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Frei wozu? Thesen zur Theorie der Freien Kooperation

Maintainer: Uli Weiss, Version 1, 21.03.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(1) Thesen zu: Christoph Spehr, Gleicher als Andere. Eine Grundlegung der Freien Kooperation [1]

These 1

(2) Spehr stellt eine Theorie der freien Kooperation mit entsprechenden Definitionen vor. Zugleich bietet er Geschichten, Analogien und Beschreibungen, die mir als konzentriert und bildhaft vorgetragene Lebenserfahrungen erscheinen. Diese Passagen könnten auch gut für sich stehen. Ihr Zusammenhang mit den theoretischen Aussagen über freie Kooperation ist jedoch nicht zwingend. Gemessen am Anspruch, eine antikapitalistische linke Politik zu befördern, bewerte ich den theoretischen Teil als einen Fehlversuch. Dieser ist, wie zu zeigen ist, unvermeidbar, wenn Wege zur allgemeinmenschlichen Emanzipation [2] mittels Kategorien der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft gesucht werden.

These 2

(3) Die mit Entprivilegierung der formalen Arbeit, Aneignung von Räumen und Zusammenhängen, Ermöglichung (Freundlichkeit), Gestaltung (agency), Organisierung, Individuation überschriebenen Textpassagen lese ich dagegen als förderliche Beschreibung von Praxisformen möglicher menschlicher Emanzipation. Sie können meines Erachtens aber nicht aus der Lohnarbeit herauswachsen und auch nicht das Ergebnis politischer, d. h. staatsbezogener Aktivitäten sein. In diesen richten sich Denken und Handeln unvermeidbar auf sich verselbständigende, äußerlich werdende Zwecke, auf das Es-muss-sich-rechnen, auf Wahlerfolge, auf Machtübertragung an Stellvertreter. Gemeinschaften menschlicher Emanzipation dagegen entwickeln sich im Widerspruch zu diesen Bereichen als Ausdruck von Souveränität gegenüber den Zumutungen der herrschenden Arbeits- und Lebensweisen. Häufig sind sie Ergebnis unmittelbarer pragmatischer Selbstbehauptung, gelebte Alternativen, die sich auf Lebensfreude, auf Lust an individueller und kollektiver Beherrschung von Herausforderungen menschlicher Reproduktion stützt, auf den Reichtum an gesellschaftlichen Beziehungen und an vielseitiger Individualität.

(3.1) Re: These 2, 20.04.2003, 12:31, Schmendrik Zauberer: "können meines Erachtens aber nicht aus der Lohnarbeit 'herauswachsen' und auch nicht das Ergebnis politischer, d.h staatsbezogener Aktivitäten sein."
sagt spehr denn irgendwo, das er sich das so vorstellt? was er tut ist doch im prinzip nichts weiter als die abstrakte beschreibung von kriterien, denen sich politik annähern soll. wenn dabei lohnarbeit und staat im wege stehen, dann müssen die halt weg. ich sehe da nicht wirklich ein problem

(4) Spehr grenzt mit seinen theoretischen Aussagen zu freien Kooperationen die Bereiche nicht ein, in denen sie angesiedelt sein könnten. Mit der Bestimmung "frei" (und seinen Geschichten) wird allerdings suggeriert, es handle sich um die Freiheit auch vom stummen Zwang der (kapitalistischen) Ökonomie und der von politischen Zwängen.

(4.1) 20.04.2003, 12:34, Schmendrik Zauberer: spehr sagt, das die freie kooperation auf allen bereichen zur anwendung kommen sollte. dazu würde ich dann auch den bereich der ökonomie zählen.

(5) Mit dem Gebrauch von Kategorien der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft (inklusive das ausgesprochene oder unausgesprochene Anrufen staatlicher Gewalt zur Sicherung "freier" Kooperationen bzw. der Möglichkeit des Individuums sie zu verlassen) weist er in die entgegengesetzte Richtung. Er siedelt damit Kooperation genau in jenem Bereichen an, in denen von solcher Freiheit keine Rede sein kann.

These 3

(6) Freunde kritisieren meine Kritik: Ich belaste anregende Aussagen über allgemeinste freiheitliche Kooperationsformen mit unberechtigten Erörterungen der sozial-ökonomischer Qualitäten der Lebens- und Arbeitsweise, in denen die jeweiligen Kooperationen existieren. Richtig, das tue ich. Knechtende Unterwerfung unter äußere Zwecksetzungen ist nicht etwas, das zur kapitalistischen Produktionsweise hinzukommt oder wovon mensch sich innerhalb dieser Art von Produktion etwa durch individuelle Erpressung oder proletarische Klassenkämpfe befreien kann. Diese Knechtung selbst kann verschiedene Formen annehmen, bleibt aber der kapitalistischen Produktionsweise wesenseigen.

