Home   Was ist ot ?   Regeln   Mitglieder   Maintainer   Impressum   FAQ/Hilfe  

Thesen für eine solidarische Ökonomie - eine Antwort aus Bremen

Maintainer: Till Mossakowski, Version 1, 23.11.2006
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Eine Bremer Antwort auf die Thesen des Arbeitskreis Lokale Ökonomie Hamburg (November 2006)

(1) Die einzelnen Thesen beziehen sich auf die jeweilige These des AK lokale Ökonomie

(2) 1.) Die erziehungsdiktatorischen Vorstellungen und Praxis haben ihre Wurzel auch darin, dass Karl Marx sich auf "Organisation der Arbeiter, nicht der Arbeit" konzentrierte und für die utopischen Sozialisten und die Genossenschaftsbewegung nicht viel übrig hatte. Dies übrigens im Widerspruch zu seiner eigenen Analyse, dass ökonomische Fortschritte von politischen Kämpfen nur begleitet sind.

(3) 2.) Die Integration fast aller bisherigen Versuche, neue antikapitalistischen Lebens- und Wirtschaftsweisen "von unten" einzuführen, in den Markt zeigt ein Problem auf: im Kapitalismus ist der Markt Motor der Ökonomie. Ihn ersatzlos abzuschaffen, führt zur Versumpfung. Was kann also den Markt als Motor ersetzen?

(3.1) finde die Formulierung etwas unglücklich, 24.11.2006, 10:49, Franz Nahrada: ...weil kein Mensch jemals den Markt "ersatzlos" abschaffen wollte, nicht mal Pol Pot. Ohne irgendeine Form der ökonomischen Bezugnahme der Menschen aufeinander gehen diese sofort zugrunde. Die Realsozialisten wollten eine Alternative im schlechten Sinn des Wortes - Marktwirtschaft ohne Markt - einführen. Aber auch sie kannten jede Mengen "Mechanismen" der ökonomischen "Stimulierung". Wäre also schön das herauszuarbeiten, daß Menschen als isolierte Privatproduzenten sich am Markt erst ex post über den Wert ihrer Arbeit "erkundigen", daß also die einzige wirkliche Alternative zum Markt die Kommunikation ex ante ist.

(3.2) Der Markt als Motor, 24.11.2006, 13:12, Luis Carlos: Frage mal Vincent van Gogh, wer sein Motor war, diese wunderbaren Gemälde herzustellen, frage Wissenschaftler wie Einstein, ob sein Motor die Relativitätstheorie zu entwickeln aus Markt kommt? Frag den Fussballspieler Pele ob er seine Höchstleistungen wegen der Marktkräfte erzielt hat? Hier wird eine Ideologie gebracht, die mit der Schöpferkraft dieser Menschen rein gar nichts zu tun hat. Der Motor der Menschen ist etwas auf den Markt zu bringen die Faulheit des Menschen, er will sich immer freier fühlen, dass wird sehr schön nachgewiesen unter www.lazyay.de. Alle schauen auf die Wirtschaft, und wenn die Börsen zusammenbrechen, diese Motoren werden weiter neue Dinge schöpfen, das ist der Künstler in jedem, deshalb ist das bedingungslose Grundeinkommen so wichtig, so hat der Einzelne immer mehr Verantwortung und kann diese Freiheit nutzen, wie ein "Künstler" zu schaffen, dass war schon die Bedingung die Joseph Beuys betont hat und heute durch www.unternimm-die-zukunft.de aus gleicher Ecke kommend vertreten wird. So wie mittlerweile so bedingungslos wie dort von der katholischen Kirche in Österreich http://ko000221.host.inode.at/mambo/content/view/664/ "Bedingungungsloses Grundeinkommen bezahlbar", gegen-hartz.de, 10/2006 http://www.dioezese-linz.at/redaktion/index.php?action_new=Lesen&Article_ID=33091

(3.3) Markt als motor der oekonomie und versumpfung, 24.11.2006, 13:29, Wolf Göhring: Wieviel PS hat denn der "markt als motor der oekonomie"? Laeuft dieser motor mit biodiesel oder mit menschensch(w)eiss oder womit sonst?

Und was, bitte, ist "versumpfung"?

