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Christliche Ansätze für eine neue Gesellschaft

Maintainer: Uli Weiss, Version 1, 03.06.2002
Projekt-Typ: geschlossen
Status: Archiv

(1)

"Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik" Karl Marx

(2) Die Gruppe Wege aus dem Kapitalismus diskutiert über eine Suche nach biblischen Ansätzen für eine antikapitalistische Politik. Ulrich Duchrow, Alternativen zur kapitalistischen Weltwirtschaft. Biblische Erinnerung und politische Ansätze zur Überwindung einer lebensbedrohenden Ökonomie, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, Gütersloher Verlagshaus Matthias-Grünewald-Verlag 1997. In unserer Gruppe führen wir Diskussionen über mögliche Wege aus dem Kapitalismus. Wir bringen Marxsche und andere Theorien ein, praktische Erfahrungen aus dem Widerstand gegen die Zumutungen der kapitalistischen Lebens- und Arbeitsweise sowie Erfahrungen in der Lebensgestaltungen außerhalb kapitalistischer Warenproduktion und Herrschaftsförmigkeit.

(3) In vielen unsere Diskussionen wiederholen sich bestimmte Kontroversen. Das betrifft zum Beispiel folgende Fragen:

Im Sinne der partiellen Zivilisierung des Kapitalismus hielt ich diese Kämpfe in der ganzen kapitalistischen Geschichte für epochemachend und für die jeweils betroffenen Menschen existentiell bedeutsam. Ich habe Zweifel, ob auf diesem Wege noch bürgerliche Zivilisation zu bewahren ist. Eine antikapitalistische Potenz rechne ich diesen Kämpfen nicht mehr zu. Ich habe vielmehr Gründe für die Annahme präsentiert, dass das Ringen um Zivilisation heute auf anderen Feldern erfolgen kann und muss. Dieser Position wird in unserer Gruppe widersprochen.

(4) Hinter diesen Kontroversen stehen meines Erachtens nicht nur spezifische frühere und aktuelle Lebenserfahrungen sowie verschiedene theoretische Bezugspunkte. Es stehen dahinter (das betrifft auch mich selbst) auch höchst unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sich denn eine Gesellschaft anderes als in ihrer derzeitig dominierenden kapitalistischen Form konstituieren könnte, auf welchen Feldern das möglich ist oder eben gerade nicht. Die Diskussion dieser Frage hat eine höchst praktische Seite - etwa die, mit größter Offenheit konkrete Veränderung in Lebens- und Produktionsformen zur Kenntnis zu nehmen, möglichst an verschiedenen Entwicklung mit der eigenen Existenz teilzuhaben - und eine anspruchsvolle theoretische. Letztere erfordert die Anstrengung des Begriffs und zwar in einer Weise, die unsere Unterschiede produktiv macht. Ich bin sehr begierig darauf, entsprechende Einsichten und Widerreden anderer (soweit sie über meine eigenen früheren ML-Positionen hinaus gehen) zur Kenntnis zu nehmen. Impulse etwa aus dem Krisis-Kreis, der Oekonux- Diskussion, Kritischer Psychologie, theoretische Reflexion über Entwicklungen postfordistischer Produktionsformen u.a. waren für mich höchst anregend. In dieser Richtung muss es weiter gehen, wenn wir das von mir empfundene Manko überwinden wollen. Ich meine, unser begriffliches Instrumentarium ist nicht hinreichend, um theoretisch wie praktisch der Beantwortung der Frage näher zu kommen, wie sich eine nichtkapitalistische Gesellschaft konstituieren kann.

(5) Was mich betrifft (und ich schließe die mir bekannten theoretischen Positionen mit ein, die westliche K-Gruppen vertraten, aber auch solche gleichermaßen schöpferische wie marginalisierte "Einzelkämpfer" wie G. Kofler, H. Brandler) bieten die alten ML-Positionen nicht das geeignete begriffliche Insturmentarium für die Suche nach Wegen aus dem Kapitalismus. Viele dieser Auffassungen allerdings waren höchst produktiv hinsichtlich sozialer Bewegungen, die innerhalb der bürgerlichen Epoche Zivilisation beförderten - so die traditionelle sozialdemokratische wie kommunistische, Arbeiterbewegung sowie über lange Zeit auch der Real-"Sozialismus". Die Geschichtsmächtigkeit dieser Bewegungen ist nicht rekonstruierbar. Die ihr adäquaten Theorien und Vorstellungen vom Aufheben der kapitalistischen Gesellschaft jedoch sind weiterhin im öffentlichen Bewusstsein sehr verbreitet, auch bei Menschen, die sich nicht als kommunistisch begreifen oder/und sich nicht positiv auf den Real- "Sozialismus" beziehen. Das betrifft etwa die Vorstellungen, dass soziale Bewegungen mittels Macht und Politik, über eine zu erkämfende Hegemonie über Staatsorgane und Parlamente, durch darauf bezogene proletarische (gewerkschaftliche und politische) Klassenkämpfe bzw. durch neue soziale Bewegungen auch zukünftig Zivilisation bewahren bzw. gar ihre kapitalistische Form aufheben könnten.

