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Freie Software - 20 Thesen für eine andere Gesellschaft

Maintainer: Stefan Meretz, Version 1, 30.06.2001
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

1. Denken. Die Freie Software denken, heißt jenseits der Marktwirtschaft denken.

(1) Das Denken in Arbeit, Geld und Markt ist uns in Fleisch und Blut übergegangen. Freie Software ist darin nicht verstehbar. So erscheint unverständlich, dass Menschen etwas freiwillig tun ohne Geld dafür zu verlangen - von wem auch; dass die Hacker tun und lassen was sie wollen - und es kommt trotzdem etwas dabei heraus; dass sich jede/r Freie Software einfach nehmen kann - wo kommen wir denn da hin. Alle Versuche, diese Produktionsweise im Warenparadigma erklären so wollen, scheitern. Die Hypothese von der "Aufmerksamkeits-Ökonomie" wird nicht der letzte krampfhafte Versuch sein.

(1.1) Re: 1. Denken. Die Freie Software denken, heißt jenseits der Marktwirtschaft denken., 17.01.2002, 20:38, Ano Nym: "und es kommt trotzdem etwas dabei heraus" - merkst Du wie auch Du von der Nützlichkeitsideologie besessen bist. Nehmen wir doch einmal kleine Kinder. Warum basteln die, malen die, denken sich Geschichten aus?

(1.1.1) Re: 1. Denken. Die Freie Software denken, heißt jenseits der Marktwirtschaft denken., 15.02.2002, 02:25, Christian Apl: hm, also herauskommen muss nicht immer nur etwas "nützliches". Es kann auch so etwas wie Sinn dabei entstehen, herauskommen - wenn mensch klar zwischen zweckentsprechend und sinnstiftend unterscheidet und ihre eindeutig verschiedene Orientierung erkennt.

(1.2) Re: 1. Denken. Die Freie Software denken, heißt jenseits der Marktwirtschaft denken., 23.05.2002, 00:50, Michael Klockmann: Die Aufmerksamkeits-Hypothese als im Warenparadigma verhafteten, "krampfhaften Versuch", abzutun, halte ich für einen glatten, aber um so folgenschwereren Irrtum. Diese These besagt, das nicht Information das knappe Gut der aufkommenden Gesellschaftsformation ist, sondern geradewegs umgekehrt die Bereitschaft und Fähigkeit, sie aufzunehmen. Und sie erklärt das Phänomen freier Software m.E. sehr wohl, und zwar gut materialistisch. Zwar 'nehme' ich die Information (z.B. die These 1 von Stefan Meretz) 'ab' und 'zolle' ihm dafür Aufmerksamkeit, aber durchaus nicht im 'Gegenzug', wie W-G á la Warenparadigma. Theoretisch schon geschenkt, daß die Information bleibt wo sie ist, obwohl ich sie 'abgenommen' habe. Viel wesentlicher: Das 'und' in diesem Austausch verschleiert seinen Charakter. Ich kann ja gar nicht anders als aufmerksam zu sein, wenn ich etwas aufnehmen will. Ich eigne mir deine Information an, in dem ich Dir Aufmerksamkeit schenke (in dem ich Aufmerksamkeit für Deine Gedanken aufbringe) und sie in meinem Kopf verarbeite, um sie dann so gut es geht zusammen mit dem Namen des Autors in mein Gedächtnis aufzunehmen. Information taugt mithin nicht zur Ware und unsere Aufmerksamkeit wird zu einer, wenn nicht der, zentralen gesellschaftlichen Ressource. In einer realistischen neuen Gesellschaft - mit neuen Widersprüchen, ja leider - wird Sie wohl kaum messbares Arbeitsvermögen und nicht bezifferbares Honorar gleichzeitig sein und die Umsetzung auch kleinerer Popularitäten in Lebensmittel birgt sicher noch einige Probleme - nur ein Problem halte ich für geklärt: Diese Dinge passen nicht mehr ins Warenparadigma. Das nämlich ist glücklicherweise viel stärker an den gegenständlichen Charakter der Ware - wie ihn Marx noch fast ausschließlich vor Augen hatte - gefesselt, als uns Marxisten 150 Jahre später weis machen wollen, um ihn zu konservieren. Soweit erstmal, vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!

(1.2.1) Raymond und Goldhaber, 23.05.2002, 12:27, Stefan Meretz: Das müssten wir ausführlicher diskutieren als das in Kommentaren mal eben möglich ist. Dabei müsste geklärt werden, worauf wir uns jeweils beziehen. Ich beziehe mich auf die Versuche vom neoliberalen Flügel der Freien Software (personifiziert durch E.S.Raymond), über die Kette Aufmerksamkeit - Anerkennung - Bezahlung eben das verselbstständigte gesellschaftliche Tun, das wir "Ökonomie" nennen, zu rechtfertigen. Meine zweiter Bezug ist M.H.Goldhaber, der zwar wortreich die Inkompatibilität der "Aufmerksamkeitsökonomie" mit Geld und Markt erklärt, aber - so meine These - dies doch wieder genau in der verselbstständigten Logik von Markt und Geld denkt: nur eben ohne die Worte "Markt" und "Geld" zu benutzen. Es ist kein Zufall, dass er diese Theorie "Aufmerksamkeitsökonomie" nennt.

(1.2.2) Postmoderne Metaphorik - oder mehr?, 23.05.2002, 12:34, Stefan Meretz: Ich würde mich also freuen, wenn du darlegen würdest, warum die "Aufmerksamkeitsökonomie" nicht ins Warenparadigma passt, also das, was du "für geklärt" hältst, auch noch ausführst. So ist es nur eine Behauptung. Überzeuge mich, dass es sich bei der "Aufmerksamkeitsökonomie" um etwas grundsätzlich anderes als eine der vielen "postmodernen Metaphoriken im Warenparadigma" handelt. Mach doch dazu ein ot-Projekt:-)

(1.2.2.1) Re: Postmoderne Metaphorik - oder mehr?, 26.05.2002, 09:57, Hans-Peter Kaiser: Hallo Stefan, mag sein daß Du der »Aufmerksamkeits-Hypothese« in Deinem Gesamtkonzept der »Thesen für eine andere Gesellschaft« nur eine marginale Rolle zugedacht hast, doch der begonnene Diskurs ist m.E. elementar: »Information« ist eine Abstraktion. Die Wertabstraktion kann auf sie nicht angewandt werden. Mit dieser These möchte ich die schlüssige Argumentationskette von Michael Klockmann, von einer anderen Seite kommend, aufgreifen: Das Warenparadigma ist an den gegenständlichen Charakter der Ware gebunden. Du bittest Michael in Deiner Replik um eine Begründung für das, was er schon für geklärt hält. »Überzeuge mich!« ist Deine Aufforderung. Doch vielleicht steckt in Deiner dritten These bereits implizit eine Antwort? »Marktgängig sind nur Produkte, die knapp sind« schreibst Du. Die Betonung liegt in der Aussage auf der Attributierung »knapp«, ich hingegen möchte den Schwerpunkt der Betrachtung auf das Subjekt, auf »Produkte«, verlagern. Information, Aufmerksamkeit, Wissen, Wissenschaft, Kalkül – all diese Begriffe bezeichnen und konnotieren zwar Unterschiedliches, doch in jedem Falle gilt: Gegenstände oder Stoffe sind nicht gemeint. Die Begriffe stehen nicht für Dinge oder »Produkte« und können deshalb nichts in dinglichem Sinne sein. Knapp, rund, flüssig oder schön wird Erkenntnis oder Wissen nur im Rahmen einer Metapher, physikalisch ist da nichts zu machen. »Wissenschaft ist damit nicht marktgängig«, heißt es in Deiner dritten These. Verbirgt sich dahinter Deine Zustimmung zur Auffassung, daß »Wissenschaft« (ebenso wie »Liebe« oder »Kunst«) kein dinglicher Gegenstand ist und deshalb nicht mit der Wertabstraktion differenziert werden kann – trotz aller »krampfhaften Versuche«?

(1.2.2.1.1) Warenform an Dingsein gebunden?, 27.05.2002, 17:31, Stefan Meretz: Die Wertabstraktion ist ein gesellschaftliches Verhältnis und nicht eine dingliche bzw. stoffliche Eigenschaft. Sie braucht daher kein "Ding" (Stoff), um sich auszudrücken. Auch Algorithmen, Wissen usw. können daher Warenform annehmen, wenn über proprietäre Verfügung (Ausschluss anderer) Knappheit hergestellt werden kann - auch wenn "Wissen an sich" nicht knapp ist und sich auch nicht "verbraucht". Das Warenparadigma ist daher keineswegs an den gegenständlichen (stofflichen) Charakter einer Ware gebunden. IMHO sieht man das auch ganz praktisch überall.

(1.2.2.1.2) Aufmerksamkeits-Krampf, 27.05.2002, 17:43, Stefan Meretz: Ich habe die Aufmerksamkeits-Hypothese deswegen einen "krampfhaften Versuch" genannt, weil sie mit einem doppelten Trick sich populär machen will: Erst behauptet sie ihre Unvereinbarkeit mit Markt und Geld, vulgo mit der Warenform (allerdings ohne Begründung, bloß illustrativ), dann reproduziert sie eben das warenförmige Denken. Dazu muss man nicht die Worte Markt und Geld in den Mund nehmen. Und da es IMHO eine andere Gesellschaft nur jenseits von Markt, Ware und Geld gibt, ist sie in der Tat für meine Thesen uninteressant. So denke ich das derzeit, aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren:-)

(1.2.2.1.3) Wissenschaft, 27.05.2002, 17:58, Stefan Meretz: Ich habe die Wissenschaft als ein Beispiel - hauptsächlich geht es mir ja um die Freie Software - genannt, weil es hier um die Herstellung von Wissen geht. Diese funktioniert in proprietärer Form nicht gut, Wissensproduktion braucht Freiheit - und zwar die Freiheit der Menschen, die das Wissen schaffen. Mit Freiheit meine ich die Freiheit von der sachlichen Gewalt der Wertabstraktion, Freiheit von Entfremdung und Konkurrenzhandeln, Freiheit vom "sich-verdingen-müssen". Diese Freiheit - also nicht nur die der "Sachen", sondern eben gerade der die Sachen schaffenden Menschen - habe ich unten im Kontext der Freien Software "Selbstentfaltung" genannt. Sie ist mit dem allgegenwärtigen Zwang zur "Selbstverwertung" inkompatibel. Das halte ich für den entscheidenden Widerspruch - und nicht den der Nichtstofflichkeit von Wissen usw.: die ist der Ware wurscht.

2. Historie. Freie Software kommt aus der Wissenschaft.

(2) Ende der Fünfziger waren die USA geschockt: Die UdSSR spottete per Sputnik aus dem All. Keynes musste ran: Mit Hilfe eines Programms zur Forschungsförderung sollte der imaginierte und der wirkliche (militär-) technologische Rückstand aufgeholt werden. Heraus kamen nicht nur das Betriebssystem Unix und das Internet, doch diese beiden Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung waren Voraussetzung für die Entstehung Freier Software.