(4) 3.) Rudi Dutschkes Ansatz, stagnierende Produktionszweige zu übernehmen, ist gescheitert. Da, wo die Alternativbewegung der 1970er bis 1990er Jahre sich nicht in den Markt integriert hat, wurde sie vom Staat abhängig (ABM-Stellen,...), mit ebenso fatalen Konsequenzen (interne Hierarchien, Aufgabe des kritischen Ansatzes, ABM-Kahlschlag). Es gab auch Projekte, die sich über Sozial- und Erwerbslosenhilfe finanzierten. Dies führte zu Entgesellschaftung und Vereinzelung.

(4.1) Entgesellschaftung, 24.11.2006, 13:34, Wolf Göhring: Woran wird entgesellschaftung gemessen?

(5) 4.) Die gewaltige Entwicklung der Produktivkräfte war im Feudalismus die materielle Voraussetzung, um die feudalistische Produktionsweise sprengen zu können. Ebenso sind die modernen Produktivkräfte wie Internet, Vollautomation, Robotik und Bionik eine materielle Voraussetzung für die Überwindung des Kapitalismus. Nur in einer Ökonomie des materiellen Überflusses kann überhaupt Arbeitszeit massiv reduziert und Geld und Markt ersetzt werden - alles andere ist entweder Kriegssozialismus oder führt doch wieder zu Geld und Markt als Mitteln der Mangelökonomie.

(6) GNU/Linux, Wikipedia, die Welle von (illegalen) kostenlosen Musik- und Film-Downloads sind Vorboten einer neuen Produktionsweise, die auf kooperativer Arbeit und freier Verteilung basiert. Natürlich sind die Versuche, dies wieder in den Markt zu integrieren, in vollem Gange. Zudem sind die modernen Produktivkräfte mit der alten kapitalistischen Produktionsweise verbunden. Es ist daher eine zentrale Aufgabe, diese Technologien weiter zu humanisieren und mit internen ökonomischen Zirkeln, in denen eine nicht-kapitalistische Ökonomie antizipiert wird, zu koppeln.

(6.1) Wiedersprüche, 23.11.2006, 16:06, cyber org: Das es im Kapitalismus AUCH was Umsonst gibt, das ist ungefähr so neu wie Weihnachten - und gehört zu den ganz normalen und alltäglichen Widersprüchen, sprich dem Umstand, dass mensch das Kapital NIEMALS 1:1 als die Vorhandene Realität nehmen kann. Sich auf der "Kostenlos"-Seite des Widerspruchs festzuklammern ändert nichts daran, das 99,9% aller Beziehung Marktbeziehungen sind UND SEIN MÜSSEN. Desweiteren ist unklar, ob es sich bei all den "Kostenlosen" Angeboten nicht ehr um "Ressourcen" als um kostenlose Waren oder gar Produktionsmittel handelt. Ressourcen wie Luft oder Wasser oder Bodenschätze, die Prinzipiell verfügbar sind, deren Nutzbarmachung jedoch zusätzlichen Arbeitsaufwand benötigt. Also: Fraglich, ob dies ein Ausweg ausm Kapitalismus sein soll.

(6.1.1) Re: Wiedersprüche, 24.11.2006, 09:47, Benni Bärmann: Das "umsonst" ist dabei weniger wichtig als die Tatsache, dass es zum ersten mal seit der Existenz des Kapitalismus gelungen ist in weltweiter, selbstorganisierter Kooperation und im Besitz der dazu nötigen Produktionsmittel Güter zu schaffen, die keine Waren sind. Das ist schon eine neue Qualität. Per se ein Ausweg aus dem Kapitalismus ist das deswegen natürlich noch nicht.

(7) 5.) Der solidarische "Innenraum" darf nicht nur Erfahrungs- und Beziehungsraum bleiben. Es stellen sich die Fragen des Zusammenhalts freier Individuen, der alternativen Vergesellschaftung, wenn wir nicht in Nischen verbleiben wollen (siehe These 11).

