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Ein Beitrag für das Open Source Jahrbuch 2005

Maintainer: Stefan Merten, Version 2, 23.10.2004
Projekt-Typ:
Status: Archiv

Ein Beitrag für das Open Source Jahrbuch 2005

(1) ToDo: Einige Kommentare und Notizen zur Weiterentwicklung der Kladde finden sich in der Version 1 dieses Textes [http://www.opentheory.org/ox_osjahrbuch_2005/v0001.phtml]. Aus dieser Version sind einige ToDos hierher übernommen.

(2) ToDo: Einleitung fehlt. Vielleicht ein kurzer Überblick über den Artikel und zwei Sätze zum Projekt Oekonux.

(2.1) 25.10.2004, 22:31, Stefan Merten: Titel könnte sein: "Freie Software und Gesellschaftsformation - Die Oekonux-Thesen"

(2.2) 25.10.2004, 22:31, Stefan Merten: [Artikel] Freie Software hinsichtlich eines möglichen Ausgangspunkt einer neuen, fundamental veränderten Gesellschaftsformation zu untersuchen hat sich das Projekt Oekonux zur Aufgabe gemacht. Das ganz überwiegend virtuelle Projekt gruppiert sich um mehrere Mailing-Listen und einige Web-Sites. Im nicht-virtuellen Raum tritt das Projekt mit bisher drei internationalen Konferenzen an die Öffentlichkeit.

(2.3) 25.10.2004, 22:31, Stefan Merten: [Artikel] Der folgende Artikel wurde in der Hauptsache vom Maintainer des Projekts und einem der wichtigsten Aktivisten gemeinsam geschrieben. Am offenen Prozess der Textentwicklung, der unter http://www.opentheory.org/ox_osjahrbuch_2005/ auch jetzt noch für alle Beiträge offen ist, nahmen weitere AktivistInnen des Projekts teil. Ziel des Textes ist es, die zentralen Thesen des Projekts zu beleuchten und nachvollziehbar zu machen.

Produktionsweise Freier Software

(3) Die Produktionsweise Freier Software unterscheidet sich grundsätzlich von der proprietärer Software. Dies betrifft weniger die technischen Verfahren, sondern vor allem individuelle Motivation und soziale Organisation. Diese Produktionsweise ist gekennzeichnet durch Wertfreiheit, Selbstentfaltung, Selbstorganisation und Globalität.

(3.1) Re: Produktionsweise Freier Software, 23.10.2004, 13:01, Franz Nahrada: Der Begriff der Wertfreiheit hat mehrere Bedeutungen und sollte hier unbedingt genauer definiert oder anders bezeichnet werden.

(3.1.1) Re: Produktionsweise Freier Software, 25.10.2004, 22:32, Stefan Merten: Genügt die Erläuterung in #4? Oder denkst du, dass es wir es noch besser hinkriegen? Vielleicht hast du einen Vorschlag?

(3.2) Re: Produktionsweise Freier Software, 24.10.2004, 22:32, Stefan Meretz: [Artikel][Ergänzung] Diese vier Begriffe werden im Folgenden erklärt.

(3.3) Re: Produktionsweise Freier Software, 24.10.2004, 22:38, Stefan Meretz: Evtl. ist es sinnvoll, vor die nächsten Absätze jeweils den im Absatz erklärten Begriff davorzusetzen, also etwa so: Wertfreiheit: Text ...

(3.3.1) Re: Produktionsweise Freier Software, 25.10.2004, 22:32, Stefan Merten: Oh Schreck! Jetzt sind beim Import des Textes aus meinem internen Format natürlich sämtliche Hervorhebungen auf der Strecke geblieben! So ein Mist! Ich lege den Text mit Hervorhebungen mal vorübergehend bei mir ab: http://www.merten-home.de/jahrbuch05.html

(3.3.2) Re: Produktionsweise Freier Software, 25.10.2004, 22:32, Stefan Merten: Die Hervorhebungen hatte ich genau für diesen Zweck gedacht, dass sie die jeweiligen zentralen Begriffe bzw. Thesen eines Absatzes hervorheben. Ich habe das auch in dieser Version durchgehend getan - leider eben nicht in der OT-Version :-( . Genügt das oder soll wirklich das Stichwort jeweils vorne dran? Wir sollten das dann aber auch stilistisch an den anderen Stellen angleichen, sonst wirkt der Text zu uneinheitlich.

(4) Die Entwicklung von Software ist mit Anstrengung verbunden. Bei Freier Software wird diese Anstrengung in der Regel jedoch nicht entlohnt. Wie auf vielen anderen Gebieten menschlichen Lebens strengen sich die Menschen hier aus anderen Gründen an, als Geld dafür zu erhalten. Das Resultat dieser Anstrengung ist deswegen wertfrei und unterscheidet sich damit wesentlich von der wertbasierten Anstrengung, bei der die Anstrengung zur Erzielung von Lohn oder Profit unternommen wird.

(5) Hauptantrieb bei der Entwicklung der Freien Software ist die individuelle Selbstentfaltung. Selbstentfaltung bedeutet, dass ich genau das tue, was ich tun möchte. Es gibt keine dritten Gründe wie z.B. Markt oder Verkauf, sondern jeweils meine Gründe, Freie Software zu entwickeln oder zu unterstützen. Die Freiheit der Entwicklung und der Ziele ist ein wichtiges Motiv. Proprietäre Software hingegen wird für einen dritten, fremden Zweck entwickelt. Der Markt entscheidet, ob die Software überlebt. Finden sich zu wenige KäuferInnen, verschwindet die Software. Das gibt es bei Freier Software nicht. Solange sich jemand für die Software interessiert, gibt es sie - oft auch, wenn es keine aktuellen NutzerInnen mehr gibt.

(6) Die sozialen Organisationsformen Freier Software sind so verschieden wie die Projekte selbst. Niemand gibt vor, wie etwas zu sein hat. Jedes Projekt organisiert sich selbst und findet die Form, die ihm gemäß ist - oft einfach durch Ausprobieren. In den meisten Projekten gibt es die beiden Rollen Maintainer und Projektmitglied. Ein Maintainer übernimmt freiwillig Verantwortung und kümmert sich um Meta-Prozesse: Code-Verwaltung, Projekt-Organisation, Kommunikation, Information nach außen etc. Projekt-Mitglieder leisten freiwillige Beiträge: Code-Schnipsel, Fehler-Bereinigungen, Dokumentationen etc. Die Übergänge sind fließend. Je größer das Projekt, desto differenzierter die Struktur. Die meisten Projekte arbeiten nach dem Prinzip: Was getan werden muss, wird getan - oder eben nicht. Und: Das Programm ist fertig, wenn es fertig ist.

(7) ToDo: Diesen Absatz evt. in Maintainer-Kapitel integrieren.

(7.1) 24.10.2004, 22:35, Stefan Meretz: Diesen Absatz bitte nicht von hier weg verschieben, weil er einen der vier Begriffe erklärt.

(7.1.1) 25.10.2004, 22:32, Stefan Merten: Genau das ist mir nicht klar geworden, weswegen ich für diesen Absatz auch keine Hervorhebung gefunden habe. Ich vermute, dass hier Selbstorganisation erläutert werden soll. [Les, les, les] Ach so, "organisiert sich selbst" ist der Knackpunkt. Was mich wohl verwirrt hat, ist der Abschnitt nach "In den meisten Projekten gibt es die beiden Rollen"... Für eine Erläuterung von Selbstorganisation würde ich weniger auf die Rollenverteilung eingehen, als darauf wie und warum Selbstorganisation angesagt ist, wie sie sich äußert. Dass es in der Selbstorganisation auch Rollen gibt, finde ich da nicht das Allerwichtigste.

(8) Die globale Vernetzung ist Resultat der Möglichkeiten des Internet. Jedes noch so kleine Projekt, das sich einer der vielen frei zugänglichen Projekt-Infrastrukturen bedient (SourceForge, Savannah etc.) oder selbst eine betreibt, ist weltweit verfügbar. Menschen, die sich noch nie gesehen haben und vielleicht auch niemals sehen werden, können so zusammen kommen und etwas Nützliches erschaffen. Ohne das Internet wäre Freie Software nicht denkbar.

(9) ToDo: Diesen Absatz evt. im Kapitel zur digitalen Kopie integrieren.

(9.1) 25.10.2004, 22:32, Stefan Merten: Dieser Absatz sollte dann auch nicht verschoben werden.

(10) Selbstentfaltung ist ein zentraler Begriff beim Verständnis Freier Software. Damit ist nicht einfach "Spaß haben" gemeint. Selbstentfaltung hat eine individuelle und eine gesellschaftliche Dimension. Individuell meint Selbstentfaltung das persönliche Entfalten der eigenen Möglichkeiten, das Entwickeln der eigenen Persönlichkeit. So verstandene Entfaltung der Persönlichkeit hat stets Formen der Entäußerung: produktive, reproduktive, technische, kulturelle, kommunikative, konsumtive etc. Diese Produkte sind für Andere nützlich.

(10.1) Selbstentfaltung, 24.10.2004, 22:40, Stefan Meretz: Vor diesen Absatz die Überschrift Selbstentfaltung setzen. Der Begriff wird ja hier erneut ausführlicher aufgegriffen.

(10.1.1) Re: Selbstentfaltung, 25.10.2004, 22:32, Stefan Merten: [Artikel] [Ergänzung] Überschrift "Selbstentfaltung".

(11) Die gesellschaftliche Dimension der Selbstentfaltung betrifft die Abhängigkeit der eigenen Entfaltung von der Entfaltung der Anderen. Ich kann mich nur entfalten, wenn die Anderen es auch tun. Die Anderen, potenziell alle Anderen, sind meine Entfaltungsbedingung, wie ich umgekehrt Entfaltungsbedingung für die Anderen bin. Es entsteht eine positive Rückkopplung: Mein Bestreben richtet sich darauf, dass die Anderen sich entfalten können, damit ich mich entfalten kann. Würde ich mich nur darauf konzentrieren, was ich zu tun wünsche und die Anderen ignorieren oder gar ausgrenzen, dann schadete ich mir selbst.

(12) Diese Dynamik können wir - mehr oder weniger ausgeprägt - bei Freier Software beobachten. Die positive Rückkopplung kommt zustande, weil und wenn es keine dritten, entfremdeten Gründe gibt, tätig zu werden. Das ist bei Freier Software gegeben, weil Freie Software keine Ware ist und nicht für den Verkauf produziert wird. Im Projekt Oekonux wurde diese Analyse zu dem Satz verdichtet: Die Selbstentfaltung des Einzelnen ist die Bedingung für die Entfaltung Aller - und umgekehrt. Besonders deutlich wird die Unterscheidung, wenn man den gleichen Satz für die entfremdete Warenproduktion formuliert: Die Entwicklung des Einzelnen ist möglich auf Kosten der Entwicklung der Anderen - und umgekehrt.

