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Konzeptpapier für die Auslandsarbeit der Heinrich-Böll-Stiftung zu Ökologie und Nachhaltiger Entwicklung

Maintainer: Jörg Haas, Version 1, 18.05.2001
Projekt-Typ:
Status: Archiv

1. Problemstellung

(1) 1.1. Die ökologische Herausforderung

(2) Dass das ökologische Gleichgewicht auf unserem blauen Planeten gefährdet ist, daran zweifelt heute eigentlich niemand mehr. Die Zahlen sprechen für sich. Die mittlere globale Lufttemperatur hat sich im 20. Jahrhundert um rund 0,6 Grad Celsius erhöht und wird sich in diesem Jahrhundert um voraussichtlich weitere 1,4-5,8 Grad Celsius erhöhen. Dieser auf menschlichen Einfluss zurückzuführende Temperaturanstieg ist schneller als je zuvor in den vergangenen 10.000 Jahren. Derartige Klimaveränderungen gefährden aller Voraussicht nach lebenswichtige Zirkulationssysteme wie des asiatischen Monsuns und des Golfstroms. Ihre Auswirkungen auf den Meeresspiegel und die Polkappen werden noch Jahrhunderte und Jahrtausende anhalten, selbst wenn es uns im 21. Jahrhundert gelingt, den Anstieg der Treibhausgase zu begrenzen.

(3) Der globalen Umweltgefährdungen ist damit noch kein Ende: Lücken in der überlebenswichtigen Ozonschicht über den Polkappen, Abholzung der Tropenwälder, grossflächige Erosion und Degradation der Böden, Verschmutzung und Überfischung der Meere, Gefährdung der Süßwasserreserven und vieles andere mehr. Menschliches Leben und Wirtschaften ist an einem Punkt angelangt, an dem es Gefahr läuft, sich seiner eigenen natürlichen Grundlagen zu berauben. Zugleich verursacht es ein Artensterben, das in der Erdgeschichte an Geschwindigkeit seinesgleichen sucht.

(4) Im Zentrum der globalen ökologischen Krise steht der nicht zukunftsfähige (sustainable) Lebens- und Wirtschaftsstil der industriellen Zivilisation, der sich ausgehend von Europa über die ganze Welt ausbreitet. Die ökologische Krise wird damit zu einer zivilisatorischen Herausforderung.

(5) 1.2 Ökologisch nachhaltige Entwicklung in "Nord" und "Süd", in "Ost" und "West"

(6) Im "Westen" hat sich als Ergebnis der ökologischen Kämpfe der 80er und 90er Jahre vielerorts die lokale Umweltqualität verbessert. Die Luft in den Städten und die Flüsse sind sauberer geworden, auch wenn noch viel zu tun bleibt.

(6.1) Euro/Wetlicher Zentrismus, 24.05.2001, 08:54, Hanna Behrend: Über den Westen, wo riesige Vermögen angehäuft wurden, wird nur Positives ausgesagt; unangemerkt bleibt, die Haltung der USA zur Verringerung des CO2-Ausstoßes, die Haltung der großen westlichen Pharmakonzerne zur Frage der Patente und zur Preisregulierung für notwendige, aber für die steigende Armut der Welt unbezahlbare Medikamente oder der Pharma- und Kosmetikfirmen zur Frage der Versuchstiere. Nicht erwähnt wird, dass Tierquälerei nie in einem ähnlichen Umfang betrieben wurde wie heute und infolge des Profitstrebens in den westlichen Ländern u.v.a.m. (u.v.a.Tierseuchen durch Massenkeulung "behandelt"). Ganz zu schweigen von der Ambivalenz der "Verbesserung" der Umweltqualität, z.B. in Ostdeutschland nicht durch Reorganisation der Produktion sondern durch Zerstörung der Kernindustrien.

(6.1.1) Re: Euro/Wetlicher Zentrismus, 18.06.2001, 11:59, Jörg Haas: Ich denke, der nachfolgende Absatz macht deutlich, dass es nicht um ein "greenwashing" der Fehl-Entwicklung im Norden/Westen geht, sondern um eine Beschreibung der veränderten Problemlage.

