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Die Freiheitsideologie - eine Art "Anarchismus für Realisten"

Maintainer: Stephan Dörner, Version 1, 23.04.2003
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Vorwort

(1) Wie sollte der perfekte Staat geschaffen sein? Auf diese Frage kann es meiner Meinung nach keine abschließende allgemeingültige Antwort geben. Durch empirische Erfahrungen, Irrungen und Wirrungen der Weltgeschichte, durch die Weiterentwicklung von Kultur - auch gelegentliche Rückschläge - werden immer wieder neue Antworten auf diese Frage gefunden werden. Die Freiheitsideologie ist das Ergebnis meiner Beschäftigung mit dieser Frage. Sie soll keine genaue Anleitung für den Aufbau eines Staates darstellen, sondern vielmehr einen theoretischen Ansatz bilden mit dessen Hilfe staatliches Handeln bewertet werden kann. Dabei muss zwischen der Theorie der Freiheitsideologie und die daraus für mich folgende Praxis unterschieden werden. Es kann also durchaus sein, dass jemand die Freiheitsidoelogie als Prämisse für staatliches Handeln zwar anerkennt (die größtmöglichste Freiheit für die größtmöglichste Anzahl von Personen) aber daraus andere praktische Konsequenzen folgert als ich (beispielweise weniger staatliches Eingreifen in die Wirtschaft - statt wie von mir gefordert - mehr). Wie immer gilt, was diese Theorie angeht das gleiche, was für mich immer im Leben gilt: "De omnibus dubitandum - an allem ist zu zweifeln". Auch die Freiheitsideologie sollte meiner Meinung nach immer wieder überprüft und weitentwickelt werden, ohne dabei das Ziel der größtmöglichen Freiheit für jeden Einzelnen nicht aus den Augen zu verlieren.

(1.1) Re: Vorwort, 07.10.2005, 22:43, nicolas b: genau meine meinung wir müssen den anarachismus in deutschland verbreiten peace

Die Prämisse - das größte Glück für die größtmögliche Anzahl von Menschen.

(2) Die Prämisse für eine moderne Staatsaufassung sollte sich - frei von religiösen und irrationalen Einflüssen - in meiner Aufassung nach utilitaristischen Kriterien ausrichten. In der Praxis bedeutet das, die Frage nach einem nahezu perfekten Staatsgebilde ist die Frage nach einem Staat, der das größtmögliche Glück für eine größtmöglichste Gruppe von Menschen ermöglicht. Was das größtmöglichste Glück für ein bestimmtes Individuum darstellt ist von Fall zu Fall vollkommen unterschiedlich. Der eine mag im grenzenlosen Hedonismus sein Glück finden, ein anderer findet es in einem tiefen reliogiösen Glauben, wieder ein anderer in Familie, Liebe, Drogen, Karriere, soziales Engagement oder eine Mischung aus allem. Fest steht meiner Meinung nach aber in jedem Fall, dass niemand zu seinem Glück gezwungen werden kann. Ein Mensch, der meint durch egoistischen Hedonismus, grenzenlosen Drogenkomsum u.ä. das größtmögliche Glück zu erreichen, wird damit zwar in den meisten Fällen falsch liegen (obwohl wir das als Außenstehender kaum beurteilen können) - eine Änderung seines Verhaltens wird aber durch Verbote nicht zu erreichen sein. Vielmehr trägt sie zu einer Radikalisierung seines Verhaltens sowie zu Trotz- und Abwehrreaktionen bei. Systeme, in denen versucht wurde "gutes Verhalten" zu belohnen und "schlechtes" zu bestrafen, führten zu menschenunwürdigen Denuziationsmaschinierien, die im Grudne das Gegenteil bewirkten.

(2.1) Re: Die Prämisse - das größte Glück für die größtmögliche Anzahl von Menschen., 20.05.2003, 22:29, christoph niklaus kuropka: es gibt schlechtes und besseres leben! es gibt zum beispiel lebensweisen, die die eigene freiheit einschränkt, oder die freiheit anderer, handlungsweisen, die einen selber krank machen, oder andere... falsch ist es natürlich irgendein leben von oben herab zu fordern und anderes zu bestrafen, aber man kann auch anders auf mitmenschen einwirken und genau das müssen wir in zukunft tun. es gibt viel mehr möglichkeiten auf das leben anderer einzuwirken, als gesetze und staatsmacht, nämlich vor allem persönlicher und privater einatz. man kann sich doch gegenseitig sagen, was man vom verhalten anderer denkt und ihn mit worten angreifen, ohne ihn gleich zu bestrafen, dafür bedarf es allerdings eines festeren willens und mehr weitsicht und geduld, als die meisten von uns heute noch haben. wir MÜSSEN gegenseitig aufeinander einwirken um vernünftig zu leben, von alleine kommen die wenigsten von uns auf dauer klar, das sieht man doch heute überall