(13) Selbstentfaltung darf nicht mit Selbstverwirklichung verwechselt werden. Selbstverwirklichung blendet die gesellschaftliche Dimension aus, sie muss Andere ignorieren oder sich gegen sie durchsetzen. Selbstverwirklichung ist statisch und begrenzt, sie geht von einer Anlage aus, die verwirklicht werden will und endet mit der Erfüllung. Selbstentfaltung hingegen ist dynamisch. Jede erreichte Entfaltung ist wiederum nur Bedingung und Möglichkeit neuer Formen der Entfaltung. Eine Gesellschaft der Selbstentfaltung wäre eine reiche Gesellschaft.

Freie Software ist keine Ware

(14) Eine Ware ist ein Produkt, das zum Zwecke des Tausches (Verkauf) hergestellt wird. Dabei ist der Preis nicht relevant: Es gibt auch Waren mit dem Preis 0, z.B. Freeware. Freeware ist keine Freie Software. Freie Software zeichnet sich durch freie Verfügung, nicht aber notwendig durch ihre Kostenfreiheit aus. Entscheidender bei Freier Software ist, dass sie nicht für einen Tausch hergestellt wird.

(14.1) Re: Freie Software ist keine Ware, 24.10.2004, 22:47, Stefan Meretz: [Artikel][Austauschen] Eine Ware ist ein Produkt, das zum Zwecke des Tausches (Verkauf) hergestellt wird. Dabei ist der Preis nicht relevant. Ein Sonderfall ist Freeware. Freeware ist keine Freie Software. Freie Software zeichnet sich durch freie Verfügung, freie Quellen, freie Änderbarkeit und freie Verteilbarkeit aus - nicht aber notwendig durch Kostenfreiheit. Entscheidend bei Freier Software ist, dass sie nicht für einen Tausch hergestellt wird.

(14.1.1) Re: Freie Software ist keine Ware, 25.10.2004, 22:33, Stefan Merten: [Artikel] [Ergänzung] Nach "...durch Kostenfreiheit" sollte noch "wie es bei Freeware der Fall ist." ergänzt werden um die Abgrenzung wirklich deutlich zu machen.

(14.1.2) Re: Freie Software ist keine Ware, 25.10.2004, 22:33, Stefan Merten: Vorsicht: Einfach Freie Software wird durchaus für den Tausch hergestellt!

(14.1.3) Re: Freie Software ist keine Ware, 26.10.2004, 22:25, Stefan Merten: [Artikel] [Entfernen] Gemerget.

(15) ToDo: Öhm, tja, hast du recht. Freeware ist ein unpassendes Beispiel. Freeware ist IMHO im Grenzbereich: Es wird in der Regel für einen Markt hergestellt, aber nicht um einen Preis zu erzielen, sondern andere Zwecke durchzusetzen (z.B. Vorherrschaft und Kombination mit Bezahlprodukten, Bsp. InternetExplorer). Ich wollte halt das Ding mit "Kein-Preis ist nicht das Kriterium" drin haben.

(15.1) 25.10.2004, 22:33, Stefan Merten: Done.

(16) Weil Freie Software keine Ware ist, muss sie auch nicht knapp sein. Freie Verfügung bei Software bedeutet: Sie ist im Überfluss vorhanden, jede und jeder kann sich einfach ein Exemplar nehmen (kopieren). Einzig technische Einschränkungen wie etwa der Zugang zum Internet begrenzen dieses Nehmen.

(16.1) 26.10.2004, 22:25, Stefan Merten: [Artikel] [Entfernen] Gemerget.

(17) Weil Freie Software keine Ware ist, können ihre Quellen jedem offen zugänglich sein. Die Offenheit befördert die kooperative Entwicklung. Es lädt NutzerInnen ein, die Software zu benutzen und Fehler und Wünsche zu melden, und es lädt EntwicklerInnen ein, Verbesserungen und Erweiterungen einzubringen. Jeder auch noch so kleine Beitrag bringt alle voran. Freie Software saugt Kreativität und Wissen an. Nicht nur beim Nehmen herrscht Überfluss, auch die Hineingabe ist potenziell unbegrenzt. Freie Software funktioniert nach einem Inklusionsmodell.

(17.1) 26.10.2004, 22:25, Stefan Merten: [Artikel] [Entfernen] Gemerget.

(18) Weil proprietäre Software in der Regel eine Ware ist, kann sie sich viele Freiheiten nicht gönnen. Sie muss das Nehmen begrenzen, obwohl es dafür keinen wirklichen Grund gibt. Knappheit muss künstlich erzeugt werden. Sie muss die Hineingabe beschränken, denn nur ausgewählte EntwicklerInnen dürfen in den Quelltext sehen. Geheimniskrämerei und unsichere Software sind oft die Folge. Proprietäre Software basiert auf einem Exklusionsmodell.

(18.1) 26.10.2004, 22:25, Stefan Merten: [Artikel] [Entfernen] Gemerget.

Jenseits der Ware

(19) Wollen wir ermessen, inwiefern sich Freie Software vom vorherrschenden Produktivkraftmodell der Marktwirtschaft unterscheidet, so ist es sinnvoll, Freie Software mit einem der zentralen Elemente der Marktwirtschaft zu vergleichen: der Ware. Unter Ware verstehen wir in diesem Kontext Güter, die primär zum Zwecke des Verkaufs auf einem Markt produziert werden und sich also von Gütern unterscheiden, die primär aus anderen Gründen produziert werden - z.B. weil sie nützlich sind.

(19.1) Re: Jenseits der Ware, 26.10.2004, 22:25, Stefan Merten: [Artikel] [Austauschen] Wollen wir ermessen, inwiefern sich Freie Software vom vorherrschenden Produktivkraftmodell der Marktwirtschaft unterscheidet, so ist es sinnvoll, Freie Software mit einem der zentralen Elemente der Marktwirtschaft zu vergleichen: der Ware. Unter Ware verstehen wir in diesem Kontext Güter, die primär zum Zwecke des Verkaufs auf einem Markt produziert werden und sich also von Gütern unterscheiden, die primär aus anderen Gründen produziert werden - z.B. weil sie nützlich sind. Dabei ist der Preis der Ware nicht relevant. Ein Sonderfall ist Freeware, die keine Freie Software ist. Freie Software zeichnet sich durch freie Verfügung, freie Quellen, freie Änderbarkeit und freie Verteilbarkeit aus - nicht aber notwendig durch Kostenfreiheit wie es bei Freeware der Fall ist.

(20) Eines der hervorstechenden Merkmale Freier Software ist, dass das in vielen Fällen das eigentliche Produkt keinen Preis hat. Viele, die an die geldbasierte Gesellschaft gewöhnt sind, sind zunächst einmal skeptisch gegenüber dieser Tauschfreiheit. Sind sie doch daran gewöhnt, dass Güter, für deren Erhalt sie nichts oder unverhältnismäßig wenig zurück geben müssen, entweder Teil der Werbung sind oder sonst einen Pferdefuß haben. Freie Software ist aber weder Werbung noch hat sie sonst einen Pferdefuß. Freie Software ist von Anfang bis Ende jenseits des Tauschprinzips angesiedelt. Auch wenn die Teilnahme an einem Freien-Software-Projekt Geben und Nehmen beinhaltet, so ist der Erhalt von Leistungen jedoch nicht an die Erbringung von Leistungen gekoppelt. Tatsächlich werden die allermeisten NutzerInnen Freier Software wenig oder gar nichts zu deren Weiterentwicklung leisten, und können sie doch völlig uneingeschränkt nutzen.

(20.1) 26.10.2004, 22:26, Stefan Merten: [Artikel] [Austauschen] Ist eine Freie Software jedoch erst einmal veröffentlicht, so hat sie keinen Preis mehr. Viele, die an die geldbasierte Gesellschaft gewöhnt sind, sind zunächst einmal skeptisch gegenüber dieser Tauschfreiheit. Sind sie doch daran gewöhnt, dass Güter, für deren Erhalt sie nichts oder unverhältnismäßig wenig zurück geben müssen, entweder Teil der Werbung sind oder sonst einen Pferdefuß haben. Freie Software ist aber weder Werbung noch hat sie sonst einen Pferdefuß. Insbesondere Doppelt Freie Software ist von Anfang bis Ende jenseits des Tauschprinzips angesiedelt. Auch wenn die Teilnahme an einem Freien-Software-Projekt Geben und Nehmen beinhaltet, so ist der Erhalt von Leistungen jedoch nicht an die Erbringung von Leistungen gekoppelt. Tatsächlich werden die allermeisten NutzerInnen Freier Software wenig oder gar nichts zu deren Weiterentwicklung leisten, und können sie doch völlig uneingeschränkt nutzen.

(20.2) 26.10.2004, 22:26, Stefan Merten: [Artikel] [Verschiebung] Tatsächlich ist Freie Software im Überfluss vorhanden. Allein dies ist ein nachhaltiges Hindernis, Freie Software zu einer Ware zu machen. Ware kann nämlich nur existieren, wenn sie knapp ist. Ist ein Gut nicht knapp, steht es vielmehr allen zur Verfügung die seiner bedürfen, so kann es nicht mehr verkauft werden.

(21) Auf Grund der Konkurrenz sind in der Warenproduktion Betriebsgeheimnisse unerlässlich. Sie schützen die Marktteilnehmer, indem sie für eine bestimmte Produktion benötigtes Wissen vor der Konkurrenz verbergen. Auch die Idee der Patente zielt in diese Richtung, wobei die Geheimhaltung hier durch einen staatlichen Monopolschutz ersetzt und die Idee damit zwar veröffentlicht aber künstlich verknappt wird. Bei Freier Software liegen die Quellen offen vor, so dass es gar keine Geheimnisse geben kann. Alle Interessierten können jederzeit das gesamte Know-How verwenden, dass in einer bestimmten Software enthalten ist. Die vier fundamentalen Rechte Freier Software erwähnen die Möglichkeit des Lernens aus fremden Quellen sogar explizit.

(21.1) 26.10.2004, 22:26, Stefan Merten: [Artikel] [Austauschen] Auf Grund der Konkurrenz sind in der Warenproduktion Betriebsgeheimnisse unerlässlich. Sie schützen die Marktteilnehmer, indem sie für eine bestimmte Produktion benötigtes Wissen vor der Konkurrenz verbergen. Auch die Idee der Patente zielt in diese Richtung, wobei die Geheimhaltung hier durch einen staatlichen Monopolschutz ersetzt und die Idee damit zwar veröffentlicht aber künstlich verknappt wird. Bei Freier Software liegen die Quellen offen vor, so dass es gar keine Geheimnisse geben kann. Alle Interessierten können jederzeit das gesamte Know-How verwenden, dass in einer bestimmten Software enthalten ist.