(7) Innerhalb dieser Produktionsweise können sich zwar die entscheidenden materiellen und subjektiven Voraussetzungen für ein erfolgreiches Ringen um Freiheit entwickeln. Wirkliche Freiheit (nicht die kasernierte der gerecht verteilten Armut) ist im weltgeschichtlichen Sinne nicht vom Mittelalter aus denkbar, sondern erst als Aufhebung von Kapitalismus. Menschen können die Prinzipien einer in diesem Sinne freien Kooperation eben nicht "in jeder vorgefundenen Form gesellschaftlicher Ordnung anwenden" (30).

(7.1) 20.04.2003, 12:38, Schmendrik Zauberer: die theorie der freien kooperation geht davon aus, das menschen nie wirklich "frei" und "gleich" sind. es gibt lediglich menschen die seien "freier und gleicher als andere". insofern glaube ich, das deine anmerkung sowohl richtig als auch falsch ist:
richtig ist sie, weil im kapitalismus tatsächlich niemals ein freies und gleiches miteinander möglich ist. falsch ist, weil auch innerhalb des kapitalismus das miteinander freier oder unfreier sein kann. da entscheiden die höhe und die bedingungen von sozialleistungen eben auch darüber, inwieweit ich mich aus einem lohnarbeitsverhältnis verabschieden kann.

(8) Zu einer neuen Gesellschaftlichkeit jedoch können sich diese Elemente und Keimformen des Neuen nur in sozialen Bewegungen und Formen außerhalb der kapitalistischen Produktionsweise konstituieren. Diese neuen Formen können nur die Formen eines neuen Inhaltes sein. Das (Selbst-)Begründen einer neuen Gesellschaft mit neuen Individuen (einer neuen Totalität, die im Gegensatz zur alten steht) sowie die möglichen Felder, in denen dies errungen werden kann, sind mit den Kategorien eines kapitalistischen Verwertungsprozesses nicht beschreibbar.

These 4

(9) Wer von einer partiell zivilisationsfördernden und historisch nicht umgehbaren Funktionen von Herrschaftsförmigkeit gesellschaftlicher Entwicklung ausgeht, kann auch folgende Frage stellen und beantworten: Auf Grund welcher konkreten materiellen und geistigen Voraussetzungen und in welchen sozialen Formen wird Herrschaftsfreiheit möglich, können sich also freiheitliche Gemeinschaften gesellschaftlich überhaupt durchsetzen? Ein Verständnis für die Totalität einer Gesellschaft mit all ihren Widersprüchen verbietet es, die Gesellschaft mechanistisch in gute und schlechte Züge aufzuteilen, in gute und schlechte Menschen, in Herren und Knechte, in gute und schlechte Klassen, junge und alte Bären. Zivilisatorischer Fortschritt ist nicht die Abschaffung der einen und der Sieg der anderen Seite, nicht der schlichte Weggang von Menschen aus schlechten Strukturen "zu einem vertretbaren" Preis. Die anklagende Fixierung auf die äußeren, formell gefassten Erscheinungsformen von Herr- und Knechtschaft ist kein Schritt zur tatsächlichen geistigen und praktischen Befreiung. Die behauptete Allgemeinheit von Spehrs theoretischen Bestimmungen ist eine Fiktion. Seine freien Kooperationen gehören in Wirklichkeit ganz bestimmten gesellschaftlichen Grundstrukturen an - denen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Selbst Spehrs interessante Beschreibungen von Verhaltensweisen in alternativen Gemeinschaften bleiben abstrakt und zwar insofern er mit der Grundanlage seiner Arbeit das automatische Subjekt, das beständig kapitalistische Herrschaft und erzwungen-freiwillige Unterordnung produziert, nicht problematisiert, sondern vielmehr bedient.

These 5

(10) Spehr will Änderung der Gesellschaft durch bessere Kooperationsregeln fördern. Mich Ossi erinnert das die versuchte Durchkapitalisierung der "sozialistischen" Gesellschaft in der DDR der 1960er Jahre: Rücknahme administrativer Leitungsmethoden, Stärkung der Souveränität und Beweglichkeit von Kooperationen auf unterer und mittlerer Ebene, bürgerlichen Eigennutz des Individuums als Triebkraft für Produktivität nutzen - dies alles durch Geltendmachen der Kategorien der Warenproduktion. Derartige Methoden haben Sinn, wenn es um Alternativen innerhalb knechtender Verhältnisse geht, um deren weitere Modernisierung. Die PDS-nahe Stiftung, die Spehrs anonym eingereichter Arbeit einen Preis verlieh, hat offenkundig genau das und damit die Illusion honoriert, es gäbe innerhalb der kapitalistischen Warenproduktion und mittels der Teilhabe an Staatsmacht noch zivilisatorischen Fortschritt zu erringen. Würde dies stimmen, wäre das, was ich an Spehr kritisiere, gerade sein Vorzug. Sollte Zivilisation aber nur noch durch Aufhebung von Kapitalismus zu haben sein, steht die einzig interessante Frage so: Unter welchen historisch entstehenden materiellen und geistigen Bedingungen und in welchen Formen kann diese Produktions- und Lebensweise tatsächlich aufgehoben werden?