(2.1) Re: 2. Historie. Freie Software kommt aus der Wissenschaft., 13.09.2001, 21:59, Clamor ??: Der Computer wäre auch ohne die USA entstanden, dass das Weltraumprogramm Geld in die Forschung spülte, heisst ja nicht, dass deswegen UNIX wie auch andere Betriebssysteme entstanden. Die Systemkonkurrenz als Auslöser, na ja. Man sollte daran denken, dass zu dieser Zeit Rechner noch elitären charakter hatten, wo sollte man sie einsetzen, wenn nicht in der Forschung und der Industrie? Dass Software frei war, na ja, wer hätte sie kaufen wollen. Aber frei im Sinne von frei verfügbar, dass geht in einem solchen Rahmen auch nicht. Denn wir haben ja das Szenario der Systemkonkurrenz und militärische Geheimnisse werden im Allgemeinen nicht weitergegeben. Besser gesagt: die Software blieb gewissermassen im eigenen Unternehmen. Ausserdem unterliegst du hier auch mal wieder der alten Behauptung, viel (Geld) hilft viel. Der Verweis auf Keynes macht diese Deutung klar. Ich meine, dass man die Giesskannentechnik nicht fetischieren sollte. Dein Schlusssatz ist übrigends schief, schau ihn dir noch einmal an.

(2.1.1) Re: 2. Historie. Freie Software kommt aus der Wissenschaft., 16.09.2001, 23:08, Stefan Meretz: Du liest da mehr rein als da steht. Ich konstatiere nur, was war - nicht jedoch, ob das gut, einzig möglich etc. ist. Der letzte Satz ist übrigens wirklich nicht gelungen.

3. Wissenschaft. Der Proprietär zersetzt die Wissenschaft.

(3) Der wissenschaftliche Prozess lebt vom freien Austausch der Informationen, vom gesellschaftlichen Akkumulieren des Wissens. Wissenschaft ist damit nicht marktgängig. Marktgängig sind nur Produkte, die knapp sind. Die verknappte Form gesellschaftlichen Wissens in Softwareform ist die proprietäre Software. Das ist Software, die einem Eigentümer gehört und anderen nicht. Proprietäres Denken ist Standort-Denken. Jede Restriktion der gesellschaftlichen Wissensakkumulation ist standortlogisch funktional, doch systemlogisch dysfunktional. Aber das will keine/r mehr hören. Wenn einer im Kino aufsteht, sieht der gut. Wenn alle...

(3.1) Re: 3. Wissenschaft. Der Proprietär zersetzt die Wissenschaft., 13.09.2001, 22:06, Clamor ??: Du ziehst hier in eine spieltheoretische Richtung. Das Ideal wissenschaftlicher Freiheit (aber auch universaler Bildung) teile ich mit Dir, doch die Praxis sieht ja leider anders aus: Da gibt es Barrieren vielfältiger Art. Fachliteratur ist nur für in der Materie gebildete verständlich. Nicht jeder hat die bildung um zu partizipieren. Die Illusion Wissenschaft sei frei von Interesse, lässt sich nicht aufrecht erhalten. du gibst ja im ersten Paragraph ein gutes Beispiel: Staatlich finanzierte Forschung, diese gibt zwar stets gewisse Freiräume (hervorgerufen durch "Ineffizienzen"), die man ausnutzen kann, um sein ding zu drehen, aber es bleibt bei einer Auftraggeber-Auftragnehmerbeziehung im Globalen. Frei ist solche Forschung natürlich nur in der Theorie oder der offiziellen Behauptung. Fragt sich, wie wichtig es ist, dass Forschung frei ist. Hier muss ein Trade-off angegangen werden.

(3.1.1) Re: 3. Wissenschaft. Der Proprietär zersetzt die Wissenschaft., 16.09.2001, 23:14, Stefan Meretz: Ich behaupte nicht, Wissenschaft sei frei von Interesse(n). Mir geht es hier um den Widerspruch zwischen (dem gehuldigten Ideal) wissenschaftlicher Freiheit und dem Markt - ich sage also genau das Gegenteil, nur nicht personal verstanden: Was ist als Interesse hinterrücks einschleicht (und wissenschaftliche Freiheit zersetzt), ist der "Sachzwang des Marktes" (alias Verwertungslogik). - Was du mit "trade-off" meinst, ist mir unklar.

4. Freiheit. Freiheit gibt es nur dort, wo Unfreiheit herrscht.

(4) Der Begriff der Freien Software entstand erst mit der Exklusivierung gesellschaftlichen Softwarewissens. In heutiger Perspektive kann man natürlich auch sagen: Früher gab es nur freie Software. Damals machte das keinen Sinn. Aus der freien Software wurde Freie Software, weil unfreie, proprietäre Software entstand. Es war ein Akt der Verteidigung gegen die Einfriedung der Software-Allmende.

(4.1) Re: 4. Freiheit. Freiheit gibt es nur dort, wo Unfreiheit herrscht., 13.09.2001, 22:10, Clamor ??: Das Motiv der Vertreibung aus dem Paradies, sehr biblisch, sehr schön und so anarchistisch argumentiert. Aber lass doch die Nostalgie über Bord, wie frei waren diese alten Zeiten denn wirklich? Du willst ja auch nicht auf eine merkwürdige reaktionäre These hinaus, man müsse den Status von 1969 wiederherstellen.

(4.1.1) Re: 4. Freiheit. Freiheit gibt es nur dort, wo Unfreiheit herrscht., 16.09.2001, 23:19, Stefan Meretz: Nein, will ich nicht. Was ich hier sagen will, steht schon in der Überschrift - das eben konkretisiert für den "Fall Software". Ich will dafür sensibilisieren, dass so etwas wie "Freiheit als solche" ein Abstraktum ist, sondern sich (fast) immer als "Freiheit von" spezifizieren lässt.

5. Geniestreich Nr. 1. Aus Copyright wird Copyleft.

(5) AT&T besaß die Rechte am Unix-Betriebssytem. Das fiel der Firma auf, als sie zerschlagen wurde. Der Markt diktierte der Unix-Division: Nutze dein exklusives Verfügungsgewalt auch exklusiv. Wissenschaftler/innen konnten bis dahin mit dem Quellcode spielen. Nun sollten sie eine Nicht-Weiterverbreitungs-Erklärung (NDA) unterzeichnen, wenn sie Zugriff haben wollten. Diese Freiheitseinschränkung erzürnte Richard Stallman und andere sehr. Sie gründeten das GNU-Projekt. "GNU's Not Unix" lautet die rekursive Abkürzung: GNU ist nicht Unix, sondern frei. Und besser. Der erste historische Geniestreich Freier Software bestand in der Schaffung einer Freien Softwarelizenz, der GNU General Public License (GNU GPL). Die GPL basiert auf dem Copyright, dreht deren Logik aber subversiv um: Software soll nicht exklusiv sein und nie wieder exklusiviert werden. Die GPL wird deswegen auch als Copyleft bezeichnet.

(5.1) Re: 5. Geniestreich Nr. 1. Aus Copyright wird Copyleft., 05.09.2001, 23:05, Ano Nym: du solltest eines nicht vergessen, bei aller Liebe zur FSF. Früher wurde einfach PD-Software geschrieben, heute stellt man sie unter die GPL. Dies ist auch eine Art Aneignung des GNU-Projektes zu behaupten, man sei für all die Entwicklungen verantwortlich, die doch nur unter die Lizenz gestellt werden. Hinzu kommt, dass viel Software aus dem öffentlichen Bereich in den Vereinigten Staaten und anderswo "öffentlich" sein muss. Open Source ist dagegen ein dummer Begriff, denn offene Quellen heisst ja nur, der Quellcode ist verfügbar und ist damit missverständlich. Open Source schließt ja auch die Möglichekeit ein mit dem Code etwas anzufangen. so gibt es beispielsweise von ID Software den Quellcode ihrer 3D-Computerspieleklassiker frei ohne dass ID auf das Copyright verzichte.

(5.1.1) Re: 5. Geniestreich Nr. 1. Aus Copyright wird Copyleft., 06.09.2001, 09:40, Stefan Meretz: Ich habe noch keine Behauptung der FSF oder des GNU-Projekts gesehen, sie seien für Entwicklungen verantwortlich, die unter der GPL stehen. Die werden sich hüten, denn es gibt auch lausige Software unter der GPL. Etwas anderes ist es, wenn GPL-Software explizit GNU-Software werden will: Dann gelten bestimmte Qualitätsstandards, die einzuhalten sind. Im übrigen verzicht die GPL nicht auf das Copyright - wie dein letzter Satz am Beispiel ID nahelegt -, sondern im Gegenteil basiert es auf dem Copyright. GPL bedeutet schlicht einen ziemlich effektiven Schutz für die EntwicklerInnen, den z.B. PD nicht bietet.

(5.1.1.1) Re: 5. Geniestreich Nr. 1. Aus Copyright wird Copyleft., 27.09.2002, 18:42, Tom Knaffl: Mir scheint, es waren nicht die Software-Entwicklungen, sondern die Befreiungs-Entwicklungen gemeint. also IMHO (in my humble opinion): Dies ist auch eine Art Aneignung von GNU- Befürwortern zu behaupten, das GNU-Projekt sei für all die Befreiungs-Entwicklungen verantwortlich, die es aber schon vorher gab und nun nur unter die GNU-Lizenz gestellt werden.

(5.1.2) Re: 5. Geniestreich Nr. 1. Aus Copyright wird Public Domain Software., 27.09.2002, 18:53, Tom Knaffl: Liebe Fachleute, bitte führt beim ersten Abkürzen den vollen Begriff ein, um Fachfremde mit einzubeziehen. Fühlt sich sonst entmutigend ausschließend an. im ilexikon gefunden: PD-Software = Public Domain Software, ist Software die wie Freeware zur unentgeltlichen Nutzung zur Verfügung steht. Nicht zu verwechseln mit Shareware.

(5.1.2.1) Re: 5. Geniestreich Nr. 1. Aus Copyright wird Public Domain Software., 01.10.2002, 10:55, Thomas Uwe Grüttmüller: Die Definition ist unvollständig. Die Public Domain ist alles das, was nicht unter Copyright steht, z.B. alte Bücher, deren Autoren lange genug tot sind. In manchen Ländern gibt es auch die Möglichkeit, auf das Copyright zu verzichten.

6. Softwarekrise. Unformalisierbares formalisieren.

(6) Die Menschen-Welt ist informal und vielfältig-unbeschränkt. Software ist formal und algorithmisch-fixiert. Software zu entwickeln, bedeutet, Informales in Fomales zu transformieren, Fließendes zu zementieren.. Dabei kommt es auf die Perspektive der Formalisierer, Einschränker, Auswähler, Reduzierer, Zementierer und -innen an. Viele Entwickler/innen haben viele Perspektiven. Kommen gar noch Anwender- oder Auftraggeber/innen dazu, wird aus Softwareproduktion eine schier unschaffbare Herkulesarbeit. Ende der Sechziger Jahre war Hard- und Software-Technologie schließlich soweit: Die "Softwarekrise" wurde konstatiert. Die Krise hält bis heute an, und die Antworten sind bis heute die gleichen geblieben: Das Chaos der Vielfalt muß in den Griff gebracht werden. Software solle nach klaren Methoden "ingenieurmäßig" entwickelt werden.