(21.2) 26.10.2004, 22:26, Stefan Merten: [Artikel] [Ergänzung] Gleichzeitig lädt die Offenheit die NutzerInnen ein, die Software zu benutzen und Fehler und Wünsche zu melden, und es lädt EntwicklerInnen ein, Verbesserungen und Erweiterungen einzubringen. Jeder auch noch so kleine Beitrag bringt alle voran. Freie Software saugt Kreativität und Wissen an und so herrscht Überfluss nicht nur beim Nehmen, sondern auch die Hineingabe ist potenziell unbegrenzt. Freie Software lädt zur Kooperation ein, sie funktioniert nach einem Inklusionsmodell.

(22) Tatsächlich entspricht Konkurrenz, wie wir sie zwischen Warenproduzenten erleben, auch nicht dem Modell, das in Freier Software die Regel ist. Wo es für eine bestimmte Problemstellung mehrere Programme gibt, so beziehen sie sich nicht konkurrenzförmig, also negativ aufeinander. Entweder es besteht gar keine Beziehung zwischen den Projekten oder es gibt eine mehr oder weniger starke Kooperation zwischen den Projekten.

(22.1) 26.10.2004, 22:26, Stefan Merten: [Artikel] [Austauschen] Konkurrenz, wie wir sie zwischen Warenproduzenten erleben, ist insbesondere bei Doppelt Freier Software nicht gegeben. Wo es für eine bestimmte Problemstellung mehrere Programme gibt, so beziehen sie sich nicht konkurrenzförmig, also negativ aufeinander. Entweder es besteht gar keine Beziehung zwischen den Projekten oder sie kooperieren mehr oder weniger stark. Proprietäre Software muss dagegen nicht nur das Nehmen begrenzen. Auch die Hineingabe ist beschränkt, denn nur ausgewählte EntwicklerInnen dürfen in den Quelltext sehen. Unsichere Software sind oft die Folge. Proprietäre Software basiert auf einem Exklusionsmodell.

(23) Nun hat es in der Vergangenheit immer mal wieder Produktionsformen gegeben, die nicht vom Warenmarkt ausgegangen sind. Nicht selten sind Produkte zunächst im Hobby-Bereich ersonnen worden und die Wirtschaft hat diese Erfindungen aufgegriffen. In solchen Fällen ist dem Hobby-Bereich bestenfalls eine Nische geblieben. Anders bei Freier Software. Wurde auch Software in der Frühzeit der Computer nicht als eigenständige Ware begriffen, so begann sich dies in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu ändern und mit rasanter Geschwindigkeit etablierte sich ein Warenmarkt für Software. Freie Software, die auf einem anderen Produktivkraftmodell als Warenproduktion beruht, trat nun aus Sicht der NutzerInnen in direkte Konkurrenz zur proprietären Software. Im Gegensatz zu allen früheren Beispielen konnte sich Freie Software aber nicht nur eine Nische sichern, sondern wächst im Gegenteil immer weiter und wird nach und nach zu einer ernsten Bedrohung für die proprietäre Software. Zwar stehen die Produkte proprietärer und Freier Software-Entwicklung nicht in Konkurrenz zueinander, da sie nicht in der selben Sphäre entwickelt werden. Das neue Produktivkraftmodell aber, das wir in Freier Software erkennen können, hat als System offenbar das Zeug dazu, das etablierte Produktivkraftmodell der Warenproduktion nieder zu konkurrieren.

(23.1) 23.10.2004, 13:25, Franz Nahrada: Wobei diese "Konkurrenz" eben auch und vermittelt über die Marktkonkurrenz läuft - Freie Software ist eben zunehmend billiger und kostengünstiger, verläßlicher und beständiger als proprietäre Software. Aber diese Marktkonkurrenz beeinflußt auch zunehmend die "Verkehrsformen", den völlig verschiedenen Bedarf nach Institutionen und Werten. Der "Kulturkampf", der von der wildgewordenen Marktwirtschaft losgetreten worden ist, die alles in Geldbeziehungen auflösen will ähnlich wie das Ancien Regime alles dem König dienstbar machen wollte, wird mit dem Vordringen des neuen Produktivkraftmodells mit umgekehrten Vorzeichen geführt werden: vor allem gegen die absurde und destruktive Verankerung des "geistigen Eigentums" in der gesellschaftlichen Praxis.

(23.1.1) 23.10.2004, 13:44, Franz Nahrada: Im übrigen wird im letzten Abschnitt genauer drauf eingegangen. Es gibt ein historisches Pendant zu dieser Entwicklung.

(23.2) 24.10.2004, 22:52, Stefan Meretz: Die beiden letzten Sätze sind widersprüchlich: Produkte stehen nicht in Konkurrenz, PK-Modell aber doch?

(23.2.1) 25.10.2004, 22:34, Stefan Merten: Ihr habt Recht, das Verhältnis ist noch komplizierter. Ich versuche erstmal ohne Formulierung zu sagen, was mir durch den Kopf geht: Freie Software konkurriert als Produkt nicht gegen proprietäre Software, da Freie Software nicht um die selben (knappen (sic!)) Ressourcen konkurriert. Umgekehrt ist für proprietäre Software Freie Software natürlich eine Konkurrenz, da proprietäre Software durch Freie immer obsoleter wird. Warenförmige Software - und da zählt auch Einfach Freie Software "ein bisschen" dazu - kann aber im Gegensatz zu Doppelt Freier Software nur existieren, wenn sie auf eine zahlungskräftige Nachfrage trifft.
Bei den Produktivkraftmodellen scheint mir die Konkurrenzsituation dagegen klarer / einfacher - oder?

(24) Nicht zuletzt ist Freie Software im Überfluss vorhanden. Allein dies ist ein nachhaltiges Hindernis, Freie Software zu einer Ware zu machen. Ware kann nämlich nur existieren, wenn sie knapp ist. Ist ein Gut nicht knapp, steht es vielmehr allen zur Verfügung die seiner bedürfen, so kann es nicht mehr verkauft werden.

(25) ToDo: Vielleicht können wir einen Merge machen.

(25.1) 26.10.2004, 22:27, Stefan Merten: So, ich habe mal gemerget. Sollte nochmal sehr kritisch gelesen werden, ob das noch einigermaßen zusammen passt.

(26) ToDo: Unsere beiden Herangehensweisen scheinen verschieden zu sein. Ich komme von der Ware und zähle Eigenschaften der Ware auf, die bei Freier Software nicht gelten. Du sagst Freie Software ist keine Ware und deshalb gelten die Wareneigenschaften für sie nicht. Ich finde meine Argumentationsrichtung überzeugender, da sie ohne vorherige Setzung - Freie Software ist keine Ware - auskommt.

(26.1) 24.10.2004, 22:54, Stefan Meretz: Hm, ja, akzeptiert. Mir fehlt aber bei dir der Aspekt "Inklusionsmodell" vs. "Exklusionsmodell" (s.o.)

Stichwort Knappheit

(27) ToDo: Ich habe dazu gerade eine Kolumne zum Stichwort Knappheit für die "Streifzüge" fertiggestellt, wo ich die Klärung nochmal versucht habe.

(27.1) Re: Stichwort Knappheit, 24.10.2004, 23:03, Stefan Meretz: [Artikel] Wirtschaft sei Umgang mit Knappheit, heißt es. Doch so einfach ist es nicht. Im Oekonux-Projekt wird genauer hingeschaut und zwischen Vorkommen, Begrenztheit und Knappheit unterschieden.

(27.1.1) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:34, Stefan Merten: [Artikel] [Änderung] Letzter Satz besser: "Wir unterscheiden genauer zwischen den Begriffen Vorkommen, Begrenztheit und Knappheit."

(27.2) Re: Stichwort Knappheit, 24.10.2004, 23:04, Stefan Meretz: [Artikel] Vorkommen: Ein Gut kommt vor oder nicht - unabhängig davon, ob wir es brauchen oder nicht. Das Vorkommen kennt ein absolutes Maß. Auf der Erde gibt es Rohstoffe fester Menge. Verleiht man dem Begriff ein zeitliches Maß, so ist er auch auf hergestellte Güter übertragbar: In Wien gibt es so-und-soviele Fahrräder. Die Apfelernte erbrachte so-und-soviele Tonnen.

(27.2.1) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:35, Stefan Merten: [Artikel] [Änderung] "hergestellte Güter" durch "hergestellte Güter - also Produkte -" ergänzen. Wäre mir wichtig, weil sonst das Wort Produkt nirgends erklärt wird.

(27.3) Re: Stichwort Knappheit, 24.10.2004, 23:06, Stefan Meretz: [Artikel] Begrenztheit: Die Begrenztheit ist das Verhältnis zwischen der Verfügbarkeit eines Gutes und den Bedürfnissen der Menschen, dieses zu erhalten und zu benutzen. Gemessen am Bedarf, kann ein Gut in zu geringer Menge vorkommen. Solche Begrenzungen können abgestellt werden. Vom gewünschten Gut kann mehr hergestellt werden. Mit neuen Technologien können vormals unzugängliche Rohstoffe gefördert werden, oder das Bedürfnis wird mit Produkten befriedigt, die eben jenen begrenzten Rohstoff nicht erfordern. Im nächsten Monat können mehr Fahrräder hergestellt werden. In einigen Jahr geben die neu gepflanzten Apfelbäume mehr Äpfel. Produktion von Lebensmitteln im allgemeinen Sinne bedeutet immer, gesellschaftlich mit Begrenzungen umzugehen.

(27.3.1) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:35, Stefan Merten: [Artikel] [Änderung] "von Lebensmitteln im allgemeinen Sinne" sollte hier raus, da es m.E. für die Zielgruppe zu missverständlich ist. Die überliest das "im allgemeinen Sinne" da nämlich und denkt nur an den Supermarkt.

(27.4) Re: Stichwort Knappheit, 24.10.2004, 23:10, Stefan Meretz: [Artikel] Knappheit: Eine besondere Form des Umgangs mit Begrenzungen ist die Warenproduktion. Genau besehen löst sie die Verfügbarkeit eines Gutes vom Vorkommen und von Begrenzungen ab. Eine Ware darf nicht frei verfügbar sein, sonst sie sie keine, sie muss knapp sein. Ist sie nicht knapp, wird sie knapp gemacht: weggeschlossen, verschlechtert, vernichtet. Knappheit ist eine geschaffene, soziale Form der Warenproduktion. Sie ignoriert wirkliche Begrenzungen und Vorkommen, um daraus die real wirksame Form »Knappheit« zu machen. Die soziale Form »Knappheit« produziert die Paradoxie des Mangels im Überfluss. Da abgelöst vom wirklichen Vorkommen, kann sie auch nicht nachhaltig sein. Sie ist geradezu das Gegenteil, denn sie zerstört Vorkommen. Die Warenproduktion kann Begrenzungen daher auch nicht wirklich begegnen.

