfolgt zu großen Teilen über den Konsum, wofür Geld erforderlich ist, was wiederum den Verkauf der Arbeitskraft voraussetzt. Auch dieser Regelkreis hat sich verselbständigt, denn in unserer Gesellschaft gibt es kaum die Möglichkeit, außerhalb des Lohnarbeit-Konsum-Regelkreises zu existieren.

(21.1) 2.2 The consumer cycle, 08.06.2002, 22:21, Stefan Meretz: The market or value law also determines those, who only can sell their work force, in order to obtain money badly need. Without money nothing happens. Also work force has a value, which is the amount being neccessary to re-establish it. This re-establishing is mainly done via consuming, for which money is neccessary, which again requires selling work force. This control circuit also has gone independent, because our society has rarely other possibilities to exist outside the paid labour-consuming cycle.

(22) Beide Regelkreise, der Produktionskreis und Konsumkreis, greifen ineinander, sie bedingen einander. Es ist auch nicht mehr so selten, daß sie in einer Person vereint auftreten. Das universelle Schmiermittel und Ziel jeglichen Tuns ist das Geld. Noch einmal sei betont: Die Notwendigkeit, Geld zu erwerben zum Zwecke des Konsums oder aus Geld mehr Geld zu machen in der Konkurrenz, ist kein persönlicher Defekt oder eine Großtat, sondern nichts weiter als das individuelle Befolgen eines sachlichen Gesetzes, des Wertgesetzes. Eine wichtige Konsequenz dieser Entdeckung ist die Tatsache, daß unser gesellschaftliches Leben nicht von den Individuen nach sozialen Kriterien organisiert wird, sondern durch einen sachlichen, kybernetischen Regelkreis strukturiert ist. Das bedeutet nicht, daß die Menschen nicht nach individuellem Wollen handeln, aber sie tun dies objektiv nach den Vorgaben des kybernetischen Zusammenhangs. Wie Rädchen im Getriebe.

(22.1) 09.06.2002, 11:53, Stefan Meretz: Both control circuits -- production cycle and consumer cycle -- reach into another, they are mutually conditional. And not seldom both occur united in one person. The universal lubricant and goal of every action is money. Again it has to be stressed: The neccessity to obtain money for consuming or to make more money from money in competition with others, is no personal defect or a great feat, but nothing more then following an objective law individually, the law of value. An important consequence of this discovery is the fact, that our social live is not organized by individuals following own social criteria, but structured by an objective cybernetic control circuit. This does not mean, that humans do not act by individual will, but they do it objectively following the instructions of the cybernetic context. Like being a cog in the machine.

2.3. Knappheit und Wert

(23) Damit die Wert-Maschine läuft, müssen die Güter knapp sein. Was alle haben oder bekommen können, kann man nicht zu Geld machen. Noch ist die Luft kein knappes Gut, aber schon wird über den Handel mit Emissionen nachgedacht, denn saubere Luft wird knapp. Viele selbstverständliche Dinge werden künstlich verknappt, um sie verwertbar zu machen. Das prominente Beispiel, das uns hier interessiert, ist die Software. Software als Produkt enthält Arbeit wie andere Produkte auch [10]. Wie wir im historischen Exkurs gesehen haben, war Software solange frei verfügbar wie sie nicht verwertbar erschien. Software wurde als Zugabe zur wesentlich wertvolleren Hardware verschenkt. Im Zuge gestiegener Leistungsfähigkeit und gesunkener Werthaltigkeit der Hardware (ablesbar an gesunkenen Preisen) stieg auch die Bedeutung von Software – sie wurde auch für die Verwertung interessant.

(23.1) Re: 2.3. Scarcity and value, 27.01.2002, 01:01, Benja Fallenstein: For the machine of value to run, goods have to be scarce. What all have or are able to get can not be turned into money. Air isn't a scarce good, yet, but already trade with emissions is discussed: clean air is becoming scarce. Many things we could take for granted are made scarce in order to exploit them. The prominent example of interest here is software. Software as a product contains work, like many other products do, too [10]. As we have seen in our excursion into history, software was freely available as long as it did not appear to be exploitable. Software was given away as an add-on to the much more valuable hardware. With the increasing power and decreasing [Werthaltigkeit? -- price?!?] of hardware, the importance of software rose - it started to be interesting for exploitation.

(24) Um Software verwertbar zu machen, muß Knappheit hergestellt werden. Dies geschieht im wesentlichen durch:

Wie bei jedem Produkt interessiert bei kommerzieller Software die Nützlichkeit und Brauchbarkeit den Hersteller überhaupt nicht. Ist ein aufgemotztes »Quick-And-Dirty-Operating-System« (QDOS) [11] verkaufbar, wird es verkauft. Ist das Produkt des Konkurrenten erfolgreicher, dann wird das eigene Produkt verbessert. Die Nützlichkeit und Brauchbarkeit ist damit nur ein Abfallprodukt – wie wir es zur Genüge von den kommerziellen Softwareprodukten kennen.

(24.1) 27.01.2002, 01:07, Benja Fallenstein: To make software exploitable, scarcity has to be created. This is mainly archieved by:

o Keeping the source code secret
o Restrictive licensing and patents

As with every product, the usefulness of commercial software is completely uninteresting for the producer. If a "quick-and-dirty operating system" (QDOS) [11] can be sold, it is sold. If a competitor's product is more successful, the own product is improved. The use value is just a waste product - as we know well enough from commercial software products.