(6.1) Re: 6. Softwarekrise. Unformalisierbares formalisieren., 05.09.2001, 23:08, Clamor ??: Die Softwarekrise ist eine akademische Behauptung um das Softwareengineering zu legitimieren (übrigens auf einer NATOkonferenz entstanden), dabei ist bekannt: niemand kann so vernünftig Software erstellen. Als Beispiel sei das Lehrbuch der Softwaretechnik von Balzert angeführt, in dem er ausdrücklich erklärt, Softwareentwicklung solle kein künstlerische rProzess sein, sondern nach wissenschftlichen formalen Gesetzmäßigkeiten erfolgen. Das ist natürlich Blödsinn.

(6.1.1) Re: 6. Softwarekrise. Unformalisierbares formalisieren., 06.09.2001, 09:45, Stefan Meretz: Mir ist bekannt, dass der Begriff auf einer NATO-Konferenz (in Garmisch-Partenkirchen übrigs) entstand. Und natürlich ist eines gewisses sich-wichtig-machen dabei. Dennoch: Softwarekrise ist ein Faktum. Dass die SE-Fans wie Balzert geradezu klassisch darauf reagieren und damit nichts lösen, liegt daran, dass sie überhaupt nicht die wirklichen Ursachen der Krise erkannt haben. Meines Erachtens handelt es sich nämlich um einen qualitativer Bruch in der Produktivkraftentwicklung. Einzig die Freie Software bietet hier übrigens Ansätze von Auswegen. Aber das ist ein anderes Thema.

7. Entwicklungsmodelle. Formaler, definierter, hierarchischer - ingenieurmäßig.

(7) Ingenieurmäßiges Vorgehen bedeutet, einen zu definierenden Problembereich nach formalen Kriterien aufzubereiten. Eine Lösung muss schrittweise top-down erarbeitet werden. Dabei scheint es "einfacher" und "logischer", Entscheidungsstrukturen zu Problemdefinition, Formalisierung und Konzeption zu hierarchisieren. Wie das Ingenieure eben so tun. Das entspricht der tayloristisch-fordistischen Produktionslogik, in der Mensch als Objekt und Rädchen im Getriebe verplant wird. Er darf dort nicht - oder nur in engen Bahnen - Individuum sein. Die Menschen werden dem physikalischen Ursache-Wirkungs-Prinzip der industriellen Maschinerie untergeordnet. Manchmal ist man heute schlauer.

(7.1) Re: 7. Entwicklungsmodelle. Formaler, definierter, hierarchischer - ingenieurmäßig., 05.09.2001, 23:12, Ano Nym: Dagegen z.B. Tom Love. Oder die Empirie. vieleicht ist das Ganze auch eher ein deutsches Problem, man schaue sich einmal amerikanische Lehrbücher an. Was ad hoc Leitlinie da ist und Skizze wird im Deutschen zu "Prinzipien", die der Entwickler zu beachten hat. Und aus der grafischen Objektmodellierung, die ohnehin nicht für mehr als eine Skizzierung/Gedankenorganisation taugt, wird ein Verfahren der Softwareentwicklung. Richtig ist: Mit Struktugrammzeichnen kann man keine Software entwickeln.

(7.1.1) Re: 7. Entwicklungsmodelle. Formaler, definierter, hierarchischer - ingenieurmäßig., 06.09.2001, 09:49, Stefan Meretz: Ja, oder Tom de Marco mit seinen netten Geschichten und Romanen über Projektmanagement. Aussage: Formalisieren ist untergeordnetes Hilfsmittel, aber nicht Methode. Der Rest ist Intuition und Erfahrung. Hm. Besser, aber nicht wirklich gut.

8. Krise der Freien Software. Small is beautiful, but slow.

(8) Die Freie Software wurde von der fordistischen Krise nicht verschont. Mit den überschaubaren GNU-Tools ging es ja noch relativ gut. Doch mit der zentralen Komponente des Betriebssystems, dem Kernel, haperte es. "Brooks Law" schlug zu: lineare Zunahme der Personenzahl im Projekt bedeutet polynomial steigende Kommunikationsaufwände. Dieses Dilemma durch Hierarchie auszugleichen, bedeutet, den Teufel mit dem Beelzebub zu vertreiben. Also meinte das GNU-Projekt: Lass nur ein kleines Team am Hurd-Kernel hacken. Doch das dauert. Linux hat ihm inzwischen den Rang abgelaufen. Linux, das sind ein paar Prozent des Betriebssystems - doch kennen fast alle nur noch diese Bezeichnung.

9. Geniestreich Nr. 2. Individuelle Selbstentfaltung und kollektive Selbstorganisation.

(9) Linus Torvalds stellte die fordistischen Dogmen intuitiv auf den Kopf. Anstatt die Kontrolle über jeden Schritt zu behalten, gab er sie aus der Hand. Neben das gängige Entwicklungsprinzip des "rough consensus - running code" stellte er sein "release early - release often". Grundlage des sogenannten Maintainer-Prinzips ist die individuelle Selbstentfaltung und die kollektive Selbstorganisation. Und natürlich die globale Vernetzung über das Internet. Die Selbstregulation ist entwaffnend einfach: Was funktioniert, das funktioniert. Die eigenen Bedürfnisse sind der Maßstab und die praktische Erfahrung: Die Entfaltung der anderen ist die eigene Entfaltungsbedingung.

(9.1) Re: 9. Geniestreich Nr. 2. Individuelle Selbstentfaltung und kollektive Selbstorganisation., 05.09.2001, 23:14, Ano Nym: Evolution vielleicht oder Darwinismus. Das Survival of the fittest heisst ja nicht: Der bessere schluckt den schlechteren, sondern Gute Ideen setzen sich langfristig durch.

(9.1.1) gute Ideen setzen sich langfristig durch, 28.11.2001, 14:58, Birgit Niemann: Ich habe zwar keine Ahnung von elektronischer Software, dafür aber von biologischer. Deshalb zucke ich immer zusammen wenn ich so etwas wie folgenden Satz lese: Das Survival of the Fittest heisst ... gute Ideen setzen sich langfristig durch. Das mag zwar eine persönliche Auffassung sein, ist aber kein Darwinismus. Die darwinsche Fitness bezieht sich nicht auf beliebig definierbar Gutes, bzw. gut Funktionierendes, sondern auf eine klar abgrenzbare Eigenschaft: auf den Reproduktionserfolg. Der Satz müßte also lauten: In einer gegebenen Welt setzen sich die biologischen Ideen (sprich genetischen Programme) durch, die sich am erfolgreichsten reproduzieren können. Bill Gates, als erfolgreicher Software-Guru hatte Darwin offensichtlich richtig verstanden, als er vor Jahren die Idee hatte, sein MS-DOS mit jedem verkauften IBM-Computer gleich mitzuliefern. Damit hat er sein Programm erfolgreicher als andere reproduziert, obwohl es doch offensichtlich auch im PC-Sektor damals viel bessere Betriebs-Systeme gegeben haben soll, wie ich zumindestens oft Programmierer habe sagen hören. So funktioniert die blinde Evolution, die von Bill Gates hier offensichtlich sehr bewußt angewendet wurde.

(9.1.2) Biologismus, 30.11.2001, 11:19, Bertrand Klimmek: Auch ich wäre sehr vorsichtig mit Biologismen im allgemeinen, sind die doch per se eine Spezialität der Rechten. Selbst, wenn man versuchen sollte, sie sich - wie "Ano Nym" es tut - passend zurecht zu definieren, bleibt doch der Beigeschmack des blind Schicksals- oder Maschinenhaften. Der systemische Selbstzweck läßt sich nicht zivilisieren oder rationalisieren.

(9.1.2.1) Re: Biologismus, 17.01.2002, 20:40, Ano Nym: Gilt dann erst recht für physikalische Gesetze...

(9.1.2.2) Re: Biologismus, 31.01.2002, 19:30, Birgit Niemann: Also ehrlich, mit der Biologie sehr vorsichtig zu sein, weil sie per se eine Spezialität der Rechten ist, halte ich für ausgemachten Unsinn. Per se ist die Biologie eine Naturwissenschaft und zwar im wesentlichen die Naturwissenschaft von allen genomorganisierten Lebensprozessen, sowie deren Wechselwirkungen auf allen Ebenen (von Molekularbiologie bis Evolution), obwohl sie an einigen Stellen auch die stofflichen Grundlagen des Geistes (Neurobiologie) und seine frühen Tätigkeitsresultate (Primatologie) untersucht. Die Tatsache, dass es häufig die Rechten sind, die biologisches Wissen und Scheinwissen für sich instrumentalisieren, spricht nicht gegen die Biologie, sondern zeugt von der Unfähigkeit der Linken, mit ihr umzugehen. Diese Unfähigkeit erweist sich besonders in den Fragen der modernen Biotechnologien als ziemlich fatal.

(9.1.2.2.1) Nein! Doch!, 01.02.2002, 11:14, Bertrand Klimmek: Auch auf die Gefahr hin, als dogmatisch vernagelter Ideologe zu gelten ((Es gibt keine richtige Reputation im Falschen)):
Es kann ebensowenig einen linken Biologismus geben, wie es eine linke Völkerkunde oder einen linken Nationalismus gibt. Aber das behauptest du ja hoffentlich auch gar nicht; du meinst nur, sog. Naturwissenschaften seien wertneutral. Sind sie aber nicht. Der tiefere Grund dafür ist darin zu suchen, daß Gesellschaft eine der Natur wenn nicht diametral entgegengesetzte, so doch orthogonal zur ihr strebende Kategorie darstellt.
Es kommt also darauf an, unter welchem Aspekt ich mir die Realität beschaue und nicht so sehr, was genau. War es Marx oder Adorno (?), einer hat mal gesagt, in der besten (d.h. dem Gegenstand angemessendsten) Fragestellung liegt die Antwort schon wesentlich enthalten. Die "Fragen der modernen Biotechnologien" sind aber schon falsch gestellt, sodaß auch ihre hochmoralischen Gegner keine Gesellschaftskritiker, sondern Gutmenschen sind. Andere haben immer wieder bzgl. den Erfolg der Rechten angeführt, die Linken würden "die relevanten Themenfelder nicht beackern" (z.B. die Nation), daher resultiere ihr "Mißerfolg" ... alles Quatsch! Die Linke wird entweder nicht-populistisch sein oder sie wird nicht sein. Das ist doch das Dilemma: dem Alltagsverstand sind die zentralen Fragen (Fetischismus, Alltagsideologie) nicht zugänglich. Zuallererst müssen die richtigen Fragen gestellt, die adäquaten Kategorien entwickelt werden.