(27.4.1) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:35, Stefan Merten: [Artikel] [Korrektur] s/sie sie/ist sie/

(27.4.2) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:35, Stefan Merten: [Artikel] [Änderung] "Genau besehen löst sie die Verfügbarkeit eines Gutes vom Vorkommen und von Begrenzungen ab." ist natürlich nur insoweit richtig, als dass Knappheit Verfügbarkeit über Vorkommen und Begrenzungen hinaus weiter einschränkt - und nicht etwa in die umgekehrte Richtung. In diesem Text sollten wir das sollten wir das klarer machen: "Genau besehen löst sie die Verfügbarkeit eines Gutes vom Vorkommen und von Begrenzungen in dem Sinne ab, dass sie jenseits dieser Verfügbarkeit weiter reduziert."

(27.4.3) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:35, Stefan Merten: "Knappheit ist eine geschaffene, soziale Form der Warenproduktion." Könnte mensch sagen, dass Knappheit die soziale Form ist, mit Hilfe derer die Warenproduktion mit dem allgemeinen Problem von Begrenzung umgeht? Wenn ja, könnten wir das vielleicht irgendwie so formulieren.
Ist es vielleicht sogar so, dass die Knappheit der Warenproduktion die Knappheit von Arbeitskraft wiederspiegelt? Immerhin presst Warenproduktion ja alles durch das Nadelöhr des Werts.

(27.4.4) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:35, Stefan Merten: [Artikel] [Änderung] Die Anführungszeichen finde ich an dieser Stelle überflüssig: s/"//g

(27.4.5) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:36, Stefan Merten: [Artikel] [Änderung] "Die soziale Form Knappheit produziert die Paradoxie des Mangels im Überfluss." Dann sollten wir hier die feine Unterscheidung zwischen "real" und "wirklich" des vorherigen Satzes übernehmen: "Die soziale Form Knappheit produziert die Paradoxie des realen Mangels im wirklichen Überfluss."

(27.4.5.1) Re: Stichwort Knappheit, 31.10.2004, 17:20, Stefan Meretz: Diese Feinheit ist hier zu viel und nicht mehr wirklich real nachvollziehbar;-)

(27.4.6) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:36, Stefan Merten: "Da abgelöst vom wirklichen Vorkommen, kann sie auch nicht nachhaltig sein. Sie ist geradezu das Gegenteil, denn sie zerstört Vorkommen." verstehe ich nicht. Ich denke, mir ist klar worauf du raus willst: ökologische Gesichtspunkte. Aber wie das mit der Ablösung zusammen hängt finde ich alles andere als klar.
Ich würde den Aspekt auch unter anderem Gesichtspunkt fassen. Knappheit in der Warenproduktion kann deswegen nicht mit ökologischen Begrenzungen umgehen, weil sie diese Begrenzungen einfach nicht reguliert. M.a.W.: Knappheit ist gegenüber ökologischen Begrenzungen entfremdet. So gesehen würde dieser Aspekt an andere Stelle gehören.

(27.4.6.1) Re: Stichwort Knappheit, 31.10.2004, 17:27, Stefan Meretz: "entfremdet" habe ich halt "abgelöst" genannt.

(27.4.7) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:36, Stefan Merten: [Artikel] [Änderung] "Die Warenproduktion kann Begrenzungen daher auch nicht wirklich begegnen." finde ich auch ein bisschen zu heftig. Immerhin hat Warenproduktion mit intensiver Technikentwicklung zahlreiche Begrenzungen überwunden. Ich würde diesen Satz lieber raus lassen.

(27.5) Re: Stichwort Knappheit, 24.10.2004, 23:11, Stefan Meretz: Ich habe die drei Abschnitte jetzt einfach aus meinem Knappheits-Aufsatz übernommen und nur geringfügig modifiziert.

(27.5.1) Re: Stichwort Knappheit, 25.10.2004, 22:36, Stefan Merten: Ich habe mit meinem Vorschlägen mal eine engere Integration in diesen Text versucht.

Einfach und Doppelt Freie Software

(28) In der Freien-Software-Bewegung wird von verschiedenen Seiten immer wieder betont, dass Freie Software Bestandteil von Geschäftsmodellen sein kann. Mit anderen Worten soll es laut diesen Thesen möglich sein, mit Freier Software Geld zu verdienen.

(29) Nun ist klar, dass Geschäftsmodelle, die mit einer Verknappung eines fertigen Produkts operieren, bei Freier Software nicht funktionieren können. Verknappung von Informationsgütern ist unter den Bedingungen der weltweiten digitalen Kopie allgemein nur zu erreichen, wenn den NutzerInnen das Recht genommen wird, selbst das Informationsgut weiter zu geben. Die Grundrechte Freier Software - uneingeschränkte Einsatzmöglichkeiten, Einsicht in und Möglichkeit zur Anpassung der Quellen, unbeschränkte Weitergabe originaler oder veränderter Versionen - erlauben diese Verknappung jedoch nicht.

(30) Ist es zwar nicht möglich, fertige Produkte direkt zu verkaufen, so gibt es verschiedenen Dienstleistungen rund um Freie Software, die verkauft werden können: Beispielsweise Wartung, Installation oder Zusammenstellen von Distributionen. Diese Geschäftsmodelle arbeiten zwar mit vorhandener Freier Software, verkauft wird aber letztlich die Dienstleistung. Auch die verschiedenen Merchandising-Produkte rund um einzelne Freie-Software-Projekte oder auch Bücher zu Freier Software verkaufen nicht Freie Software, sondern eben Plüschpinguine.

(31) Ist mit fertiger Freier Software selbst kein Geschäftsmodell zu begründen, so gilt das nicht für Freie Software, die noch nicht existiert. Es sind durchaus Geschäftsmodelle möglich, bei denen Freie Software im Auftrag erstellt wird. Solche Geschäftsbeziehungen unterscheiden sich bei Projekten ohne eine Community von proprietärer Software lediglich durch die Lizenz, unter der das fertige Produkt später steht. Ebenfalls in diese Kategorie fällt die Weiterentwicklung Freier Software, die in Firmen für eigene Zwecke durchgeführt wird.

(32) Gegenüber der klassischen Freien Software, wie sie ein Richard Stallman oder ein Linus Torvalds entwickelten, gibt es bei den genannten Geschäftsmodellen jedoch einen wichtigen Unterschied. Wie, wohin und wie schnell sich Freie Software entwickelt, die ohne externen Auftrag entsteht, liegt allein in der Entscheidung des jeweiligen Projekts. Zu den Freiheiten, die die Lizenzen den NutzerInnen gewähren, tritt in diesen Fällen die Freiheit der EntwicklerInnen, die nicht an irgendwelche Weisungen von Auftraggebern gebunden sind. In Fällen, wo allein die Selbstentfaltung der EntwicklerInnen den Fortgang des Projekts bestimmt, sprechen wir von Doppelt Freier Software.

(33) Demgegenüber sprechen wir von Einfach Freier Software, wenn die EntwicklerInnen in ihren Entscheidungen nicht frei, sondern an einen Auftraggeber gebunden sind. Die EntwicklerInnen entfremden sich in solchen Projekten von ihrem Produkt, da sie auch Entscheidungen des Auftraggebers berücksichtigen müssen, die aus ihrer Sicht für das Produkt schädlich sind. Alle, die die technische Seite von Software-Produktion im Auftrag kennen, kennen unzählige Beispiele für vom Marketing bestimmte Terminpläne, technisch überflüssige Hochglanz-Features, etc. Hier zeigt sich deutlich die Entfremdung vom Produkt, die mit der Erfüllung des dem Produktnutzen äußerlichen Zwecks der Verwertung entsteht.

(33.1) 23.10.2004, 13:27, Franz Nahrada: Vieleicht gibt es auch Mischformen zwischen einfach und doppelt freier Software, vielleicht wird es sogar für kommerzielle Vorhaben zum unabdingbaren Zwang, sich der Mitarbeit einer externen Community zu versichern.

(33.1.1) 24.10.2004, 22:58, Stefan Meretz: Das ist nicht nur vielleicht, sondern ganz sicher so: Es gibt den Zwang, einen Teil der eigenen, vormals proprientären Produkte frei zu geben, um die Verwertung der noch proprietären Produkte sicherzustellen. Das in einer globalen Konkurrenz gedacht - und zwar sowohl mit der Freien Software als auch mit anderen Verwertern - führt zu einer kumulierenden Dynamik der Entwertung. Motto: "Wer zuerst entwertet, überlebt die nächste Runde am Markt" - bis zum Ende.

(34) Betrachten wir Freie Software als erfolgreiche Keimform, so tritt aber gerade die freie Entscheidung der EntwicklerInnen in den Vordergrund. Nicht getrieben von Marktvorgaben können sich die EntwicklerInnen auf die bestmögliche Qualität der Software konzentrieren. Unter anderem ist es möglich - wie jüngst bei Gimp geschehen - sich eine zweijährige Auszeit zu nehmen, in der lediglich die historisch gewachsene Code-Basis auf ein neues, qualitativ hochwertigeres Fundament gesetzt wird. Anstatt neue Features zu implementieren wird hier die langfristige Qualität in einer Weise gesichert, wie man sie sich von bekannten proprietären Software-Produkten wünschen würde.

(35) Wie gezeigt ist dieser qualitative Vorsprung Doppelt Freier Software struktureller Natur und kann auf Grund der in Einfach Freier Software angelegten Entfremdung von dieser nicht eingeholt werden. Dieser qualitative Vorsprung ist es aber letztlich, der dem Produktivkraftmodell Doppelt Freier Software den entscheidenden Vorteil vor dem Einfach Freier oder proprietärer Software gibt.

(35.1) 26.10.2004, 22:27, Stefan Merten: [Artikel] [Änderung] Das ganze Kapitel "Einfach und Doppelt Freie Software" muss gleich als zweites Kapitel nach "Produktionsweise Freier Software" kommen. Die Begriffe werden nämlich schon bei der Abgrenzung zur Ware benutzt - irgendwie klar.

Das Maintainer-Prinzip

(36) ToDo: Ich finde es unnötig und irreführend das Maintainer-Prinzip in den Vordergrund zu stellen gegenüber anderen Organisationsprinzipien. Wie schon mehrfach aufgeführt, gibt es kaum größere Projekte, die nach diesem Prinzip funktionieren. Linux ist da eher die Ausnahme als die Regel. Sinnvoller wäre es einen allgemeinen Absatz darüber zu machen, dass die Rahmenbedingungen Freier Software, die auch freiwillig produziert wird, bei jedem Organisationsmodell zu offeneren Strukturen führen. Siehe Freie Kooperation: Wichtig ist nicht das konkrete Organisationsmodell sondern die Verhandlungsmacht der Beteiligten.

(37) Wer länger in der Software-Entwicklung tätig ist, weiß, dass bei Software-Projekten der soziale Prozess eine wesentliche Rolle spielt. Ist der soziale Prozess schlecht oder gar nicht organisiert, versinkt das interessanteste Projekt im Chaos und Kreativität und Produktivität der Aktiven wird nachhaltig gestört. Wie ist dieser Prozess in Freie-Software-Projekten - genauer: in Projekten Doppelt Freier Software - organisiert?