(11) Einiger Freunde aus dem Diskussionskreis Wege aus dem Kapitalismus begrüßen Spehrs (angeblich) zeitlose, die spezifische Qualität einer Gesellschaft nicht berührende Bestimmungen einer freien Kooperation. Ihr Argument: Die Menschen hätten immer verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Sie könnten sich immer zu freien Kooperationen zusammenschließen. Deren Ermutigung durch Spehr würde durch meine Frage nach der Qualität der heutigen Produktionsweise nur gestört. Ich halte dagegen: Wenn es wirklich um Wege aus dem Kapitalismus geht, dann ist ein Ermutigen zu Alternativen im Alten oder eine Suche von Alternativen zum Alten ein Unterschied ums Ganze. Es ist dies so genau von dem historischen Entwicklungsstand an der Fall, da der Kapitalismus eben im Sinne menschlicher Zivilisation, des Hervorbringens von Voraussetzungen für die allgemeinmenschliche Emanzipation keine Existenzberechtigung mehr hat. Ich gehe davon aus, dass die vor 100 Jahren verfrüht behauptete Alternative Sozialismus oder Barbarei inzwischen wahr geworden ist.

These 6

(12) Die Spehrsche Art, neue Gesellschaftlichkeit zu denken, ähnelt der von Robert Kurz im Schwarzbuch des Kapitalismus. Beide schieben den Zusammenhang zwischen der konkret-historischen Qualität der kapitalistischen Gesellschaft und den realen Möglichkeiten und Schwierigkeiten, diese aufzuheben, ins zeitlos Allgemeine, qualitativ Unbestimmte. Das positive Aufheben dieser Gesellschaft kann gar nicht mehr gedacht werden (bei Kurz) oder nur (bei Spehr) unter Ignoranz der Tatsache, dass wir es mit einer gesellschaftlichen Totalität bestimmter Qualität zu tun haben. Diese ordnet sich auch alle Kooperationen (inklusive Denkformen und Mentalitäten), die an Warenproduktion gebunden sind, ein- und unter.

(13) Kurz sieht im Kapitalismus keinerlei Keimformen einer neuen Welt. Im Mittelalter wurde der angeblich mögliche Weg ins Reich der Freiheit verpasst. Nun kann mensch sich nun nur noch über die allgemeine Katastrophe und die dann mögliche massenhafte Erleuchtung in eine lebenswerte Welt retten und zwar auf einem Weg, über den nichts gesagt werden kann. Also: allgemeines Verweigern und Warten auf die Katastrophe.

(14) Spehr dagegen orientiert bereits in der bestehenden Gesellschaft auf freiheitliche Formen von Gemeinschaften, die in alternativen Projekten gut bekannt sind. Doch wie Kurz (Raus aus dem Stall, ihr Verhausschweinten und Verwursteten!) weist auch Spehr (Verlasst erzwungene Kooperationen oder droht damit) auf einen nur scheinbar massenhaft gangbaren antikapitalistischen Weg. Beim Schwarzbuch-Kurz muss das ganze Verwertungssystem wie eine Supernova explodieren ehe die Frage "Wie und wovon dann leben?" überhaupt konkret in den Blick kommen kann. Spehr dagegen will sofort beginnen (das ist ok.), allerdings unter Ignoranz gegenüber den Zwängen der Wertvergesellschaftung. Die Gestaltung einer ganzen Gesellschaft nach den Prinzipien einer freien Kooperation erscheint so als Aufforderung, die Gruppendynamik von Gemeinschaften zu beherrschen. Kurz und Spehr, scheinbar gegensätzliche Denker, haben eine gemeinsame geistige Grundlage: Der Bruch (Kurz) bzw. der Übergang (Spehr) wird weder logisch noch historisch-konkret gedacht. Spehr weiß nichts von den sozial-ökonomischen Dimensionen des Bruches mit heutigen Herrschaftsformen (deren Wertbestimmung ihn nicht interessiert) und Kurz hat vergessen (was er einmal wusste), dass etwas Neues nur das aufgehobene Alte sein kann, dass es also im Bruch Kontinuitäten geben muss.

These 7

(15) Eine emanzipatorische antikapitalistische Bewegung kann nicht geschichtsmächtig werden, wenn in den Existenzbedingungen der Akteure selbst keine Elemente vorhanden sind, die bereits auf eine neue Gesellschaft verweisen und die als solche erkannt und bewusst gestaltet werden. Ich kann über alternativen Praxen als Keimformen von Assoziationen freier Individuen nur sinnvoll reden, wenn ich frage, wovon denn dies die Keimformen sein könnten. Die Utopie einer menschlichen Gesellschaft ist ein unverzichtbares Instrument zu einer freiheitsorientierten kritischen Analyse der alten Welt. Eine solche Utopie macht Elemente der potentiell neuen Gesellschaft und die Felder des Ringens um diese erst erkennbar. Der Real-"Sozialismus" war keine sich entfaltende Pflanze solcher hoffnungsvollen Keime und der ML nicht eine solche Utopie. Die Anatomie eines als möglich gedachten Kommunismus ist der Schlüssel für die Anatomie des realen Kapitalismus, genauer für das Erkennen derjenigen Qualitäten, die über ihn hinausweisen. Das Umgekehrte stimmt dann auch - Kritik der Politischen Ökonomie (des Kapitalismus) als Schlüssel für die Anatomie von Gesellschaften allgemeinmenschlicher Emanzipation.