(7) Diese positive Entwicklung war auch möglich, weil zentrale Umweltbelastungen auf Dritte (an der Peripherie und in der Zukunft) verlagert und damit externalisiert wurden. Auf der Ebene der Stoffströme ist die industrielle Zivilisation eine Megamaschine, die in ungeheurem Ausmaß aus den entlegensten Enden der Erde Ressourcen ansaugt, sie immer rascher metabolisiert und nach kurzem Gebrauch als Abfälle in die lokale (Böden) und globale (Atmosphäre, Meere) Umwelt entlässt. Auf diesem Streifzug durch die Welt kolonisiert und zerstört die industriell-fossile Zivilisation die Lebensgrundlagen der unmittelbar von der Natur lebenden Livelihood- Ökonomien: Ihre Fischflotten konkurrieren mit lokalen Fischern um die Fischbestände, ihr Holz- und Papierbedarf zerstört Regenwälder und verwandelt Acker- und Weideland in Eukalyptusplantagen, ihre Minen zermahlen ganze Berge zu Gesteinsmehl auf der Suche nach ein paar Gramm Metall und hinterlassen Seen voll giftigem Schlamm. Zur Stillung Ihres Energiehungers werden Landschaften durch Uranbergbau verstrahlt, Täler durch Staudämme unter Wasser gesetzt und ihre Bewohner vertrieben, Regenwälder, Kältesteppen und Meere von Öl verseucht.

(8) Im Mittelpunkt der ökologischen Herausforderung steht daher im "Westen" die Rückführung der Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen auf ein Niveau, das für jede Bürgerin und jeden Bürger dieser Erde zu verwirklichen ist, ohne die ökologischen Grenzen des Planeten zu sprengen. Dies beinhaltet eine grundlegende Transformation unserer Technologie, der Organisation von Wirtschaft und Gesellschaft. Die politische Herausforderung für die grüne Bewegung besteht darin, für diese große Transformation demokratische Mehrheiten zu organisieren. Dies kann nur gelingen, wenn dieses Projekt als ein wünschenswertes und chancenreiches und nicht als Bedrohung wahrgenommen wird.

(9) Die Transformationsländer Mittel-, Süd- und Osteuropas stehen nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus auch ökologisch vor enormen Herausforderungen. Die rücksichtslose realsozialistische Industrialisierungspolitik unter dem Primat der "Einholens und Überholens" des Kapitalismus hat beispiellose Umweltschäden hinterlassen. Dennoch rücken vor dem Hintergrund einer krisenhaften wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in vielen Regionen ökologische Belange politisch in den Hintergrund. Hinzu kommt die Gefahr, dass in den ökonomisch etwas stabileren Beitrittsländern im Beitrittsprozess zur EU die nicht nachhaltigen ökonomischen Strukturen Westeuropas reproduziert werden.

(10) Zentrales Ziel ist in dieser Region der Aufbau einer funktionsfähigen Zivilgesellschaft als gesellschaftlichem Träger einer ökologischen Politik. Hinzu kommt der Dialog über die EU- Erweiterung und ihre Konsequenzen.

(11) Im "Süden" ist die oben beschriebene Problematik der "Kolonisierung" der Peripherie durch die Zentren in verschiedenen Schwellenländern besonders akut. Dort haben sich grüne und ökologische Bewegungen meist im Protest gegen naturzerstörende Grossprojekte formiert. Sie konstituieren sich oft durch Bündnisse betroffener marginalisierter Gruppen (KleinbäuerInnen, Slumbewohner, ethnische Minderheiten und indigene Völker) mit Teilen einer aufgeklärten urbanen Mittelklasse. Die Herausforderung besteht hier darin, vom lokalen und einzelfallbezogenen Protest zur Entwicklung alternativer Politikkonzepte voranzuschreiten, die breiter mehrheits- und politikfähig sind.