(6) Es ist wunderbar, wenn Leute unterschiedlicher Tradition den Reichtum ihrer praktischen Erfahrungen einbringen und ihre spezifische Verarbeitung früherer theoretischer Positionen. Hinsichtlich der Suche nach Wegen aus dem Kapitalismus sind das bei fast allen von uns - mögen wir Aktivisten der real-"sozialistischen" Praxis gewesen sein oder in westlichen K-Gruppen engagiert, mögen wir vom östlichen ML, von westlichen Marxismen, Maoismen, Theologien der Befreiung, Theorien von linken Solidarnocs-Vertretern usw. usf. überzeugt gewesen sein - es sind in Bezug auf nichtkapitalistische Perspektiven durchweg Erfahrungen und Theorien des Scheiterns. Die Anerkennung dieser Tatsache, also das Wissen, dass keiner von uns die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, ist gerade die wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir nun schon über lange Zeit wechselseitig offen und neugierig sind. Das sind eigentlich gute Voraussetzungen für eine fortschreitende Diskussion. Eigentlich. Denn tatsächlich können wir noch lange nicht auf überzeugende Weise neue Gesellschaftlichkeiten denken bzw. praktisch gestalten. Und unsere Verweise auf marginale Punkte praktischen Entstehens solcher Verhältnisse (an denen sich einige von uns beteiligt glauben) stoßen auf große Skepsis oder auf Desinteresse auch bei uns selbst. Was die theoretische Seite dieses Problems betrifft, sehe ich unter anderem eine Aufgabe: Mit dem Blick auf heutige Verhältnisse müssen auch unsere in Ost und West durchaus verwandten alten Auffassungen und Theorien in einer solchen (Marx-/Hegelschen) Weise aufgehoben werden, dass Wege aus dem Kapitalismus und die heutigen Keimformen dessen deutlicher sichtbar werden.

(7) Ich stelle mir selbst hierzu u.a. folgende Aufgaben:
Erstens. Ich will mir/uns Marxsches Denkens noch einmal erschließen. Es geht mir um die Entwicklung seiner Auffassungen von einer Gesellschaft der allgemeinmenschlichen Emanzipation. Es geht u.a. um die materiellen und subjektiven Voraussetzungen sowie die Formen und Felder einer entsprechenden emanzipatorischen Praxis. Im Herbst 2002 will ich einen Text zur Entwicklung der recht unterschiedlichen Marxschen Kommunismusvorstellungen vorlegen. Dies wird punktuell konfrontiert mit den zwischenzeitlichen geschichtlichen Entwicklungen, der Kommunismus-Rezeption im DDR-Real-"Sozialismus" sowie mit unserer bisherigen Diskussion über heutige Voraussetzungen für Wege aus dem Kapitalismus.

(8) Zweitens. Fortsetzen will ich die Beschäftigung mit anderen (nicht vorrangig auf Marx und die Arbeiterbewegung bezogenen) historischen Versuchen, sowohl praktisch als auch im theoretischen Verständnis Gesellschaftlichkeiten zu konstituieren (bzw. zu verteidigen), die nicht durch die Zwänge von (kapitalistischer) Warenproduktion und Herrschaft über Menschen bestimmt sind. Es sind dies - so auch der Real-"Sozialismus" - einerseits Geschichten eines partiellen zivilisatorischen Fortschritts, den wir sowohl noch heute genießen als auch in seiner Fragwürdig- und Zukunftsunfähigkeit erkennen. Dieser Fortschritt ermöglicht heute zwar auf eine andere Weise (ich meine erstmalig) Wege in eine herrschaftsfreie Welt zu denken und erfolgreich zu gehen als etwa 1917 ff oder gar in urkommunistischen Bewegungen weit früherer Epochen. Gemessen an dem Anspruch, in einer herrschaftsfreien Welt die sichere Existenz des einzelnen Menschen sowie das freie Entfalten und Genießen seiner Fähigkeiten zu garantieren, ist diese Geschichte jedoch eine von Niederlagen. Solche widersrpüchlichen Entwicklungen (und deren theoretischen Reflexionen) will ich weiterhin auf ihre Aussagekraft hinsichtlich unserer heutigen Suche nach Alternativen durchforsten. Ich erwarte davon wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Dimension, eventueller Sackgassen und zugleich der Möglichkeiten unserer heutigen Suche nach Wegen aus dem Kapitalismus.

zu Ulrich Duchrow

(9) Mit dieser Fragestellung bin ich auf das oben genannte Buch von Ulrich Duchrow gestoßen. Duchrow, geb. 1935, ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Heidelberg. In seiner Arbeit befragt er "die Bibel, welche Orientierungen sie heute für Praxis und politische Strategie geben kann, um die lebensbedrohenden Mechanismen der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung aufzuhalten." (Umschlagtext) Auf Duchrow wurde ich u.a. aufmerksam durch die Bekanntschaft mit der Basisgemeinde Berlin-Prenzlauer Berg. Diese versucht, mit religiöser Begründung eine Gemeinschaft mit urchristlichen, urkommunistischen Tendenzen aufzubauen. Praktisch wird an einer Lebensform gearbeitet, die sich wenigstens partiell der Unterwerfung von Menschen unter die scheinbar allmächtigen Alltagszwänge des Es-muss-sich-rechnen entgegenstellt. Ihre Mitglieder werden auch offensiv, wenn es darum geht, die verbreitete Unterwerfung unter die Herrschaftslogiken von (Macht- )Politik, (kapitalistisch-)ökonomischer Effizienz, von Militarismus und Krieg zu durchbrechen. Die Basisgemeinde ist auch und gerade in dieser Hinsicht eine der widerständigsten und konsequentesten. Peter Fuchs-Ott, als maßgebliches Mitglied dieser Gemeinschaft schon Gast eines unserer Seminare, sieht in den Arbeiten von Duchrow eine theoretische Begründung ihrer Praxis.

