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Von der Waren- zur Wissensgesellschaft - Thesen

Maintainer: Hans-Gert Gräbe, Version 1, 08.05.2001
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

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1. 'Oekonux' und 'New Economy' sind sich einig: Information und Wissen und damit die Kompetenz der Individuen werden in der Gesellschaft von morgen eine zentrale Rolle spielen. Damit hören die Gemeinsamkeiten allerdings schon auf. Die Konsequenzen der 'New Economy' bedeuten, auch Information, Wissen und Kompetenz marktgängig zu machen und damit in kapitalistische Verwertungszusammenhänge einzubinden. Dabei wird wenig Rücksicht genommen auf Traditionen im Umgang mit Wissen, das jahrtausendelang als freizügig zugängliches gesellschaftliches Gemeingut galt. Diese "Wissensallmende" (Grassmuck) soll in einem Akt ursprünglicher Akkumulation parzelliert und damit Gemeineigentum an Wissen durch Privateigentum abgelöst werden, um in Zukunft nicht nur fremde Arbeit, sondern auch fremde Gedanken ausbeuten und die entsprechenden 'Informationsrenten' einstreichen zu können.

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Ein solcher Versuch ignoriert den Umstand, dass (nicht triviale) Information Voraussetzung, nicht Gegenstand produktiver, also marktgängiger Arbeit ist und eigentlich zu einer Sphäre gehört, in die marktwirtschaftliche Austauschprozesse eingebettet sind. Mit dem zunehmenden Focus auf solche Kompetenz wird der kausale Rahmen der Waren produzierenden Gesellschaft verlassen, indem statt Produktion und Verkauf nunmehr die Bedingungen für Produktion und Verkauf, kurz, die Infrastruktur der materiellen Produktion, die "allgemeine Arbeit", ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, eine Arbeitsform, deren Ergebnis alle nutzen, deren Verrichtung aber (aus marktwirtschaftlicher Logik heraus) keiner bezahlen will.

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Parallel zur wachsenden Bedeutung dieser Bereiche wächst auch der Druck, sie vordergründig marktwirtschaftlich zu organisieren und damit einem kurzfristig denkenden Kalkül der lokalen Profitmaximierung zu unterwerfen. Die Unangemessenheit solcher Regulationsmechanismen für die globalen, erst in kooperativen Synergien zu Tage tretenden Effekte einer solchen Infrastruktur vertieft die "Tragödie der Allgemeingüter"1 und trocknet das Substrat derselben weiter aus. Die Ironie des Schicksals will es, dass Wissenschaft und Bildung - die zentralen Themen einer Kompetenzgesellschaft - davon besonders betroffen sind.

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2. Die heutigen gesellschaftlichen Umbrüche resultieren wesentlich aus einem kräftigen Produktivkraftzuwachs, der im breiten Einsatz moderner wissensintensiver Technologien zum Ausdruck kommt und gewöhnlich als Übergang zu einer Informations- oder Wissensgesellschaft bezeichnet wird.

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Obwohl dabei vor allem die IuK-Technologien im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen, reicht die technologische Basis dieser Entwicklungen mit Biotechnologie, Mikro- und Nanotechnik, "intelligenten Materialien" usw. weiter.

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Charakteristisch für all diese Technologien ist eine gegenüber dem klassischen Industriezeitalter enorm gewachsene Bedeutung von Information, Organisation und Wissen. Wissen und Können werden zu zentralen Kategorien und entscheiden über Erfolg und Misserfolg jedes Einzelnen ebenso wie über Erfolg und Misserfolg von Firmen, Vereinigungen, Staaten, ja der Menschheit insgesamt.

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Im Alltag von (in diesem Sinne) modernen Gesellschaften spielen damit Fragen des Wissensmanagements und anderer Formen allgemeiner Arbeit auch in der ökonomischen Praxis eine zunehmend wichtige Rolle.

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3. Marktwirtschaftlich geprägte Vergesellschaftungsformen produktiver Arbeit und Formen der Vergesellschaftung von Wissen folgen unterschiedlichen inneren Logiken. Die komplexe Dynamik der Widersprüche unserer Zeit, die sich aus der Aufladung heutiger Strukturen mit diesen widersprüchlichen Formen ergibt, erfordert zunächst eine genauere Analyse der Unterschiede dieser beiden Sozialisationsformen. Ihre normative und zugleich gesellschaftskonstituierende Wirkung geht von völlig unterschiedlichen Prämissen aus.