(7.1) Das ist eine poetsiche, aber fragliche Setzung, 23.11.2006, 16:10, cyber org: Was soll das für ein "freier" "innenraum" von "Individuen" sein? Freie Individuen sind individualisierte Markteilnehmer - die Beziehungen sind (Qua Trennung und daraus entstehende Freiheit des Privateigentums) Wertvermittelt. Was nicht heisst, dass sich diese freien Individuen nicht auch mal was Schenken oder nicht auch mal solidarisch sind - das sind halt die Widersprüche dieser Existenz. Ein Zusammenhalt zwischen individualisierten Menschen kann, so wünschenswert er auch ist, nur illusorischer, ideeler Natur sein - denn die Trennung des Privateigentums ist Grundlegend und findet in der FREIHEIT (und nicht im Zusammenhalt) ihren Ausdruck.

(7.1.1) Re: Das ist eine poetsiche, aber fragliche Setzung, 24.11.2006, 11:03, Franz Nahrada: Der Kommentar ist tautologisch. Freie Individuen sind dadurch definiert dass ihre Vergesellschaftungsform der Markt ist, quod erat demonstrandum. Alles andere "residual" oder "subsummiert"? Das ist doch der glatte Unsinn. Die Freiheit ist eben auch die Freiheit zur Assoziation, was man an den Gewerkschaften merkt. Dass die Assoziation einen marktförmigen Inhalt hat ist kein Schicksal, sondern eine Bewußtseinsfrage, in der sich BEIDES ausdrückt, nämlich der (Un)Wille und die (Un)Attraktivität einer nicht marktförmigen Beziehung. Das erste Prädikat der Attraktivität ist die Existenz. Bürgerliche Individuen Fragen nach der Alternative, und da haben sie recht, das ist nicht nur rhetorisch. Bewußtsein ist bewußtes Sein, nicht Voluntarismus. Und Assoziationen von Individuen hatten es so an sich, daß sie im "Innenraum" auch eher aggressive und kriminelle Energie freisetzten, um den wenig ertragreichen Wirkungen des Marktes nachzuhelfen. Hier ändert sich was, der "Innenraum" wird durch den Cyberspace nach außen gestülpt und er wird transparent.

(7.1.1.1) Re: Das ist eine poetsiche, aber fragliche Setzung, 24.11.2006, 16:26, cyber org: Nö. Nicht Tautologisch. Weil alle durch ihr Privateigentum unabhängige Interessen und getrennte Güter voneinander haben, müssen ihre Beziehungen Marktförmig sein. Der Rest ist nicht Subsummiert oder Redsidual sondern einfach ein Widerspruch dessen. Der Umstand, das Mensch sich etwas SCHENKEN muss/tut, ist AUCH Ausruck der Eigentumsverhältnisse, in denen (der ganze nicht geschenkte Rest) eben NICHT freiwillig weggeben wird. #Deshalb ist der Markt keine Bewusstseinsfrage (wie Spirituell) sondern erstmal knallharte Lebensrealität individualiserter Existenz an der auch das Schenken nix ändert (bewiesendermaßen) - klar: Keine Trennung durch Privateigentum=Keine Individualisierte Existenz=Keine Marktbeziehungen, oder anders ausgedrückt: Würden sich die Menschen eh immer ALLES Schenken, dann gäb's auch kein Privateigentum mehr.
Zum Innenraum: "cyberspace" ist bloß mehr Kommunikation und oooch nix grundlegend neues. Jede_R der/die Kommuniziert kehrt irgendwas von innen nahc aussen, aber was ändert's an den Verhältnissen? nix. #Das mit dem Bewussten Sein ist mir zu spirituell. Kann ich davon nen Einkauf bezahlen? Muss ich deshlab nicht meine Arbeitskraft verkaufen? #Du schreibst: "Die Freiheit ist eben auch die Freiheit zur Assoziation" - bloß scheint die niemand in einer Weise zu nutzen, die den Markt überflüssig macht. Was soll da helfen? Bewusstseinsveränderung? Die Freiheit zur Assoziation heisst scheinbar, sich eben NICHT zu assoziieren - und das klappt so halt eben ganz bestens.

Mal Hand auf's Herz: Ist die Feststellung, das die aktuelle Gesellschaft durch ihre Eigentumsverhältnisse Begründet wird, jetzt sooo neu? Neee.