(9.1.2.2.1.1) Re:wertneutral, 01.02.2002, 21:32, Birgit Niemann: "... du meinst nur, sog. Naturwissenschaften seien wertneutral." Nein, meine ich nicht und mit diesen Schematismen kann ich auch nichts anfangen. Wissen im Sinne von relevanter Information ist bereits per definitionem nicht neutral. Denn relevant kann Information immer nur aus der Sicht individueller Systeme sein. Deshalb gibt es überhaupt kein neutrales Wissen. Auch rede ich nicht von Biologismus, sondern von Biologie. Also von dem systematischen Reflexionsergebnis über konkrete Interaktionszusammenhänge der wirklichen Welt. Das für systematische Reflektion grundsätzlich ein konkreter Denkfilter bereits vorhanden sein muss, um überhaupt sinnvolle Fragen zu stellen, ist eine Binsenweisheit und gilt für jede Art von Reflektion. Bei der Interpretation biologischer Problemlösungstrategien finden sich in der Regel alle ideologischen Denkrichtungen in aller Widersprüchlichkeit wieder. Es fällt allerdings auf, das in der Linken das biologische Wissen am dürftigsten ist und vieles Wichtige daher einfach ignoriert oder falsch verwendet wird. Zu Marxens Zeiten war das noch sehr anders, wenn ich an dessen Begeisterung für Darwin denke. Auch kommt es überhaupt nicht darauf an, ob "die hochmoralischen Gegner" der Biotechnologien Gesellschaftskritiker oder Gutmenschen sind, sondern darauf, zu verstehen, wann das Kapital was mit dem genetischen Wissen real anfangen kann und ob es eine Chance gibt, bei diesem Tun dazwischenzupfuschen.

(9.1.2.2.1.2) Re: kleine Nachfrage, 08.02.2002, 16:31, Birgit Niemann: "Es kann ebensowenig eine(n) linke(n) Biologie(smus) geben, wie es eine linke Völkerkunde oder einen linken Nationalismus gibt." Auf diesen Satz muss ich doch noch einmal zurückkommen. Erstens finde ich es seltsam, Nationalismus und Völkerkunde als Analoga zu behandeln, sowie Biologie mit Biologismus zu verwechseln. Da scheint es an durchdachten Unterscheidungs-Kriterien zu fehlen. Zweitens frage ich mich, was sollen linke Leute Deiner Meinung nach denn mit den wertvollen Erkenntnissen anfangen, die sich aus historischen Wissenschaften wie Biologie und Völkerkunde ergeben? Am besten ignorieren oder Augen zu und durch? Das scheinst Du für eine geeignete Art von Erkenntnisgewinnung zu halten.

10. Wertfreiheit. Unknappes ist wertlos.

(10) Selbstentfaltung und (Selbst-)Verwertung schließen sich aus. Die neue Produktionsweise braucht die strukturelle Wertfreiheit von Prozeß und Produkt. Dafür sorgt die GPL. Was woanders Hobby heißt, ist hier Spitze der Produktivkraftentwicklung. Freie Software ist unknapp und damit wertlos. Es muss schon Knappheit der Freien Software hinzugefügt werden, um mit ihr Geld zu verdienen: Karton, Buch, Service, Hardware etc. Auch Bill Gates macht inzwischen seinen Frieden mit Freier Software - nur gegen die GPL tobt er noch. Kein Wunder.

(10.1) Re: 10. Wertfreiheit. Unknappes ist wertlos., 31.01.2002, 19:47, Birgit Niemann: "Es muss schon Knappheit der Freien Software hinzugefügt werden, um mit ihr Geld zu verdienen" Eben, und alles Stoffliche wird bald knapp, wenn die Zahl der Interessenten schneller steigt, als die interessierenden Stoffe "nachwachsen". Knappheit im Stofflichen ist also immer nur eine Frage der Zeit, wenn nicht irgend "Etwas" (sei es äußerlich oder innerlich) die Zahl der Interessenten am Stofflichen reguliert. Software dagegen ist grundsätzlich unbegrenzt verfügbar. Gerade weil sie aus der Rekombination virtueller Algrorithmen entsteht. Denn die Rekombinationsmöglichkeiten sind nach oben offen. Daher kann Software, egal ob in mentaler oder digitaler Form, auch leicht frei sein ohne knapp zu werden.

(10.1.1) Re: 10. Wertfreiheit. Unknappes ist wertlos., 01.02.2002, 14:16, Stefan Meretz: Es ist sehr wichtig, zwischen "begrenzt" und "knapp" zu unterscheiden. Während die Begrenztheit von stofflichen Dingen naturale Eigenschaft sein kann, ist die Knappheit stets eine gesellschaftlich produzierte. Meine These ist, dass es eine gesellschaftliche Organisationsform geben kann, die so mit Begrenztheiten umgeht, dass Knappheit nicht mehr auftritt.

(10.1.1.1) Re: 10. Wertfreiheit. Unknappes ist wertlos., 01.02.2002, 21:43, Birgit Niemann: Lieber Stefan, bei wievielen Einzelteilen fängt denn Begrenztes an knapp zu werden? Oder anders gefragt, an welcher Stelle schlägt denn Begrenztheit in Knappheit um? Und wie unterscheidet sich dieses Umschlagen von Begrenztheit in Knappheit in der Gesellschaft von der gleichen Erscheinung z.B. im Ameisenhaufen? Mir scheint Dein seltsamer Begriff von der einzigartigen Gesellschaftlichkeit und ihrer Isolation vom restlichen Leben führt Dich an vielen Stellen auf Abwege. Du musst die Dinge ganz schön biegen, um Dich wieder herauszuwinden. Oder anders gesagt: Du musst lauter kleine Zusatzannahmen erfinden, um in der Logik zu bleiben. Noch nebenbei gefragt, was verstehst Du eigentlich unter naturaler Eigenschaft? Oder wie definierst Du Natur? In den Selbstverständlichkeiten der alten, schon immer etwas verschwommenen Begriffs-Bedeutung ist ja einiges in Bewegung geraten.

(10.1.1.1.1) Re: 10. Wertfreiheit. Unknappes ist wertlos., 02.02.2002, 19:37, Stefan Merten: Ich bin zwar der andere Stefan, aber beim Thema Vorkommen / Begrenzung / Knappheit teile ich StefanMz' Bemerkungen, die wir kürzlich auf der Oekonux-Liste sehr schlüssig erörtert wurden.
Es gibt z.B. ein bestimmtes Erdölvorkommen auf diesem Planeten. Dieses gibt es schon ziemlich lange - lange vor den ersten Menschen. Das Vorkommen ist also völlig unabhängig von Menschen.
Begrenzt ist das Erdöl, einerseits wegen des endlichen Vorkommens, andererseits aber auch wegen der wechselnden technischen Möglichkeiten seiner Förderung. Hier kommt also (u.a.) Technik mit ins Spiel, mithin also ein Menschen-abhängiger Faktor, der aber als allgemeiner Reichtum der menschlichen Gattung nicht unbedingt an eine bestimmte menschliche Gesellschaftsform gebunden ist.
Obwohl Erdöl schon immer begrenzt war, wurde es erst knapp, nachdem eine bestimmte gesellschaftliche Entwicklung Erdöl in das Zentrum ihrer gesamten Ökonomie rückte. D.h. diese Knappheit ist jenseits der Begrenzung durch ein bestimmtes gesellschaftliches Modell hervorgerufen. Es folgt der messerscharfe Schluß, daß Knappheit durch ein anderes gesellschaftliches Modell aufgehoben werden kann.

(10.1.1.1.1.1) Re: 10. Wertfreiheit. Unknappes ist wertlos., 03.02.2002, 21:06, Birgit Niemann: Jetzt will ich doch noch einmal herauskriegen, ob es wirklich nur an unterschiedlichen Begriffsgewohnheiten liegt, oder ob ich einfach nicht verstehe, was Du (und wie Du sagst, auch Stephan Meretz) meinst. Deshalb versuche ich es noch einmal anders. "Begrenzt" ist aus meiner Sicht ein "Etwas", was in zählbarer Menge vorhanden ist. Im Begriff "begrenzt" wird daher über ein "Etwas" eine absolute Aussage gemacht. "Knapp" dagegen entspricht einer Wertung. Eine Wertung aber setzt eine wertende Struktur vorraus. "Knapp" ist also ein Begriff, der nicht eine absolute Aussage macht, sondern ein Verhältnis beschreibt. Diesen Unterschied zwischen "begrenzt" und "knapp" sehe ich ebenfalls. Ist es vielleicht das, was Du aussagen willst? Dann verstehe ich aber immer noch nicht, warum einzig eine Gesellschaft als dynamische Struktur, die Knappheit erzeugen (und damit erfahren) kann, gelten soll. Jede dynamische Struktur, die begrenzte äußere Ressourcen benötigt und deshalb verbraucht, erzeugt Knappheit an der von ihr verbrauchten Ressource, wenn ihr Verbrauch schneller erfolgt, als die benötigte Ressource nachwachsen kann. Falls es überhaupt eine Ressource ist, die nachwachsen kann. Ansonsten endet die Phase der Knappheit einfach damit, das die Ressource eines Tages weg ist. Wie z.B. das von Dir genannte Erdöl. Für andere Strukturen, für die die knapp werdende Ressource irrelevant ist, weil sie keine verbrauchende Beziehung zu ihr haben, entsteht natürlich keine Knappheit, selbst wenn die Ressource irgend wann gar nicht mehr da ist. Selbstverständlich sind die kapitalorganisierten menschlichen Gesellschaften die dynamischen Strukturen, die mehr und vielfältigere Ressourcen wesentlich schneller verbrauchen, als diese nachwachsen können, als jede andere dynamische Struktur. Sie sind aber bei weitem nicht die einzigen dynamischen Strukturen, die Knappheit für sich und andere erzeugen können. Man denke nur an einen Heuschreckenschwarm. Oder auch einfacher: Wenn eine Elchpopulation auf einer Insel lebt, die eine begrenzte Menge von Futterpflanzen produziert, dann geht es den individuellen Elchen gut, solange die Population klein an Zahl ist, bzw. die Elchpopulation langsamer wächst als die Futterpflanzen nachwachsen. Wächst die Anzahl der futterverbrauchenden Elche über einen Schwellenwert hinaus, dann werden sehr schnell die Futterpflanzen für die Elche knapp und die Elchpopulation bricht zusammen, bis das Verhältnis wieder stimmt. Im Stadium der Knappheit an Futterpflanzen aber steigt der Futter-Konkurrenzdruck zwischen den davon betroffenen Elchen an, was in der Regel vielfältigen Einfluss auf deren Verhalten hat. Also auch hier spielt Knappheit eine praktische Rolle. Doch zurück zum Erdöl. Im Lichte der obigen Definition von "begrenzt" und "knapp" würde ich den von dir geschilderten Zusammenhang nun folgendermaßen verstehen: Die kapitalorganisierte Gesellschaft ist eine erdölverbrauchende dynamische Struktur. Wegen des permanenten Erdölverbrauches wird das begrenzt vorhandene Erdöl für diese Gesellschaft irgendwann knapp und irgendwann ist es auch alle. Deshalb bricht die erdölverbrauchende dynamische Struktur (moderne Gesellschaft) zusammen womit sie verschwindet. Oder sie wandelt sich vor ihrem Zusammenbruch in eine Gesellschaft um, die kein Erdöl mehr verbraucht, weil sie keines benötigt (auch dann ist natürlich die erdölverbrauchende Gesellschaft verschwunden). Für eine solche Gesellschaft existiert natürlich keine Knappheit an Erdöl, weil sie gar keine verbrauchende Beziehung zum Erdöl hat. Ob Erdöl da ist oder nicht, kann ihr sch....egal sein. Ist das nun ungefähr das, was Du oben auch gemeint hast, oder steckt in Deinen Sätzen noch etwas anderes dahinter?