Annäherung an den Theologen

(10) Die Beschäftigung mit Duchrow ist in unserem Kreis nicht unwidersprochen: "Unnötiger Zeitaufwand." "Alles schon seit den 70er Jahren bekannt." "Warum sollten wir auf der Suche nach Wegen aus dem Kapitalismus Duchrow lesen, wenn du selbst sagst, dass seine konkreten politischen Vorschäge nur auf innerkpaitalistische Regulierungen hinauslaufen?" Ich kann hier nur zeigen, wie ich in Auseinandersetzung mit Duchrow (was natürlich ein Eingehen auf seine Argumentation voraussetzt) theoretische Anregungen für meine Suche nach Wegen aus dem Kapitalismus gewinne und so unsere Diskussion befördern. Wer sich darauf nicht einlassen will oder kann und in zwei Sätzen eine Antwort auf obige Einsprüche erwartet, den kann ich nicht befriedigen. Auf der Suche nach Wegen aus dem Kapitalismus helfen auch keine Selbstverständlichkeiten, die in Formeln zu formulieren sind, weiter. Vielleicht rufen erst einmal einige Bemerkungen zu Duchrow und zu meiner Methode des Umgang mit ihm Interesse hervor.

(10.1) Re: Annäherung an den Theologen, 07.01.2003, 20:05, Ano Nym: völlig weit hergeholte Argumente

(11) Erstens. Duchrow begrüßt am "Gemeinsamen Wort" von EKD und Katholischer Bischofskonferenz aus Anfang der 90 Jahre, dass dieses "Front gegen die endlich wahrgenommene 'Marktwirtschaft pur'" macht. Er kritisiert aber, dass dies "unter sorgfältiger Vermeidung des tabuisierten Begriffs Kapitalismus, klarer Strukturanalyse und der Nennung von Ross und Reiter" (S. 10) geschieht. Er nimmt damit eine ermutigende grundsätzlich kapitalismuskritische Position ein.

(12) Zweitens. Duchrows praktischen Vorschläge zur Überwindung der "lebensbedrohenden Mechanismen der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung" (Umschlagtext) jedoch teile ich bereits in ihrem Ansätzen nicht. Sie richten die Hoffnung letztlich auf den bürgerlichen Staat als Regulierungsinstanz. Das ist um so erstaunlicher, als dies im Widerspruch zu den wesentlichen Aussagen stehen, die Duchrow in seiner Arbeit macht. In diesem Teil beschreibt er den Entstehungsprozess historischer Vorläufer heutiger kapitalistischer Grundstrukturen: Warenproduktion und Staatlichkeit als Zerstörung individueller und kollektiver Selbstbestimmung. In etwa 2/3 seines Buches wird der Kampf um diese als Revolte gegen jene verstanden. Im völligen Gegensatz dazu setzt er aber dann doch darauf, noch mittels der Grundinstitutionen der bürgerlichen Gesellschaft (kapitalistische Warenproduktion, politische Herrschaftsstrukturen und Untertanenmentalität), also mittels der Unterwerfung auch emanzipatorischer Bewegungen unter die kapitalistischen Strukturen deren zunehmend barbarischen Konsequenzen erfolgreich bekämpften zu könnten. Dieser Widerspruch ist uns nicht fremd. Es ist auch der unserer ganzen Existenz und weitgehend auch der des heutigen Denkens. Die Auseinandersetzung mit dem anspruchsvollen Duchrow hilft mir, auch diesen Widerspruch und die Wege seiner möglichen aufhebung zu begreifen.

(13) Drittens. Ich bin kein Christ und werde es wohl auch nicht. Es geht mir nicht darum, etwa unter Rückgriff auf ein angenommenes wahres Christentum heute eine Gemeinschaftlichkeit zu begründen, die aus dem Kapitalismus hinausführen könnte (was ich freilich tun würde, sähe ich darin einen gangbaren Weg). Ich bin nicht bibelfest, kein Theologe, kein Historiker, kann mich also nicht in eine detaillierte Diskussion über die Darstellung jenes Geschichtsprozesses einlassen, mit dem nach Duchrow die Herausbildung des christlichen Gottesbegriffes in den ca. 1000 Jahren vor Christi Geburt verbunden war. Die Frage ist berechtigt: Wenn ich weder Duchrows praktischen Vorschlägen zustimme, noch im Detail mitreden kann, noch von einer religiösen Erweckung Wege aus dem Kapitalismus erhoffe, was fasziniert mich an dieser Arbeit?