(8) 6.) Die Zweigleisigkeit besteht einerseits aus dem selbstorganisierten "Innenraum", in dem Markt und Staat keinen Platz haben. Das andere Gleis ist eine möglichst sinnvolle Teilzeit-Erwerbsarbeit, die nicht nur zur finanziellen Reproduktion wichtig ist, sondern auch, um an den modernen Produktivkräften dranzubleiben und nicht im "Klein-klein" zu versinken. Eine sinnvolle Teilzeit-Erwerbsarbeit finden wir auf Dauer nur, wenn wir uns intensiv über unsere Erfahrungen damit austauschen und uns Rückhalt geben - genauso wie im Feudalismus sich die Stadtbürger Rückhalt gaben: "Stadtluft macht frei"

(8.1) Markt, 23.11.2006, 16:12, cyber org: ...entsteht durch die Trennung in verschiedene Eigentümer_Innen, welche sich dadurch als Warenbesitzer_Innen gegenüberstehen. Wie mensch das mit Teilzeiterwerbsarbeit oder Grundeinkommen abschaffen will, ist mir schleierhaft.

(8.1.1) Re: Markt, 24.11.2006, 11:05, Franz Nahrada: Indem zum Beispiel die vom Markt nicht mehr absorbierte Arbeitskraft sich autonom - und das heißt kreislaufförmig - organisiert. Indem sie sich global assotziiert durch Austausch von Produktionswissen, das lokal quasi realisiert und materialisiert werden kann.

(9) 7.) Praktische Solidarität im Alltag basiert auch auf materiellen Voraussetzungen. Die Suche nach möglichst sinnvoller Teilzeit-Erwerbsarbeit kann so prekär und zermürbend sein, dass die praktische Solidarität wieder untergraben wird. Es ist daher wichtig, im selbstorganisierten Innenraum ein bedingungsloses Grundeinkommen zu organisieren, nicht als Ersatz der Teilzeit-Erwerbsarbeit, aber als Abfederung von Zeiten der Jobsuche und zur Stärkung des Selbstbewusstseins, nicht jeden Job annehmen zu müssen. Die politische Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle ist natürlich richtig und wichtig, sie wird aber innerhalb des Kapitalismus wohl kaum umgesetzt werden.

(9.1) Wer soll das bezahlen..., 24.11.2006, 11:07, Franz Nahrada: ..wer hat das bestellt? Wer hat soviel Pinke-Pinke, wer ist so ein Held?

(10) 8.) Ein gesellschaftlicher Sektor, der sich allmählich von den Zwängen des Marktes ablöst, kann nur entstehen, wenn es moderne Robert Owens gibt, die die materiellen Mittel für ein internes bedingungsloses Grundeinkommen zur Verfügung stellen. Diese materiellen Mittel könnten aus der erfolgreichen Vermarktung der Humanisierung moderner Technologie entstehen. (Auch die Kaufleute in den Städten betrieben zunächst Handel mit dem Adel.) Ein Beispiel: YouTube ist mit der einfachen Idee gestartet, dass alle ihre Filme zur Verfügung stellen und die Filme anderer herunterladen können. Nach gut einem Jahr wurde daraus ein Unternehmen, dass für 1,6 Mrd. $ an Google verkauft wurde. Ein anderes Beispiel ist die Entwicklung von Ubuntu-Linux, einer Humanisierung moderner Technologie, die aus Afrika (!) kommt. Es gilt, solche Prozesse mit der Entwicklung solidarischer ökonomischer Zirkel zu koppeln und dennoch eine klare Trennung vorzunehmen: die Marktökonomie darf nicht in die solidarischen ökonomischen Zirkel Einzug halten.

(10.1) das ist so eine Sache..., 24.11.2006, 11:16, Franz Nahrada: ...nicht daß ich dagegen wäre, das wäre äußerst begrüßenswert...und rationell noch dazu, weil das Investment in Community Technologie wäre das produktivste Investment und die beste Altersvorsorge überhaupt. Aber diese Fälle von weiser Philanthropie (für New Work würden 100 Millionen schon mal reichen) sind halt dünn gesät und jedermensch weiß daß wir es bei diesen astronomischen Summen schon wieder mit einer Spekulationsblase zu tun haben, die bald wieder in sich zusammenkrachen wird.

(11) 9.) In Bremen haben wir eine ganze Reihe von Fehlern begangen und ausgewertet. Angefangen mit einer theoretischen Selbstverständigung, Aneignung vom frühen Marx, Geschichte der 1968er und deren kritischer Weiterentwicklung, Beteiligung an der 1988/89er Uni-Streikbewegung und Aufbaus einer Alternative Uni sind wir zunächst in die Theoriefalle getappt. Gesellschaftsveränderung lässt sich jedoch nicht schwerpunktmäßig über Bewusstsein erreichen, und ein reines Uni-Projekt verbleibt in der Jugendflause.