(25) Entsprechend sieht es auf der Seite der Entwickler/innen aus. Auch Softwareentwickler/innen liefern nur ihre abstrakte Arbeit ab. In kaum einer anderen Branche gibt es so viele gescheiterte kommerzielle Projekte wie im Softwarebereich [12]. Mit 40 gehören Entwickler/innen schon zum alten Eisen. Der fröhliche Optimismus der Newbies im Business verfliegt schnell. Wer erlebt hat, wie gute Vorschläge mit dem Hinweis auf die Deadline des Projektes abgeschmettert wurden, weiß, was ich meine. Ein Berufstraum wird zum traumatischen Erlebnis.

(25.1) 27.01.2002, 11:53, Benja Fallenstein: Thus, it will not come as a surprise that software developers, like other employees, merely deliver their abstract labour. In hardly any other sector there are as many failed commericial projects as in the software industry [12]. When they turn 40, developers are already considered [old?]. The business newbies' happy optimism fades quickly. Anybody who's seen good ideas shot down with reference to a project's deadline knows what I mean. What started out as a vision ends as a traumatic experience.

2.4. Freie Software befreit

(26) Das ist mit Freier Software anders. Der erste Antrieb Freier Software ist die Nützlichkeit. Der erste Konsument ist der Produzent. Es tritt kein Tausch und kein Geld dazwischen, es zählt nur eine Frage: Macht die Software das, was ich will. Da die Bedürfnisse der Menschen keine zufälligen sind, entstehen freie Softwareprojekte. Auch hier geht es nicht um Geld, sondern um das Produkt. Es gibt keine größere Antriebskraft als die individuelle Interessiertheit an meinem guten nützlichen Produkt und der individuellen Selbstentfaltung. Das weiß auch der Exekutor des Wertgesetzes in der Produktion. Deswegen spielt der Spaß, das Interesse am Produkt, auch in der geldgetriebenen Produktion eine wichtige Rolle. Es ist nur so, daß die abstrakte Arbeit immer vorgeht. Letztlich zählt eben nur, was hinten rauskommt – und zwar an Geld.

(26.1) Free Software liberates, 20.01.2002, 16:04, Benja Fallenstein: With Free Software, that's different. The first driving force of Free Software is its use value. The first consumer is the producer. There's no money or trade, only the question: Does the software do what I want it to do? As human needs aren't arbitrary, Free Software projects are formed. They, too, are not about money but about the product. There is no stronger driving force than the individual interest in my good and useful product and the individual selbstentfaltung. The [Exekutor des Wertgesetzes?] knows this, too, and therefore having fun and being interested in the product plays an important role in money-driven production, too. It's just, abstract labour always comes first. In the end, what counts is the result - in money.

(27) Abstrakte Arbeit ist nervtötend. Wer sagt, ihm mache seine abstrakte Arbeit Spaß, der lügt – oder macht sich was vor, um die abstrakte Arbeit aushalten zu können. Abstrakte Arbeit ist unproduktiver als freiwilliges Tun – wozu soll ich mich für etwas engagieren, was mich eigentlich nicht interessiert? Also muß man mich ködern mit Geld. Da sieht es für Informatiker/innen zur Zeit gut aus. Aber die Green Card bringt das auch wieder ins Lot. Dann ist da noch die latente Drohung: »Wenn du nicht gut arbeitest, setze ich dich woanders hin oder gleich ganz raus«. Wer sich bedroht fühlt, arbeitet nicht gern und schlecht. Zuckerbrot und Peitsche, die Methoden des alten Rom. Und Rom ist untergegangen.

(27.1) 30.01.2002, 23:34, Benja Fallenstein: Abstract labour is plain tedious. Someone who says they like their abstract labour is lying - or deluding themselves to make it endurable. Abstract labour is less productive than voluntary activities - so why should I commit myself to something I'm not really interested in? So again, one has to bait me with money. In this regard, computer scientists are currently lucky, but the (German) Green Card is re-adjusting that as well. And then there is there's the potental threat: "If you don't work well, you're out." If you feel threatened, you neither feel nor work well. Carrot and stick, the methods of ancient Rome. And Rome has fallen.

(28) Freiwilligkeit und nützliches Tun kann man nicht kaufen, jedenfalls nicht auf Dauer. Selbstentfaltung funktioniert nur außerhalb der rückgekoppelten Wert-Maschine. GNU/Linux konnte nur außerhalb der Verwertungszusammenhänge entstehen. Nur außerhalb des aus-Geld-mehr-Geld-machen-egal-wie konnte sich die Kraft der individuellen Selbstentfaltung zeigen.

(28.1) 27.01.2002, 12:01, Benja Fallenstein: Free will and meaningful work cannot be bought, at least not for a long time. Selbstentfaltung only works outside the self-contained [that translation ok?] machine of value. GNU/Linux could only become outside the exploitation context. Only outside the turning-money-into-more-money-no-matter-how, the power of individual selbstentfaltung could show.

(28.1.1) self-contained, 01.02.2002, 16:52, Stefan Meretz: Doesn't this mean "closed"? Can we combine it with "feedback": "self-contained feedback machine of value"?

2.5. Aber was ist mit den Geldmachern?

(29) Machen wir uns keine Illusionen. Dort, wo man Geld machen kann, wird das Geld auch gemacht, und wenn es nicht anders geht, dann eben mit dem Drumherum von Freier Software. Das sind Absahner, nicht ohne Grund kommen sie alle zum Linuxtag. Das verurteile ich nicht, ich stelle es nüchtern fest. Maschinen haben den Vorteil, daß man ihre Wirkungsweise ziemlich nüchtern untersuchen kann. So sehe ich mir den Kapitalismus an.

(29.1) Re: 2.5. Aber was ist mit den Geldmachern?, 27.01.2002, 12:11, Benja Fallenstein: Let's be clear about this. Where money can be made made, money is made, if necessary with Free Software wrapped around. These are those on the gravy train; it's not without reason that all of them are represented at LinuxTag. I don't condemn that, I merely point it out without emotions. Machines have the advantage that you can analyze their behavior pretty unemotionally. That's how I look at capitalism.