(2.1.1) Re: Die Prämisse - das größte Glück für die größtmögliche Anzahl von Menschen., 21.05.2003, 16:42, Stephan Dörner: Ich stimme dir uneingeschränkt zu. Allerdings sind all dies Dinge, die nicht in eine Staatsphilosophie gehören. Natürlich ist der Umgang der Menschen untereinander für deren Glücksempfinden um ein Vielfaches wichtiger als die Staatsverfassung. Aber nur eine Staatsverfassung, die den Menschen alle nötigen Freiheiten lässt, ohne dass die Freiheiten anderer eingeschränkt wird, lässt den Menschen meiner Meinung nach die Freiheit sich möglichst vernüftig untereinander zu verhalten.

(2.1.1.1) Re: Die Prämisse - das größte Glück für die größtmögliche Anzahl von Menschen., 22.05.2003, 08:51, DerManfred Manfred: das verhalten der menschen untereinander wird in der derzeit bekannten gesellschaftsform von menschen bestimmt, die sich selbst dazu berufen fühlen über andere zu bestimmen. Eine Änderung zu einem system mit grösserer (??) freiheit (anarchie) ist meiner meinung nach nur durch eine änderung im bewusstsein und selbstbewusstsein der menschen möglich. Durch diesen vorgang wird auch das gefühl der freiheit anders definiert werden. bewusst schreibe ich "gefühl", denn ich halte freiheit für ein individuelles subjektives gefühl.

Was ist Glück für den Einzelnen?

(3) Fest steht meiner Meinung nach, dass weder der Staat noch einzelne Individuen einem anderen Menschen vorschreiben können, worin sein persönliches Glück besteht. Die Aufgabe des Staates kann also nicht darin bestehen den Individuen vorzuschreiben, wie sie ihr Leben zu führen haben.

Aufgabe des Staates: Die größtmögliche Freiheit für jeden Einzelnen

(4) Worin sollte die Aufgabe des Staates also liegen? Der Staat sollte mit seinen Gesetzen die Freiheit derer einschränken, die ansonsten die Freiheit anderer einschränken würden. Ein Gesetz, das die Freiheiten von Menschen einschränkt, ohne gleichzeitig mehr Freiheiten von anderen Menschen zu schützen, ist aus freiheitsidiologischer Sicht abzulehnen. Gesetze, die Freiheiten einschränken, um Freiheiten zu schützen, sind z.B. Gesetze gegen Mord, Freiheitsentzug, Vergewaltigung, Betrug und Diebstahl. Aber auch Gesetze, die die Interessen von Arbeitnehmern gegenüber ihren Arbeitgebern schützen, sind Gesetze, die zu zwar die Freiheit von einigen wenigen Konzernbossen einschränkt, dafür aber die Freiheit von unzähligen Arbeitnehmern vergrößert, da diese Gesetze sie weniger abhängig von der Konzernführung machen. In der BRD bestehende Gesetze, die der freiheitsideologischen Prämisse nicht standhalten würden, wären z.B. das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) oder das deutsche Bestattungsrecht, das u.a. die Urnenaufbewahrung in der häuslichen Wohnung verbietet. Der Begriff der Freiheit kann dabei weit ausgelegt werden. So ist Naturschutz beispielweise auch eine Art von Freiheitschutz, denn die Zerstörung von Natur führt zu einer Belastung von Mensch und Tier, z.B. durch Krankheiten. Krankheiten ziehen unfreiwillige Einschränkungen nach sich und sind somit eine Einschränkung der Freiheit. Da ich außerdem kein anthropozentrisches Weltbild vertrete, u.a. da ich keinen wirklich grundsätzlichen Unterschied ziwschen Mensch und Tier sehe, sind auch die Freiheiten der Tiere - in ihrem Maße - zu schützen. Das Prinzip des nach freiheitsidoelogischer Prämisse aufgebauten Staates lautet also:

Erlasse niemals ein Gesetz, das mehr Freiheiten einschränkt als es Freiheiten schützt.

(5) Wie stark die verschiedenen Interessen an Freiheit gewertet werden, ist vom individuellen Fall abhängig und muss immer wieder neu geprüft werden. Dabei können natürlich auch Anhänger der Freiheitsideologie in Streit verfallen, da z.B. unterschiedliche Interessen an Freiheit unterschiedlich stark bewertet werden. Natürlich gibt es keine objektiven Kriterien nach denen sich Freiheit messen ließe.