(10.1.1.1.2) Re: 10. Wertfreiheit. Unknappes ist wertlos., 03.02.2002, 18:10, Stefan Meretz: Liebe Birgit, offensichtlich konnte ich so "knapp" mich nicht verstehbar machen. Davon zeugt die Aussage "Begrenztheit schlägt in Knappheit um". Das ist kein "natürliches" Phänomen, das da so wie ein Gewitter über uns kommt, sondern ein gesellschaftlich produziertes, vulgo heute: verwertungs-induziertes. StefanMn hat das am Beispiel des Öls illustriert. Ein anderes, wirklich krasses Beispiel ist Software: Software (nicht schlechthin, sondern eine konkrete Ausführung, ein Programm) ist nicht begrenzt. Um es verwertbar zu machen, muss es aber verknappt werden - eben mittels IPR, Patenten etc. - Mir scheint, dass wir uns über den Begriff der "Gesellschaft" nochmal in Ruhe streiten müssen - mein Definitionsversuch siehe http://www.opentheory.org/dschungel/text.phtml#6. Von mir aus bin ich da auf Abwegen, aber nur, wenn die ganze bürgerliche Wissenschaft "auf dem Weg ist", eben dem sog. Mainstream. Wovon sie nämlich wirklich Null Ahnung hat, ist Gesellschaft. Folglich hat sie auch kein Begriff davon, sie braucht ihn auch nicht. Im Ggs. dazu, ist etwa das Marxsche Kapital ohne Gesellschaftsbegriff völlig unverständlich. - Es passt einfach nicht zu dem, was du sonst so schreibst, wenn du das verteidigst.

(10.1.1.1.2.1) Re: 10. Knappheit ist ein verwertungs-induziertes Phänomen, 03.02.2002, 21:53, Birgit Niemann: Mit dieser Deiner Aussage stimme ich völlig überein. Schließlich gibt es nicht nur gesellschaftliche Verwertung, die primär ja ökonomische Verwertung ist, sondern auch die biochemische Umwandlung von Futter in Organismen ist Verwertung. Im Kommentar auf Stefan Mn habe ich skizziert, wo ich den Unterschied zwischen "begrenzt" und "knapp" sehe. Deshalb wiederhole ich es an dieser Stelle nicht. Womit ich nicht übereinstimme, ist die Auffassung, das die menschlich Gesellschaft die einzige Gesellschaft ist. Ich habe immer den Eindruck (dieser Eindruck kann falsch sein), Du argumentierst in der Diskussion mit mir immer gegen den bürgerlichen Begriff vom individuellen Menschen. Da aber haben wir doch gar keinen Dissenz. Mir ist doch genauso klar wie Dir, dass menschliche Individuen nur als gesellschaftliche Wesen verständlich sind. Der Unterschied zwischen uns besteht doch nur darin, dass Du die Menschengesellschaft für die einzige Gesellschaft auf dieser Erde hältst und ich sie als konkreten Fall verschiedenartiger Gesellschaften sehe. Im Gegensatz zu Dir bin ich ja sogar der Auffassung, das unsere frühen Vorfahren bereits als gesellschaftliche Wesen in die Menschwerdung hineingegangen sind. Daraus entstehen unsere Differenzen, wo immer auch der Gesellschaftsbegriff eine Rolle spielt. Ausserdem scheint es mir so, als haben wir auch verschiedene Natur-Begriffe. Für mich zumindestens gilt, dass ich den Natur-Begriff am liebsten überhaupt nicht mehr verwende, weil man heutzutage vieles Lebendige wesentlich genauer fassen kann, als es der etwas veraltete und unbestimmte Natur-Begriff erlaubt. Doch nun zum Erdöl und der Software. Erdöl ist eine stoffliche Substanz, die tatsächlich in begrenzter Menge vorhanden ist und heute nicht mehr entsteht (jedenfalls nicht in überblickbaren Zeiträumen). Es wird real und tatsächlich knapp für eine erdölverbrauchende Gesellschaft, wenn es Tröpfchen für Tröpfchen verbraucht wird. Software, Ideen und andere Gedanken dagegen sind von virtueller Beschaffenheit. Sie entspringen der virtuellen Kombination von Zeichen (Lauten bzw. Buchstaben, oder Nullen und Einsen, glaube ich zumindestens. korrigiere mich bei der Software wenn es falsch ist). Die unendliche Kombinierbarkeit virtueller Zeichen bringt prinzipielle Unendlichkeit in die Schaffung von Software und Gedanken hinein. Wobei natürlich nicht alle Kombinationen sinnvoll sind. Über den Sinn kommt das stoffliche Leben in die Gedanken und Software wieder hinein, aber eben ohne seine Begrenztheit, die eben gerade der Stofflichkeit entspringt. Etwas, was prinzipiell unendlich ist, muss natürlich künstlich verknappt werden. z.B. Patente und ... was ist IPR?. Wegen diesem Unterschied kannst Du aus meiner Sicht Erdöl und Software nicht als verschiedene Erscheinungsformen von prinzipiell Gleichem behandeln. Selbst dann nicht, wenn sich beide in ihrer Wareneigenschaft tatsächlich wieder gleich sind. Denn gerade die prinzipielle Unendlichkeit erlaubt die "Freiheit" von virtueller Software und virtueller Gedanken, weil echte Verknappung gar nicht auftreten kann.

(10.1.1.1.2.1.1) Mißverständnis, 04.02.2002, 11:09, Ano Nym: "Schließlich gibt es nicht nur gesellschaftliche Verwertung, die primär ja ökonomische Verwertung ist, sondern auch die biochemische Umwandlung von Futter in Organismen ist Verwertung." - Sicher ist es auch die "Verwertung" von Sonnenstrahlen, wenn ich mir die Sonne auf den Bauch scheinen und es mir gut gehen lasse. Doch der in Diskussionen wie diesen gebräuchliche Begriff von Verwertung zielt m.E. auf den Tauschwert ("Wert"), nicht auf den Gebrauchswert. Und ersterer ist ja beim oben angeführten Beispiel recht unbedeutend. Selbst, wenn da aber ein Tauschwert ist, ist er stets vermittelt über einen Gebrauchswert, d.h. der Tauschwert ist hier nicht der unmittelbare Motor biochemischer Verwertung - wohl aber von Arbeit -, denn die geschieht unter bestimmten Bedingungen (Stoffe, Temperaturen, Strahlung etc.) einfach.
Man könnte einwenden, der gebräunte Bauch stelle doch auch gesellschaftlichen Tauschwert dar ... doch erstens ist der braune Bauch noch lange nicht im engeren Sinne konsumierbar, zweitens schafft Sonnenbestrahlung keinen gesellschaftlichen Tauschwert, da sie nicht knapp ist (dafür ist die kapitalistische "Freizeit" u.U. knapp, in der allein man sich den warmen Strahlen aussetzen kann = OK, 1:1 unentschieden!). Drittens wird der Bauch nicht warenmäßig zu Markte getragen, zumindest nicht von mir. Viertens geht es um direkten Lustgewinn, sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, sonst könnte man sich auch in ein Solarium begeben (wie ein Huhn in die Legebatterie), was ich mir im Ggs. zum Sonnenschein allerdings ziemlich unlustig vorstelle.
"Verwertung" zielt also auf ökonomischen Mehrwert ab.

(10.1.1.1.2.1.1.1) Re: Mißverständnis, 04.02.2002, 23:18, Birgit Niemann: So, so, dass ist mir bis heute noch gar nicht aufgefallen. Da muss ich doch in meiner Jugend beim vielen Kapitalstudium irgend etwas überlesen haben. Aber macht nichts, man lernt immer noch etwas dazu. Doch allein schon die Tatsache, das der Tauschwert die kleine Zusatzbezeichnung Tausch benötigt, um als das gekennzeichnet zu werden, was er ist, zeigt schon, dass nicht jeder Wert als Tauschwert gefasst werden kann. Auch fließt Futter, ebenso wie Erdöl, in einen Stoffwechsel ein, wenn dieser Stoffwechsel auch von anderer Bechaffenheit ist, als der ökonomische. Selbstverständlich werden auch Sonnenstrahlen tatsächlich verwertet, allerdings nur von grünen Pflanzen, Blaualgen noch ein paar anderen photoaktiven Bakterien, sowie von Solarzellen. So vielfältig kann Verwertung sein. Wie wohl unschwer zu erkennen ist, liegt der Grund, warum ich diese andere Verwertung in diesem Zusammenhang überhaupt erwähnt habe, wohl darin, das eben auch Futterverwertung unter bestimmten Bedingungen so etwas wie Knappheit erzeugt. Und zwar aus derselben Art von Beziehung heraus, wie die ökonomisch erzeugte Knappheit, nämlich durch Verbrauch von Ressourcen durch ein dynamisches System. Woraus unschwer zu erkennen ist, das Verbrauch von konkreten Ressourcen wohl eine Menge mit Gebrauchswert zu tun hat, die in Kapitalsystemen eben in die Produktion von Tauschwerten einfließen. Das kann selbstverständlich auch für die biochemische Futterverwertung ebenso gelten, denn ohne "Futter" ist wohl auch menschliche Arbeitskraft kaum reproduzierbar. Wer aber ausser Menschen soll denn die Produkte, die sich am Markt in Tauschwerte verwandeln sollen, überhaupt produzieren?

(10.1.1.1.2.1.1.1.1) am Markt, 05.02.2002, 10:48, Bertrand Klimmek: Das mit den "Produkte[n], die sich am Markt in Tauschwerte verwandeln sollen", hört sich so an, als wären sie, bevor sie in die Zirkulationssphäre - den Markt - eingehen, unschuldige Gebrauchsdinge. Der arme Lohnknecht, der sie produziert, produziert sie doch aber bereits als Tauschwerte; was sonst ist der Lohn?
Ich merke das hier nur am Rande an, da in den letzten Jahren verstärkt Diskussionen darüber geführt wurden, wie sog. verkürzte Kapitalismuskritik dazu tendiert, nur die Zirkulation und kaum die Produktion der Waren zu kritisieren (vgl. Antiglobalisierungsbewegung).