(30) Wenn ich die kapitalistische Wert-Maschine verstehe, habe ich nützliche Kriterien an der Hand – für das eigene Handeln und für die Einschätzung so mancher Erscheinungen Freier Software. Auf beides will ich im folgenden eingehen.

(30.1) 27.01.2002, 12:03, Benja Fallenstein: If I understand the capitalist machine of value, I have useful criteria at hand - for my own activities and for the evaluation of many aspects of Free Software. I would like to address both issues now.

3. OSI und GNU – zwei verkrachte Geschwister

(31) Anfang 1998 gründeten Eric. S. Raymond und Bruce Perens die Open Source Initiative (OSI). Erklärtes Ziel ist die Vermarktung von Freier Software, die Einbindung Freier Software in die normalen Verwertungszyklen von Software. Zu diesem Zweck wurde der Marketingbegriff »Open Source« ausgewählt. Nur mit einem neuen Begriff sei die Wirtschaft für die Freie Software gewinnbar. Der Begriff der »Freiheit« sei für die Wirtschaft problematisch, er klinge so nach »umsonst« und »kein Profit« [13]. Im übrigen wolle man das Gleiche wie die Anhänger der Freien Software, nur gehe man »pragmatischer« vor und lasse den »ideologischen Ballast« weg.

(31.1) 3. OSI and GNU - brothers and sisters at daggers drawn, 09.06.2002, 12:07, Stefan Meretz: In early 1998 Eric. S. Raymond and Bruce Perens found the Open Source Initiative (OSI). Declared aim is the marketing of free software, the inclusion of free software in normal commercial cycles of software. To this end the marketing term "open source" was chosen. Only with a new name the economy could be won. The term "freedom" would be problematic of economy, it sounds to much like "priceless" and "no profit". Besides this one has the same goals as the adherents of free software, however one takes a more "pragmatic" way and leaves away the "ideological ballast".

(32) Richard Stallman, Gründer des GNU-Projekts, wirft den Open-Source-Promotern vor, in ihrem Pragmatismus würde die Grenzen zur proprietären Software verschwimmen. Der Begriff »Open Source« sei ein Türöffner zum Mißbrauch der Idee Freier Software durch Softwarefirmen, die eigentlich proprietäre Software herstellen und vertreiben. Im übrigen sei man überhaupt nicht gegen Kommerz und Profit, nur die »Freiheit« müsse gewahrt bleiben.

(32.1) 27.01.2002, 12:19, Benja Fallenstein: Richard Stallman, founder of the GNU project, accuses the open source advocates of blurring the lines between free and proprietary software with their pragmatism. The term "open source" opens the gates for abuse of the idea of Free Software through software companies developing and marketing proprietary software, says Stallman. Besides, he says he isn't against profits and commercial use, but "freedom" must be protected.

3.1. Der Wirtschaftsliberalismus von ESR

(33) Nachdem sich OSI-Mitgründer Bruce Perens wegen der zu großen Anbiederung an den Kommerz wieder von der OSI abgewendet hat, ist es kein Fehler, sich alleine mit den Auffassungen von Eric. S. Raymond (ESR) zu beschäftigen. In den drei Aufsätzen »The Cathedral and the Bazaar«, »Homesteading the Noosphere« und »The Magic Cauldron« entwickelt er ein Kompatibilitätskonzept für die Verbindung von Freier Software und Kapitalismus [14].

(33.1) 3.1. The economic liberalism of ESR, 09.06.2002, 12:14, Stefan Meretz: After turning away of OSI-founder Bruce Perens from OSI due to a too big toady to commerce, it is not a mistake to only look after positions of Eric. S. Raymond (ESR). In the three articles "The Cathedral and the Bazaar", "Homesteading the Noosphere" and "The Magic Cauldron" he develops a compatibility concept for the connection of free software with capitalism.

(34) Mit Freier Software ist der kommerzielle Software-Verwerter in eine Klemme gekommen. Freie Software ist öffentlich und nicht knapp. Die in der Freien Software steckende Arbeit wird einfach verschenkt. Damit ist sie nicht mehr verwertbar, sie ist wertlos. ESRs Bemühen dreht sich nun emsig darum, die aus den Verwertungskreisläufen herausgeschnittene Freie Software durch Kombination mit »unfreien Produkten« wieder in die Mühlen der kybernetischen Wert-Maschine zurückzuholen. Seine Vorschläge, die er in »The Magic Cauldron« entwirft – er nennt sie »Modelle für indirekten Warenwert« –, seien im folgenden kurz untersucht.

(34.1) 09.06.2002, 14:50, Stefan Meretz: With free software commercialists are in a fix. Free software is a public good and not scarce. Die work sticking into free software is simply given away. One can not longer make it a value added thing, it is not a thing of value. ESR's efforts go towards reintegrating free software -- being cutted off from value cycles -- into the mill of the cybernetic value machine by combing free software with "unfree products". The proposals he develops in "The Magic Cauldron" called "indirect sale-value models" are examined in the following.

(35) »Lockangebot«: Freie Software wird verschenkt, um mit ihr unfreie Software am Markt zu positionieren. Als Beispiel nennt ESR Netscape mit dem Mozilla-Projekt – ein Projekt, das mehrfach kurz vor dem Scheitern stand [15]. Was passiert hier? Eine Firma schmeißt ihren gescheiterten Browser den freien Entwickler/innen vor die Füße und ruft: »Rettet unsere Profite im Servermarkt!«. Dabei behält sie sich auch noch das »Recht« vor, die Ergebnisse wieder zu unfreier Software zu machen.