(14) Viertens. Ich versuche den Duchrow historisch-materialistisch zu lesen. Wer das tut, wird schnell feststellen, dass Duchrow einem sehr entgegenkommt. Mit dem von ihm ausgebreiteten Material kann ich eben auch die Geschichte von zivilisatorischen Wirkungen und regelmäßigen Niederlagen von Befreiungsbewegungen durchaus auch als eine Akkumulation von materieller und geistiger Substanz begreifen, die über den Kapitalismus hinaustreiben könnte. Duchrow gibt (ich lehne mich hier an die Haltung von Marx und auch Lenin gegenüber Hegel an) sozusagen im Rahmen der spekulativen Konstruktion eine tiefe Darstellung der Sache selbst. Welcher Sache?: Der praktischen und geistigen (hier die historische Herausbildung einer Gottesvorstellung, die menschliche Gemeinschaft konstituieren bzw. verteidigen sollte) Versuche zur der Errichtung bzw. Verteidigung einer Welt, die sich eben nicht durch Warenproduktion, Markt, Geld, politische Herrschaft konstituiert. Diese Lesart der Duchrowschen Darstellung von 1000 Jahren jüdisch-christlicher Geschichte, der Geschichte partiell siegreicher praktischen und geistigen Revolten und einer bis heute noch anhaltenden Niederlage, schärft den Sinn für unsere Fragestellung: Wie und in Auseinandersetzung mit welchen Beharrungskräften und Illusionen, in welchen Formen des praktischen Bewegens und des Denkens (bzw. in welchen Formen gerade nicht) kann eine nichtkapitalistische Gesellschaft entstehen?

(14.1) 05.06.2002, 11:11, Johannes Stockmeier: Zunächst muß man ja feststellen, dass der Kapitalismus aus dem Christentum hervorgegangen ist. So kann man hegelianisch auf das Aufhebungspotential innerhalb ihrer Kapitalismus konstituierenden Momente spekulieren. Die protestantische Theologie der Gegenwart ist durch eine Rückbesinnung auf ihr jüdisches Erbe gekennzeichnet. Dies ist vor allem der Aufarbeitung der Shoa zu verdanken, an die sich die Frage anschließt, ob das Konzept der Kirche als Institution überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hat. Die Funktion der Kirche ist es seit Konstantin gewesen, zwischen den gesellschaftlichen Antagonismen zu vermitteln, sie war prinzipiell antirevolutionär und reformerisch eingestellt. Das Luthertum verstärkte innerhalb dieses Spannungsfeldes die staatsloyalen Tendenzen („Bündnis zwischen Thron und Altar“). Nach dem dramatischen Scheitern dieses Konzepts musste das Luthertum in seiner Selbstbesinnung auf jene Antagonismen stoßen, auf die es seine eigene Existenz gegründet hatte. Der Widerspruch, in den Duchrow sich in seiner Argumentation verwickelt, ist der Konflikt seiner Kirche: die konsequente Negation ihrer inneren Antagonismen kann nur ihre Selbstauflösung bedeuten. Wenn ein Nein zum Kapitalismus nur noch ein Nein zum Staat sein kann, dann ist es auch ein Nein zu allem, was wir seit dem vierten Jahrhundert als Kirche kennen. Die Auflösung der sichtbaren Kirche muß aber nicht die Auflösung des Christentums bedeuten, wenn es sich derjenigen Momente versichern kann, die über den Kapitalismus hinausweisen. Hier spielt die Erinnerung an die jüdische Geschichte eine Rolle. Jedoch kann eine Aufhebungsperspektive nicht in einem unmittelbaren Anknüpfen an jene vorkapitalistische Episode bestehen. Dies ergibt erst dann einen Sinn, wenn wir gleichzeitig nach den Ursachen des kirchlichen Antisemitismus fragen, womit wir auch auf die geistigen Ursprünge des Kapitalismus innerhalb des Christentums stoßen.

Was heißt: "Ich lese Duchrow materialistisch"?

(15) Erstens. Religiosität von Menschen ist nicht als Irrtum zu begreifen. Religiöses Bewusstsein ist wie jeder andere wesentliche geistige Prozess ein unvermeidbares Element bestimmter Produktions- und Lebensweisen. Religion ist nicht Opium für's Volk, nicht wesentlich Priesterbetrug. [Dem widerspricht nicht, dass Priester zum Zwecke ihrer realen Funktion, des persönlichen Vorteils oder desjenigen ihrer konkreten Kirche auch bewusst betrügen. Siehe F. Dostojewskis Geschichte vom Großinquisitor aus dem Roman Die Brüder Karamasow.] Religion ist demzufolge nicht durch Aufklärung überwindbar, auch nicht durch Beseitigung der Priesterkaste und der Institution Kirche. Religion kann sich aufheben in einem umfassenden Prozess, in dem diejenigen Verhältnisse überwunden werden, unter denen die Menschen zur materiellen und geistigen Sicherung ihrer gesellschaftlichen Existenz der Religion bedürfen.