(12) In den zunehmend vom Weltmarkt abgekoppelten peripheren Regionen (v.a. Afrikas) haben dagegen ökologische Fragen noch selten zu einer breiteren gesellschaftlichen Mobilisierung geführt. Die hier vorherrschende schleichende Ressourcendegradation (Desertifikation, Bodenerosion) eignet sich nicht zum Objekt dauerhafter gesellschaftlich-politischer Mobilisierung, da ein identifizierbarer „Verursacher“ meist fehlt. Diese Degradationsprozesse sind vielfach auf die Aushöhlung und Überforderung traditioneller Systeme des Ressourcenmanagements zurückzuführen. Schlüsselelemente einer nachhaltigen Politik sind hier ein nicht-parasitäres Stadt-Land-Verhältnis, die Stärkung von Frauenrechten (an Land und anderen Ressourcen, aber auch als reproduktive Rechte in ihren Auswirkungen auf das Bevölkerungswachstum); schließlich auch die Stabilisierung der ländlichen Ökonomien auf Basis einer ökologischen Landwirtschaft primär für den lokalen und nationalen Markt.

2. Ökologie und Nachhaltige Entwicklung als Aufgabe der Heinrich- Böll-Stiftung

(13) 2.1 Ökologie und Nachhaltige Entwicklung in der Internationalen Zusammenarbeit

(14) Die grüne Bewegung innerhalb und außerhalb der Parlamente kann es sich als Verdienst anrechnen, die ökologische Frage politisch auf die Tagesordnung gesetzt zu haben. Wohl kaum ein politisches Thema hat in den vergangenen 30 Jahren derart Karriere gemacht und ist vom Anliegen einiger Wissenschaftler und Naturschützer zum Gegenstand von Weltkonferenzen avanciert.

(15) Ökologie und Nachhaltige Entwicklung haben sich damit auch als Themen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit etabliert. Zahlreiche Institutionen öffentlicher und privater, bilateraler und multilateraler Natur widmen sich u.a. auch ökologischen Fragen. Im Konzert der Akteure ist die hbs herausgefordert, ihr spezifisches Profil als grün-nahe politische Stiftung zu schärfen. Die Frage lautet: Was können wir von unserer Herkunft, unseren politischen Zielen, unserer gesellschaftlichen Einbindung, unserem Instrumentarium her besonders gut, was können und müssen wir tun, was andere nicht können.

(16) 2.2 Potentiale der Heinrich-Böll-Stiftung

(17) Die spezifischen Potentiale der Heinrich-Böll-Stiftung lassen sich wie folgt beschreiben:

(18) - Wir sind Bündnis 90/Die Grünen verbunden. Über sie haben wir Kontakte zur Politik auf EU-, Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene, zu Parlamenten und Amtsträgern. Gerade durch die Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/Die Grünen sind herausgefordert, diese Kontakte fruchtbar zu machen. Neue Möglichkeiten bietet das sich formierende weltweite Netzwerk grüner Parteien und grüner Bewegungen (Global Greens), zu dem wir Kontakte halten.

(19) - Bündnis 90/Die Grünen sind aus den neuen sozialen Bewegungen hervorgegangen, aus denen sich durch Professionalisierung auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen entwickelt haben. Aus dieser Tradition heraus sind wir den bundesdeutschen Nichtregierungsorganisationen in den Bereichen Umwelt, Entwicklung, Menschenrechte, Frieden und Frauen eng verbunden. In gleicher Weise haben wir seit unseren Anfängen ein Netzwerk politischer Partnerschaften mit Nichtregierungsorganisationen in aller Welt aufgebaut.

(20) - Über unsere Büros im Süden und MSOE sowie in politischen Zentren wie Brüssel, Washington und Moskau sind wir in Nord und Süd, in Ost und West präsent. Über unsere Inlandsarbeit und die Landesstiftungen sind wir auch bundesweit in der Fläche verankert. Es gibt wenige andere Institutionen, die in diesem Ausmaß Projektarbeit im Ausland und politische Bildung im Inland zugleich durchführen, und die in fast allen Weltregionen präsent sind.

(21) - Als politische Stiftung ist uns ein explizit politisches Selbstverständnis (s.u.) Chance und Verpflichtung, im Gegensatz zu einer Reihe anderer Organisationen, die sich eher ausschließlich technisch/fachlich und manchmal explizit unpolitisch definieren.

