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Counterpictures, Chap. 2.4: Revolution in five steps

Maintainer: Gruppe Gegenbilder, Version 1, 10.09.2000
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

PLEASE

(1) This is a german-english translation project. Do not comment the CONTENT of the text until the project is announced as 'final release'. Currently all links reference texts in the original german version. They will be changed to the translated english version immediately before final release.

(2) {Fünfschritt} Es ist ein langer Text geworden, und wir haben beim Schreiben viel gelernt. Eine Zusammenfassung fällt uns nach der Fülle der entwickelten Argumente schwer. Vielleicht sollten wir die Zusammenfassung eher für eine spekulative Utopie nutzen. Der in Kapitel 2.1, Punkt A in einem Exkurs dargestellte Fünfschritt für den typischen Verlauf von revolutionären Umbrüchen bietet sich dazu an.

(3) Der Fünfschritt, der von Klaus Holzkamp formuliert wurde (Holzkamp 1985), ist nichts völlig Neues. Manche erinnern sich sicher an den dialektischen "Dreisprung" von These - Antithese - Synthese, der auch hier wieder vorkommt - jedoch wesentlich präziser und realitätsnäher. Diese allgemeine Form von Entwicklung in Qualitätssprüngen wurde von Holzkamp für die Evolution in der Tier- und Pflanzenwelt nachgewiesen, ebenso für die Prozesse der Menschwerdung. Da Leben grundsätzlich nicht stillsteht, nie stagniert, da alle Materiearten sich bewegen und in großen oder kleinen Entwicklungsprozessen ihre Geschichte haben, können wir diese fünf Schritte auf jegliche materiellen Prozesse beziehen - folglich auch auf die Gesellschaftsgeschichte. Auch dort finden wir größere Zyklen (personal-konkrete Vergesellschaftung - abstrakt-entfremdete Vergesellschaftung - personal-konkrete Vergesellschaftung: vgl. Kapitel 2.2), die kleinere einschließen (Aufstieg und Zerfall jeder einzelnen Gesellschaftsepoche und -ordnung).

(4) Wir wollen hier die fünf Schritte für eine allgemeine möglichst realitätsnahe, aber doch utopische Skizze der möglichen revolutionären Umbrüche verwenden. Skizze heißt: Hellsehen könne auch wir nicht, aber begründet phantasieren schon.

(5) 1. Keimformen: Der erste Schritt besteht im Nachweis der Keimformen des Neuen, die später eine systemsprengende Qualität gewinnen. Voraussetzung ist eine Analyse der bestehenden Verhältnisse, also des alten dominanten Systemzusammenhangs. Das haben wir in den Kapiteln 2.1 und 2.2 getan. Wir fanden heraus, daß ökonomisch die entfremdete Produktivkraftentwicklung und gesellschaftlich die Vermittlung aller sozialen Beziehungen über den Wert bestimmend sind. Innerhalb dieser Formen sind die Entwicklungsressourcen für eine weitere Entwicklung des Systems erschöpft, die Produktivkraft der Arbeit zerstört mehr als sie schafft. Die letzte unausgeschöpfte Ressource ist der Mensch, seine Kreativität, seine Potenzen, die in der Entfaltung seiner Individualität liegen. Selbstentfaltung und Verwertung stehen jedoch in einem nicht auflösbaren Widerspruch zueinander. In den realen Ansätzen der Selbstentfaltung liegen die Keimformen des Neuen.

(6) 2. Rahmenbedingungen: Die Erschöpfung von inneren Entwicklungsressourcen von Systemen ist undramatisch, wenn die Rahmenbedingungen des System relativ stabil bleiben. Das ist beim totalitären Kapitalismus nicht der Fall. Erschöpfung und Zerstörung seiner eigenen Reproduktionsbedingungen und damit der Lebensbedingungen der Menschheit gehen einher. Klimakatastrophe, Armut, soziale Verheerungen, Zerstörung natürlicher Grundlagen sind nur wenige Stichworte der globalen Problematik, mit der wir uns konfrontiert sehen. Nur eine radikale Veränderung der Lebens- und Wirtschaftsweise, der Ausstieg aus den alten verwertungsbestimmten Systemzusammenhängen kann die fortschreitende strukturelle Unterminierung unserer Lebensbedingungen aufhalten. Die Rahmenbedingungen dringen auf eine qualitative Überwindung der alten Systemzusammenhänge - eine abstrakte Notwendigkeit oder gar Automatik der Überwindung ergibt sich daraus jedoch nicht. Sie wird nur geschehen, wenn wir es tun. Das Alte geht nicht mehr, aber das Neue kann noch nicht. {Utopien haben die Eigenschaft, daß sie nicht "von allein passieren" - sie werden nur real, wenn Menschen für ihre Verwirklichung aktiv werden.}