(15.1) Re: Was heißt: "Ich lese Duchrow materialistisch"?, 05.06.2002, 11:12, Johannes Stockmeier: Wenn Du es so beschreibst, dann ist Religion doch nur als Irrtum, nämlich als zwar „notwendiges“ aber doch „falsches Bewusstsein“ zu begreifen. Deswegen gehört sie nach Deinem Verständnis auch aufgehoben. Wir haben uns von Anfang an zu entscheiden: ist Religion ein Akzidens des Bewusstseins, oder ist sie selbst Kategorie gesellschaftlicher Wirklichkeit. Ich verstehe Religion als den Versuch einer umfassenden Integration individueller und kollektiver Triebkräfte in ein gesellschaftlich vermitteltes Naturverhältnis. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem was man „religiöses Bewusstsein“ nennen kann und religiösem Kult. Diese Definition ist nicht zwingend. Man kann auch den Begriff der Religion ganz auf die Seite des Kultes schlagen, wie etwa Karl Barth das tut. Von daher wird Dietrich Bonhoeffers Forderung nach einem „religionslosen Christentum“ verständlich. Nur eines sollte man auf jeden Fall immer tun: religiöses Bewusstsein, oder wie man das nun nennen möchte, jederzeit klar vom Kult unterscheiden.

(15.1.1) Re: Was heißt: "Ich lese Duchrow materialistisch"?, 10.06.2002, 13:51, Jesus Leary: Ja da hast du recht,aber Religion ist antiquiert.Ich stehe da eher auf Bachblütentherapie und Astrologie weil ich mich dann so richtig integriert werde.Das religiöse Bewußtsein ist etwas für Spielverderber und Langeweiler.Abenteuer erlebt man in der Esoterik viel eher,das berücksichtigt wenigsten die ganze subjektive Breite,und kastriert sich nicht im integrierenden gemeinsamen Genuß.Haschisch und LSD find ich da auch voll geeignet,auch wenn das auch schon antiquiert ist,so antiquiert wie der Protestantismus ist es dann doch nicht.Im September wachsen wieder mal die Pilzli,die solltest du mal kosten,dann brauchst du auch nichts mehr auf den Begriff bringen.Es lebe der Konsum!Es lebe die Esoterik!

(16) Zweitens. Bewusstsein ist kein passiver Reflex materieller Verhältnisse. Als gesellschaftliches Wesen bedürfen die Mensch in der Produktion ihres Lebens des Bewusstseins als eines konstituierenden Elements des Lebens. In diesem Sinne bestimmt nicht nur das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein. Letzteres schafft und sichert auch das Sein. Es vermittelt die gemeinschaftliche Aktion. Die geistige Vermittlung von Gemeinschaft muss unter allen sozialen Verhältnissen stattfinden. Verhalten sich die Mitglieder einer Gemeinschaft nicht gemeinschaftsdienlich, gehen die einzelnen Individuen mit dem Ganzen unter.

(17) Drittens. Dass diese Vermittlung einen religiösen Charakter annimmt, ist unvermeidbarer Ausdruck ganz bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse. Es sind dies diejenigen Verhältnisse, die zugleich Privateigentum und Staat hervorbringen und die dessen bedürfen wie eben der Religion. Es sind dies diejenigen Verhältnisse, unter denen sich die vorgeschichtlichen Gemeinschaften des homo sapiens aus dem Tierreich herausarbeiteten. Die Menschen, nunmehr nicht mehr unmittelbarer Teil der Natur, konstituieren sich zur Gesellschaft und entfalten als gesellschaftliche Individuen enorme Kräfte in der Produktion ihres materiellen gesellschaftlichen Reichtums. Das geschieht allerdings, ohne dass sie diese Verhältnisse, also ihre eigene gemeinschaftliche Kraft, wirklich bewusst planmäßig beherrschen und gestalten können. Wir haben es stattdessen bis heute mit einer höchst gegensätzlichen Form von Fortschritt zu tun. Den gewollten und den im einzelnen auch meist erreichten Zwecken stehen solche gesellschaftlichen und ökologischen Wirkungen gegenüber, die die gemeinschaftliche Kraft häufig in Ohnmacht, die Naturbeherrschung in zivilisationsbedrohende Vernichtung verkehren. Die gesellschaftlichen Notwendigkeiten setzen sich in diesem Sinne sozusagen mit Naturgesetzlichkeit durch. Aber auch unter diesen barbarischen Verhältnissen ist gemeinschaftsdienliches Verhalten eine Existenzbedingung. Wie stellt sich dieses her? Wie kommen Regeln des Zusammenlebens zustande? Wie kann deren Verbindlichkeit massenhaft anerkannt werden, wenn sie sich für den einzelnen Menschen nicht nachvollziehbar aus den gemeinschaftlichen Existenzbedingungen ergeben, also auch nicht im Ergebnis des bewussten Reflektierens des einzelnen Individuums über neue Bedingungen von diesem beeinfluss- und korrigierbar sind? Die kollektiven Erfahrungen gerinnen zu festen Regeln, die die jeweiligen Gemeinschaften bzw. Gesellschaften in ihren Existenzkämpfen gegenüber anderen befördern oder behindern. Vom Einzelnen nicht (mehr) beherrscht oder direkt beeinflussbar gewinnen diese gemeinschaftssichernden Regeln als Religion geistige Macht über die Individuen. Um der Existenz der ganzen Gemeinschaft und in diesem Sinne auch der Existenz des einzelnen Individuums willen, werden diese Regeln allgemein als verbindlich anerkannt. Gesellschaftlichkeit, geistig vermittelt notwendigerweise in entfremdeter religiöser Form.