(10.1.1.1.2.1.1.1.1.1) Re: produziert sie doch aber bereits als Tauschwerte, 08.02.2002, 16:46, Birgit Niemann: Wenn die Absicht der Verwandlung der Produkte in Tauschwerte bereits ausreichen würde, diese auch tatsächlich in Tauschwerte zu verwandeln, dann müssten uns die Produkte nicht so aufdringlich hinterherlaufen, um ihre Verwandlung vollziehen zu können. Ich für meinen Teil sehe mich manchmal gezwungen, schon ziemlich unwillig mit den lästigen Vertretern, die mir die Produkte zwecks Verwandlung in Tauschwerte aufschwatzen wollen, umzugehen. Obwohl mir diese als Personen schon wieder leid tun. Der Lohn ist doch nicht das Äquivalent zu den Produkten, die sich in Tauschwerte verwandeln sollen, sondern das Äquivalent der Ware Arbeitskraft. Deshalb sorgt auch nicht der Lohn dafür, das sich die Produkte in Tauschwerte verwandeln. Höchsten indirekt, weil die Lohnempfänger auch noch gleichzeitig als Käufer am Markt auftreten können. Bei der Produktherstellung ist jedenfalls der Gebrauchswert der Arbeitskraft am werkeln, ebenso wie bei jeder anderen produktiven Tätigkeit. Nur das in einem arbeitsteiligen Produktionsprozess nur ein Teil des tatsächlichen Gebrauchswert der Arbeitskraft abgerufen wird und das Ergebnis der Nutzung des Gebrauchswertes der Arbeitskraft (eben die Produkte, die sich in Tauschwerte verwandeln sollen), dem Arbeitskraftkäufer zufallen.

(10.1.1.1.2.1.1.1.1.1.1) Re: produziert sie doch aber bereits als Tauschwerte, 11.02.2002, 10:35, Bertrand Klimmek: Da stimme ich Dir voll und ganz zu. Sehr hellsichtig und richtig, daß der "Lohn [...] doch nicht das Äquivalent zu den Produkten, die sich in Tauschwerte verwandeln sollen [ist], sondern das Äquivalent der Ware Arbeitskraft". Daraus aber zu folgern, daß die Waren nicht als Tauschwerte produziert werden, halte ich für gewagt. Wie heißt es so schön? In der Produktion wird der (Tausch-)Wert produziert, auf dem Markt wird er realisiert ...
"Bei der Produktherstellung ist jedenfalls der Gebrauchswert der Arbeitskraft am werkeln" - vordergründig ja, aber nur für das Kapital. Für den Lohnknecht hat die Arbeitskraft doch bloß Tauschwert. Conclusio: im Kapitalismus scheinen/sind Gebrauchs- und Tauschwert in der Ware vereint.

(10.1.1.1.2.1.1.1.2) Re: Mißverständnis, 09.02.2002, 22:55, Stefan Meretz: Nee, das geht einfach nicht: die biotische Verwertung (vulgo Stoffwechsel) und die ökonomische Verwertung (vulgo G-W-G') zusammenzuschmeisssen. Hat dich hier die Nichtunterscheidung von "knapp" und "begrenzt" auf das Glatteis geführt? Es sind kategorial zwei verschiedene Baustellen. Deine Systemanalogie trägt nicht, sie verwirrt nur. - Und dass der TW so heisst, hat nichts mit seiner stofflichen Grundlage zu tun. Es muss sich jeder Wert als TW bewähren, sonst ist er auch kein Wert - oder kennt du eine Ausnahme? Der Wert heisst TW in der Distributionssphäre, da gibt's nix "extra".

(10.1.1.1.2.1.1.1.2.1) Re: Mißverständnis, 10.02.2002, 18:13, Birgit Niemann: "Hat dich hier die Nichtunterscheidung von "knapp" und "begrenzt" auf das Glatteis geführt?" Mir scheint, Du hast den auch von mir vertretenen Unterschied zwischen "begrenzt" und "knapp" weiter oben nicht zur Kenntnis genommen. Natürlich sind es zwei verschiedene Baustellen, aber es passieren auf beiden analoge Prozesse. Auf der einen Baustelle heißt der Prozess: Organismus-reproduktiver Stoffwechsel (Futter und Vermehrung als Gesamtheit betrachtet)-mehr Organismen (vielleicht als O-StW-O' abkürzbar) und auf der anderen Baustelle heißt er: Kapital-reproduktiver Stoffwechsel (Warenproduktion und Wertrealisierung als Gesamtheit betrachtet)-mehr Kapital oder kürzer G-W-G'. Das der Tauschwert so heißt wie er heisst, hat natürlich nichts mit seiner stofflichen Grundlage zu tun, sondern mit den Bedingungen seiner Tauschbarkeit. Wobei diese allerdings am Ende doch einschließen, dass der TW für irgend jemand Zahlungsfähigen wenigstens einen eingebildeten Gebrauchswert haben muss.

(10.1.1.1.2.1.1.1.2.1.1) Re: Mißverständnis, 13.02.2002, 10:44, Stefan Meretz: Jetzt schmeisst du es doch wieder zusammen. Die Tatsache oberflächlich-ähnlichen Scheins - Analogie - ist kein Argument für die Vergleichbarkeit: gerade das nicht. Das kommt daher, weil du "begrenzt/knapp" - was ich schon zur Kenntnis genommen habe - in ein Verhältnis "deskriptiv/normativ" umdefinierst. "Knappheit" ist aber keineswegs ein normativer Begriff, der eine Wertung enthält. Knappheit ist eine funktionale Vorausetzung für den Verwertungsprozess. Das Kapital interessiert "Wertungen" kein bisschen (weswegen das Gutmenschentum auch nix ändern kann).

(10.1.1.1.2.1.1.1.2.2) Re: Mißverständnis, 10.02.2002, 18:33, Birgit Niemann: "Es muss sich jeder Wert als TW bewähren, sonst ist er auch kein Wert - oder kennt du eine Ausnahme?" Ja selbstverständlich. Zum Beispiel die vielen Rinder mit evt. BSE-Verdacht, die für Europäer wirklich überhaupt keinen Tauschwert mehr hatten, besaßen offensichtlich sehr wohl einen hohen Gebrauchswert für die Nordkoreaner, die sich ja sehr darum bemüht haben, sie zu kriegen. Das hing sicherlich damit zusammen, das Leute, die aktuell hungern, sich Gedanken über mögliche zukünftige Todesrisiken weniger leisten können. Denn aktuelles Verhungern führt schneller zum Tode, als vielleicht in 20 Jahren an Hirnschwamm d'raufgehen. Trotzdem hatten die Rinder keinen Tauschwert, denn die Nordkoreaner wollten sie völlig zu Recht umsonst haben.

(10.1.1.1.2.1.1.1.2.2.1) Re: Mißverständnis, 13.02.2002, 10:46, Stefan Meretz: Das ist keine Ausnahme: Der verschenkte Rinderabfall hat keinen Wert, weil kein TW realisiert wurde. Nichts anderes sagt der von dir zitierte Satz aus.

(10.1.1.1.2.1.2) Re: 10. Knappheit ist ein verwertungs-induziertes Phänomen, 09.02.2002, 22:38, Stefan Meretz: Doch, ich kann sie als prinzipiell Gleiches behandeln - und zwar ausgehend von meiner Unterscheidung von "begrenzt" und "knapp". Dieser Unterscheidung verschliesst du dich. Nochmal: "Knappheit" tritt nicht auf, sie wird hergestellt, und zwar sowohl beim "Öl" als auch bei der "Software". Die stoffliche Eigentümlichkeit unterscheidet beide: Öl ist Stoff, Software braucht Stoff - und zwar als Träger, und da sind die Möglichkeiten ziemlich weit. Öl ist begrenzt, Software (das Exemplar) nicht. Deswegen ist es "leichter" Öl zu verknappen, leichter - mehr nicht. Es macht einfach keinen Sinn, zu sagen, der Stoff xy sei knapp, wenn eigentlich seine Eigenschaft der stofflichen Endlichkeit gemeint ist. Unter unseren Bedingungen wird eine Sache knapp, wenn sie Ware wird. Es geht also darum, Knappheit zu beenden - was bedeutet, die Warenform aufzuheben - damit wir uns endlich den Begrenztheiten zuwenden können, von denen es wahrlich genug gibt. Aber ich bin sicher: Damit kommen die Menschen dann schon klar.

(10.1.1.1.2.1.2.1) Re: 10. Knappheit ist ein verwertungs-induziertes Phänomen, 10.02.2002, 18:17, Birgit Niemann: ""Knappheit" tritt nicht auf, sie wird hergestellt" Selbstverständlich, aber doch nicht nur von kapital-ökonomischen Produktionsprozessen. Auch kenne ich eine Menge Waren, die sich nicht durch Knappheit, sondern durch Überfluss auszeichnen. In Wahrheit weiß ich überhaupt nicht, wie ich mich der Aufdringlichkeit vieler überschüssiger Waren durch Werbung und Vertreter wirksam entziehen kann, ausser durch ignorantes und rüdes Verhalten (z.B. gegenüber Vertretern), was ich auch nicht so toll finde. Da ist mir aber Knappheit auf hohem (nicht wirklich bedrohlichem) Niveau wesentlich lieber. Inwieweit die Knappheit beim Öl aufgehoben werden kann, wird nicht nur Gegenstand der Diskussion sein. Schätzungsweise werden wir selbst noch diese Thesen praktisch überprüfen können.

(10.1.1.1.2.1.2.1.1) "überschüssige Waren", 11.02.2002, 15:23, Bertrand Klimmek: Überschüssige Waren kann es nicht geben, zeichnet sich doch die Ware als solche durch einen Tauschwert aus. Soweit etwas überschüssig ist, funktioniert es als Ware eben nicht mehr, d.h. läßt sich gegen nichts tauschen, weil es gratis erhältlich ist. Sonst wäre es nicht überschüssig. (?)

(10.1.1.1.2.1.2.1.2) Re: 10. Knappheit ist ein verwertungs-induziertes Phänomen, 13.02.2002, 10:56, Stefan Meretz: Knappheit wird nur kapital-ökonomisch hergestellt, und nicht anders. Du fälltst auf den Schein rein: Nur weil die Waren reichlich im Schaufenster (oder sonstwo) liegen oder die Werbung oder der Vertreter sie dir aufschwatzen will, besteht doch kein Überfluss. Kein bisschen. Sie sind nachwievor knapp, denn du kannst nicht ohne Kauf über sie verfügen: Knappheit ist keine naturale Eigenschaft der Dinge, sie ist funktionaler Bestandteil der Warenform. Waren müssen knapp sein, damit du sie kaufen musst, anstatt sie einfach zu nutzen (was nämlich als Diebstahl gilt). Deswegen kann Knappheit nur mit der Warenform aufgehoben werden.

11. Antagonismus. Arbeit und Kapital - zwei Aggregatzustände des Gleichen.

(11) Die Traditionslinke kann sich ihren "antagonistischen Widerspruch von Arbeit und Kapital" abschminken. Praktisch hat sie das sowieso schon getan. Arbeit und Kapital sind Verschiedenes im Gleichen. Das Gleiche ist die kybernetische Selbstzweck-Maschine der Verwertung von Wert auf stets erweiterter Stufenleiter. Darin haben Kapital und Arbeit verschiedene Funktionen. Die Arbeit sorgt für den Wert, das Kapital für die Verwertung. Je flacher die Hierarchien, je kleiner der Betrieb, desto deutlicher vereinen sich beide Funktionen in einer Person. Auf die Freie Software geguckt wird klar: Der Antagonismus besteht zwischen Selbstentfaltung und Selbstverwertung. Nur außerhalb der kybernetischen Wertmaschine konnte sich die Freie Software entwickeln. Will Selbstentfaltung unbeschränkt sein, braucht sie einen wertfreien Kontext.