(16) Dies ist der Gang der Erkenntnis von der anfangs abstrakten Utopie zur konkreten: Die Grundzüge des Entwurfs einer menschlichen Gesellschaft können als die aufgehobenen heutigen Verhältnisse antizipiert und gestaltet werden. Sozialismus-Kommunismus als konkret aufgehobener Kapitalismus. Spehr dagegen ignoriert die Qualitäten der kapitalistischen Gesellschaft in der Perspektive ihrer möglichen positiven Aufhebung. Seine interessanten zusammengefassten Lebenserfahrungen hängen deshalb in der Luft.

These 8

(17) Wie bekommt der suchende Mensch Boden unter die Füße? Hilfreich ist ein historisch-materialistisches (kein moralisierend-denunzierendes) Verständnis dafür, warum in Ost wie West kein wirklicher Schritt zur Aufhebung des Kapitalismus gegangen wurde, genauer: in den zunehmend fordistisch geprägten Gesellschaften nicht gegangen werden konnte. Diese Diskussion wird von einst staatstragenden DDR-Sozialisten und auch von früher DDR-kritischen Westlinken meist verweigert. Das Höchste, wozu sich bundesdeutsche Linke noch heute in beachtlicher Zahl vereinen, ist der hoffnungslose Versuch, die nicht mehr erfüllbaren traditionellen Aufgaben des Establishments zu übernehmen: die bestehende Gesellschaft vor der völligen Barbarisierung zu bewahren. Meine Erfahrung auch aus PDS-interner bzw. -naher Bildung: Theoretische Aufklärung kann diese Selbstkastration nicht verhindern. Auf heutige Realitäten bezogene Sozialismusbilder können sich jedoch in Bezug auf solche Praxen entwickeln, die wenigstens teilweise Alternativen zu den dominierenden lohn- und herrschaftsförmigen Verhältnissen sind. So können sich Ideen und Theorien der Befreiung von kapitalistischen Zumutungen entwickeln:

(18) Das Selbstbewusstsein solcher Akteure schließt die Erkenntnis in die Widersprüchlichkeit der Existenzbedingungen heutiger alternativer Lebens- und Produktionsweisen ein. Diese entwickeln sich als teilweise Aufhebung der kapitalistischen Normalität. Zugleich sind die Akteure noch von dieser abhängig. Dieser Widerspruch ist heute das eigentliches Kampffeld für Zivilisation.

(19) Das heißt: Menschen können theoretisch begründete Vorstellungen freier Gesellschaften nur dann entwickeln, wenn sie diese selbst bereits auch mit schaffen. Menschen, die sich wenigstens partiell in Assoziationen engagieren, die frei von Entfremdungsmechanismen auf die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung gerichtet sind, haben die Chance, auch ganze Gesellschaften zu denken, die sich durch freie Individuen konstituieren. Konkret zu benennen sind also die bestimmten Felder und Praxisformen, in denen die Individuen selbst Keimformen einer neuen möglichen Gesellschaft gestalten und partiell neue Wirklichkeiten hervorbringen. In diesen jeweiligen Ensembles neuer gesellschaftlicher Verhältnisse begründen die sich assoziierenden Individuen auch andere menschliche Wesenszüge (sh. Marx MEW 3/6). Abstrakt-allgemeine Bestimmungen wie bei Spehr helfen ebenso wie die Verweise auf die immer gegebenen Handlungsvarianten von Menschen hier nicht weiter. Meine auch theoretisch gestützte Erfahrung: Partei- und staatsförmige Praxen, jegliche Vertreterdemokratie/-diktatur, die Verteidigung von Lohnarbeit usw. können nicht die Felder der praktisch Emanzipation und entsprechender theoretischer Einsichten sein.

These 9

(20) Ein weiteres Konzept kapitalistischer Modernisierung Spehrs Theorie der freie Kooperation flankiert eher eine weitere Entfaltung des stummen Zwangs der (kapitalistischen) Ökonomie, versüßt durch die Möglichkeit, die Bereiche der Unterwerfung unter anonyme Mächte (unter das Es-muss-sich-rechnen = Kapital-muss-sich-verwerten) frei wählen zu können. Heutiges Kapital muss an das Gold in den Köpfen eines Teils der unmittelbaren Produzenten heran. Es braucht dynamische schöpferische Leute von gewisser innerer Souveränität, die relativ leicht aus einer Abhängigkeit in eine andere wechseln. Es braucht Menschen, die die immer noch großen Refugien nicht-lohnarbeitsmäßiger unmittelbarer Befriedigung menschlicher (Reproduktions-)Bedürfnisse und damit die (familiären oder sonstigen) Gemeinschaften verlassen, die möglichst alle ihre Bedürfnisse unmittelbar warenförmig befriedigen. Manche Mitarbeiter in den Firmen der Neuen Ökonomie (wenigstens in ihrer Aufstiegsphase) dürften mit Spehrs Theorie zutreffend beschrieben sein.