(17.1) 05.06.2002, 11:13, Johannes Stockmeier: Ich rede lieber von Integration der gemeinschaftlichen Kraft, als von deren ‚planmäßiger Beherrschung’. Von meiner Perspektive aus ist Integration immer notwendig und von daher Religion auch weder aufhebbar, noch mit Entfremdung gleichzusetzen. Wobei ich Dir natürlich darin zustimme, dass sowohl der Kult, als auch das religiöse Bewusstsein historisch immer und notwendigerweise Aspekte der Entfremdung in sich getragen hat und trägt.
Nachdem ich meinen eigenen Religionsbegriff als nicht verbindlich gekennzeichnet habe, möchte ich darauf hinweisen, dass der Deinige undeutlich und nicht akzeptabel ist. Denn wenn Du schon „Religion“ als eigenständigen Begriff etablierst, dann musst Du auch sagen, wodurch er die Erhebung zur Kategorie verdient. So wie Du damit operierst, ließen sich die von Dir genannten Phänomene auch einfach unter Entfremdung, bzw. Ideologie subsumieren.

(17.1.1) 10.06.2002, 14:27, Marsianer ??: Es ist so viel Licht in der Welt,überall sind die Auseriridschen.Sie haben uns alle schon mal besucht.Vor einer Million Jahre kam vom Sirius gelegen,ich glaube in der Galaxis Andromeda ein Raumschiff,es stiegen die Wesen aus und Schiessen ihre Gene auf die Erde.Daraus ist der Mensch entstanden und alles Leben auf diesem Planeten. Die Ausserirdischen sind auch verantwortlich für die Pyramiden, die Megalitkulti und auch beim Bau der chinesischen Mauer waren sie hiflreich.Dieses Bauwerk ist nämlich das Einzige das man mit blossem Auge vom All aus sehen kann.Es dient der Verkehrslenkung,vom Mars aus.Die griechische Philosophie ist selbstverständlich nicht ohne sie zu denken.Religion kommt aus dem Marsianisch-Sirianischen Reliionn und bedeutet Scheisse zu Buchstaben zu formen,während man im Suff durchs All rast. Es ist aber so das die Menschen die Kraft der Gemeinschaft schon immer sehr geschätzt hatten.Ob das der Kult um die Star Gate Würmer ist,die sich im alten Ägypten verehren liessen oder die Verfütterung der Kinder an Löwen(in Wirklichkeit waren es bösartige Geschöpfe von Alpha Centauri Prime) bei den Phöniziern. Wir vom Mars-Sirius System brachten gewissen Menschen den Glauben damit sie heute bei Fussball WMs fiebern dürfen.Wir hatten einen guten Draht zur Elisabeth,sie mußte die Jungfrauengeburt,die wir ebenfalls in zu verantworten haben, als Wiedergeburt vollziehen,sie musste die Maria ersetzen.Viele Leute reagieren deshalb noch heute hysterisch und völlig verstört,wenn ein Mitglied dieses Könighauses dahinscheidet.Alle glauben sie an diese Maria.Diana war die wahre Jungfrau, die moderne Maria des Glaubens.Ob in Japan,ob in Deutschland,in Brasilien oder in den USA die anglikanische Religion ist der heimliche Urgrund allen Glaubens und das Fundament.Der Ritus ist katholisch die Theologie ist reformiert. Es gibt aber nach wie vor noch viel zu tun den Glauben weiterzubringen,wir sehen mit Freude wie du das hier zu tun gedenkst,wir finden aber den Weg der Rosenkreuzer vielversprechender,das Christentum sollte vollkommen erneuert werden.

(17.1.2) Wir sind alle Protestanten!, 10.06.2002, 14:36, 20. April: Die Kraft der Integration ist die Kraft die aus der Seele der Volksgemeinschaft emportreibt bis die Heiligen Hallen von Germania endlich Wirklichkeit werden und der Führer sein Vesteck im Kiffhäuser verläßt,um uns bei der Einweihung der heiligen Hallen beizustehn.Die Wolken werden in der Kuppel des deutschen Domes das ewige Da des Figerzeigs der deutschen Götter,des heldenhaften Wallhalla sein.Eine neue Jugend wird erzogen im Kampfe sich zu bewähren,und den Glauben reinigen,von denen die das deutsche den deutschen Glauben an das deutsche Volk besudeln wollten.Reinigung -jawoll Reinigung!Eine neue deutsche Menschheit wird erstehen -Aufbrechen in einen deutschen Morgen-Sieg -Heil Schon der deutsche Luther wußte,daß man den Glauben Rein halten muß.Das wollen wir zu Ende führen.

(17.1.2.1) Wir werden beistehen, 10.06.2002, 14:38, Marsianer ??: Denn der Hitler hält sich mit einer Ufo Armee unter der Antarktis versteckt.Er wartet darauf hervorzukommen.Wir werden dabei sein.Für das Mantra des Heils zu kämpfen.

(17.1.2.2) Re: Wir sind alle Protestanten!, 10.06.2002, 14:44, Dr Joseph ??: Deutschland -in Ewigkeit Amen!