(11.1) Re: 11. Antagonismus. Arbeit und Kapital - zwei Aggregatzustände des Gleichen., 05.09.2001, 23:16, Ano Nym: Freie Software schmiert ihre eigene Maschine. Auch hier entwicklet sich mit einem marginalen Einfluss des Einzelnen.

(11.2) Re: 11. Antagonismus. Arbeit und Kapital - zwei Aggregatzustände des Gleichen., 08.02.2002, 16:56, Birgit Niemann: "Die Arbeit sorgt für den Wert, das Kapital für die Verwertung." Was wurde denn aus dem Wert, bzw. Mehrwert, bevor er in Form von Kapital auf sich selbst zurückgekoppelt wurde? Und wie soll der Prozess genannt werden, der davor den (Mehr)Wert erzeugte? Oder soll das etwa bedeuten, das die Arbeit und der (Mehr)Wert erst mit dem Kapital entstand? Denn schließlich muss etwas wie der "(Mehr)Wert" zerst einmal da sein, bevor es auf sich selbst zurückgekoppelt werden kann.

(11.2.1) Re: 11. Antagonismus. Arbeit und Kapital - zwei Aggregatzustände des Gleichen., 09.02.2002, 23:12, Stefan Meretz: Diesen Prozess nannte Marx die "sogenannte urspüngliche Akkumulation".

(11.2.1.1) Re: 11. Antagonismus. Arbeit und Kapital - zwei Aggregatzustände des Gleichen., 10.02.2002, 18:42, Birgit Niemann: Wie Marx den Prozess nannte, weiß ich auch, aber was passiert in diesem Prozess der ursprünglichen Akkumulation? Und was akkumuliert da usprünglich, wenn nicht der Wert, geschaffen durch Arbeit? Und das offensichtlich ganz ohne Kapital oder vielleicht doch nicht?

(11.2.1.1.1) Was akkumuliert[e] da?, 11.02.2002, 15:30, Bertrand Klimmek: Bevor die Gesellschaft total wurde und auch der Mensch restlos objektiviert (als Ware auf dem Arbeitsmarkt), haben noch traditionelle Souveräne - auch schon auf dem Weg zur austauschbaren Charaktermaske, aber diesen noch nicht bis zuende beschritten - die Akkumulation angeschoben. Sie war noch nicht Selbstzweck (enthielt aber schon Momente davon), sondern einigermaßen willkürlich, feudal etc. Will heißen, das Politische hat das Ökonomische noch dominiert; was heute (trotz Leuten wie attac, SPD o.ä.) nicht mehr möglich ist.

(11.2.1.1.2) Re: 11. Antagonismus. Arbeit und Kapital - zwei Aggregatzustände des Gleichen., 13.02.2002, 11:15, Stefan Meretz: Zustimmung zu Bertrand und folgende Ergänzung: Was da akkumuliert wurde, war geraubtes W oder G. Dieses W oder G entstammt dem Zyklus W-G-W. Darin hatte, wie Bertrand schon schrieb, das G noch keinen Selbstzweckcharakter. Die Zwecke wurden noch personal gesetzt: vgl. z.B. den Schatzbildner bei Marx. Mit der Durchsetzung des Kapitalismus änderte sich der funktionale Zusammenhang von W und G qualitativ in das bekannte G-W-G'. Während im ersten das Geld noch nicht die Stellung als (auf sich selbst rückgekoppeltes) Kapital innehatte, war das nach dem qualitativen Übergang dann der Fall. - Aber eigentlich kennst du das, wenn du das "Kapital" von Marx gelesen hast, oder? Aber ist schon richtig: Man muss sich auch immer wieder kritisch befragen, was theoretisch haltbar ist, und was nicht. Kennst du "Marx lesen" von Robert Kurz? Das kann ich dir empfehlen.

12. Produktivkraftentwicklung. Natur, Mittel und Mensch.

(12) Obwohl oft behauptet: Produktivkraftentwicklung ist nicht Technikentwicklung. Die "Produktivkraft der Arbeit ist durch mannigfache Umstände bestimmt" erklärt uns Marx. Solcherlei Umstände entdeckte er viele: Naturbedingungen, technische Entwicklungen, die Kooperation der Arbeitenden, die Qualifikation, die Organisation der Arbeit, allgemeines Wissen etc. Statt eines dinglichen ist also ein Verhältnisbegriff erforderlich: Produktivkraftentwicklung ist das historisch sich ändernde Verhältnis von Natur, Mittel und Mensch bei der (Re-) Produktion des gesellschaftlichen Lebens. Ein klarer Begriff der Produktivkraftentwicklung hilft, die Freie Software zu verstehen.

(12.1) Re: 12. Produktivkraftentwicklung. Natur, Mittel und Mensch., 17.01.2002, 20:43, Ano Nym: die Ökonomen haben noch nie auf die Technik viel gehalten. Heute wissen wir es besser. Ich glaube nicht mehr, dass ohne technische Innovationen sich die Gesellschaft verändert. Man sieht es schon an den Handys, wie das auf unser gesellschaftliches Verhalten und Sein wirkt...

13. Natur-Aspekt. Die naturale Epoche personaler Herrschaft.

(13) Jedes der drei Aspekte der Produktivkraftentwicklung ist in einer historischen Epoche dominant und bestimmt sie. Alle agrarischen Gesellschaften vor dem Kapitalismus gehören demnach zur naturalen Epoche. Die Bearbeitung des Bodens steht im Zentrum der (Re-) Produktion, Werkzeuge werden dabei nur mitentwickelt. Die Vergesellschaftung ist personal-konkret und herrschaftsförmig organisiert. Das bedeutet, dass die gesellschaftlichen Regulations-, Vermittlungs- und Verteilungsformen durch personale Herrschaft von Menschen über Menschen bestimmt sind.

(13.1) Re: 13. Natur-Aspekt. Die naturale Epoche personaler Herrschaft., 28.11.2001, 15:32, Birgit Niemann: Die ältesten Agrar-Gesellschaften sind etwa 10.000 Jahre alt. Den Menschen, wie er sich heute darstellt, gibt es allerdings seit etwa 150.000 Jahren. Andere Menschenpopulationen sind noch viel älter, auch wenn sie sich nicht bis heute erfolgreich reproduzieren konnten. Wenn hier alle agrarischen Gesellschaften als "naturale Epoche" zusammengefasst werden, stellt sich die Frage, was war es dann vorher? Zumal dieses "vorher" fast die ganze Zeit des Menschseins betrifft. Auch kommt es mir sehr konstruiert vor, wie hier alle agrarischen Gesellschaften unabhängig von ihren wirklichen inneren Abhängigkeitsverhältnissen, seien es freie bäuerliche Stammesgemeinschaften (z.B. Irokesen), Sklavenhaltergesellschaften oder sonstige Verhältnissse mit Leibeigenschaft in einen Topf geworfen werden. Ich sehe nicht, was an den perönlichen Herrschaftsverhältnissen natural ist. Herrschaft des Menschen über den Menschen ging doch erst richtig los, als die eigentlich "naturale menschliche Phase", in der die sich voneinander abhängig reproduzierenden Individuen in einer einigermaßen reziproken Leistungsverplichtung zueinander befanden, auflösten.

(13.1.1) Re: 13. Natur-Aspekt. Die naturale Epoche personaler Herrschaft., 09.02.2002, 23:23, Stefan Meretz: Aus meiner Sicht sind die Populationen vor der Dominanz der gesellschaftlichen Vermittheit individueller Existenz nicht als "Menschen", sondern als "Vor-Menschen" zu kennzeichnen. Dass die Hominiden vor 150.000 Jahren dem heutigen Menschen entsprachen, ist Spekulation, die mir allerdings durchaus vertraut ist. - Die Kennzeichnung "natural" bezieht sich nicht auf die Herrschaftsform, sondern auf die Produktivkraftentwicklung, sprich der Dominanz der Bodennutzung.

(13.1.1.1) "Vor-Menschen", 11.02.2002, 14:46, Ano Nym: Ganz recht. Interessierte Kreise werden Dich jetzt sicher als "Spezieszisten" bezeichnen, aber das muß nicht kümmern. Analog zur Unterscheidung von "Menschen" und "Vor-Mensch" macht ja Marx auch zurecht die Unterscheidung von "Vorgeschichte" und "Geschichte"; d.i. die Epoche, wenn die Menschen ihre Geschicke kollektiv in die eigene Hand nehmen, nach der (ersten) Natur also auch die zweite Natur - d.h. die Fetischvergesellschaftung - abstreifen. Wenns soweit ist (im Kommunismus), wird man sich über das erbärmliche Niveau so mancher heutiger Dispute köstlich amüsieren ...
Aber "das ist noch ein langer Weg, das geht nicht in 1, 2 Menschenaltern. Das wird noch Jahrhunderte dauern ..." (Mao)

(13.2) Re: 13. Natur-Aspekt. Die naturale Epoche personaler Herrschaft., 17.01.2002, 20:44, Ano Nym: auch hier Vorsicht: Die antiagrische Aroganz des 19. Jh. Das kann noch immer als Theorie gegen die "rückständige" III. Welt missbraucht werden.

14. Mittel-Aspekt: Die warenproduzierende Epoche abstrakter Herrschaft.

(14) Die Arbeitsmittel-Revolution - auch industrielle Revolution genannt - bringt den Kapitalismus hervor. Güter werden hier in isolierter Einzelproduktion hergestellt. Erst der Markt vermittelt ihren Austausch. Sekundär kommt es zu den bedeutendsten Umwälzungen in der Landwirtschaft oder der Gewinnung von Bodenschätzen, die jedoch erst mit der Entwicklung der industriellen Produktion und der Naturwissenschaften möglich wurden. Die Vergesellschaftung wird nun durch die abstrakt-entfremdete Herrschaft der kybernetischen Wertmaschine strukturiert. Die Ironie der Geschichte: Der Kampf der Arbeiterbewegung gegen die Herrschaft des Menschen über den Menschen hilft bei ihrer Durchsetzung. Solidarität war das Mittel. Heute ist jeder einzeln seines Glückes Schmied in allgemeiner Entfremdung. Die Gesellschaft isolierter Warenmonaden kommt auf den Punkt.

(14.1) Re: 14. Mittel-Aspekt: Die warenproduzierende Epoche abstrakter Herrschaft., 17.01.2002, 20:46, Ano Nym: Wieder die ökonomische Brille. Früher hätte man Weltgeschichte als Ergebniss von militärischer Schlachten und Reichsgründungen gesehen, auch das verkürzt.