  1. Der klassische Produktmarkt ist zwar gesellschaftlich vermittelt, reduziert sich aber letztlich auf ein, zudem sehr individuelles, 1-1-Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, das zusätzlich von einem Wechsel dinglicher Eigentumsrechte im Rahmen des Verkaufsvorgangs begleitet wird. Dagegen kann man am eigenen Wissen und an Informationen viele andere partizipieren lassen, ohne dass dieses sich auch nur im mindesten verbrauchen würde. Wissen ist damit in der Lage sich zu verbreiten und (in einem gesellschaftsrelevanten Sinne) zu "vermehren".

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  2. In einem klassischen Verkaufsvorgang haben, wie Marx immer wieder betont, Verkäufer und Käufer klare Vorstellungen von der Nützlichkeit des auszutauschenden Gegenstands. Mehr noch, für das Funktionieren marktwirtschaftlicher Mechanismen ist es wesentlich, dass diese Vorstellung nicht erst zum Zeitpunkt des Austausches, sondern bereits vor der Produktion der Ware selbst im Kopf des Produzenten existiert. Produktive Arbeit ist in diesem Sinne zweckgerichtete Arbeit und als solche planbar. Derartige A-priori-Vorstellungen gibt es für die meisten "geistigen" Produkte nicht. Im Gegenteil, es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass der Nutzen wissenschaftlicher Arbeit erst im Nachhinein zu beurteilen ist und sich ein solcher Nutzen oft in kausal und auch zeitlich überraschender Form auf eine im Voraus nicht transparente Weise manifestiert und damit in dieser Form weder vorherseh-, geschweige denn planbar ist. Mehr noch, eine Beschränkung der Betrachtung auf in diesem Planbarkeitssinne "nützliches" Wissen blendet die für gesellschaftlichen Fortschritt entscheidenden Wissensformen aus, siehe 2.

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  3. Eng damit verbunden ist der Umstand, dass die Vergesellschaftung und Reindividualisierung, die beiden Phasen der Sozialisation, die bei einem auf dem klassischen Markt ausgetauschten materiellen Produkt unmittelbar und inhärent miteinander verbunden sind, bei den meisten geistigen Produkten nicht nur zeitlich, sondern auch kausal weit auseinanderfallen können.

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Während der Markt also mit den Kategorien Eigentum und Ware eine gesellschaftlich vermittelte Individualität erzeugt, ist Wissen in diesem Sinne eine individuell vermittelte Gesellschaftlichkeit. Als solche ist es, im Gegensatz zu Waren, auch in Teilen nicht vernünftig privatisierbar, ohne seine Reproduktionsfähigkeit existenziell in Frage zu stellen.

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4. Diese Prozesse lassen sich nicht im engen Korsett eines Arbeitsbegriffs analysieren, der diese allein als "zweckgerichtete Tätigkeit" versteht, da eine solche Betrachtung die Mechanismen der Zwecksetzung samt der dahinter stehenden Gesellschafts- und Vergesellschaftungsstrukturen ausblendet. Ein solcher Arbeitsbegriff - Arbeit als "produktive Arbeit" - liegt aber der Marxschen Kapitalanalyse zugrunde.

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Dies ist jedoch kein theoretisches Defizit bei Marx, sondern analytische Konsequenz der praktischen Blindheit marktwirtschaftlicher Mechanismen für diese Zwecksetzung. Sie findet ihren Ausdruck in der Reduktion aller dinglichen Zwecke auf eine einzige Form, die abstrakte Wertform des Geldes.

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Die Analyse heutiger ökonomischer Prozesse ist nur auf der Basis eines erweiterten Arbeitsbegriffs möglich, der auch die reflektorischen Leistungen der Gesellschaft in den Blick bekommt.

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5. Die Analyse von Arbeit im ontologischen Sinne (als Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur) wird dadurch komplizierter. Während sie im vorindustriellen Zeitalter weitgehend als direktes Verhältnis von Mensch und Natur analysiert werden konnte, tritt im Industriezeitalter deren Mittelbarkeit in den Vordergrund.

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Das komplexe Zusammenspiel der Mittel und Produkte, die sich die Menschheit zur Einwirkung auf die Natur geschaffen hat, veranlasst Marx bei seiner Untersuchung des Industriezeitalters zu einer getrennten Analyse der Mittel-Natur-Verhältnisse (Produktivkräfte) und der Mensch-Mittel-Verhältnisse (Produktionsverhältnisse) als Voraussetzung der synthetischen Untersuchung der Wechselwirkungen beider (Produktionsweise).