(17.1.2.3) Re: Wir sind alle Protestanten!, 06.08.2002, 14:18, Ano Nym: Kiff-häuser = ja, ja ! "y"

(18) Viertens. Gerade in dem Maße, in dem sich die Gesellschaften räumlich entfalten und in die Tiefe differenzieren, in dem die Arbeitsteilung fortschreitet und knechtende Formen annimmt, sich Spaltungen nach Geschlechtern vollziehen, sich Privateigentum und Klassen herausbilden, also Herrschaft von Menschen über Menschen, sind die geistigen Vermittlungen von Gemeinschaften, sind bestimmte Mentalitäten und Gewohnheiten für den einzelnen Menschen immer weniger aus dem gemeinschaftlichen Lebensprozess ableitbar. Sie sind vielmehr zugleich den höchst differenzierten Interessen der einzelnen Menschengruppen, schließlich denen der entstehenden Klassen, unterworfen und werden zu Bedingungen von deren Sonderexistenz und als solche verteidigt (oder bekämpft). Aber auch dies ändert nichts an der Tatsache, dass das Ganze solcher zerrissener Gesellschaften, also auch die Existenz des einzelnen Individuums an bestimmtes Bewusstsein, Regeln und Mentalitäten des Zusammenlebens gebunden ist. Diese Regeln, im Einzelnen also immer weniger nachvollziehbar, doch mit dem realen Lebensprozess der jeweiligen Gesellschaften untrennbar verbunden, diese Bedingungen sozusagen ihrer Existenz, konstituieren sich als Gottesvorstellungen, formuliert und tradiert zunehmend von einer bestimmten Priesterkaste bzw. angegriffen und korrigiert häfig von Propheten und Revolten.

(19) Fünftens. Zu Duchrow. Er stellt Zusammenhänge zwischen der materiellen Existenz des kleinen jüdischen Volkes und den sich herausbildenden Gottesvorstellung (und des Kampfes um dessen Inhalt) her. Unter materieller Existenz meint er vor allem die ökonomische. Er untersucht die Formen der Wirtschaft, stellt dies in enge Beziehung zu den politisch- militärischen Entwicklungen, zu den umliegenden Großmächten. In diesen Prozessen entstehen auch innerhalb des jüdischen Volkes immer wieder (und werden immer wieder auch gestürzt) Hierarchien, Klassen- und staatsähnliche Strukturen. Ökonomisch geht es vor allem um die mit dem Übergang von der Selbstversorgungswirtschaft zur (einfachen) Warenproduktion einhergehenden Tendenz der Zerstörung der (alten urwüchsigen) Gemeinschaftlichkeit des nach den damals dominierenden Machtkriterien schwachen jüdischen Volkes. Darin eingewoben und als ein aktives Element der entsprechenden Auseinandersetzungen beschreibt Duchrow die Herausbildung bestimmter Gottesvorstellungen, in meiner Lesart also von Regeln, die die Existenz aller in einer Gemeinschaft sich zunehmend differenzierenden Gesellschaft sichern und um deren hegemoniale Bestimmung verschiedene Interessengruppen ringen. Das ist ein heftiger, jahrhundertelanger Kampf. In Revolten und Revolutionen werden zum Beispiel solche Gottesvorstellungen formuliert, die eindeutig zugunsten der Existenzmöglichkeit aller Gemeinschaftsmitglieder massiv das große Privateigentum beschränken oder gar aufheben (und damit wiederholt Schuldsklaverei unter den Juden selbst aufheben und auch die entstehenden Lohnarbeitsverhältnisse in Frage stellen.) Die Regeln gottesfürchtigen Lebens waren damals (und wurden immer wieder) eine scharfe Waffe im ganz praktischen Kampf um eine gewisse Egalität auch im ökonomischen Bereich, desgleichen gegen sich immer wieder herausbildende politische Hierarchien, die zugunsten eigener Interessen die der Gemeinschaft einschränken. Diese Geschichte hat ihre Fortsetzung gefunden bis in die Zeiten etwa des deutschen Bauernkrieges, der Wiedertäufer, der Hutterer, der Theologie der Befreiung, also bis heute.

(19.1) 05.06.2002, 11:13, Johannes Stockmeier: Da haben wir wieder die „alte urwüchsige Gemeinschaftlichkeit“ die es nie und nirgendwo gegeben hat. Solcher Rousseauismus verkennt völlig die Ambivalenz der Energien, die jedem sozialen Gebilde zugrunde liegen und mit denen jede Gemeinschaft fertig werden muß, egal auf welchem materiellen level sie sich befindet. Ich leugne entschieden, dass es eine naturwüchsige Fähigkeit des Menschen zur Assoziation gibt, oder wenn es sie gibt, dann gibt es auch naturwüchsige Tendenzen, die dem entgegenstehen. Diese Tendenzen, Dispositionen gewissermaßen, können unter unterschiedlichen gesellschaftlichen Voraussetzungen ganz verschiedene Ausprägungen annehmen. Es gibt gelungene und weniger gelungene Modelle von Integration. Aber Integration ist auf jeden Fall immer eine Leistung des Bewusstseins, keine Naturtatsache.