Freiheitsideologie in der Praxis: Wer die Freiheit unterdrückt ist zweitrangig

(6) Die Freiheitsideologie möchte die größtmögliche Freiheit für jeden Einzelnen erreichen ohne auf irgendwelche lobbyistischen Interessen Rücksicht zu nehmen. Dies bedeutet, dass Hierachien und Herrschaft, so weit dies möglich ist, vermieden werden sollen. Ob ein Staat dabei seine Bürger unterdrückt oder ob der Staat völlig machtlos ist und einige Konzerne nicht durch Gesetze, sondern durch das Fehlen der Gesetze, herrschen, ist dabei zweitrangig. Im ersten Fall hat der Staat zu viel Macht, im zweiten Fall zu wenig.

Der perfekte Staat ist kein Staat

(7) Der perfekte Staat aus freiheitsideologischer Sicht wäre natürlich eine Welt, in der es nur Anarchisten gäbe, die alle Freiheiten nutzten ohne andere in ihren Freiheiten einzuschränken und nur einigen freiwilligen Regeln folgen würden. Diese Gesellschaft käme ohne Gesetze und ohne Einschränkungen von Freiheiten aus, da sich sowieso jeder freiwillig an gewisse Regeln halten würde. Diese Gesellschaft ist Utopie, da dieser perfekte Staat auch perfekte Menschen ohne Macht- und Gierstreben bräuchte, die ihn verwirklichen. Sie sollte meiner Meinung nach aber Fernziel bleiben, an das wir zumindest möglichst nah heranzukommen versuchen sollten. Diese Gesellschaft ist nur möglich, wenn diese sie von allen Menschen selbst gewollt ist, erzwingen kann man sie nicht. Da die Menschen auch immer vom derzeit herrschenden System geprägt sind, sind wir dieser Gesellschaft heute zwar gedanklich näher als noch vor fünfzig oder gar hundert Jahren aber immer noch weit entfernt. Mit der stetigen Veränderung der äußeren Verhältnisse hin zu einer freiheitlicheren und humanerern Gesellschaft werden wir diesem Ziel meiner Meinung nach langfristig näher kommen aber natürlich niemals erreichen.

Die Zweigleisigkeit der Freiheitsideologie

(8) Die Aufklärung wollte den Menschen in ihren Idealen erziehen und damit langfristig auf eine Veränderung der Welt hin zu einer bürgerlichen Weltgesellschaft abzielen. Die innere Veränderung des Menschen sollte also die äußeren Verhältnisse verändern. Der Marxismus erkannte dann etwas später, dass nicht nur die innere Einstellung der Menschen die äußeren Verhältnisse beeinflusst, sondern sich auch die äußeren Verhältnisse auf die innere Einstellung der Menschen auswirken ("Das Sein bestimmt das Bewusstsein"). Wer jeden Tag um sein Überleben kämpfen muss, hat für Utopien und Brüderlichkeit nicht viel übrig ("Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral"). Daraus wurde von einigen gefolgert, dass die äußeren Verhältnisse auch gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung radikal umgestaltet werden müssten, da dies über die Zeit automatisch zu einer kommunistischen Gesinnung bei der Mehrheit der Bevölkerung führen würde. Davon abgesehen, dass die politischen Umgestaltungen von Menschen, die meinten Marx verstanden zu haben, mit politischen Terror, Denunziantentum und der Diktatur einer Partei verbunden waren, kann eine politische Veränderung, ohne dass die Menschen damit einverstanden wären, die es betrifft, nicht funktionieren. Die Freiheitsideologie beansprucht für sich nicht im Besitz der reinen Wahrheit zu sein. Sie kann nur funktionieren, wenn sich eine Mehrheit der Bevölkerung in demokratischer Weise dafür entscheidet. Damit dies aber geschieht, müssen sich die Menschen selbstverständlich auch innerlich verändern. Dazu dient z.B. diese Webseite.