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Mittel sind in diesem Zusammenhang vor allem die Arbeitsmittel und das dingliche Produktionsinstrumentarium - das "Knochen- und Muskelsystem der Produktion" (Marx). Zwecksetzung und Reflexion bleiben dem Menschen vorbehalten, dem in dieser Kette (Natur - Mittel - Mensch) einzigen aktiv-kreativen Element.

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Moderne wissensintensive Technologien verdinglichen auch einen Teil dieser Zwecksetzungs- und Reflexionsleistung. Dieser neu verdinglichte Teil lässt sich weder der Komponente "Mensch" als dem aktiv-kreativen Element in diesem Verhältnis noch der Komponente "Mittel" in ihrer bisherigen Dimension zuordnen, da er gegenüber dieser einen Teil der strukturierenden Aktivitäten übernimmt, die bisher dem Menschen vorbehalten waren.

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Dessen Subsumierung unter einen zu erweiternden Mittelbegriff ist für die Zwecke der Analyse der heutigen Umbrüche kontraproduktiv, da genau das Verhältnis dieser "Wissenstools" zu den bisherigen dinglichen Produktionsmitteln der Analyse bedarf. Neben dem Kategorienpaar Produkte/Mittel ist also ein weiteres Kategorienpaar Zwecke/Konzepte (genauer: die in den Wissenstools vergegenständlichte Semantik und Pragmatik) zu betrachten, das sich zwischen Produkte/Mittel als Target von Zwecken/Konzepten und den Menschen als weiterhin einziges kreatives Element in diesem Prozess der Auseinandersetzung mit der Natur schiebt.

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In der Perspektive flexibler automatisierter Produktionssysteme verschiebt sich jedoch der instrumentelle Aspekt der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur eindeutig hin zu den "Wissenstools", denen gegenüber die materielle Ausformung von Produkten und Werkzeugen aus Sicht der notwendigen gesellschaftlichen Aufmerksamkeit ähnlich marginal wird wie es heute bereits (im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter) der tatsächliche Einsatz der industriellen Maschinerie zur (physischen) Bearbeitung/InFormung von Naturprodukten ist.

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Die revolutionären Veränderungen unserer Zeit bestehen damit im Kern in der Verschiebung dieser Mittelperspektive von einer "Arbeitsgesellschaft" (im Sinne einer Gesellschaft der "unmittelbar produktiven Arbeit") hin zu einer "Wissensgesellschaft", die durch das zunehmende Heraustreten des Menschen aus dem unmittelbaren Produktionsprozess zugunsten seines stärkeren Einstiegs in den Reproduktionsprozess geprägt wird.

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6. Heutige Gesellschaftsstrukturen sind mit den, oft widerstreitenden, Sozialisierungsbedürfnissen beider Mittelperspektiven aufgeladen. Um die ablaufenden Veränderungen im Sinne des "Fünfschritts der Revolution"3 bzw. der "Allmählichkeit der Revolution"4 zu verstehen, ist zunächst eine analytische Trennung der Pole dieses Dominanzwechsels notwendig, auch wenn sich dieser in allen Poren der Gesellschaft, als Widerstreit innerhalb aller ihrer heutigen funktionalen Strukturen vollziehen wird.

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In einer zweiten Stufe der Analyse ist die Synthese der beiden Pole zu untersuchen, um diese Widersprüchlichkeit realer gesellschaftlicher Prozesse besser verstehen und prognostizieren zu können.

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7. Eine wichtige Ebene eines solchen Dominanzwechsels wird geprägt durch den Übergang von einer Arbeits- zu einer Kompetenzgesellschaft:

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In Zukunft hängt die "Vernutzbarkeit" des Einzelnen viel stärker ab von seinen individuellen Kenntnissen, Erfahrungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, also von seiner Kompetenz, als von seiner physischen Arbeitskraft. Marx stellt dazu in den "Grundrissen der politischen Ökonomie" fest, dass in einem stark wissenschaftlich geprägten Arbeitsumfeld "die Schöpfung des wirklichen Reichtums weniger abhängt von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder [...] in keinem Verhältnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie." (MEW 42, S. 592)

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Technologische Voraussetzung der Teilhabe an einem solchen modernen Produktionsprozess ist damit viel stärker die sich in individueller Kompetenz ausdrückende Beherrschung (eines Teils) der "Macht der Agentien" als die Bereitstellung einer (unterschiedslosen abstrakten) physischen Arbeitskraft auf einem fiktiven "Arbeitsmarkt". Der daraus resultierende Selbstverwirklichungsanspruch ist die Basis des emanzipatorischen Potenzials der Wissensgesellschaft. Die Reproduktion dieser "Macht der Agentien", insbesondere der aktiv verfügbaren Wissensbasis der Gesellschaft und ihrer Teile, wird zur zentralen gesellschaftlichen Aufgabe.