(7) 3. Funktionswechsel: Der erste qualitative Sprung erhält noch die alten Systemzusammenhänge, bedeutet aber den Umbruch der Keimformen zu einer bedeutenden Entwicklungsdimension. Noch unter Bedingungen der subjektlosen Wertverwertungsmaschine und der entfremdeten Produktivkraftentwicklung bilden sich Bereiche neuer Produktions- und Reproduktionsformen heraus. Diese etablieren sich außerhalb der alten Zusammenhänge, aber unter voller Nutzung der besten materiellen und ideellen Gebrauchswerte, die das alte System hervorgebracht hat. Sie werden in neue soziale und produktive Zusammenhänge gestellt und verwendet - eine High-Tech-Aussteiger-Avantgarde und andere Bewegungen an vorderster Front nutzen sie aktiv. Im Binnenverhältnis setzen sich intersubjektive Beziehungen als Grundlage eines vernünftigen Austausches der lebensnotwendigen Dinge durch - Qualität, Inhalte und Kommunikation ersetzen die "unsichtbare Hand" der abstrakten Wertvermittlung über den Markt. {"Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht; sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer." (Seneca)}

(8) 4. Dominanzwechsel: Der Kampf des Alten gegen das Neue ist hart und die Repression beträchtlich, aber die alten Systemzusammenhänge und ehemaligen Verlockungen des Geldes sind nicht mehr wirksam. Wer will sich noch für fremdbestimmtes Verschwenden von Lebensenergie kaufen lassen? Das Neue setzt sich explosionsartig durch, es wird dominant, es entwickelt mit seinen neuen Kommunikations- und Lebensformen eine Strahlkraft, die erstmals wieder Optimismus aufkommen lassen. Der Kapitalismus ist doch kein Naturgesetz, wer hätte das gedacht. Wie umständlich erscheint der Umweg über anonyme Marktbeziehungen, denen man früher die Herrschaft über den sozialen Austausch gewährte, wo man doch alles vernünftig nach Maßstäben der Entfaltung für alle Menschen regeln kann. Wie doof und kleinlich sehen im Rückblick die alten Instrumentalbeziehungen aus, mit denen wir uns gegenseitig traktierten und die herrschenden Strukturen reproduzierten. Mit dem Beispiel von GNU/Linux fing alles an anders zu werden. Das gibt es zwar nicht mehr, aber die freie Softwarebewegung hatte zum ersten Mal im breiten Maßstab gezeigt, daß es auch ohne die Verwertung von Wert gehen kann. {Viele Vorstellungen in diesem Buch sind nicht neu. ManchR wird sagen: "Das gabs schon früher und wurde längst widerlegt". Wir geben jedoch zu bedenken, daß frühere Gedanken, Wünsche und Träume nicht allein dadurch, daß sie noch nicht verwirklicht werden konnten, widerlegt sind. Vielleicht reichten die Bedingungen dafür noch nicht aus - liegen jetzt aber vor bzw. können jetzt geschaffen werden!}

(9) 5. Umstrukturierung: Es gibt viel aufzuräumen, einige Verheerungen des überwundenen Kapitalismus werden vielleicht nicht mehr reparierbar sein. Aber die kreative Menschheit wird andere Wege finden, die Probleme zu bewältigen. Auf der Grundlage der Dominanz des Neuen wird die Entwicklung nicht aufhören. Die Vielfalt von Lebens- und Wirtschaftsformen wird geradezu aufblühen, vom Alten wird nicht mehr viel übrig bleiben. Wird nun die große Langeweile ausbrechen? Nein, auch dieses Stadium ist auch "nur" wieder Ausgangspunkt für weitere Entwicklungszyklen - aber diesmal auf herrschaftsfreier Grundlage.

(10) Zugegeben, das klingt utopisch, und das ist es auch. Vielleicht wird alles ganz anders ablaufen, in der Regel blamiert sich jede konkrete Utopie nach ein paar Jahren. Aber die Skizze soll zeigen, daß die Geschichte kein Ende kennt, daß es weitergeht, daß es begründete Entwicklungsperspektiven gibt. Praktisch können nur wir bestimmen, was geschieht.

Fortsetzung

(11) Weiter geht es mit Kapitel 3, Visionen - Konzepte - Experimente: 3.1 Technik und Ökonomie - Mittel statt Selbstzweck!.


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