(38) Der entscheidende Unterschied zwischen der Entwicklung Doppelt Freier Software und anderer Software-Entwicklung besteht darin, dass alle ProjektteilnehmerInnen ausschließlich freiwillig am Projekt teil nehmen. Sie sind durch keinerlei entfremdete Anreize wie zum Beispiel Entlohnung an das Projekt gebunden. Genau so freiwillig, wie die Aktiven an einem Projekt teil nehmen, können sie das Projekt auch wieder verlassen.

(39) So wie die Teilnahme nicht durch dem Projekt äußerliche Aspekte bestimmt ist, ist es auch das gesamte Projekt nicht. Keine äußeren Vorgaben wie Termine oder Markterfolg bestimmen das Projekt - jedes Projekt kann - und muss - sich also selbst Ziele setzen, sich selbst organisieren. Diese Ziele beziehen sich dabei ausschließlich auf das Produkt und dessen Qualität.

(40) Die Bedingungen Freiwilligkeit der TeilnehmerInnen und Selbstorganisation des Projekts bilden also den Rahmen, in dem sich jede Organisation eines Doppelt Freien Software-Projekts abspielen muss. Wie dieser Rahmen in der Praxis gefüllt wird ist nicht fest gelegt. In sehr vielen Projekten gibt es aber das Maintainer-Modell. Das Wort Maintainer ist dabei leider nur schwer ins Deutsche zu übersetzen. Am ehesten würde wohl "KümmererIn" passen.

(41) Das Maintainer-Modell unterscheidet im wesentlichen zwei Rollen: den oder die MaintainerIn und andere TeilnehmerInnen. Die Aufgaben der MaintainerIn bestehen im Wesentlichen darin, das Projekt generell auf Kurs zu halten. Die MaintainerIn entscheidet verbindlich über die generelle Richtung, in die die Software des Projekts weiter entwickelt werden soll. Sie kümmert sich um die Einhaltung projektinterner Standards und dafür, dass das Projekt sich überhaupt weiter entwickelt. Nicht selten bündelt die MaintainerIn auch die Außenkontakte für das Projekt. Sie organisieren im Allgemeinen jedoch nicht die anderen TeilnehmerInnen - vielmehr übernehmen diese freiwillig Aufgaben im Projekt.

(41.1) 23.10.2004, 13:33, Franz Nahrada: Hier relativiert sich die eingangs getroffene Aussage daß niemand sagt wo es lang geht. Maintainer können durchaus verschiedene Formen der Koordination einschlagen, aber letztlich ist die Kohäsion eines Projektes schon an die Fähigkeit gebunden, immer wieder Entscheidungen zu treffen. Dabei ist die Fähigkeit einer Gruppe der Fähigkeit eines Individuums nicht unbedingt überlegen. Vielmehr ist es eine spezifische Funktion innerhalb eines Gruppenprozesses, Entscheidungen zu treffen, genauso wie es eine Funktion ist, diese infrage zu stellen und zu überprüfen.

(41.1.1) 25.10.2004, 22:37, Stefan Merten: Du meinst in #6 "Niemand gibt vor, wie etwas zu sein hat."? Das stimmt, das ist ein bisschen widersprüchlich. Vielleicht wäre in #6 dann besser "Niemand außerhalb des Projekts gibt vor, wie etwas zu sein hat."? Dann wäre zwar ein bisschen der Kick des völlig ungebundenen weg, aber das trifft auch mehr die Realität.

(42) Hören sich diese Aufgaben - abgesehen von der Organisation der MitarbeiterInnen - nach generellen Leitungsaufgaben an, so führen die speziellen Rahmenbedingungen Doppelt Freier Software doch zu Strukturen, die sich wesentlich von den bekannten Leitungsformen unterscheiden. Da die TeilnehmerInnen freiwillig am Projekt teilnehmen, müssen sie den wesentlichen Entscheidungen zustimmen können, zumindest müssen sie aber mit ihnen leben können. Können sie nicht mit den wesentlichen Entscheidungen leben, so verlassen sie das Projekt. Verlassen TeilnehmerInnen ein Projekt, die wichtige Beiträge geliefert haben, so kann dies einen herben Rückschlag bedeuten. In dieser Situation können Entscheidungen nur getroffen werden, wenn der Konsens der wichtigen TeilnehmerInnen erreicht wird. Konsens meint hier nicht, dass alle zustimmen müssen. Es genügt vielmehr, wenn sie einer Entscheidung nicht widersprechen müssen. Abstimmungen, wie sie in einigen Projekten vorgesehen sind, sind meist nur Mittel um ein Stimmungsbild zu erzeugen.

(43) Schafft es eine MaintainerIn in wichtigen Fragen nicht, einen Konsens herbei zu führen, so wird sie bald ohne TeilnehmerInnen da stehen. Gleichzeitig sind die TeilnehmerInnen darauf angewiesen, dass es Personen gibt, die die Aufgaben der MaintainerIn übernehmen und den Konsens organisieren. Würden diese Aufgaben nicht übernommen, so wäre das Projekt genauso erfolglos wie in dem Fall, dass die TeilnehmerInnen das Projekt verlassen. Und erfolglose Projekte machen niemand Spaß.

(44) Es ergibt sich eine gegenseitige Interessenabhängigkeit zwischen MaintainerIn und anderen TeilnehmerInnen. Alle gemeinsam sind daran interessiert, im Projekt ihrer Selbstentfaltung nachzugehen. Dazu gehört bei vielen Menschen, dass sie auf das Produkt ihrer Tätigkeit stolz sein können, dass es also nach absoluten Maßstäben qualitativ hochwertig ist. Dieses gemeinsame Ziel verfolgen MaintainerIn und andere TeilnehmerInnen nach besten Kräften gemäß ihrer jeweiligen Rolle. An diesem Ziel muss sich jede Teilnahme an einem Freie-Software-Projekt messen lassen.

(45) MaintainerInnen werden selten nach irgendwelchen demokratischen Verfahren gewählt. Die meisten MaintainerInnen dürften zu ihrer Rolle einfach dadurch gekommen sein, dass sie sie ausgefüllt haben. In sehr vielen Fällen sind die GründerInnen eines Projekts die ersten MaintainerInnen.

(46) Das Maintainer-Prinzip hat sich aus den Projekten selbst ergeben. Es gab keine vorherige Diskussion über die Frage, wie ein Freies-Software-Projekt zu organisieren ist. Es kann daher vermutet werden, dass das Maintainer-Prinzip jenseits ideologischer Grabenkämpfe dasjenige Modell ist, mit dem Projekte unter Bedingungen von Selbstorganisation und Freiwilligkeit und ohne Entfremdung in der Praxis am besten organisieren werden.

Eine neue Qualität von Produktivkraftentwicklung

(47) Eine wichtige Basis der Argumentation im Projekt Oekonux ist, dass es sich bei dem Phänomen Freie Software um ein Beispiel für ein qualitativ neues Modell von Produktivkraftentwicklung handelt. Im Folgenden werden einige Aspekte Freier Software beschrieben, die wir für Hinweise auf diese neue Qualität halten.

(48) ToDo: Sollten wir im Artikel erläutern. Nach meiner Vorstellung geht es dabei auch, aber nicht vorrangig um die Technik (die Produktionsmittel, die noch aus der "alten" Industrie-Epoche kommen). Die neue Qualität besteht in der Selbstentfaltung, also die neue Art und Weise der Re-/Produktion. Vgl. dazu z.B. das Glossar des Gegenbilderbuches

(48.1) 25.10.2004, 22:37, Stefan Merten: Steht dort unter http://www.opentheory.org/gegenbilder_5-2/text.phtml#75 und http://www.opentheory.org/gegenbilder_5-2/text.phtml#76 Ich versuche mal eine an diesen Text angepasste Version, die dann vor den letzten Satz gehört. Ich bin mir da aber sehr unsicher.

(48.2) 25.10.2004, 22:38, Stefan Merten: [Artikel] [Ergänzung] Unter Produktivkraftentwicklung verstehen wir die historische Entwicklung der Produktivkraft. Produktion wird in diesem Zusammenhang als das Stoffwechselverhältnis zwischen Mensch und Natur betrachtet. Produktivkraft fasst nun das Verhältnis zwischen Mensch, Produktionsmitteln und der Natur. Wir können drei Dimensionen von Produktivkraft unterscheiden. Die Dimension des Inhalts beschreibt was der Inhalt menschlicher Tätigkeit ist - also die Art der Produkte, der Bezug zur Natur und die verwendeten Produktionsmittel. Die Dimension der Form beschreibt die Art und Weise der Organisation des Produktionsprozesses - ob also z.B. Arbeitsteilung eingesetzt wird. Die Dimension der Produktivität beschreibt die produzierte Gütermenge pro Zeiteinheit. Wenn sich diese Dimensionen der Produktivkraft verändern, sprechen wir von einem Schritt in der Produktivkraftentwicklung. Bei Freier Software sehen wir eine Veränderung vor allem bei Inhalt und Form der Produktivkraft.

(49) ToDo: Nun, ich denke nicht, dass das neue Modell sich in der Selbstentfaltung erschöpft - die hat es schließlich vorher auch schon vielfältig gegeben und wir würden das allermeiste davon wohl nicht als Keimform betrachten. Und es ist auch nicht so, dass eine gute Fee die Selbstentfaltung per Zauberstab zum Zentrum einer keimförmigen Produktionsweise gemacht hat.

(50) ToDo: Ich glaube, dass hier zwei Dinge Hand in Hand gehen. Die technische Entwicklung ermöglicht Selbstentfaltung auf einem für die Produktivkraftentwicklung relevanten Gebiet - und die Selbstentfaltung treibt wiederum die Produktivkraftentwicklung an. Da Selbstentfaltung wahrscheinlich als allgemeines Ziel menschlichen Handelns bezeichnet werden kann, ist dieser ganze Vorgang dann die Integration von Selbstentfaltung in die Produktivkraft. Damit brauchen wir dann keinen außermenschlichen Telos mehr, sondern die ganze Entwicklung wird verständlich aus der intentionalen Struktur der Beteiligten.

(51) Software insgesamt ist eine Produktgruppe, die Computer-basiert erst seit einigen Jahrzehnten überhaupt existiert. Ihre Nutzung setzt das Vorhandensein von Computern, mithin also hochmoderner Geräte voraus. Software und also auch Freie Software ist also ein hochmodernes Produkt, das auf einem früheren Stand von Produktivkraftentwicklung gar keinen Sinn gemacht hätte. Freie Software befindet sich als Produkt an der Spitze der allgemeinen Produktivkraftentwicklung.