(8.1) Re: Die Zweigleisigkeit der Freiheitsideologie, 23.04.2003, 13:30, Bernd vd Brincken:
Danke, endlich mal (wieder) hier ein Ansatz, der dem Kontext "open theory" gerecht wird - also weitgehend konstruktivistisch, folgerichtig zu argumentieren, ohne ein Ideal schon an den Anfang zu stellen.
Zustimmung auch zum Begriff selbst - "Freiheit" und "Ideologie" sind ja zwei auf den ersten Blick kaum vereinbare Dinge, aus deren Zusammenstellung sich ein schönes (dialektisches) Spannungsfeld ergibt.
Wir sind uns vermutlich einig, dass in der Praxis eines "freiheitsideologischen Staates" manche Phänomene auftreten würden, die aus heutiger Sicht "moralisch" abgelehnt würden. In einer Übergangsphase würde es dann wohl auch "freiheitliche" und .. "andere" Staaten geben, und das Zusammenspiel zwischen diesen wird nicht einfach usw.
Aber als ein Szenario, an dem man sich orientieren kann, ist das wertvoll. Theorie eben.

Die gegenwärtige Welt: Deutschland und Europa ...

(9) In der gegenwärtigen Welt genießen wir - zumindest in Europa - immerhin elementare Gurndrechte an Freiheiten wie beispielsweise Religionsfreiheit, Freiheit der Meinung, der Kunst, der Kleidung, der Berufswahl und vieles mehr. Diese Grundrechte gilt es zu bewahren und auszubauen. Daneben erleben wir aber auch Bedrohungen der Freiheit. In allen industrialisierten Ländern der Welt, insbesondere in Europa, beobachten wir zur Zeit den starken Trend, dass sich der Staat aus der Wirtschaft mehr und mehr zurückzieht, Sozialsysteme demontiert werden und die Steuerbelastung für Betriebe, insbesondere Großkonzerne und Devisenhändler, stetig sinkt. Die Folgen sind u.a. eine entfesselte, neoliberale weltweite Wirtschaftsordnung, verkürzt oft Globalisierung genannt. Diese wirtschaftliche Globalisierung hat einen massiven Verlust von Arbeitnehmerrechten, einen entfesselten Wettbewerb am Arbeitsmarkt sowie Lohndumping, Abhänggkeit, Verarmung, kurz: den Verlust vieler Freiheiten für viele Arbeitnehmer zur Folge. Dabei stellen die Verantwortlichen z.B. durch das General Agreement on Trade in Services selbst die Weichen für diese neoliberale Wirtschaftsordung, sprechen aber gleichzeitig von Sachzwängen und unvermeindlichen Entwicklungen als seien Wirtschaft und Politik seit neuestem Natuereignisse auf die Menschen keinen Einfluss hätten. Wirtschaft und Politik werden aber nach wie vor von Menschen gemacht und bestimmt und sind daher auch veränderbar. Die derzeitige Entwicklung der Entrechtung der Arbeitnehmer und dem zunehmenden Machtgewinn von Großkonzernen führt jedenfalls zu einem Mangal an Freiheit bei großen Teilen der Bevölkerung. Während sich die europäischen Staaten aber nach und nach aus den wirtschaftlichen Abläufen zurückziehen, rüsten sie an anderer Stelle auf: die "innere Sicherheit" ist spätestens seit dem 11. September ein populistisches Top- und Dauerthema der Politik. Statt sich jedoch mit den Ursachen von Kriminalität und Terrorismus auseinanderzusetzen, lautet die einfache Lösung der Politik: mehr Militärausgaben, mehr Polizei, mehr Überwachung, weniger Freiheiten und weniger Rechte für den Einzelnen. Von Jahr zu Jahr kommt es in Deutschland beispielsweise zu neuen Rekorden bei Telefonüberwachungen. Eine Mehrzahl der Abgehörten ist unschuldig, immer kleinere Delikte werden zum Vorwand genommen in die Privatsphäre der Bürger einzudringen, ca. 90% werden über die Abhörmaßnahmen nicht informiert. Dazu kommen globale Abhörsysteme wie beispielsweise Echelon des amerikanischen Geheimdienstes NSA, das von europäischen Politikern aus Rücksicht auf die amerikanischen "Freunde" weitesgehend toleriert wird, obwohl vor allem auch eurpäische Firmen und Politiker ins Visier der NSA-Schnüffler genommen werden. Daneben wurden u.a. das Ausländerrecht nochmal massiv verschärft, die Behandlung von Ausländern in Deutschland ist z.T. menschenunwürdig. Schon unterliegen beispielsweise alle Asylanten und Asylantinnen der sogenannten Residenzpflicht ohne irgendetwas verbrochen zu haben. In den Abschiebeknästen dieser Republik herrschen menschenunwürdige Zustände. Menschen, die nie ein Verbrechen begangen haben, müssen dort oft Monate lang oder Jahre lang ausharren.