These 10

(21) Das Kriterium "vertretbarer Preis" wurde bereits umfassend kritisiert (siehe opentheory). Spehr gebraucht auch einen unhinterfragte Kapital-Begriff, um innere Prozesse in freien Kooperationen positiv darzustellen. Der Witz: Gerade im Erfolg derjenigen Unternehmen der New economy, die Spehrs allgemeinen Bestimmungen in gewissem Maße entsprechen, werden besonders dynamisch und anarchisch genau jene gesamtgesellschaftlichen Zwangsverhältnisse reproduziert, die als stummer (oder auch offener) Zwang über die Menschen herrschen. Der (kapitalistische) Terror der Ökonomie ist mit der Möglichkeit von Individuen, bestimmte Kooperationen zu verlassen (und damit gegebenenfalls auch partiellen Einfluss zu nehmen), glänzend vereinbar. Diese kapitalistisch bestimmte Freiheit und jener Terror gehen beständig ineinander über. Sie finden gerade in den von Spehr angeklagten heutigen Artefakten ihre Bestätigung und ihre angebetete bzw. (mit fliegenden Bomben) angegriffene Ornamentik. Diese [Selbst-]Unterwerfung verbunden mit dem weitgehender persönlicher (Schein-)Souveränität drückt sich aus in der Reduzierung von menschlichen Beziehungen auf die Höhe des Ablösepreises und der persönlichen Fähigkeit, Druck auf die Kooperationspartner auszuüben. Spehr beschreibt mit seiner Theorie eine neue Blüte der bürgerlichen Gesellschaft, nicht aber die Befreiung von deren Unterwerfung unter äußere Zwecke.

These 11: Alternative Projekte - Richtiges im Falschen?

(22) Kann die Spehrsche Widersprüchlichkeit selbst nicht auch als Widerschein von solchen Tendenzen verstanden werden, die über den Kapitalismus hinaustreiben? Spehr hält seine Grundsätze der freien Kooperation sowohl für die kleine Gemeinschaft für gültig als auch für die gesamte Gesellschaft. Stephan Meretz hat darauf verwiesen, dass kollektive und gesellschaftliche Strukturen nicht selbstähnlich sein können.[3] So gesehen steckt auch in den alternativen Projekten selbst noch nichts, dass der Totalität der bürgerlichen Gesellschaft eine andere gesellschaftliche Totalität etwa durch quantitative Ausweitung entgegensetzt. Die soziale Qualität der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft bestimmt auch die Existenzbedingungen von Kommunen mit einem hohen Grad an Selbstversorgung. Sie begrenzt nicht nur die quantitative Erweiterung von solchen Alternativen (die in ihren Außenbeziehungen eine funktionierende kapitalistische Warenproduktion voraussetzten und reproduzieren). Sie beeinflusst viel mehr auch die inneren sozialen Beziehungen in den alternativen Projekten selbst, siehe die Tendenzen zur sozialen Abschottung solcher Gemeinschaften, zur Zurücknahme ursprünglicher emanzipatorischer Impulse. Unfähig zur geschichtsmächtigen Dynamik sind sie dazu gezwungen, sich der bürgerlichen Welt anzudienen. Diese Problematik benennt Spehr nicht. Doch sie muss mitgedacht werden. Tut mensch dies, dann gewinnen die erfreulichen Passagen im dritten Teil an erheblicher Bedeutung. Bezogen auf die mögliche Rebellion gegen diese Begrenztheit kann ich Spehrs Arbeit durchaus als einen unbewussten Widerschein des unvermeidbaren Konfliktes zwischen den emanzipatorischen Ansprüchen alternativer Projekte (im o. g. Sinne als Keimformen gedacht) und ihren kapitalförmigen Existenznotwendigkeiten lesen.

(23) Es geht nicht nur darum, dass er mit seinen unter Entprivilegisierung der formalen Arbeit, Aneignung von Räumen und Zusammenhängen, Ermöglichung (Freundlichkeit), Gestaltung (agency), Organisierung, Individuation gegebenen Orientierungen tatsächlich Gemeinschaften hilft, mit inneren Konflikten produktiv umzugehen. Es muss zugleich klar sein: Die bürgerliche Gesellschaft hat die Tendenz, die sie potentiell überschießenden Elemente zu vernichten oder sie im Sinne ihrer eigenen herrschaftsförmigen Modernisierung zu transformieren. Das betrifft auch die in alternativen Kooperationen sich entwickelnden besonderen sozialen Fähigkeiten, die an sich auch viel weitergehende große soziale Umbrüche von der subjektiven Seite her denkbar machen. Das Ringen um die Gerichtetheit dieser Fähigkeiten - das ist das Kampffeld, das möglichst klar benannt werden muss, wenn von einer Theorie freier Kooperationen die Rede sein soll.