(35.1) "Loss-Leader", 09.06.2002, 16:09, Stefan Meretz: Free software is given away, in order to position non-free software at the market. As an example ESR takes Netscape with the Mozilla project -- a project, with was multiple times short before fail [15]. What happens here? A company throws its failed browser to the feet of free software developers and calls: "Save our profits in the server market!" At the same time they reserve the "right" to make free results to non-free software.

(36) »Glasurmethode«: Unfreie Hardware (Peripherie, Erweiterungskarten, Komplettsysteme) wird mit einem Guß Freier Software überzogen, um die Hardware besser verkaufen zu können. Mußten vorher Hardwaretreiber, Konfigurationssoftware oder Betriebssysteme von der Hardwarefirma entwickelt werden, überläßt man das einfach der freien Software-Community. Wie praktisch, die kostet ja nichts! Unvergütete Aneignung von Arbeitsresultaten anderer – nennt man das nicht Diebstahl? Nein, werden die Diebe antworten, das Resultat ist doch frei!

(36.1) "Widget Frosting", 08.10.2002, 17:44, Stefan Meretz: Non-free hardware (peripherals, slot cards, complete systems) is casted with some Free Software, in order to sell the hardware better than before. While it was neccesary for the hardware company to develop hardware driver, configuration software, or operating systems, now one let this be done by the free software community. How practical, it is priceless! Uncompensated acquiration of working results of others - isn't that named theft? No, the thiefs will answer, the results are free!

(37) »Restaurantmethode«: In Analogie zum Restaurant, das nur freie Rezepte verwendet, aber Speisen und Service verkauft, wird hier Freie Software von Distributoren zusammengestellt und zusammen mit Service verkauft. Die eigene Leistung besteht in der Zusammenstellung der Programme, der Schaffung von Installationsprogrammen und der Bereitstellung von Service. Unbezahlte Downloads oder gar Cloning der Eigenleistungen durch fremde Distributoren wird als Vergrößerung des gemeinsamen Marktes hingenommen. Oft werden gute Hacker von Distributoren angestellt, die Grenzen zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit sind fließend. Das Geschäftsgebaren der verschiedenen Distributionen ist durchaus unterschiedlich. Während sich das nichtkommerzielle Debian-Projekt mit ihrem Gesellschaftsvertrag [16] zur Einhaltung bestimmter Standards und zur Unterstützung Freier Software verpflichtet hat, steht für andere der reine Selbstzweck der Markteroberung im Vordergrund (etwa SuSE oder diverse Cloner).

(37.1) "Restaurant method", 08.10.2002, 18:06, Stefan Meretz: In analogy to a restaurant which only uses free recipes but sells meals and services, here, the free software is bundeled and sold together with service. The own achievement is the complilation of programs, the creation of installation programs, and the offer of service. Unpaid downloads or cloning of own results by other distributors is accepted as enlargement of the common market. Often good hackers are employed by distributors, the border between paid and unpaid work is fluid. Of course, the business practices of distributors are different. While the non-commercial Debian project commited themselfs in keeping standards and supporting free software by giving themself a social contract [16], for others the pure end in itself of conquering markets is in the foreground (e.g. SuSE or other cloners).

(38) »Zubehörmodell«: Hierzu gehören Herausgeber von Dokumentationen oder anderen Werken über Freier Software sowie andere Zubehörproduzenten, die nur auf der Welle mitschwimmen (etwa die Hersteller der Plüsch–Pinguine). Problematisch sind die exklusiven Lizenzen (Copyright), die eine Verbreitung schriftlicher Werke verhindern. Der Linuxtag ist selbst Opfer dieser Exklusion der Öffentlichkeit geworden. Verlage, die Texte vom letzten Linuxtag herausgebracht haben, sorgten dafür, das genau diese Texte von der Linuxtag-Website genommen werden mußten. Nur knappe Produkte eignen sich als Ware!

(38.1) "Accessorizing", 08.10.2002, 18:16, Stefan Meretz: This point includes publishers of documentations or other works about free software, and other producers of accessories surfing on the free software wave (e.g. the producers of soft penguins). Exclusive licenses (based on copyright) hindering the distribution of written work are problematic. The german Linuxtag itself had become a victim of this exclusion of the public. Publishing houses bringing out the texts of the last Linuxtag took care, that exactly these texts had to be removed from the Linuxtag website. Only scarce products can be a commodity!

(39) »Marketingmodelle«: Unter Ausnutzung der Popularität Freier Software werden verschiedene Marketingtricks aufgelegt, um proprietärer Software ein besseres Image zu verleihen und für Verkaufbarkeit zu sorgen. Damit sind noch nicht einmal die Betrüger gemeint, die sich einfach selbst das Label »Open Source« oder »Freie Software« auf ihre proprietären Produkte kleben, sondern Formen wie

(39.1) »Marketingmodelle«, 01.02.2003, 18:46, Stefan Meretz: Utilizing the popularity of Free Software different marketing tricks are used, in order to put better images to proprietarian software and take care for good selling chances. This does not yet address the cheats sticking the label »Open Source« or »Free Software« on their proprietarian products, but forms like
- promising to free proprietarian software in future;
- selling brands which have to be obtained to sell »Free Software«;
- selling content which are closely bundled with a very special »Free Software« product (like stock-ticker software)

(40) Es sollte deutlich geworden sein, daß alle diese »Modelle für indirekten Warenwert« dazu dienen, die aus der Marktwirtschaft herausgefallene Sphäre Freier Software wieder zurück in den Kreislauf der selbstgenügsamen Wert-Maschine zu holen. Da kapitalistische Verwertung auf Knappheit und Ausschluß von Öffentlichkeit beruht, Freie Software aber genau das Gegenteil darstellt, müssen hier Feuer und Wasser in eine »friedliche Koexistenz« gezwungen werden. Doch wie es sich mit Feuer und Wasser verhält, so auch mit Freier Software und Verwertung: Nur eine kann sich durchsetzen.