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8. Eine weitere wichtige Ebene wird geprägt durch den Übergang von einer Konsum- zu einer Vorsorgegesellschaft:

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Mit den neuen technologischen Möglichkeiten rücken auch Fragen der Planung und Zwecksetzung von Produktion selbst stärker in den Vordergrund. Natürlich spielte die Zwecksetzung, die jeder produktiven Arbeit vorausgehen muss, auch vorher eine wichtige Rolle als das Risiko, das der kapitalistische Unternehmer auf sich nimmt. Schließlich werden alle seine Aufwendungen nur dann ersetzt, wenn diese Zwecksetzung "marktkonform" erfolgt. Der Schwerpunkt seiner Aktivitäten lag bisher jedoch auf der Realisierung dieses Zwecks. Es waren wenige Projekte notwendig, um entsprechende Aufträge zu akquirieren, und auch die Qualität der Präsentation und Detailliertheit der Ausarbeitung eines Projekts war nicht allzu entscheidend. Dies hat sich heute schon grundlegend geändert. Selbst kleine Handwerksbetriebe müssen mittlerweile Projekterstellung und -überwachung in ganz anderen Dimensionen betreiben als vielleicht noch vor 10 Jahren. Mit zunehmender wissenschaftlicher Durchdringung nicht nur der Produktion selbst, sondern auch der Produktionsorganisation, und dies ist wohl die ökonomische Haupttendenz gegenwärtiger Modernisierungsprozesse, wird dieser Aufwand für die Zweckbestimmung noch einmal deutlich anwachsen.

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Die Hauptgewichte der ökonomischen Aktivitäten, die sogenannten "geschäftskritischen Prozesse", verlagern sich damit von der Produktion selbst hin zur Vorbereitung der Produktion. Während man im Fordismus, der das 20. Jahrhundert maßgeblich prägte, noch Produkte vorhielt (mit Massenproduktion, Massenkonsum, Werbung etc. im Schlepptau), verlagert sich nun der Schwerpunkt hin zum Vorhalten von Produktionsbedingungen, aus denen heraus "just in time" und maßgeschneidert Produkte entsprechend individuellen Bedürfnissen produziert werden können.

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Statt um den Konsum von Produkten geht es in Zukunft also stärker um die Realisierung von Optionen. Dies ist jedoch nicht alternativ zu verstehen, sondern als Perspektiverweiterung. Realisierung von Optionen schließt den Konsum von Produkten ein, beschränkt sich aber nicht auf die unmittelbare Produktperspektive.

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Die Konsequenzen reichen deshalb weiter als bei Fortier5 ausgeführt, der schreibt: "IuK-Technologien ermöglichen es, das unmittelbare Ziel ökonomischer Aktivitäten zu verschieben von der Maximierung des Ausstoßes materieller Produkte hin zur Akkumulation von Wissen als Mittel der Maximierung des Ausstoßes materieller Produkte". Die Möglichkeiten dieser Technologie - aufgefasst nicht in einem technizistischen Sinne, sondern als Einheit von Technik, ihrer Implementierung in der gesellschaftlichen Praxis sowie der Ausprägung sozialer Strukturen, die diese technischen Möglichkeiten adäquat nutzen - gehen weit über eine solche Ausstoßmaximierung hinaus, siehe 6.

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Technologisch hat die Menschheit damit die Möglichkeit, sich zu einer Vorsorgegesellschaft zu wandeln, die vielfältige Konzepte bereithält, um auf die verschiedensten Situationen adäquat reagieren zu können, von denen entsprechend der konkreten Situation aber nur einige wenige tatsächlich bis zur Realisierung geführt werden. Ein solches, auch aus ökologischen Gründen sehr attraktives Modell hat nur einen kleinen Haken - es kollidiert mit den derzeitigen Verwertungsbedingungen. Das Vorhalten von Produktionsbedingungen wird vom Markt nicht belohnt, sondern nur die Produktion selbst.

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9. Aus der Sicht des Dominanzwechsels in der Sozialisierungsform, welche die Gesellschaftsstrukturen entscheidend prägt, handelt es sich um den Übergang von einer Waren- zu einer Wissensgesellschaft.