(9.1) Globalisierung und Wirtschaft / Re: Die gegenwärtige Welt ..., 23.04.2003, 13:12, Bernd vd Brincken:
"Globalisierung" als gestaltete Politik zu sehen, ist nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht das _Phänomen_ Globalisierung - wonach schlicht immer mehr Menschen auf dem Planten an den _ganzen_ Planeten denken, also an die Bedingungen, Möglichkeiten usw. die sich daraus ergeben, anstatt nur lokal/national zu denken.
Bedingt ist dies durch Medien, Lerneffekte, Bevölkerungswachstum usw. - zusammengefasst in der schönen Formel vom "nachdrängenden Bewusstsein" (Beuys). Auch dieses Bewusstsein hat wieder zwei Seiten:
1. Die Erweiterung der Möglichkeiten
2. Die Begrenzung der Horizonte - mehr (als dieser eine Planet) ist es dann auch nicht, die Möglichkeiten sind eben gerade nicht "unendlich".
Dass Globalisierung fälschlich mit "neoliberaler Wirtschaft" identifiziert wird, ist verständlich, weil offenbar Wirtschaft zuerst auf diese Zusammenhänge reagiert hat. Sie hat aber auch als erstes die "Rückseite" erlebt. - Schmerzlich nämlich, wenn sich zeigt(e), dass die globalen Fusionen ökonomisch versagten, weil unterm Strich weniger Ertrag erzielt wurde als in der Summe der beteiligten Unternehmen vor der Fusion. In der "globalisierten Welt" wird die Einsicht in diesen Lernprozess, dessen innerer Rückkoppelungsmechanismus, sogar noch beschleunigt.
Das heisst nicht, dass andere Funktionssysteme (Politik, Wissenschaft usw.) die Wirtschaft sich selbst überlassen sollten. Denn es stellt sich nun umso mehr die Frage, wie _Wert_ dann gebildet werden kann. Dabei spielt Politik (vermutlich) eine Rolle.
Dies nur als Anmerkung, es wäre ggfs. ein eigenes Thema, das von dem hier angesprochenen, wichtigen Verhältnis zwischen Staat und Individuum etwas ablenkt.

(9.2) Re: Die gegenwärtige Welt: Deutschland und Europa ..., 24.04.2003, 15:14, Emil Schlenz: Meinungsfreiheit ohne soziale Freiheit ist keinen Pfifferling wert, also das ich etwa die Möglichkeit habe, einen Springer- oder Bertelsmannkonzern aufzubauen, wird mir als Arbeitslosen denkbar viel nutzen... So ist es aber auch mit anderen verstaubten Phrasen des Bürgertums seit der französischen Revolution, etwa \\\"alle sind vor dem Gesetz gleich\\\", vorausgesetzt natürlich, man kann sich einen teuren Anwalt leisten.

... und der Rest

(10) Weltweit sieht es natürlich noch viel schlimmer aus. Obwohl die Erde ohne Probleme dazu im Stande wäre, die gesamte Menschheit zu ernähren, sterben im Durschnitt täglich ca. 24 000 Menschen, zwei Drittel davon Kinder, an Hunger (Quelle: Welthungerhilfe). Viele weitere sterben an leicht heilbaren Krankheiten. Schuld daran ist vor allem die ungleiche Verteilung der Reichtümer auf der Welt. Die wirtschaftliche Überlegenheit der sogenannten ersten Welt führt u.a. zu so grotesken Verhältnissen wie der Tatsache, dass in Staaten, in denen gehungert wird, von Großgrundbesitzern Futtermais für us-amerikanische und eurpäische Mastbetriebe angebaut werden, da dies profitabler ist als die heimische Bevölkerung, die keine finanziellen Mittel besitzt, mit Nahrung zu versorgen. Daneben profitieren auch europäische und us-amerikanische Konzerne vom Elend der Welt, indem z.B. Pharmakonzerne wie Bayer - mit Ünterstützung der Eurpäischen Union - ihre Patentansprüche auch in Dritte-Welt-Ländern durchsetzen, in denen billige Imitate lebenswichtiger Medikamente tausende Leben retten würden. Ein anderes Beispiel ist Coca-Cola. Der Konzern profitiert vom Lohndumping in Südamerika und lässt durch Auftragskiller regelmäßig engagierte Gewerkschafter und andere unliebsame politische Aktivisten umbringen. Aus freiheitsideologischer Sicht gibt es also vor allem weltweit noch einiges zu tun. Ein erster Ansatz wären Reformen hin zu einer solidarischeren Weltwirtschaft, wie sie u.a. von attac gefordert werden.


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