(52) Nach wie vor unterliegen die Paradigmen, unter denen Software hergestellt wird, einem schnellen Wandel: Strukturierte Programmierung, Objektorientierung, agile Methoden - um nur ein paar zu nennen - haben sich innerhalb weniger Jahre abgelöst. Wir erleben ein Entwicklungstempo an den Wurzeln einer Technologie, dass in anderen Ingenieurdisziplinen längst Vergangenheit ist. Mit einigem Recht kann Freie Software als Produktionsweise ebenfalls als neues Paradigma bezeichnet werden. Selbst innerhalb der Spitze der Produktivkraftentwicklung gehört Freie Software hinsichtlich der Produktionsweise selbst zu einem der innovativsten Ansätze.

(53) Freie Software wird nicht nur auf Computern benutzt und über das Internet verteilt, sondern auch mit Hilfe von Computern und Internet entwickelt. Computer allgemein und speziell ihre Anwendung in Form des Internet sind die zentralen Produktionsmittel für die Entwicklung Freier Software. Diese Produktionsmittel gehören ebenfalls zu den am weitesten entwickelten Produktionsmitteln, die die Menschheit bisher ersonnen hat.

(54) Im Gegensatz zu Produktionsmitteln voran gegangener Produktivkraftepochen sind Computer und Internet auf Grund ihrer Universalität nicht auf Produktion digitaler Güter festgelegt, sondern können beispielsweise auch zum Spielen eingesetzt werden. Die Produktionsmittel Freier Software sind zunehmend Teil der allgemeinen Infrastruktur der sich am Horizont abzeichnenden Informationsgesellschaft.

(54.1) 23.10.2004, 13:35, Franz Nahrada: Ich bin hartnäckig. Die gegenüberstellung ist keine. Sagt wenigstens "zum Spielen, zum Schneiden, zum Musizieren, zum Modellieren" etc.

(54.1.1) 25.10.2004, 22:38, Stefan Merten: [Artikel] [Änderung] "sondern können auch zum Spielen und zum Musik machen, zum Diskutieren und zum Flirten und zu vielem anderen mehr eingesetzt werden". Ok so?

(55) Diese allgemeine Infrastruktur ist heutzutage so billig und gleichzeitig breit nützlich geworden, dass in den hochindustrialisierten Regionen bereits viele Privatleute über sie verfügen. Die Produktionsmittel, auf denen Freie Software beruht, befinden sich also in breiter privater Verfügung. Auch dies ein Aspekt, der für Produktionsmittel voran gegangener Produktivkraftepochen nicht gilt.

(56) Die Teilnahme an Freie-Software-Projekten ist nicht an Staaten oder Kulturkreise gebunden. Ganz selbstverständlich finden sich alle Interessierten an einem Projekt via Internet und kooperieren um ein Produkt zu erstellen, dass ihnen entspricht. Entwicklung Freier Software ist transnational. Sie bezieht sich bestenfalls über die Lizenzen auf die nationalstaatlichen Rechtssysteme der früheren Produktivkraftepoche und definiert somit einen eigenen Raum jenseits der Nationalstaaten.

(57) Bemerkenswert ist auch, dass das gesamte Phänomen Freier Software aus der Zivilgesellschaft kommt. Weder staatliche Agenturen noch Firmen haben Freie Software erfunden. Erst in neuerer Zeit, nachdem Freie Software bereits erhebliche Erfolge erzielt hat, beginnen staatliche Einrichtungen und die Wirtschaft auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Diese Unabhängigkeit von den Agenten des alten Produktivkraftmodells erschöpft sich aber nicht in der Herkunft, sondern auch heute entwickelt sich Freie Software unabhängig weiter. Anstatt dass Staat oder Wirtschaft die Kontrolle übernehmen, gibt es viele Beispiele dafür, dass sie sich den Gegebenheiten Freier Software anpassen.

Digitale Kopie als technologische Grundlage

(58) Wir haben erläutert, dass bei der Entwicklung Freier Software die Selbstentfaltung den individuell-sozialen Aspekt der Produktivkraftentwicklung bildet. Als technologische Seite dieser Entwicklung tritt die digitale Kopie hinzu. Während der Aspekt der Selbstentfaltung als gesellschaftliche Potenz schon immer da gewesen ist, handelt es sich bei der digitalen Kopie um eine historisch neue Potenz. Erst durch diesen technologischen Fortschritt ist die Entfaltung der Selbstentfaltung als Grundlage eines Produktivkraftmodells möglich geworden.

(59) Die digitale Kopie, die Möglichkeit also, digitale Informationen zu reproduzieren, hat im technologischen Sinne einige Eigenschaften, die sie älteren Technologien gegenüber voraus hat.

(60) Während analoge Reproduktionen von Information immer mit Verfälschungen zu kämpfen haben, liefert die digitale Kopie eine exakte Reproduktion des Originals: Original und Kopie sind nicht zu unterscheiden. Steht digitale Kopie zur Verfügung, kann eine digital vorliegende Information also beliebig oft reproduziert werden - vom Original oder von einer beliebigen Generation seiner Kopien. Mit diesem technologischen Fortschritt werden Begrenzungen der Verfügbarkeit digitaler Informationen nachhaltig beseitigt: Steht ein Informationsgut erst einmal digital zur Verfügung, steht seiner Verbreitung nichts mehr im Wege.

(61) Zwei weitere Tatsachen moderner Technologieentwicklung geben der digitalen Kopie aber erst richtig Sprengkraft. Einerseits ist diese Reproduktionstechnik nämlich mittels Computern für sehr viele Menschen täglich und selbstverständlich verfügbar. Diese breite Verfügbarkeit führt dazu, dass die digitale Kopie kaum noch Einschränkungen unterliegt und völlig in der individuellen Verfügung liegt. DRM-Technologien sind so gesehen nichts anderes als der (krampfhafte) Versuch, diesen Basisaspekt moderner Technologie wieder zurück zu nehmen, denn tatsächlich sind die beiden fundamentalen Operationen von Computern ja die Manipulation und die Kopie digitaler Daten.

(61.1) 23.10.2004, 13:38, Franz Nahrada: wesentlich ist eben auch, daß nicht passive Information kopiert wird, sondern auch "energaia", potentielle Energie, Action, Handlung. Digitales Medium bedeutet die Übertragung von realisierbaren Prozessen!

(61.1.1) 25.10.2004, 22:39, Stefan Merten: Wenn ich dich recht verstehe, ist das ein Grund, warum ich beständig auf "Information" bestehe, wo andere gerne "Wissen" hätten. Dass diese Information nämlich durch Maschinen direkt in Aktion verwandelt werden kann unterscheidet sie eben wesentlich von Wissen, das einen Menschen als Substrat braucht. Und nein, ein Computer "weiß" nicht, wie sie ein Programm auszuführen hat - tut es aber dennoch. Pure Information als potentielle Aktion. In der Tat ebenfalls ein historisch neues Phänomen (und BTW Basis der Horrorphantasien über verselbstständigte Computerwelten).
Irgendwie einbauen? Wie? Wo?

(61.1.1.1) 31.10.2004, 19:43, Stefan Meretz: Besser ausklammern - ich seh das nämlich anders. Auch die Information braucht den Menschen, damit sie eine solche ist. Ein weites, komplexes und umstrittenes Feld.

(62) Andererseits steht mit dem Internet, das nichts anderes als eine planetenumspannende Fernkopiereinrichtung ist, eine Einrichtung zur Verfügung, die es ermöglicht, dass Informationsgüter auf einfachste Weise global verfügbar gemacht werden können. Das Internet verbindet die individuelle Verfügung über Informationsgüter mit dem allgemeinen Zugang zu ihnen und hebt damit die digitale Kopie auf eine historisch neue Stufe der Technologieentwicklung.

(63) Ein weiterer, eher subtiler Aspekt digitaler Kopie ist ihre Universalität: Der Inhalt, die Bedeutung des zu kopierenden Informationsguts ist für eine digitale Kopie völlig unerheblich. Texte, Bilder, Musik, Programme können mit der gleichen Technologie reproduziert werden, sobald sie als Byte-Strom vorliegen. So wie die Kraftmaschinen der industriellen Ära (Dampfmaschine, vor allem aber Elektromotor) eine Basistechnologie für beliebige Anwendungen mechanischer Kraft und damit für die Industriegesellschaft bilden, so bildet die digitale Kopie eine Basistechnologie für die Informationsgesellschaft.

(63.1) 23.10.2004, 13:40, Franz Nahrada: Damit sind aber, wie vor allem Kim Veltman gezeigt hat, völlig neue Modalitäten in der Ergänzung der Inhalte untereinander möglich. Die Tatsache des digitalen Mediums stellt unser eigenes Verhältnis zur Kulturgeschichte auf völlig neue Grundlagen und sie erweitert auf der anderen Seite unsere Ausdrucksformen.

(64) Auf dieser Grundlage ist das Internet von Beginn an auch als Kommunikationsmittel genutzt worden. Wie keine Kommunikationseinrichtung zuvor hat das Internet ermöglicht, dass Menschen, die irgendwo auf diesem Planeten leben, miteinander gemeinsame Interessen verfolgen. Vor dem Internet setzte eine kooperative Tätigkeit eine gewisse Lokalität der kooperierenden Gruppe voraus, damit die Beteiligten sich in persönlichen Treffen organisieren konnten. Diese Lokalität bedeutete aber gleichzeitig auch immer eine erhebliche Einschränkung der für eine Kooperation verfügbaren Tätigkeiten. War die Lokalität der Gruppe nicht gegeben, so musste die Kooperation mittels vergleichsweise langsamer Kommunikationsmittel organisiert werden.

(65) Das Internet ermöglicht dagegen globale Kommunikation in Echtzeit. Es ist jetzt möglich, dass Menschen mit gleichen Interessen unabhängig von ihrem Standort in dem Tempo kommunizieren, dass ihnen und ihrer Tätigkeit angemessen ist. Diese Kooperationsmöglichkeit ist wie die digitale Kopie selbst eine unabdingbare Voraussetzung für die Entstehung Freier Software.

Freie Software als Keimform

(66) Eine der zentralen und nicht unumstrittenen Thesen im Projekt Oekonux ist die These von der Freien Software als Keimform einer neuen Gesellschaft.

(67) Der Begriff Keimform stammt aus dem so genannten Fünfschritt-Modell, das in allgemeiner Weise begrifflich erfasst, wie es innerhalb von Entwicklungen zu qualitativen Übergängen kommt. Es erklärt, wie Neues entsteht und sich schließlich durchsetzen kann. Das Fünfschritt-Modell kommt ursprünglich aus der Kritischen Psychologie, aus der Analyse qualitativer Entwicklungsschritte in der Evolution. Die fünf Schritte sind:

(67.1) 24.10.2004, 23:15, Stefan Meretz: Sollen wir im Folgenden die nummerierten Überschriften jeweils den dazugehörigen Absätzen zuordnen?