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Auch hier sind bereits deutliche Verschiebungstendenzen zu spüren, selbst wenn wir heute mit dem vehementen Versuch konfrontiert sind, die Geschäfte der Wissensgesellschaft über Eigentumstitel an Wissensbestandteilen und den "Verkauf von Dienstleistungen" warenförmig zu organisieren. Diese Instrumente der Warengesellschaft stoßen aber immer mehr an die Grenzen ihrer Regulationskraft beim Versuch, die Multioptionalität von Zielen und Bewertungen auf die abstrakte "Wertform" zu reduzieren. Sie werden zunehmend

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Andererseits ist das Wissen um die Bedingungen in einem Marktsegment (Marktbedingungen, technologisches Know-How usw.) die gemeinsame Infrastruktur, in der sich alle Marktteilnehmer dieses Segments bewegen. Mit Kreuzlizensierungen und Supply Chain Management wird diese Infrastruktur heute schon an vielen Stellen gemeinsam bewirtschaftet, andererseits aber als Marktzugangshürde für Neueinsteiger aufgebaut. Die Freizügigkeit des Zugangs zu Information und Wissen innerhalb eines Marktsegments als technologisches Erfordernis der Wissensgesellschaft wird konterkariert von der Abschottung nach außen als herrschaftssicherndes Instrument in den Auseinandersetzungen der Warengesellschaft.

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Ein wesentliches Element der OpenSource-Bewegung besteht im Niederreißen dieser Schranken, womit sie - jenseits aller Fragen einer kommerziellen Verwertung von auf dieser OpenSource-Basis erstellter Produkte - diesen Dominanzwechsel deutlich befördern hilft.

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Mit der zunehmenden Verfügbarkeit flexibler Entwicklungs-, Konstruktions- und Maschinensysteme wird die materielle Realisierung von Konzepten zugleich immer einfacher. Fragen der unmittelbaren materiell-technischen Realisierbarkeit, die im Zentrum der Mechanismen der Warengesellschaft stehen, werden abgelöst von konzeptionell-planerischen Fragen, die den Fokus vom Produkt auf die "Kunden" und deren sachliche Bedürfnisse verschieben.

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Gerade für kleinere Unternehmen wird es damit zur Überlebensfrage, auch Teile der produktiven Kapazitäten, in denen das Know-How des Marktsegments vergegenständlicht ist und die mit hohen Anschaffungskosten zu Buche schlagen, gemeinsam zu bewirtschaften. Der Kooperationsgedanke der Wissensgesellschaft kann sich so auch unmittelbar in die produktive Sphäre ausdehnen.

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Gegenwärtig ist allerdings verstärkt die entgegengesetzte Tendenz der (globalen) Monopolisierung von Marktsegmenten zu verzeichnen, indem durch Fusionen und gegenseitige Beteiligungen einzelne Firmen bzw. verflochtene Firmengruppen ein ganzes Marktsegment beherrschen und damit die Bewirtschaftung der Wissensbasis in diesem Bereich in planerisch-realsozialistischer Manier organisieren können. Ein solcher zentralistischer Zugang widerspricht jedoch den Sozialisierungsbedürfnissen von Wissen, wie in These 3 ausgeführt. Auch hier zeigt die OpenSource-Bewegung die Potenzen auf, die ein kooperativer Zugang bietet.

Fußnoten

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(1)
Garrett Hardin: The Tragedy of the Commons, Science, 162 (1968), 1243-1248.

(41)

(2)
Klaus Fuchs-Kittowski: Wissens-Ko-Produktion. Verarbeitung, Verteilung und Entstehung von Informationen in kreativ-lernenden Organisationen.
In: Christiane Floyd, Wolfgang Hofkirchner (Hrsg.): Stufen zur Informationsgesellschaft für alle.
Festschrift zum 65. Geburtstag Klaus Fuchs-Kittowskis.
Peter Lang-Verlag, Frankfurt 2001.
siehe auch http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/projekte/moderne/Texte

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(3)
Gruppe Gegenbilder: Freie Menschen in freien Vereinbarungen, Kap. 2.4 (Version 1 vom 08.08.2000)
siehe http://www.opentheory.org/gegenbilder

(43)

(4)
Rainer Thiel: Die Allmählichkeit der Revolution - Blick in sieben Wissenschaften
Reihe "Selbstorganisation sozialer Prozesse", Bd. 6, Hrg. Herbert Hörz
LIT Verlag Münster, Juli 2000

(44)

(5)
Francois Fortier: Virtuality Check - A Political Economy of Computer Networking (Mai 1998)
http://dkglobal.org/crit-ict/ff1.htm

(45)

(6)
Wolf Göhring:
siehe auch http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/projekte/moderne/Texte

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