These 12

(24) Gibt es aber nicht auch hinsichtlich des von mir als zivilisatorische Sackgasse bezeichneten Yuppietums und dessen theoretischer Flankierung bei Spehr etwas, das unter der Voraussetzung neuer sozialer Bewegungen zur positiven Aufhebung von Kapitalverhältnissen treiben kann? Entwickeln sich in dieser jüngsten kapitalistischen Form der erzwungen-freiwilligen Knechtschaft selbst eventuell auch subjektive Eigenschaften, die noch nicht die Wirklichkeit, wohl aber die Möglichkeit einer neuen Form von Vergesellschaftung bieten?

(25) Das selbstbewusste Individuum Spehrs, das zu einem annehmbaren Preis Kooperationen verlässt oder mit Leistungsentzug droht und so Einfluss auf die Kooperation nimmt, ist zunächst die bürgerliche (Lohnarbeits-)Monade in idealen Zeiten des verstärkten Arbeitskräftebedarfs. Heute nicht nur frei von Kapital, sondern auch zunehmend ledig persönlicher Bindungen, muss und kann sie die eigene Fähigkeit zur (Lohn-)Arbeit unter ganz bestimmten neuen Bedingungen verkaufen:

(26) Die postfordistische Produktion löst zunehmend die reelle Subsumtion des produzierenden Individuums unter die große, kapitalistisch betriebene Maschinerie auf. Anders als in kollektiven Klassenstrukturen werden die betroffenen Individuen gezwungen und befähigt, sich als vereinzelte Monade bewusst und aktiv in den jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen zu positionieren.

(27) Die Lohnabhängigen üben zunehmend selbst maßgebliche Funktionen auch der formellen Subsumtion der Arbeit unters Kapital aus: Einordnung arbeitsteiliger Momente in größere Strukturen der Verwertung, Kooperation zu vor- und nachgelagerten Produktionsprozessen, Akquirieren von Aufträgen, Kontrollieren, Disziplinieren, Abrechnen usw. Kurz, sie unternehmen sich selbst. Gegenüber dem alten Industriearbeiter schafft das dem Individuum erheblich weitere Aktionsräume. Die Fähigkeit, sich aktiv zur Wirklichkeit zu verhalten, sich selbst darin zu entwerfen, die Interessen der Kooperationspartner (hier noch Konkurrenten) möglichst genau zu erfassen und in Relation zu den eigenen Zwecken zu setzen - dies und viele andere Eigenschaften sind jene, die die Menschen überhaupt dazu befähigen können, zu frei assoziierte Menschen einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft zu werden. Die Generation meines Großvaters, der sein ganzes Arbeitsleben neben seinen Klassengenossen vor dem Glasschmelze stand, konnte solche Fähigkeiten überhaupt nicht bzw. nur sehr beschränkt außerhalb der Produktionssphäre entwickeln. Auf dieser unzureichenden Basis, Kapitalismus aufheben zu wollen, war, wie Marx das formulierte, Don Donquichotterie (von allerdings großer innerkapitalistisch zivilisierender Bedeutung).

These 13

(28) Der Rahmen, der diese "Freiheit" zum Horror werden lässt, ist das Kapital selbst: die Unterordnung aller Agierenden unter den äußeren Verwertungszweck. Keine wirkliche Souveränität der Individuen im Produktionsprozess und gegenüber diesem. Im Gegenteil, selbst die individuelle Existenz von aktuell Besserverdienenden wird zum Lotteriespiel. Deshalb werden heute unter Bezugnahme auf tatsächliche Oberflächenerscheinungen auch in den Metropolen Praktiken des neoliberalen Kapitalismus selbst zunehmend mit Begriffen wie Sklaverei und Terror angeklagt.

(29) Auch Spehr tut dies mit der Gleichsetzung von (Lohn-)Arbeit (aus der heute Tempel des Kapitals hervorgehen) und der Sklavenarbeit, die ägyptische Pyramiden auftürmte. hierin offenbaren sich insofern Realitäten, als der Kapitalismus selbst an die Grenze seiner Zivilisationsverträglichkeit gekommen ist und zunehmende Teile der ganzen Gesellschaft sozusagen in Geiselhaft eines zerstörerischen Systems genommen werden. Trotzdem ist diese Gleichsetzung grundfalsch und dieser Irrtum lässt gerade das nicht erkennen, was in dem modernen bürgerlichen Individuum, das Spehr beschreibt, sowohl an erzwungen-freiwilliger Unterordnung als auch an emanzipatorischen Potenzen steckt. Letztere - die Fähigkeit, sich individuell aktiv zur Wirklichkeit zu verhalten, sich selbst darin zu entwerfen, die Interessen der Kooperationspartner (hier noch Konkurrenten) möglichst genau zu erfassen und in Relation zu den eigenen Zwecken zu setzen - sind genau jene Eigenschaften, die das frei assoziierte Individuum einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft auszeichnet.