(41) Im neoliberalen Modell Freier Software von ESR gibt es folgerichtig keine wesentlichen Unterschiede zwischen »freier« Softwarelizenzen. Vermutlich hat er nur mit Magengrimmen die GPL trotz des enthaltenen Privatisierungsverbots auf die Liste von »OSI-zertifizierten« Lizenzen gesetzt, da man an der GPL nicht gut vorbeikommt. Bis auf die »Restaurantmethode«, dem Vertrieb Freier Software durch Distributionen, ist keines der oben genannten mit Buchstaben und Geist der GPL vereinbar [17]. Die GPL schließt künstliche Verknappung und Privatisierung von Code aus, und das behindert die Verwertung von Software weitgehend.

3.2. Der Bürgerrechtsliberalismus von RMS

(42) Dem ökonomischen Liberalismus von ESR steht der Bürgerrechtsliberalismus von RMS entgegen. RMS argumentiert (1994), daß Software in privatem Besitz zu Entwicklungen führen würde, die dem gesellschaftlichen Bedarf entgegen läuft. Die Gesellschaft brauche

Das seien die Gründe, warum Freie Software eine Frage der »Freiheit« und nicht des »Preises« sei. Bekannt geworden ist der Satz »Think of 'free speech', not of 'free beer'«.

(43) An diesen Kriterien orientiert sich auch die GNU GPL. Sie stellt sicher, daß Software dauerhaft frei bleibt oder ökonomisch formuliert: Sie entzieht Software dauerhaft der Verwertung. RMS ist dennoch keinesfalls gegen den Verkauf Freier Software (1996). Auch die GPL selbst ermöglicht ausdrücklich das Erheben einer Gebühr für den Vertrieb Freier Software.

(44) RMS formuliert seine Vision gesellschaftlichen Zusammenlebens im GNU-Manifest von 1984 so:

»Auf lange Sicht ist das Freigeben von Programmen ein Schritt in Richtung einer Welt ohne Mangel, in der niemand hart arbeiten muß, um sein Leben zu bestreiten. Die Menschen werden frei sein, sich Aktivitäten zu widmen, die Freude machen, zum Beispiel Programmieren, nachdem sie zehn Stunden pro Woche mit notwendigen Aufgaben wie Verwaltung, Familienberatung, Reparatur von Robotern und der Beobachtung von Asteroiden verbracht haben. Es wird keine Notwendigkeit geben, von Programmierung zu leben.« (Stallman 1984).

(44.1) 19.09.2000, 08:43, Stefan Meretz: RMS formulates his vision of social living together in the GNU-manifesto of 1984 in such a way: »In the long run, making programs free is a step toward the post-scarcity world, where nobody will have to work very hard just to make a living. People will be free to devote themselves to activities that are fun, such as programming, after spending the necessary ten hours a week on required tasks such as legislation, family counseling, robot repair and asteroid prospecting. There will be no need to be able to make a living from programming.« (Stallman 1984).

(45) Eine schöne Vision, die ich ohne zu zögern teilen kann. Nur: Wer glaubt, diese Vision unter den Bedingungen der kybernetischen Verwertungsmaschine mit Namen Kapitalismus erreichen zu können, rennt einer Illusion hinterher. Der einzige Zweck der Wert-Maschine ist, aus Geld mehr Geld zu machen – egal wie, egal womit. Freiheit von Mangel, Muße, Freude, Hacking-for-Fun ist darin nicht vorgesehen.

(45.1) 20.01.2002, 17:01, Benja Fallenstein: A vision I can share without hesitation. But: If you believe this vision can be realized under the circumstances of the cybernetic [value?] machine called capitalism is following an illusion. The only goal of the [value?] machine is to turn money into more money - no matter how. Leisure, happiness, hacking for fun are not provided for.

(46) Die von ESR mit angestoßene Open-Source-Welle führt das lehrbuchartig vor. Es geht überhaupt nicht mehr um gesellschaftliche Freiheit, die nur die Freiheit aller sein kann, sondern es geht um die Frage, wie ich aus etwas »Wertlosem« trotzdem Geld machen kann, wie ich die Freude der Hacker zu Geld machen kann, wie ich die Selbstentfaltung der Menschen in abstrakte, tote Arbeit verwandeln kann. Dieser mächtigen Welle vermag RMS mit dem Ruf nach »Freiheit geht vor« kaum etwas entgegenzusetzen. Vermutlich würde ESR antworten: Natürlich geht Freiheit vor, die ökonomische Freiheit!

(47) Hieran wird deutlich, daß der Liberalismus eben zwei Seiten hat: Wirtschaftsliberalismus und Bürgerrechtsliberalismus. Robert Kurz arbeitet in seinem eindrucksvollen Werk »Schwarzbuch des Kapitalismus« (1999) die gemeinsame Verwurzelung im historischen Liberalismus heraus [18]. Er zeigt, daß auch der Bürgerrechtsliberalismus nur dazu da ist, Menschenfutter für die kybernetische Verwertungsmaschine zu liefern. Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll über die Freiheit schweigen.

4. Freie Software für freie Menschen

(48) Wir sollten in die Offensive gehen! Wir sollten uns zum antikapitalistischen Gehalt der GPL bekennen! Wir können sagen »GNU/Linux ist nicht wert – und das ist gut so!«. Freiheit gibt es nur außerhalb der Verwertungs-Maschine. Die Freie Software da herausgeholt zu haben, war eine historische Tat. Jetzt geht es darum, sie draußen zu behalten, und nach und nach weitere Bereiche der kybernetischen Maschine abzutrotzen. Dafür gibt es zahlreiche Ansätze, die Stefan Merten im Beitrag »Gnu/Linux – Meilenstein auf dem Weg in die GPL-Gesellschaft« skizziert.