(12) Es folgte die Gründung der Bremer Commune, die mit einem sehr subsistenznahen Ansatz begann: Grundversorgung für 50 Menschen über eine Stadt-Land-Verbindung zu einem Bauernhof. Uns gelang es aber nicht, die unterschiedlichen Rhythmen von Stadt & Land zu vermitteln. Was blieb, ist, sich in puncto Subsistenz regelmäßig zu aktivieren (über eine Parzelle und Bauernhof-Kontakte) und sich über einen Lebensmittel-Laden und eine Solidargemeinschaftsküche (mit Differenzierung zwischen Grundversorgung & Konsum) zu versorgen.

(12.1) Oooookay... Subsistenz, 23.11.2006, 16:21, cyber org: Klar. Subsistenz ist schon 10.000 mal gescheitert und die Frage ist, ob die überhaupt möglich oder Wünschenswert ist, insbesondere, da sie je der Produktivkraftentwicklung, welche Freie Zeit und Ressourcen schafft, entgegensteht. Gibt es da Links oder Texte zu diesem Projekt? Wäre ja mal interessant ob diese "Commune" denn das Privateigentum zwischen Stadt und Land und den einzelnen Beteiligten abgeschafft hat - ansonsten würde ich das nicht "Commune" nennen wollen. Wir von CyborgSociety.org planen einen Geländeübergreifende Kommune (mit derzeit 5 beteiligten, existierenden Projekten, davon 2 Landprojekte), was die Auflösung des Privateigentums untereinander zu Grundlage hat, sich somit auch nicht unterschiedliche Projekte und somit auch keine Marktbezieheungen ZWISCHEN Orten, Projekten, Personen ergeben können (wie soll mensch sich denn Bezahlen, wenn alle das selbe Geld beitzen?). Subsistenz ist jedoch nicht unser Ziel, sprich ein Teil unserer Beziehungen nach aussen werden immernoch Marktvermittelt sein, als Binnenverhältnis wären Marktbeziehungen jedoch absurd.

(13) Das nächste Experiment war Technologie-orientiert: Oekonux ist ein internationales Projekt, dass die Erfahrungen mit freier Software und Linux zu einer Vision einer geld- und tauschwertfreien Ökonomie weiterentwickelt. Die Bremer Oekonux-AG war bundesweit wohl die einzige, die sich auch face-to-face und nicht nur virtuell traf. Dennoch gelang die Verbindung zur Praxis und zu den Nicht-Freaks nicht.

(14) Parallel haben wir immer auch überlegt, wie wir mit den hochentwickelten Konzepten zur Gesellschaftsveränderung Kontakt zur Bevölkerung bekommen können. Die Versuche reichten von Tauschringen, einem Bildungsverein (in der Tradition der Arbeiterbildungsvereine) über bis zu einem Umsonstladen - überall konnten wir relevante Bevölkerungsgruppen ansprechen. Jedoch verlor sich jedesmal die Qualität der tiefgreifenden Gesellschaftsveränderung in der Breite. Die nächste Station war attac, das jedoch inzwischen kaum noch für eine radikale Gesellschaftsveränderung steht, sondern fast nur noch Reformkonzepte entwickelt. Am dynamischsten und vielversprechendsten sind wohl die Sozialforen, die inzwischen auch auf lokaler Ebene existieren.

(14.1) Ihr und die bevoelkerung, 24.11.2006, 13:43, Wolf Göhring: Du schreibst: "... wie wir mit den hochentwickelten Konzepten zur Gesellschaftsveränderung Kontakt zur Bevölkerung bekommen können". Das klingt, als wuerdet ihr auf dem mond leben und kein teil der irdischen bevoelkerung sein. Liege ich da richtig?

Wer hat den "konzepten zur gesellschaftsveraenderung" attestiert, dass sie "hochentwickelt" seien?