These 14: Jenseits von Warenproduktion und Herrschaft

(30) Es ist also nach solchen Praxisfeldern entweder der modernisierten weiteren Unterwerfung oder denen der menschlichen Emanzipation zu fragen. Auf etwas Neues verweisen hier die Formen von Gesellschaftlichkeit, die sich jenseits von Kapital- und Herrschaftsförmigkeit etwa unter den Akteuren der freien Software herausbilden. Hier werden andere Triebkräfte wirksam als die bei Spehr genannten Einflussmöglichkeiten des (bürgerlichen) Individuums gegenüber den jeweiligen Kooperationen. Hier geht es weniger um eine partielle, also bürgerliche, kapitalkonforme Emanzipation durch eine "Dialektik" des Neinsagens, des Aussteigens und des damit verbundenen Verhandelns um Bleibe- oder Ausstiegspreise. Es geht nicht um das immer wieder In-Wert-Setzen des einzelnen Individuums bzw. seiner Kooperationspartner. Arbeit am nützlichen Produkt bedeutet hier sowohl mittelbare als auch unmittelbare Bedürfnisbefriedigung.

(31) Mittelbar bezüglich des Ergebnisses der Tätigkeit weltweit vernetzter Freaks, eben der freien Software, unmittelbar bezüglich des Spaßes an der Tätigkeit selbst, des Selbstgenusses, ein jeweils schwieriges Problem gelöst zu haben.

(32) Neu ist für mich daran: Es kommt hier nicht nur an den Randbereichen der Reproduktion der gesamten bürgerlichen Gesellschaft (etwa in Landkommunen) sondern auf der Höhe der Errungenschaften der bürgerlich-kapitalistischen Epoche erstmalig die Möglichkeit einer Gesellschaft ins Blickfeld, die von der materiellen Seite her auf einer solchen Form von tätiger Bedürfnisbefriedigung beruht, die, sollte sie sich ausweiten, mit einer auf Wert begründeten Gesellschaftlichkeit unverträglich ist. Es handelt sich hier um eine qualifizierte, global vernetzte nicht-wertförmige, nicht-hierarchische Tätigkeit. Arbeit (oder wie nennen wir dies?) als Selbstbestätigung, als entscheidendes Lebensbedürfnis.

(33) Die individuelle Existenz der Software-Freaks wird im bürgerlichen Sinne nicht von dieser Tätigkeit bzw. der Gemeinschaft gesichert. Da jede/r dieses anderweitig geregelt hat, sind auch kaum Einfluss- und Erpressungsmöglichkeiten durch die kapitalistische Umwelt auf die Akteure und ihre Gemeinschaften gegeben..

(34) Neu ist weiter, dass es von hier aus denkbar ist, weiter in die Tiefe der Produktion einzudringen und auch dort die spezifische kapitalistische Form infrage zu stellen. Weitere Bereiche der geistigen Arbeiten, bisher als Lohnarbeit geleistet, könnten in der Art freier Software-Produktion getätigt werden. Gerade Forschung, Projektieren, geistige Dienstleistungen würden so der Verwertung entzogen. Diese Arbeitsergebnisse sind Nicht-Waren, nützliche Produkte zum allgemeinen Gebrauch, nicht Verkaufs- oder Tauschobjekte.

(35) Hier wird also in einem Kernbereich moderner Produktivität und Schöpferkraft das konstituierende Moment der gesamten bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, die kapitalistische Verwertung selbst, in Frage gestellt. Es ist kein Zerschlagen von irgendetwas (entwickelte Kapitalverhältnisse lassen sich gar nicht zerschlagen), sondern partielle positive Aufhebung des Alten durch das Begründen einer neuen Gesellschaftlichkeit auf der Basis von Errungenschaften der bürgerlichen Entwicklung.

These 15: kommunistische Bedürfnisbefriedigung

(36) Das Individuum ist hier nicht Träger der Ware Arbeitskraft, das sich gegebenenfalls zur Verbesserung seiner Situation verweigern, also streiken kann. Entziehe ich dagegen einer solchen freien Gemeinschaft, in der ich als Mensch und nicht als Lohnarbeiter teilhabe, die eigene Schöpferkraft, dann heißt das vor allem, ich entziehe mir meinen eigenen Genuss. Erlischt dagegen mein Interesse an einer bestimmten Gemeinschaft, ich wähle oder konstituiere ich selbst eine neue, dann brauche ich auch keinerlei Regeln und Verhandlungen über einen vertretbaren Preis des Ein- oder Ausstieges. Ich kann wie jeder andere Mensch von der freien Software, er sei an Linux beteiligt oder nicht, ohnehin alles mitnehmen. Hier ist das Prinzip bürgerlicher Gleichheit sinnlos: "Betreue ich dein Kind, dann betreust du auch meines oder du gibst mir dafür Geld oder ein Äquivalent in Form irgendeines von mir benötigten Produktes oder irgendeiner Arbeitleistung." Das Herstellen freier Software ist so wie bei uns etwa die Kinderbetreuung selbst die begehrte Tätigkeit, Bedürfnis sich frei assoziierender Individuen.