(14.1.1) Unter Optikern ..., 23.01.2003, 15:29, Bertrand Klimmek: Vielleicht mutet es ja tatsächlich willkürlich und unredlich an, gewisse "Aspekte" oder Momente der ganzen Wirklichkeit als besonders wichtige vermeintlich zu "isolieren" und herauszuheben. Da aber der überwiegende Teil der Menschheit tagtäglich mit nichts anderem beschäftigt (sic!) ist bzw. wird als Broterwerb, sprich: Ökonomie (altgriechisch: der Haushalt), und dies nicht eben freiwillig, sondern - wie es so schön heißt: bei Strafe des Untergangs, ist es wohl weniger "Brille", "Denkschule" oder gerngescholtene "Monokausalität", wenn Marx und die ihm hierin folgenden dieses konstitutive Moment der Realität der Menschen im Hier und Heute nüchtern analysiert.
Dies mit dem traditionellen Geschichtsparadigma der "großen Männer", die Weltgeschichte schreiben, oder militärischer Schlachten zu vergleichen, geht darüberhinaus insofern fehl, als solche (in der Tat:) Brillen auch im platten Sinne Ideologie sind, d.h. einem Interesse dienten: der vermeintlichen Ontologie von ewiger Herrschaft und Staatlichkeit, deren Repräsentanten halt nur wechseln ... eine solche staatspädagogische Schlagseite sehe ich bei der Ökonomiekritik überhaupt nicht.

15. Mensch-Aspekt. Die herrschaftsfreie Epoche der Selbstentfaltung des Menschen.

(15) Die Geschichte ist nicht am Ende angelangt. In den Falten der Gesellschaft entsteht Neues. Der Mensch ist immer die Hauptproduktivkraft, meint Marx. - "an sich". Die Entfaltung der Hauptproduktivkraft Mensch "für sich", die Selbstentfaltung des Menschen, steht aus. Sie kündigt sich aber bereits an. Ihre Durchsetzung wird die abstrakt-entfremdete Vergesellschaftung aufheben und wieder personal-konkrete Vermittlungsformen etablieren - herrschaftsfrei und global vernetzt. Die Mittel dazu sind alle entwickelt. Die Vergesellschaftungsform ist die Widerspiegelung der Produktivkraftentwicklung. Die Keimformen der neuen Produktivkraftentwicklung bringt die neuen Widersprüche hervor. Die Selbstentfaltung der Hauptproduktivkraft Mensch als vernünftigem Selbstzweck ist mit dem irren Selbstzweck der kybernetischen Wertmaschine unverträglich.

16. Widersprüche. Der Neue im Gewande des Alten.

(16) Auch die Kapitalfunktionäre haben die menschliche Individualität als ultimative Produktivkraft-Ressource entdeckt. Und auch die Arbeitsfunktionierer, die abhängig Beschäftigten, entdecken neue Möglichkeiten der Entfaltung. Die zum Zerreißen gespannte Gemengelage hat Wilfried Glißmann auf den Punkt formuliert. Das Neue im Gewande des Alten hat das Motto: "Tut was ihr wollt, aber ihr müßt profitabel sein". Kapital- und Arbeitsfunktion, Wertschaffung und Wertrealisierung rutschen zusammen, fallen in eine Person: "Die beiden Aspekte zerreißen mich geradezu, und ich erlebe dies als eine persönlich-sachliche Verstrickung". Es gibt keine Auflösung: "Herrscher über die neue Welt ist nicht ein Mensch, sondern der Markt. (...) Wer seine Gesetze nicht befolgt, wird vernichtet." Treffender als Olaf Henkel hätte auch Marx die abstrakt-entfremdete totalitäre Herrschaft nicht illustrieren können.

(16.1) Re: 16. Widersprüche. Der Neue im Gewande des Alten., 05.09.2001, 23:29, Clamor ??: Um so interessanter, dass die Arbeitslosen - sozial abgesichert - ja eigentlich genügend Zeit hätten um diese sinnvolle Arbeit zu tun, statt dessen hängt man rum und ist unzufrieden, wünscht sich "entfremdende" Arbeit. Wenn man bedenkt, dass es unwahrscheindlich ist, dass jemals wieder alle Arbeitslosen in "Lohn und Brot" gebracht werden, ist klar, dass es sich um ein mentales Problem geht. Wir können es uns leisten fast vier Millionen Arbeitslose zu haben, zu finanzieren, unsere volkswirtschaftliche Produktion ist nicht mehr von der Arbeit abhängig, denn Arbeit wird in immer stärkeren Maße durch Kapital/Maschinenkraft substituiert. Beschäftigungsprogramme, wie sie manche alte Sozialdemokraten noch fordern, funktionieren nicht mehr, weil Gelder aus dem Staatssäckel nicht zu Einstellungen führen. Klar, der Zusammehang zwischen menschlicher Arbeit und Produktionsoutput besteht so nicht mehr. Warum also widmen Arbeitslose sich nicht der selbstverwirklichenden "Arbeit". Dies ist das Hauptproblem und soziale Statusfragen spielen hier eine Rolle, denn vergessen wir nicht, dass Arbeitslose heute besser gestellt sind als Angestellte mit Job früher.

(16.1.1) Re: 16. Widersprüche. Der Neue im Gewande des Alten., 06.09.2001, 10:02, Stefan Meretz: Wenn du Lust und Muße hast, dir ein wenig Theorie anzutun, dann lies mal http://www.opentheory.org/krisis-kritik/v0001.phtml#12.1 Neben den Arbeits-/Sozialamts-Stress, den du als Arbeitsloser am Hals hast, wird hier der wirkliche Grund erkannt (soziale Statusfragen sind untergeordnet): Der Mensch vergesellschaftet sich über Arbeit. Das kannst Du nicht so easy im "Freizeitbereich" ausgleichen. Deswegen lechzen Arbeitslose nach "Arbeit", obwohl genau die nur entfremdet möglich ist. Es wird also Zeit, eine andere Form der Vergesellschaftung zu entwickeln.

17. Keimform. Freie Software.

(17) Freie Software ist eine Keimform einer freien Gesellschaft. Bestimmende Momente einer freien Gesellschaft sind individuelle Selbstentfaltung, kollektive Selbstorganisation, globale Vernetzung und wertfreie Vergesellschaftung. All dies repräsentiert die Freie Software keimförmig. Das bedeutet: Freie Software "ist" nicht die freie Gesellschaft sozusagen im Kleinformat, sie ist auch nicht "historisches Subjekt" auf dem Weg zu einer freien Gesellschaft. Sie repräsentiert in widersprüchlicher und unterschiedlich entfalteter Weise die genannten Kriterien. Sie gibt damit die Idee einer qualitativ neuen Vergesellschaftung jenseits von Markt, Ware und Geld. Nicht mehr - aber auch nicht weniger.

(17.1) Re: 17. Keimform. Freie Software., 14.03.2002, 16:55, Peter Schuck: Und damit dieser Gedanke eben nicht des blossen Idealismus geziehen werden muss, will ich hier auf die Überlegungen Adorno's zur totalitären Gesellschaft hinweisen: totalitäre Gesellschaft meint, dass nichts mehr ausserhalb ihrer selbst vorstellbar ist, alles wird zur zweiten Natur, selbstverständlich und unhinterfragbar. Idee einer qualitativ neuen Vergesellschaftung ist vor diesem Hintergrund eigentlich viel zu weit gegriffen. Meines Erachtens kann im Zusammenhang von Freier Software nur von einer Möglichkeit der Erfahrung einer über den gegenwärtige Zwangszusammenhang hinausweisende Vergesellschaftungsform gesprochen werden. Ob der Keim wächst, oder ob es ein Residuum bleibt und mit dieser Gesellschaft untergeht wird die Zukunft zeigen.
Dass die gegenwärtige Gesellschaft so ihre lieben Probleme damit hat, ihr Pfründe zu sichern angesichts von Cracks, Warez, Kopierern in jeglicher Form udgl. mehr, ist unbestritten. Wenn diese Probleme soweit eskalieren, dass ein Segment aus der Verwertung des Wertes herausfallen würde, hätte dies eine neue Qualität. Doch noch ist es nicht soweit...

18. Bewußtsein. Vom "an-sich" zum "für-sich"

(18) Es kommt darauf an, die Welt nicht nur zu verändern, sondern auch richtig zu interpretieren. Praktisch hat die Bewegung Freie Software neue Fakten jenseits des Marktes geschaffen. Dessen ist sie sich jedoch nur zum Teil bewusst. Die GPL schließt die Verwertung nicht direkt aus. Sie tut es indirekt, in dem sie der Knappheit den Boden entzieht. Dies verleitet dazu, Freie Software auch wie ein verwertungsfähiges Gut zu behandeln, in dem man sie mit anderen knappen Gütern kombiniert. Damit wird hinterrücks hereingeholt, was vordergründig ausgeschlossen wurde: Abstrakte Arbeit als Selbstzweckveranstaltung zur Bedienung des "Terrors der Ökonomie". Dabei ist Freie Software mehr: Sie ist GPL plus Selbstentfaltung - und Selbstentfaltung und Selbstverwertung schließen sich aus. Das ist schwer einzusehen, wo es doch nahe liegt, zu denken: Warum soll ich nicht mit dem Geld verdienen, was mir Spaß macht?

(18.1) Re: 18. Bewußtsein. Vom "an-sich" zum "für-sich", 05.09.2001, 23:21, Ano Nym: "die Welt zu verändern" - man könnte besser von Zündeln sprechen, um einen Flächenbrand auszulösen. Es hat keinen Sinn selbst gegen den Wald mit der Hacke vorzugehen. "Hebeleffekte" müssen genutzt werden.

19. Verallgemeinern. Die freie Gesellschaft denken.

(19) Eine Garantie gibt es für gar nichts. Die Geschichte geschieht nicht im Selbstlauf. Am Kapitalismus gibt es nichts zu verbessern. Er ist dabei, sich zur Kenntlichkeit zu entwickeln: Die Totalisierung des abstrakten Verwertungsprinzips in allen Sphären des Lebens. Die abstrakte Arbeit zieht überall ein: Erziehungsarbeit, Beziehungsarbeit, Trauerarbeit. Wo alles Arbeit ist, herrscht nur noch das abstrakte und entfremdete Wertprinzip. Der Mensch ist nur noch Kostenfaktor. Ethik und ihre Kommissionen liefern Akzeptanz. Aber was tun, wenn nicht am Kapitalismus herumreformieren? Einfach: Dämme bauen und Schiffe bauen. Dämme bauen bedeutet, Erreichtes zu verteidigen, aber keinen Pfifferling zu geben auf den Kapitalismus. Schiffe bauen bedeutet, den Kapitalismus nicht nur gedanklich abzuhaken, sondern hier und heute Neues erfinden. Freie Software z.B., oder anderes.

(19.1) Re: 19. Verallgemeinern. Die freie Gesellschaft denken., 05.09.2001, 23:19, Ano Nym: Sehr gut, Überwinden und Alternativen bauen. Druck aufbauen. Die starke Entgegnung. Reiner Negativismus baut keine Brücken.

20. Literatur und Links. Mehr lesen und kräftig streiten.

(20) Folgende Texte beanspruchen, einige Gräben zwischen den Thesen zu füllen:

(21) Weitere Quellen:

(22) Link-Hinweise:


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