(49) Wie kann das gehen, wird sich sicher so mancher fragen. Man kann doch nicht einfach rausgehen aus den Verwertungszusammenhängen – wovon soll ich leben? Das sind berechtigte, zwingende Fragen. Ich denke, daß es nicht darum geht, sofort und zu 100% aus jeglicher Verwertung auszusteigen. Es geht darum, einen klaren Blick für die Zwangsmechanismen der kybernetischen Verwertungsmaschinerie zu bekommen, und danach das individuelle Handeln zu bemessen. Ich will einige Bespiele nennen.

(50) Konkrete und abstrakte Arbeit: Wenn ich für meine Reproduktion meine Arbeitskraft verkaufen muß, dann sollte ich nicht versuchen, darin Erfüllung zu finden. Natürlich ist es schön, wenn die Arbeit mal Spaß macht. Doch Lohnarbeit bedeutet abstrakte Arbeit, und dabei kommt es eben nicht auf meine Bedürfnisse, sondern die externen Zielvorgaben an. Selbstentfaltung gibt es nur außerhalb, z.B. in Freien Softwareprojekten. Wenn ich die Erwartungshaltung an die Lohnarbeit nicht habe, kann ich sie auch leichter begrenzen. Und das ist aufgrund des endlosen Drucks in Softwareprojekten eine dringende Notwendigkeit.

(51) Eine Firma gründen: Manche denken, sie könnten der abhängigen entfremdeten Arbeit dadurch entkommen, indem sie eine eigene Firma gründen. Das ist so ziemlich die größte Illusion, die man sich machen kann. Als Firmeninhaber bin ich direkt mit den Wertgesetzen der kybernetischen Maschine konfrontiert. Die eigene Entscheidung besteht nur darin, in welcher Weise ich diese Gesetze exekutiere, welches Marktsegment ich besetze, welchen Konkurrenten ich aus dem Feld steche usw. Ich bin mit Haut und Haaren drin, muß permanent mein Handeln als das Richtige gegenüber allen rechtfertigen. Eine Distanzierung ist hier noch schwerer als bei der entfremdeten Lohnarbeit.

(52) Verwertete Entfaltung: Die eigene Selbstentfaltung ist die letzte unausgeschöpfte Ressource der Produktivkraftentwicklung (Meretz 1999c). Das wissen auch die Exekutoren des Wertgesetzes, die die Selbstentfaltung der Verwertung unterordnen wollen. Sie bauen die Hierarchien ab, geben uns mehr Entscheidungsbefugnisse und Flexibilität bei der Arbeitszeit. Die Stechuhren werden abgeschafft, weil man sie nicht mehr braucht – alle arbeiten freiwillig länger nach dem Motto: »Tut was ihr wollt, Hauptsache ihr seid profitabel«. Die Zusammenführung der beiden Rollen des Arbeitskraftverkäufers und des Wert-Gesetz-Exekutors in einer Person ist der (nicht mehr so) neue Trick. Fallt darauf nicht rein! Die »Neue Selbständigkeit« kann zur Hölle werden [19], denn Verwertung und Selbstentfaltung sind unvereinbar.

(53) Selbstentfaltung: Die unbeschränkte Entfaltung der eigenen Individualität, genau das zu tun, was ich wirklich tun will, ist nur außerhalb der Verwertungs-Maschine möglich. Nicht zufällig war es der informatische Bereich, in dem wertfreie Güter geschaffen wurden. Uns fällt es noch relativ leicht, das eigene Leben abzusichern. Wir werden gut bezahlt, finden schnell einen Job. Freie Software zu entwickeln, ist kein Muß, es ist ein Bedürfnis. Wir sind an Kooperation interessiert, und nicht an Verdrängung. Die Entwicklung Freier Software ist ein Beispiel für einen selbstorganisierten Raum jenseits der Verwertungsmaßstäbe. Nur dort ist Selbstentfaltung möglich.

(54) Mit diesen Beispielen möchte ich für Nüchternheit, Klarheit und Offenheit plädieren – im Umgang mit anderen und sich selbst. Dazu gehört für mich auch, wieder über das gesellschaftliche Ganze zu sprechen, denn das sollten wir nicht den wirtschafts- oder bürgerrechtsliberalen Interpreten überlassen. Der Kapitalismus ist nichts dämonisches, man kann ihn verstehen und sein Handeln daran ausrichten. Dann hat Freie Software als wertfreie Software auch ein Chance.

5. Meta-Text

(55) 5.1. Versionen-Geschichte

5.2. Literatur

(56)

DiBona, C., Ockman, S., Stone, M. (1999), Open Sources: Voices from the Open Source Revolution, Sebastopol/CA: O’Reilly; online verfügbar unter http://www.oreilly.com/catalog/opensources/book/toc.html.

Fischbach, R. (1999), Frei und/oder offen? From Pentagon Source to Open Source and beyond, in: FIFF-Kommunikation 3/99, S. 21-26.

Glißmann, W. (1999), Die neue Selbständigkeit in der Arbeit und Mechanismen sozialer Ausgrenzung, in: Herkommer, S. (Hrsg., 1999), Soziale Ausgrenzungen. Gesichter des neuen Kapitalismus, Hamburg: VSA

Kurz, R. (1999), Schwarzbuch Kapitalismus: Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft, Frankfurt/Main: Eichborn.

Lohoff, E. (1998), Zur Dialektik von Mangel und Überfluß, in: Krisis, Beiträge zur Kritik der Warengesellschaft 21/22, Bad Honnef: Horlemann.

Meretz, S. (1999a), Die doppelte algorithmische Revolution des Kapitalismus – oder: Von der Anarchie des Marktes zur selbstgeplanten Wirtschaft. Internet: http://www.kritische-informatik.de/algorev.htm.