(67.1.1) 25.10.2004, 22:40, Stefan Merten: Du würdest es dann auch hervorgehoben davor setzen wollen - richtig? Wenn wir #3.4 in diese Richtung entscheiden, dann wäre das hier sicher angebracht.

(68) 1. Entstehung der Keimform

(69) 2. Krise der alten Form

(70) 3. Keimform wird zur wichtigen Entwicklungsdimension innerhalb der alten Form

(71) 4. Keimform wird zur dominanten Größe

(72) 5. Umstrukturierung des Gesamtprozesses

(73) Alles, was es selbstverständlich und allgegenwärtig gibt, ist irgendwann einmal etwas Neues, ganz und gar nicht Selbstverständliches gewesen. Über mehrere Schritte hat sich das Neue schließlich durchgesetzt. Dieses Neue, dass später einmal Altes sein wird, nennt man Keimform. Keimformen können in Nischen und Sonderbereichen entstehen. Sie leben vom Alten, besitzen aber schon Formen des Neuen. Sie dürfen allerdings nicht mit dem Neuen überhaupt, mit dem entfalteten Neuen also verwechselt werden. Sie sind also nicht Keim, der dem Bild nach bereits alles enthält, sondern nur Keimform. Keimformen haben Merkmale des Neuen, sind aber nicht mit das Neue.

(74) Keimformen erlangen nur Bedeutung, wenn das Alte in die Krise gerät. Das Alte kann aus im Wesentlichen zwei Gründen in die Krise geraten. Zum Einen können sich äußere Bedingungen so dramatisch oder so schnell verändern, dass das alte Prinzip darauf nicht mehr angemessen reagieren kann. Zum Anderen kann sich das Alte selbst erschöpft haben, wenn alle Entwicklungspotenzen ausgereizt sind. Stagnation wäre eine Reaktionsform, Zerfall eine andere.

(75) Unter den Bedingungen der Krise des Alten, kann die Keimform im dritten Schritt die Nischen verlassen und sich quantitativ ausbreiten. Sie wird zu einer wichtigen Entwicklungsdimension innerhalb der noch dominanten alten Form. Diese Etablierung der Keimform kann zwei Richtungen einschlagen: Sie führt zur Integration in das Alte und zur Übernahme seiner Prinzipien, oder sie behauptet sich auf Grund der neuen Prinzipien immer besser im und neben dem Alten. Im ersten Fall geht der Keimform-Charakter verloren, im zweiten Fall wird das Neue gestärkt. Das Alte kann in beiden Fällen von einer integrierten oder gestärkten Keimform profitieren und Krisenerscheinungen abmildern.

(76) Im vierten Schritt wird die frühere minoritäre Keimform zur dominanten Form der Entwicklung. Das Neue setzt sich durch, weil es hinsichtlich einer wichtigen Dimension des Gesamtprozesses besser ist. Damit endet der Keimform-Charakter des Neuen. Nun sind seine Prinzipien bestimmend und verdrängen nach und nach oder auch schlagartig die überkommenen, nicht mehr funktionalen Prinzipien des Alten. Das Neue wird das selbstverständliche Allgegenwärtige.

(77) Im fünften Schritt schließlich strukturieren sich alle Aspekte des Gesamtprozesses in Bezug auf das bestimmende, jetzt selbstverständlich Neue hin um. Das betrifft vor allem auch solche Prozesse, die im Gesamtprozess nicht bestimmend sondern nur abgeleitet sind. Mit diesem Schritt ist nun potenziell wieder der erste Schritt eines neuen Fünfschrittes erreicht: Keimformen können auftreten, das dann alte Neue gerät in die Krise usw.

(78) Alle Phasen können über längere Zeiträume laufen. Jederzeit kann es Rückschritte geben. Nichts ist vorgegeben oder determiniert. Vollständig begriffen kann ein Fünfschritt der Entwicklung erst werden, wenn er vollzogen wurde. Erst im Nachhinein kann man die frühere Keimform sicher identifizieren. Mitten im Entwicklungprozess begriffen kann das Fünfschrittmodell helfen, die Sinne zu schärfen, um handlungsfähiger zu werden. Die umstrittene These im Projekt Oekonux lautet nun: Bei Freier Software haben wir es mit einer Keimform einer neuen Gesellschaft zu tun.

(79) Wie beschrieben, zeichnet sich Freie Software durch Wertfreiheit, Selbstentfaltung, Selbstorganisation und Globalität aus. Das alte Prinzip der Warengesellschaft basiert demgegenüber auf dem Wertgesetz, Selbstverwertung, Entfremdung und Nationalstaaten. Die alte Form, die Warengesellschaft ist erkennbar in der Krise. Demgegenüber hat sich Freie Software als neue Form etabliert. Umstritten ist, ob Freie Software bereits eine wichtige Entwicklungsdimension innerhalb der alten Form (dritter Schritt) geworden ist, oder sich noch in einer der früheren Phasen befindet.

GPL-Gesellschaft - die Utopie

(80) In der Diskussion um die gesellschaftlichen Potenzen des Entwicklungsmodells, das nach der These in Freier Software keimförmig vorgeführt wird, kam der Begriff GPL-Gesellschaft auf. Er bezeichnet eine mögliche zukünftige Gesellschaftsformation, die auf den Prinzipien der Entwicklung Freier Software beruht. Es ist aus verschiedenen Gründen nicht seriös möglich, ein detailliertes Bild einer solchen Utopie zu entwerfen, an Hand der Prinzipien der Entwicklung Freier Software lassen sich aber einige Rahmenelemente fest stellen.

(81) Eine wichtiges Element der Entwicklung Freier Software ist die Tatsache, dass die verwendeten Produktionsmittel vergleichsweise vielen Menschen Selbstentfaltung ermöglichen. Der innere Grund dafür ist, dass Computer als universelle Information verarbeitende und programmierbare Maschinen unendlich viele Freiheitsgrade haben. Diese Freiheitsgrade können von Menschen zur Entfaltung ihrer individuellen Kreativität genutzt werden.

(82) In einer GPL-Gesellschaft wäre diese Eigenschaft tendenziell auf alle Produktionsmittel übertragen. Dies bedeutet, dass der Maschinenpark, den die Industriegesellschaft für die Nutzung unter den entfremdeten Bedingungen der Lohnarbeit hervor gebracht hat, umgearbeitet oder neu entworfen werden muss: Die Arbeit an einem Fließband dürfte beispielsweise nur für die allerwenigsten Menschen zur Selbstentfaltung führen, weswegen sie endgültig verschwinden müsste.

(83) Bereits in der Industriegesellschaft gibt es verschiedene Versuche, die Selbstentfaltung in die Produktion zu integrieren und so die Kreativitätsreserven der Lohnabhängigen zu mobilisieren. Allerdings können diese Versuche die strukturelle Schranke der Entfremdung des Arbeitsprozesses nicht überwinden können.

(84) Auch die weitere und noch beschleunigte Automatisierung von Arbeitsprozessen ist ein Mittel, um maximale Selbstentfaltung zu gewährleisten. Arbeitsprozesse, die im Kern von Maschinen übernommen werden, müssen nicht mehr von Menschen erledigt werden, so dass diese sich den Aufgaben zuwenden können, die genuin menschliche Fähigkeiten erfordern und somit nicht von Maschinen erledigt werden können.

(85) Wie wenige andere Beispiele zeigt Freie Software, dass Selbstentfaltung nicht sinn- und zweckfreies Tun sein muss, wie es uns die Freizeitindustrie weis machen will. Vielmehr ist das Ergebnis der Entwicklung Freier Software ein nützliches Produkt, dass vielen Menschen nützlich ist. Selbstentfaltung, wie sie in Freier Software praktiziert wird, hat also nicht nur für das Individuum eine positive Funktion, sondern nutzt der gesamten Gesellschaft. In einer GPL-Gesellschaft hätten noch sehr viel mehr Tätigkeiten diesen Charakter der unmittelbaren Verknüpfung von individuellem und gesellschaftlichem Nutzen.

(86) Nicht zu vergessen ist, dass existierende Freie Software Frei verfügbar ist. Diese Eigenschaft ist einerseits eine Folge des offenen Entwicklungsprinzips, das die maximale Inklusion aller Interessierten zum Ziel hat. Unter den Bedingungen der universellen digitalen Kopierbarkeit führt dies zusammen mit dem Copyleft tendenziell zu Freier Verfügbarkeit der Produkte. Andererseits ist diese Freie Verfügbarkeit auch Voraussetzung für die blühende Freie-Software-Landschaft. Immerhin setzen ja auch die EntwicklerInnen Freier Software auf von anderen entwickelter Freier Software auf.

(87) Die Freie Verfügbarkeit ist also sowohl Folge als auch Voraussetzung des gesamten Entwicklungsmodells. Diese enge Verschränkung wäre in einer GPL-Gesellschaft ausgedehnt auf alle Informationsgüter sowie auf materielle Güter. (Auf diese enge Verschränkung bezieht sich übrigens auch das große "F", dass wir dem Wörtchen "frei" an vielen Stellen geben.)

(87.1) 31.10.2004, 20:26, Stefan Meretz: Das Frei mit großem "F" würde ich auf Freie Software beschränken (also nicht etwa auf freie Verfügung ausweiten).

(88) In einer GPL-Gesellschaft wären folglich viele Einrichtungen der Arbeitsgesellschaft überflüssig. Wo Güter Frei verfügbar sind, ist der Begriff der Ware nicht mehr zu halten, der davon lebt, dass Güter künstlich verknappt werden. Werden keine Waren mehr - wohl aber Güter - produziert, so ist auch kein Geld mehr notwendig, das die Vergleichbarkeit von Waren vermittelt. Wo Güter Frei zur Verfügung stehen, ist der Tausch eines Guts gegen ein anderes zur überflüssigen Handlung geworden. Nicht zuletzt würde unter den Bedingungen der GPL-Gesellschaft Entfremdungspotential an vielen Stellen tendenziell abgeschafft. Die wichtigste Produktivkraft einer GPL-Gesellschaft wäre die menschliche Selbstentfaltung.

(88.1) 23.10.2004, 13:42, Franz Nahrada: Wenn Ihr hier nicht auf die Strukturanalogie mit erneuerbaren Ressourcen zu sprechen kommt, steht das ganze wirklich idealistisch in der Luft!

(88.1.1) 25.10.2004, 22:40, Stefan Merten: Ich kann dir nicht ganz folgen. Was meinst du?

(88.1.1.1) Strukturanalogie, 27.10.2004, 22:35, Franz Nahrada: Daß die Verbindung von freier Software mit Automation (das muß halt bei Information ausgeführt werden wie Du richtig sagst) nur mit erneuerbaren materiellen Ressourcen zusammen die Aufhebungsbedingung von Knappheit ist. Also eigentlich eine Trias...