(37) Spehrs Theorie findet in derartig konstituierten Kooperationen schlicht keinen Gegenstand. Sie kann in wirklich freien Kooperationen auch keinen finden, weil sich hier die Akteure zueinander als Menschen mit offen liegenden reichen Bedürfnissen und nicht als kapital- und arbeitskraftbesitzende bzw. warenproduzierende bürgerliche Individuen zueinander verhalten. Ihre sozialen Beziehungen können nicht über einem dritten fremden Zweck, dam ich mich gegebenenfalls verweigere, vermittelt und an dem gemessen werden - etwa dem der Verwertung von Wert, ausgedrückt in Preisen. Hier geht es nicht um Gleichheit und Gerechtigkeit, sondern um eine solche Freiheit, deren Maß unter anderem bestimmt wird durch den Reichtum an Unterschieden und Besonderheiten von Individuen, die an der gemeinsamen Tätigkeits- und/oder Lebensgestaltung interessiert sind.

These 16: Die Gleichzeitigkeit von Alternativen

(38) Angeregt durch Marx' Überlegungen zum möglichen Schicksal der russischen Dorfgemeinde und der russischen Bauern (MEW 19/404f und 108) erscheint mir ein Blick auf die heutige Gleichzeitigkeiten unterschiedlicher globaler Entwicklungen hinsichtlich der tatsächlichen Chancen zur Aufhebung der kapitalistischen Gesellschaft wichtig.

(39) Erstens zeigen sich auch im hochmodernen Bereich wie in der Arbeit an freier Software Keimformen nichtwarenförmiger Vergesellschaftung.

(40) Zweitens entstehen gerade in den kapitalistischen Metropolen immer wieder von neuem alternative Projekte, in denen sich Menschen in ihrer Lebens- und Arbeitsweise den Zumutungen der kapitalistischen Welt entziehen wollen. Sie versuchen häufig an den Randbereichen des gesamten kapitalistischen Reproduktionsprozesses zur (teilweisen) Selbstversorgung bzw. zum direkten (vorkapitalistischen) Produktentausch mit vergleichbaren Projekten überzugehen. Das geschieht im Bereich der Landwirtschaft, in der vom Produkt her Arbeit nicht für den Markt, sondern für die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung am leichtesten möglich erscheint.

(41) Drittens findet weiterhin die Verteidigung von nichtkapitalförmigen Lebensformen in manchen Bereichen der dritten Welt statt. Auch wenn es sich wie in Chiapas teilweise um die Existenzsicherung durch Beibehaltung vorkapitalistischer Strukturen handelt, kann von hier aus ein großer Impuls ausgehen für die Menschen in den kapitalistischen Metropolen in ihrer Suche nach postkapitalistischen, zivilisationsverträglichen Lebens- und Arbeitsformen. Auch diese Bewegungen orientieren nicht (wie etwa die alte Arbeiterbewegung) auf die Zerstörung kapitalistischer Strukturen als Voraussetzung einer angeblich ganz neue Gesellschaft. Diese hier gemeinten Bewegungen in der dritten Welt präsentieren Arbeits- und Lebensweisen, die als bereits lebensfähige Gemeinschaften (obgleich auf sehr niedrigem materiellem Niveau) die Aufhebung von Kapitalstrukturen auch auf ganz anderen Entwicklungsniveaus denkbar machen. Gerade auf die Unterschiedlichkeit und eben die Gleichzeitigkeit dieser hier genannten Strömungen und die Chance ihrer gegenseitigen Förderung setzte ich Hoffnungen.

(42) Mehr als genug Stoff zum Weiterstreiten. Es dürfte hochinteressant sein, wenn Christoph Spehr bezogen auf die konkreten Qualitäten der heute dominierenden kapitalistischen Gesellschaften und der realen Ausbruchsversuche seine Theorie freier Kooperationen noch einmal präsentiert und wir dann darüber erneut diskutieren.

Anmerkungen

(43) [1] Christoph Spehr, Gleicher als Andere. Eine Grundlegung der Freien Kooperation. Computer-Ausdruck der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, 2001

(44) [2] Ich folge in der Unterscheidung von partieller (politischer) Emanzipation und menschlicher bzw. allgemeinmenschlicher Emanzipation dem frühen Karl Marx, siehe Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW 1.

(45) [3] siehe Stefan Meretz, Der wilde Dschungel der Kooperation, http://www.opentheory.org/dschungel/text.phtml.


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