Meretz, S. (1999b), Linux – Software-Guerilla oder mehr? Die Linux-Story als Beispiel für eine gesellschaftliche Alternative. In: FIFF-Kommunikation 3/99, S. 12-21. Internet: http://www.kritische-informatik.de/linuxsw.htm.

Meretz, S. (1999c), Produktivkraftentwicklung und Subjektivität. Vom eindimensionalen Menschen und unbeschränkt entfalteten Individualität, Internet: http://www.kritische-informatik.de/pksubj.htm.

O'Reilly & Associates Inc. (1999), Open Source, kurz und gut, Köln: O'Reilly.

Raymond, E. S. (1997), The Cathedral and the Bazaar, http://www.tuxedo.org/~esr/writings/homesteading/cathedral-bazaar/, deutsche Übersetzung: Die Kathedrale und der Basar, http://www.linux-magazin.de/ausgabe/1997/08/Basar/basar.html.

Raymond, E. S. (1998), Homesteading the Nooshpere, http://www.tuxedo.org/~esr/writings/homesteading/homesteading/, deutsche Übersetzung: http://www.phone-soft.com/raymondhomesteading/htn_g.0.html.

Raymond, E. S. (1999), The Magic Cauldron, http://www.tuxedo.org/~esr/writings/homesteading/magic-cauldron/, deutsche Übersetzung: Der verzauberte Kessel, http://www.phone-soft.com/raymondcauldron/cauldron.g.01.html.

Stallman, R.M. (1984), The GNU Manifesto, http://www.gnu.org/gnu/manifesto.html, deutsche Übersetzung: Das GNU-Manifest, http://www.gnu.de/mani-ger.html.

Stallman, R.M. (1994), Why Software Should Not Have Owners, http://www.gnu.org/philosophy/why-free.html.

Stallman, R.M. (1996), Selling Free Software, http://www.gnu.org/philosophy/selling.html.

Stallman, R. (1999), »Software muß frei sein!« Interview des Online-Magazins Telepolis, http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/2860/1.html.

5.3. Anmerkungen

(57) [1] Der »Proprietär« ist der »Eigentümer«, und »proprietär« als Adjektiv heißt so viel wie »einem Eigentümer gehörend«. Doch der Begriff wurde »rundgeschliffen« in Richtung auf »nicht offengelegte Schnittstellen und Datenformate«. Das sind jedoch nur einige Mittel (neben Knebel-Lizenzen, Patenten etc.), um die Exklusivität des Eigentums zu sichern - das alles nur, um künstlich Knappheit zu erzeugen bei einem Produkt, was reichlich vorhanden, weil leicht kopiertbar ist.

(57.1) Re: 5.3. Anmerkungen, 27.01.2002, 00:10, Benja Fallenstein: [1] The "proprietor" is the "owner," and "proprietary" as an adjective means as much as "belonging to an owner." The meaning of the term has been lessened to "closed interfaces and formats;" however, these are only a small number of the means to ensure the exclusiveness of property (along with strangling [?] licenses, patents etc.) - only to artificially make a product scarce which is available abundantly because it's easy to copy.

(58) [2] So werden auch die »Perversionen« des Kapitalismus erklärlich: Obwohl in vielen Bereichen genug Güter zur ausreichenden Versorgung der Menschheit da wäre, gibt es Armut. Nur wo Knappheit herrscht, ist Tauschwert realisierbar. Der Regulator ist das Geld – wo keines ist, herrscht Armut.

(58.1) 27.01.2002, 00:15, Benja Fallenstein: [2] That said, the "perversions" of capitalism become explicable: Even though in many sectors, enough goods to supply humankind with would be available available, there is poverty. Only where scarcity rules, exchange value can be realized. Money is the regulating force - where there is no money, there's poverty.

(59) [3] Solche Standards werden in informellen Dokumenten mit dem Titel Request for Comments (RFC) aufgeschrieben. Ihre hohe Verbindlichkeit resultiert aus ihrem offenen Charakter (etwa im Gegensatz zu einem Patent) und der breiten Konsensbildung.

(59.1) 27.01.2002, 00:19, Benja Fallenstein: These standards are published in informal documents entitled Request for Comments (RFC). Their binding character is a result of their openness (contrary to a patent, say) and of the process based on broad consensus.

(60) [4] Als Quelltext oder Sourcecode bezeichnet man den von Menschen les- und änderbaren Programmtext. Das maschinenausführbare Programm wird dagegen Binärcode genannt.

(60.1) 27.01.2002, 00:24, Benja Fallenstein: Sourcecode means the human-readable and human-editable form of a program. The form that can be executed by a machine, on the other hand, is called the object code. [? -- "binary code" does not seem to apply, in any case]

(60.1.1) 01.02.2002, 16:32, Stefan Meretz: "Binärcode" is "binary code" - of course.

(61) [5] GNU ist ein rekursives Akronym und heißt GNU Is Not UNIX. Es drückt aus, daß das freie GNU-System funktional den proprietären Unix-Betriebssystemen entspricht, jedoch nicht wie diese proprietär, sondern frei ist.

(61.1) 27.01.2002, 00:28, Benja Fallenstein: GNU is a recursive acronym and means GNU's Not Unix. It expresses that the free GNU system is the functional equivalent of the proprietary Unix operating systems, but a free, not a proprietary one.

(62) [6] Um freie Software-Bibliotheken auch in nicht-freier Software benutzen zu können, wurde die GNU Library GPL geschaffen, die diese Vermischung erlaubt (z.B. die GNU C-Library). Mit Version 2.1 wurde sie umbenannt in GNU Lesser GPL, vgl. http://www.gnu.org/copyleft/lesser.html.