(88.1.1.1.1) Re: Strukturanalogie, 28.10.2004, 22:34, Stefan Merten: Knappheit wie wir es hier definieren, kannst du eigentlich nicht meinen. Was ändern erneuerbare materielle Ressourcen? Sie heben Begrenzungen auf. Ob das zu einer Änderung der Verknappung führt, ist unter Knappheitsregime ja davon einigermaßen unabhängig. Insofern sind erneuerbare materielle Ressourcen zwar natürlich bezüglich der Begrenzungen hochinteressant, für die Knappheit aber nicht.

(88.1.1.1.2) Re: Strukturanalogie, 28.10.2004, 22:34, Stefan Merten: Wenn ich mir deinen Einwand als Aufhebung von Begrenzungen vorstelle, dann würde ich sagen: It depends. Erneuerbare materielle Ressourcen sind lediglich ein Mittel mit einem Vorkommen umzugehen. Es spricht aber nicht grundsätzlich etwas dagegen, ein Vorkommen bis zur Neige auszubeuten um sich dann dem nächsten Vorkommen zuzuwenden. Ob das sinnvoll ist oder Erneuerbarkeit sinnvoll ist, muss dabei von Fall zu Fall entschieden werden.

(88.1.1.1.2.1) Re: Strukturanalogie, 29.10.2004, 07:27, Franz Nahrada: Da sind wir tief drinnen in der ökologischen Kontroverse. Die Argumentation ist hier sehr schwierig. Grundsätzlich spricht dagegen daß Du damit immer auch Entscheidungen für andere Akteure triffst. Im Extremfall auch für künftige Generationen. Ich erinnere mich an eine Kontroverse in früheren Zeiten, wo es hieß: wenn das so stimmt mit den beschränkten Vorkommen wie die Ökologie behauptet, dann könnte man ja auch den Schluß ziehen, anständig verbrauchen und dann ist halt irgendwann mit dem Unternehmen Menschheit Schluß. Ja, so skurril kann man argumentieren. Dagegen halte ich: Erneuerbarkeit ist grundsätzlich sinnvoll, weil wir auch die Verantwortung für Zwecksysteme tragen, die wir noch gar nicht kennen. Aber das ist eben eine Gleichung mit vielen Unbekannten.

(89) ToDo: Der letzte Satz müsste noch näher erläutert werden.

(89.1) 26.10.2004, 22:28, Stefan Merten: Hier muss noch etwas geschehen. Was ist denn die wichtigste Produktivkraft der kapitalistischen Epoche? Die (Produktions)mittel? Passt das mit der Erläuterung zusammen, die wir oben zu Produktivkraft gegeben haben?

(90) In einer GPL-Gesellschaft würde die Selbstentfaltung der Individuen zur unmittelbaren Voraussetzung für die Selbstentfaltung aller: Nur wenn sich die Individuen entfalten können, entstehen Produkte, die für alle nützlich sind. Gleichzeitig sind diese nützlichen Produkte und deren Freie Verfügbarkeit die Grundlage für die individuelle Tätigkeit: Die Selbstentfaltung aller ist also auch die unmittelbare Voraussetzung für die Selbstentfaltung der Individuen. Wir haben es also mit einem sich selbst verstärkenden Prozess zu tun, der die langfristige Tragfähigkeit einer GPL-Gesellschaft in einem günstigen Licht erscheinen lässt.

Historische Schritte im Vergleich

(91) Wenn wir davon ausgehen, dass Freie Software ein Hinweis auf einen fundamentalen Schritt in der Produktivkraftentwicklung ist, so kann ein Vergleich mit dem letzten fundamentalen Schritt in dieser Entwicklung interessante Hinweise geben. Die letzte fundamentale Änderung in der Produktivkraftentwicklung war der Umbruch von den feudal geprägten Gesellschaften des Spätmittelalters zu den industriell geprägten Gesellschaften der Neuzeit mit Beginn der Aufklärung. Die gerade erfundenen Industriemaschinen erforderten für ihren Betrieb hinsichtlich Technik und Organisation von Menschen eine völlig neue Produktionsweise. Dies verwob sich mit sozialen und ideologischen Entwicklungen wie beispielsweise die Idee der Nationalstaaten, so dass innerhalb eines historisch relativ kurzen Zeitraums diese Entwicklung der Produktivkräfte zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung der Gesellschaft führte.

(92) Einerseits wurden damals menschliche, tierische und einige wenige natürliche Kraftquellen (Wasser, Wind) durch moderne Kraftquellen (Dampf, Elektrizität) abgelöst. Andererseits wanderte das Know-How über die Arbeitsprozesse von den sie ausführenden Menschen in die mechanische Konstruktion der Maschinen, so dass menschliche Arbeitskraft nur noch als Ergänzung zu den Maschinen benötigt wurde. Das Ergebnis dieser Umstellung waren eine Fülle neuer, nützlicher Produkte sowie Großprojekte, die ohne Einsatz industrieller Methoden nicht denkbar gewesen wären.

(93) Gleichzeitig strukturierte sich die Lebensweise der Menschen tiefgreifend um. Die Art und Weise wie Menschen in der feudalen, subsistenzorientierten Produktionsweise ihr Leben organisiert haben, war für die industrielle Produktionsweise in vielerlei Hinsicht ungeeignet. Um nur ein Beispiel heraus zu greifen, war der vorindustrielle Umgang mit Zeit weit gehend an den Hell-/Dunkelphasen und den konkreten, unmittelbaren eigenen Notwendigkeiten orientiert. Dies ging so weit, dass in manchen Klöstern die Länge einer Stunde über den Jahreslauf variierte. Für industrielle Produktion, bei der der Zeittakt durch die Maschinen vorgegeben wird, waren dies völlig unbrauchbare Verhältnisse. Es soll nicht verschwiegen werden, dass diese Umstrukturierung der Lebensweise durchaus nicht immer freiwillig geschah, sondern in erheblichem Ausmaß auch mit dem Einsatz von Gewalt einher ging.

(94) Auch beim Übergang von der feudalen Gesellschaftsformation zur bürgerlichen Gesellschaftsformation lassen sich Keimformen ausmachen. So kann beispielsweise das Handelskapital, dass sich bereits im Frühmittelalter auszubilden begann, als frühe Keimform betrachtet werden, bei der sich der kapitalistische Umgang mit Geld entwickelte. Die frühindustrielle Textilindustrie war für diesen Schritt in der Produktivkraftentwicklung die Keimform, in der schon viele Formen der späteren Industriearbeit auftauchten. Insbesondere traten hier sowohl die standardisierte Massenproduktion als auch der massenhafte Einsatz von bezahlten Arbeitskräften auf.

(94.1) 31.10.2004, 20:36, Stefan Meretz: Statt Gesellschaftsformation würde ich schlichter Gesellschaftsform verwenden. Ist weniger MLlig.

(95) Es lässt sich an diesem Beispiel auch sehr schön betrachten, wie die feudalen Strukturen, die alten dominanten Strukturen also, sich an diese Entwicklung anpassten und sie auch nutzten. Die gesamte Kriegsproduktion, die die Fürsten für die Führung ihrer Kriege brauchten, hatte sich von der subsistenzorientierten Produktion über die Jahrhunderte hin vollständig entbettet. Die Kriegsproduktion der späten Feudalherrn, in der auch industrielle Formen relativ früh auftauchten, war nur mit Geld überhaupt zu bewerkstelligen. Das dafür notwendige Steuersystem trieb das Geldwesen weiter an, das sich später als eine entscheidende Grundlage nach-feudaler Gesellschaftsformation heraus stellen sollte. Söldnerwesen sowie stehende Heere können als frühe Form bezahlter "Arbeitskraft" betrachtet werden.

(96) Heute wissen wir, dass diese Entwicklung, die in frühen Keimformen bereits erkennbar war, zu einer grundlegenden Umwandlung der Gesellschaftsformation geführt hat. Auch wenn die Fürsten die Aufklärung und die mit ihr verbundene industrielle Produktionsweise teilweise begrüßten oder sogar voran trieben, so stellte sich doch heraus, dass die feudale Produktionsweise mit ihrem Privilegiensystem und Leibeigenschaft industrieller Produktion unangemessen war. Die industrielle Produktionsweise musste sich also neue Grundlagen schaffen, die durch Geldwirtschaft und freie Lohnarbeit gekennzeichnet sind. Auch der gesamte gesellschaftliche Überbau folgte nach und nach dieser Entwicklung der Produktivkraft - am sichtbarsten in der Gründung bürgerlicher Nationalstaaten.

(96.1) 31.10.2004, 20:40, Stefan Meretz: "Auch der gesamte gesellschaftliche Überbau folgte nach und nach..." ersetzen durch "Auch die gesamte gesellschaftliche Organisation folgte nach und nach..." - Überbau ist ML-Terminus.

(97) Heute sind wir an einem Punkt angekommen, wo die mechanische Konstruktion von Maschinen sich immer weiter von einem konkreten Arbeitsprozess ablöst. Industrieroboter, Fabber, etc. sind nicht durch ihre Konstruktion auf einen bestimmten Arbeitsprozess festgelegt, sondern ihre mechanische Konstruktion steckt nur noch den Rahmen ihrer Möglichkeiten ab. Die Produktion konkreter Gegenstände ist bei diesen Maschinen bereits Gegenstand von Software, womit das Know-How über die Arbeitsprozesse zum reinen Informationsgut wird. Computer verwenden dieses Informationsgut als Programme in automatisierten Prozessen, so dass menschliche Arbeitskraft nur noch dafür benötigt wird, die Informationsgüter selbst zu erstellen.

(98) Die Nutzung von Industriemaschinen erforderte auf Grund deren Beschränktheit eine Anpassung der Menschen an die Notwendigkeiten der Maschinerie, was in vielerlei Hinsicht letztlich eine Unterwerfung bedeutete. Die Produktion von Informationsgütern ist hingegen ein kreativer Prozess, bei dem gerade die schöpferischen Qualitäten des Menschen gefragt sind, die durch Unterwerfung vernichtet werden. Zog die beginnende Industriegesellschaft eine Unterwerfung der Menschen nach sich, so erfordert die beginnende Informationsgesellschaft eine Freisetzung von Menschen.

(99) Während beim Übergang von den feudalen zu den bürgerlichen Gesellschaften der Schwerpunkt der Produktion sich von der Nutzung des Bodens zur Produktion materieller Güter verlagerte, so verschiebt sich der Schwerpunkt der Produktion beim Übergang in die heraufziehende Informationsgesellschaft auf die Produktion neuer Informationsgüter. Der Wechsel zur Industrieproduktion erforderte einen fundamentalen Wechsel in der Gesellschaftsformation. Informationsgüter, die in fast allen Aspekten anderen Bedingungen unterliegen als materielle Güter, erfordern eine ebensolche Umstrukturierung. Eine grundlegende Änderung der Gesellschaftsformation erscheint unabdingbar.

(100) ToDo: Das wäre doch ein schönes Schlusswort ;-) .


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