(15) Mit dem Schwung des zweiten Bremer Sozialforums konnten wir jüngst zu einer Gruppe kommen, die eine mittigere Position einnimmt: im Mittelpunkt soziale Kompetenz und Humanisierung, die dann Technologie, Subsistenz, Theorie/Konzeptentwicklung, Aktionsbeteiligung und basisdemokratische Organisation verbindet. Humanisierung von PC-Technologie heißt z.B., dass die Freaks lernen, von den Bedürfnissen der Nicht-Freaks auszugehen. Da die emanzipierte Nutzung eines Umsonstladens bereits soziale Kompetenz voraussetzt, haben wir diesen erstmal auf diejenigen beschränkt, die auch zu den Treffen kommen.

(15.1) VideoBridging, 24.11.2006, 11:18, Franz Nahrada: Ich schlage vor, daß sich diese lokalen Projekte miteinander zu unterhalten beginnen. Es gibt jetzt die Technologien und wir können viel voneinander lernen.

(16) 10.) Für die "sorgfältige Analyse, was Waren, Geld und Kapital eigentlich sind", reichen unserer Erfahrung nach die Marxschen ökonomisch-philosophischen Manuskripte aus. Die Lektüre des "Kapital" birgt hingegen die Gefahren der Flucht vor der Praxis in die Theorie, der religiösen Dogmatisierung und des psychischen Absturzes. Ikonen wie Marx und Che Guevara dienen eher der rituellen Selbstvergewisserung. Gegen Dogmatisierung hilft eine Auseinandersetzung mit den philosophischen Wurzeln. Wichtig ist aber vor allem die Entwicklung einer Strategie zur Gesellschaftsveränderung (anhand der Auswertung bisheriger Versuche). Wirklich überzeugen können wir vor allem durch eine bessere Praxis.

(16.1) Unsinn, 24.11.2006, 11:19, Franz Nahrada: Eine gute Theorie und eine gute Praxis können einander nicht desavouieren. Ich finde es extrem wichtig, sich auch die einzelnen Phänomene der bürgerlichen Welt richtig erklären zu können und nicht Irrtümern aufzusitzen. Es gab immer wieder Zeiten "produktiver Koexistenz" zwischen Theoretikern und Praktikern, zwischen den langen Durststrecken destruktiver Seggregation. Mit ein wenig analytischem Geist und Offenheit für die Entwicklungen der Gegenwart läßt sich das 13. Kapitel in K1 als überholt verstehen - daher stimmen auch viele Schlußfolgerungen so nicht mehr. Ich hoffe es geht bald wieder los, offensichtlich braucht es bei den Theoretikern immer ein Jahrzehnt bis zum nächsten Befreiungsschlag.

(17) 11.) Der neue gemeinschaftlich-gesellschaftliche Zusammenhang beginnt zwar in kleinen Gruppen, die sich aber von vorherein als Bestandteil eines globalisierungskritischen Treffpunkts/Stadtteilzentrums begreifen und zudem einen globalen Horizont einnehmen, sich als Teil einer weltweiten Bewegung sehen sollten. Es gilt also, "weiche" Themen wie emotionale Geborgenheit und Gruppendynamik mit "harten" Themen wie Gesellschaftsveränderung, Kontakt zu modernen Produktivkräften, Entwicklung neuer Formen von Vergesellschaftung und demokratisches Wirtschaften zu koppeln. Ansonsten entwickeln sich nur postmoderne Zerfieselung und bedeutungslose Nischen.

(17.1) das "sollte"..., 24.11.2006, 11:35, Franz Nahrada: ...könntent Ihr ruhig unterfüttern mit den Vorteilen, die das bringt. Und das sind nicht wenige!

(18) Eine besondere Rolle kommt hier dem Kontakt zu Projekten in Ländern des globalen Südens zu. Die Erkenntnis, dass die Kehrseite der materiellen Verelendung im globalen Süden die psychische Verelendung im globalen Norden ist, ermöglicht hoffentlich eine gleichberechtigte Zusammenarbeit.

(19) 12.) Ein städteübergreifendes Netzwerk haben wir jüngst auch im Bereich der lokalen Sozialforen mit aufgebaut (das nächste Treffen ist vom 17.-19. November in Heidelberg, siehe www.lokale-sozialforen.de). Dort soll auch über solidarische Ökonomie diskutiert werden. Vielleicht ergeben sich Zusammenarbeitsmöglichkeiten?


Valid HTML 4.01 Transitional