(22) 2.3 Unser Ansatz

(23) Als politische Stiftung ist für die hbs ein politisches Verständnis von Ökologie zentral: wir verstehen die ökologische Frage als Feld gesellschaftlicher, politischer Auseinandersetzung, als einen Ort der Politisierung von Menschen, und nicht vorrangig als ein technologisches, Planungs- oder Managementproblem. Uns geht es um Politische Ökologie.

(24) Damit einhergehend sehen wir als unser prioritäres Aktionsfeld die politische Bildung und nicht die unmittelbare Bearbeitung praktischer Umweltprobleme, vom Naturschutz über den Verkehr bis zur Müllentsorgung. Uns geht es auch bei Projekten mit Elementen des praktischen Umweltschutzes im Kern um den gesellschaftlichen und politischen Lernprozess, um die Bildung politischer Akteure.

(25) Prinzipien

(26) Dieses politische Verständnis von Ökologie ist qualifiziert durch weitere politische Prinzipien und Wertorientierungen der bündnisgrünen gesellschaftlichen Grundströmung:

(27) - Das Demokratieprinzip: Es geht uns zentral um eine demokratische, möglichst dezentrale, partizipative und nicht um autoritäre, bürokratische oder gar ökodiktatorische Lösung von Umweltproblemen. Partizipation von der lokalen bis zur globalen Ebene ist für uns eine Grundbedingung für die Begegnung der ökologischen Herausforderung. Zu den demokratischen Rechten zählt für uns auch das Recht auf eine gesunde Umwelt, und auf Zugang zu Information über Umweltdaten.

(28) Das Prinzip sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit: Umweltprobleme und Lösungsansätze betreffen Menschen meist nicht unterschiedslos, sondern sozial differenziert. Uns geht es um das Recht auf einen gleichen Anteil an Umweltgütern, und zugleich um eine gerechte Verteilung der aus Umweltschutz erwachsenden Lasten. Besonders deutlich wird dies im Nord-Süd-Verhältnis, in dem historisch eine enorme '"ökologische Schuld" durch den jahrhundertelangen ungleichen ökologischen Tausch und die Überbeanspruchung globaler Gemeinschaftsgüter (global commons) im Norden akkumuliert wurde.

(29) - Das Prinzip der Geschlechterdemokratie: Hier geht es um die Erkenntnis des unterschiedlichen Zugangs von Männern und Frauen zu Umweltfragen, der geschlechtsdifferenzierten Betroffenheit von Umweltproblemen und von möglichen Maßnahmen ökologischer Politik. Zu unserem Konzept nachhaltiger Entwicklung gehört selbstverständlich die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung - nicht nur, aber auch hinsichtlich ökologischer Fragen.

(30) - Die Förderung und Respektierung kultureller Vielfalt: Die Kulturen der Erde haben in jeweils unterschiedlicher Weise Antworten auf die durch Ihre Umwelt gestellten Herausforderungen gefunden und oft zukunftsfähige Lebensweisen (sustainable livelihoods) entwickelt. Dieses Wissen ist Grundlage auch für einen zukünftigen verantwortlichen Umgang mit der Biosphäre. Ökologische Vielfalt (Biodiversität) wurde oft erst durch die kulturelle Naturaneignung des Menschen geschaffen . Sie ist ohne kulturelle Diversität nicht denkbar.

(31) Akteursbezug

(32) Zur Politischen Ökologie gehört zentral ein Akteursbezug: Zukünftige Generationen oder die Natur selbst sind politisch nicht repräsentiert, sie haben selbst keine Stimme im politischen Prozess. Nur da wo sich Menschen engagieren, sich im Böll'schen Sinne einmischen, entsteht die gesellschaftliche Basis und der notwendige Druck für den so dringend anstehenden Reformprozess. Die Stärkung dieser gesellschaftspolitischen Basis für einen ökologischen Reformprozess bleibt zentrales Oberziel aller Aktivitäten der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Umweltbewegung, ökologische Forschungsinstitute, indigenen Organisationen, Umweltverbänden und NROs sind daher zentrale politische Bündnispartner der Heinrich-Böll- Stiftung. Unter diesen Organisationen sind diejenigen vorrangig, mit denen eine Übereinstimmung in zentralen Wertorientierungen besteht, die für die sozialen Bewegungen eine strategische Bedeutung haben, die unterschiedliche Handlungsebenen verknüpfen, und die sich durch innovative Konzepte und praktische Ansätze auszeichnen.