(62.1) 27.01.2002, 00:30, Benja Fallenstein: In order to be able to use free software libraries in non-free software as well, the GNU Library GPL was created, allowing this combination (for example, with the GNU C library). In version 2.1, it was renamed the GNU Lesser GPL, c.f. http://www.gnu.org/copyleft/lesser.html.

(63) [7] Tanenbaum, ein Professor aus Amsterdam, veröffentlichte bereits 1986 sein »Mini-UNIX«, genannt Minix, für Lehrverstaltungszwecke. Es konnte sich nie über den Hörsaal hinaus durchsetzen, da es einer restriktiven Lizenz unterlag und die Entwicklung nur von Tanenbaum selbst betrieben wurde. Dokumentiert z.B. in DiBona, C., Ockman, S., Stone, M. (1999) im Anhang A oder im Internet unter http://www.lh.umu.se/~bjorn/mhonarc-files/obsolete/.

(63.1) 27.01.2002, 00:35, Benja Fallenstein: Tannenbaum, a professor from Amsterdam, published his "Mini-UNIX," called MINIX, as early as 1986, targeted for educational purposes. Due to a restrictive license and due to Tannenbaum being the only developer, MINIX never succeeded outside the classroom. Documented in e.g. DiBona, C., Ockman, S., Stone, M. (1999) in Appendix A [] or online at http://www.lh.umu.se/~bjorn/mhonarc-files/obsolete/.

(64) [8] Linus Torvalds in einem Interview mit der Tokyo Linux Users Group: »Linux unter die GPL zu nehmen, war das beste, was ich je getan habe.« (O'Reilly & Associates Inc. 1999, 35).

(64.1) 27.01.2002, 00:37, Benja Fallenstein: Linus Torvalds in an interview with the Tokyo Linux Users Group: "Making Linux GPL'd was definitely the best thing I ever did." (O'Reilly & Associates Inc. 1999, 35) [this text from: http://www.webreview.com/1998/04_10/developers/04_10_98_4.shtml].

(65) [9] Ich verzichte auf eine differenzierte Darstellung der Einzelaspekte einer »korrekten« Wertformanalyse.

(66) [10] Jegliche Produktherstellung umfaßt einen algorithmisch-konstruktiven und einen operativ-materialisierenden Aspekt. Bei Software geht der Anteil des zweiten Aspekts gegen Null. Mehr zum Thema Algorithmus in Meretz (1999a).

(67) [11] Bill Gates hat QDOS für 50.000 Dollar gekauft unter dem Namen MS-DOS vermarktet, wodurch der Aufstieg von Microsoft begann.

(67.1) 27.01.2002, 00:40, Benja Fallenstein: Bill Gates bought QDOS for $50,000 and marketed it as MS-DOS. This was the beginning of Microsoft's success story.

(68) [12] Nach dem 'Chaos Report' der Standish-Group (http://standishgroup.com/visitor/chaos.htm) werden nur ein Viertel aller Projekte erfolgreich abgeschlossen. Der Rest scheitert komplett oder wird mit Zeit- und Budgetüberziehungen von 200% zu Ende gebracht.

(68.1) 27.01.2002, 00:43, Benja Fallenstein: According to the Standish-Group's 'Chaos Report' (http://standishgroup.com/visitor/chaos.htm), only one quarter of all projects are completed successfully. The rest fails entirely or is completed 200% behind schedule or over budget.

(69) [13] Es ist schon lustig, wenn »Freiheit« als ehemaliger Kampfbegriff des Kapitalismus gegen den »unfreien« Sozialismus nun zur Bedrohung im eigenen Hause wird. Anscheinend handelte es sich hierbei auch um zwei »verkrachte Geschwister« – mit letalem Ausgang für den einen.

(70) [14] Eine Diskussion der von ESR verwendeten ökonomischen Kategorien sowie seiner Spekulationen über die Motivation der Hacker (»Geschenkökonomie«) kann ich hier nicht vornehmen. Insbesondere die von ESR dargelegten ökonomischen Kategorien sind haarsträubend. So vertauscht er Gebrauchswert und (Tausch-)Wert sowie Wert und Preis nach Belieben. Das tut der Eloquenz seines Plädoyers für die Re-Integration Freier Software in die kybernetische Wert-Verwertungsmaschine keinen Abbruch. Zum Thema »Geschenkökonomie« vgl. Fischbach 1999.

(71) [15] Vgl. Jamie Zawinski, resignation and postmortem, http://www.jwz.org/gruntle/nomo.html.

(71.1) 27.01.2002, 00:46, Benja Fallenstein: C.f. Jamie Zawinski, resignation and postmortem, http://www.jwz.org/gruntle/nomo.html.

(72) [16] Debian Social Contract (Gesellschaftsvertrag): http://www.debian.org/social_contract.

(72.1) 27.01.2002, 00:47, Benja Fallenstein: The Debian Social Contract: http://www.debian.org/social_contract.

(73) [17] Natürlich wären auch Lockangebote auf Basis der GPL denkbar, doch die Öffentlichkeit würde solche Tricks schnell durchschauen, was dem Image des »Lockers« schaden würde. Da ist die Netscape-Lizenz NPL »ehrlicher«, die besagt, daß man den öffentlichen Code jederzeit wieder privatisieren könne.

(74) [18] Vgl. die Besprechungen in der ZEIT http://www.archiv.zeit.de/daten/pages/199951.p-kurz_.html (PRO) bzw. http://www.archiv.zeit.de/daten/pages//199951.p-kurz-contra_.html (CONTRA) oder bei Telepolis: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/5659/1.html.

(75) [19] Wer das schlicht »nicht glaubt«, dem empfehle ich direkt den Erfahrungsbericht der Betriebsräte von IBM-Düsseldorf als Lektüre (Glißmann 1999).


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