(20) Sechstens. Wir wissen - was die sozialökonomische Grundstruktur der antiken Gesellschaften bis zu den heutigen betrifft - dieser Kampf ging immer wieder verloren. In der kapitalistischen Produktion hat das Gemeinschaftsinteresse überhaupt keinen Platz. Der Mensch ist hier ausschließlich Mittel zum Zweck der Verwertung von Wert. Dass die Gesellschaft unter solchen asozialen Bedingungen nicht auseinander flog, dass auch die religiöse Form von Gemeinschaftlichkeit nicht verflog, verblüffte selbst die frühbürgerlichen Ideologen. Letzteres, das Fortbestehen der Religion, konnte auch von den vormarxistischen Materialisten (und vom ML in seiner pupularisierten Form) nicht materialistisch begriffen werden, sondern eben nur als aufklärbarer Irrtum, als Betrug einer interessierten Priesterkaste. Es musste weit mehr als die unsichtbare Hand der Agenten von Eigeninteresses sein, die immer wieder die Gesellschaftlichkeit auch und gerade über die religiöse Vermittlung konstituierte. Das führte u.a. Kant dazu, die moralische Welt, die Religion, den nach kapitalistischem Maßstab völlig widersinnigen kategorischen Imperativ als eine zwar nicht rationell begründbare, aber doch als jeglicher Gesellschaft an sich vorausgesetzte Existenzbedingung anzuerkennen. Heute, da die kapitalistische Form von Produktion offenkundig tatsächlich ihre integrierende Funktion verliert (auch in ihrer barbarischen Form), bricht sozusagen die Panik aus. Von geradezu allen politischen Kräften (jüngst auch G. Gysi) wird Religion als die letzte zusammenhaltende Kraft beschworen. Fundamentalismus sozusagen auf allen Seiten.

(20.1) 05.06.2002, 11:14, Johannes Stockmeier: Die letzten Sätze verstehe ich überhaupt nicht. Ich kann nur konstatieren, dass Du keinen klaren Begriff von Religion hast und auch nicht von Fundamentalismus.
Zum anderen: ich stimme nicht zu, dass in der kapitalistischen Produktion das Gemeinschaftsinteresse keinen Platz hat. Es ist nur vielmehr verschleiert. Die Warenförmigkeit der Vermittlung leistet erhebliches für die gesellschaftliche Assoziation, ansonsten wäre der Laden tatsächlich schon längst in die Luft geflogen. Die gegenwärtige sogenannte Säkularität zeichnet sich durch einen Rückzug des Kultes aus dem gesellschaftlichen Leben aus, der als einziges Residuum den Fetischismus der Ware für die vereinzelten gesellschaftlichen Monaden zurücklässt. Dieser entspringt aber dem Kult, der in seinem Kern Opferkult war. Der Warenfetischismus substituiert das Opfer, ohne es aufzuheben und er lässt auch keine Perspektive der Aufhebung erkennen. Die gegenwärtige Krise des Kapitalismus lässt sich auch als das Ungenügen der gesellschaftlich integrativen Kraft des Warenfetischismus beschreiben. Es gehört zu den Defiziten der Marxschen Gesellschaftsanalyse, die Struktur dieses Fetischismus nicht analysiert, sondern den Fetischismus lediglich mit missionarischem Eifer gegeißelt zu haben.

(21) Siebtens. Wenn es stimmt, dass die Gesellschaftlichkeit in ihrer entfremdeten kapitalistischen Form nicht mehr zu halten ist (bzw. nur noch um den Preis höchster Barbarei), dann kann auch die Beschwörung entfremdeten Bewusstseins hier nichts mehr retten. Wenn es aber darum geht, Gesellschaftlichkeit als bewusste Aneignung der gesellschaftlichen Macht der Individuen zu entwickeln, dann gewinnt die Frage auch der geistigen Vermittlung von Gemeinschaftlichkeit größte Aktualität. Es können nur solche Regeln des Zusammenwirkens sein, die die einzelnen Individuen nicht nur nachvollziehen können, sondern auf die sie in ihrer gesellschaftlichen Praxis direkten Einfluss nehmen können. Mögen die Ausgangspunkte für solche Entwicklungen unter Anknüpfung an frühchristliche urkommunistische Gottesvorstellungen gesucht werden, möge die "Gemeinde" der Freien-Software-Leute partielle Gegengemeinschaften zum kapitalistischen Mainstream bilden, mögen sich Jugend- oder Seniorengruppen in der Verfolgung bestimmter Lebensbedürfnisse ebenso partiell den Zwängen kapitalistischer Warenproduktion entziehen - um hinsichtlich möglicher Wege aus dem Kapitalismus den Sinn oder Unsinn solcher und vieler anderer Entwicklungen kritisch zu erfassen, benötigen wir Vorstellungen und Begriffe davon, wie Gesellschaftlichkeit auf nichtherrschaftsförmige Weise konstituiert werden kann.

(22) Ich versuche also an einigen Passagen darzustellen, was ich in geschichstmaterialistischer Lesart aus Durchrows Darstellung für unsere Zwecke heraushole. Das ausführliche Konspekt zu Duchrow mit meinen Kommentaren wird auf Anfrage unter uli.weiss@helle-panke.de zugeschickt.

(22.1) Literatur, 10.06.2002, 14:40, Marsianer ??: Douglas,Adams:"Per Anhalter durch die Galaxis."


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