(33) Umweltkonflikte – produktiv gewendet

(34) Ausgangspunkt der Umweltbewegung ist häufig der Protest, der gesellschaftliche Konflikt um Umweltzerstörung. In diesen Konflikten generieren sich neue gesellschaftliche Akteure, neue Bündnisse von Betroffenen mit externen Fachleuten oder Unterstützern. Sie sind der Moment der Transformation eines faktischen Umweltproblems in eine politische Herausforderung, und stehen häufig am Anfang des Entstehens einer breiteren Umweltbewegung. Sie können damit politisch produktiv werden. Teilweise besitzen diese Umweltkonflikte auch eine relevante internationale Dimension über die Beteiligung transnationaler Unternehmen und bi- und multilateraler Entwicklungsbanken.

(35) Die Förderung von Organisationen, die in Umweltkonflikten kompetent Stellung beziehen, die Betroffene in den politischen und manchmal auch gerichtlichen Auseinandersetzungen unterstützen (umweltpolitisches empowerment), ist unverändert eine wichtige Stiftungsaufgabe. Prioritär sind hier Konflikte mit einer internationalen Dimension, da die Stiftung hier ihre Dialogfunktion ins Inland sowie zu multilateralen Institutionen besonders sinnvoll einsetzen kann (u.a. Brückenschlag zur Inlandsarbeit der Stiftung).

(36) Die politisch produktive Wertung von Umweltkonflikten muss selbstverständlich einhergehen mit der einer Bereitschaft zur Vermittlung, wo Umweltkonflikte zerstörerisch zu werden drohen, oder gar in Gewalt umschlagen. Im Gegenteil, die Befähigung benachteiligter Gruppen zur Interessensvertretung im demokratischen Rahmen verhütet eher die gewaltförmige Eskalation von Konflikten.

(37) Entwicklung politischer Alternativen

(38) So wichtig der Protest gegen Umweltzerstörung am Anfang jeder Umweltbewegung ist, und so bitter notwendig er bis heute bleibt, so darf es beim Protest nicht bleiben: Notwendig ist die Entwicklung politischer Alternativen.

(39) Hier geht es zum einen um die Instrumente der Umweltpolitik und einer nachhaltigkeitsorientierten Wirtschaftspolitik, auf nationaler, regionaler und globaler Ebene. Beispiele sind Ökosteuern, Umweltrecht, handelbare Zertifikate, Labelling, energie- und verkehrspolitische Konzepte. Die Stiftung ist durch ihre internationalen Verbindungen in hervorragender Weise befähigt, zum Dialog und zur wechselseitigen Befruchtung zwischen Wissenschaftlern, Umweltpolitikern, und Umweltbewegungen in Ost- und Westeuropa, Nordamerika, und den Ländern des Südens beizutragen.

(40) Zum zweiten geht es um die Integration der verschiedenen sektoralen Konzepte und Ansätze zu einer umfassenderen politischen Vision, einer Vision Nachhaltiger Entwicklung.

(41) Die verschiedenen europäischen Ländern durchgeführten Studien wie Sustainable Netherlands, Zukunftsfähiges Deutschland etc. haben in ihren Ländern einen wichtigen Anstoß für die Debatte geleistet und zugleich den Begriff der Nachhaltigkeit mit konkreten Inhalten gefüllt. Anfang 1998 begann ein Programm im südlichen Lateinamerika, das mehrere Projekte zur Nachhaltigen Entwicklung untereinander und mit der europäischen Diskussion verknüpft und so die unterschiedlichen Visionen nachhaltiger Entwicklung in einen Dialog gebracht hat. Solche Prozesse können auch an anderen Stellen angestoßen werden. Dabei halten wir auch hier eine Vielfalt von Ansätzen und Visionen für produktiv und sinnvoll, und werden ihre Entwicklung im Einklang mit den zentralen Prinzipien der Stiftung unterstützen.

3. Funktionen der Heinrich-Böll-Stiftung

(42) Die Vielfalt der von der Heinrich-Böll-Stiftung wahrgenommenen Funktionen lässt sich wie folgt gliedern, ohne dass eine scharfe Trennung stets möglich wäre:

(43) Unterstützung und Förderung anderer Akteure

(44) Dies ist die "klassische Rolle" besonders im Bereich BMZ-finanzierter Projekte. Dabei haben wir unser Förderinstrumentarium über die reine Finanzierung ausgeweitet: Hier wären "capacity building", Aus- und Fortbildung, und fachliche Beratung zu nennen, aber auch die Vermittlung von Kontakten in den politischen Raum und zu anderen Organisationen (z.B. Süd-Süd), oder die Ermöglichung der Teilnahme und Intervention in internationalen Verhandlungsprozessen (z.B. Klimakonvention).

(45) Dialoge ermöglichen

(46) Immer stärker wurde in den vergangenen Jahren die Rolle der Stiftung als Plattform für den (umwelt-)politischen Dialog zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Sphären, zwischen verfasster Politik, Zivilgesellschaft, und Wirtschaft, oder zwischen Akteuren auf verschiedenen Kontinenten (z.B. Nord-Süd-Dialoge zur zukunftsfähigen Entwicklung). Der Einsatz des Internets ermöglicht zudem Dialoge über weite räumliche Distanzen (z.B. ASED-Projekt).

(47) Anstöße geben

(48) Über Studien und Memoranden will die Heinrich-Böll-Stiftung auch selbst Anstöße für eine ökologische Politik geben - allein oder in Verbindung mit Partnern. Ihr Raum ist die "Ideenpolitik", nicht jedoch der unmittelbare politische Entscheidungsprozess. Lobbying und Advocacy sind daher im Regelfall Aufgaben der Partner, nicht jedoch der Stiftung.

4. Instrumentarium

(49) Lange Zeit stand im Vordergrund der Auslandsarbeit die Förderung von Einzelprojekten. In den vergangenen Jahren hat die Heinrich-Böll-Stiftung ihr Aktionsrepertoire u.a. durch den Aufbau eines Netzes von Auslandsbüros erheblich erweitert. Im Spektrum Ihres Handelns lassen sich benennen:

(50) - Die vollständigen Durchführung eines Projekts als Eigenmaßnahme (häufig über die Auslandsbüros) über verschiedene Formen der praktischen Kooperation bis hin zu reinen finanziellen Förderung der Projekte anderer Nichtregierungsorganisationen.

(51) - Die lokale Arbeit mit häufig sozial benachteiligten Zielgruppen (Mikroebene) über verschiedene intermediäre Ebenen (vorrangig bisher auf jeweils nationaler Ebene) bis hin zu globalen Verhandlungsprozessen

(52) - Die eher praxisnahe, beispielhafte Arbeit an Lösungsansätzen (von der ökologischen Landwirtschaft bis zur Energieeffizienz) als Mittel zur politischen Bildung, bis hin zu intellektuell-theoretischen Entwürfen und Debatten.

(53) Diese Vielfalt ist als Antwort auf die Diversität der Problemstellung und der gesellschaftlich- politischen Situation an jeden Ort sinnvoll. Es gibt hier keinen Königsweg. Herausforderung bleibt jedoch, die verschiedenen Handlungsformen und -ebenen stärker als bisher produktiv miteinander zu verknüpfen und zu verbinden, Synergien zu suchen, Partner ins Gespräch zu bringen. Mit der Konzeption regionaler Programme wurden hier bereits wichtige Schritte getan. Die weltweiten Aktivitäten im Vorbereitungsprozess auf den "World Summit on Sustainable Development" (Rio+10, Johannesburg 2002) sind ein weiterer Schritt, die Einheit des Stiftungshandeln in der Vielfalt Ihrer einzelnen Aktivitäten und Projekte voranzutreiben.


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