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Universalgüter

Maintainer: Stefan Meretz, Version 1, 17.06.2007
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Informationsgüter als genuin gesellschaftliche Güter

(1) In der Zeitschrift krisis, Nummer 31, hat Ernst Lohoff einen Aufsatz veröffentlicht, der es in sich hat. Titel: »Der Wert des Wissens. Grundlagen einer Politischen Ökonomie des Informationskapitalismus«. Es geht um die Frage, ob digitale Informationsgüter Waren sind und Wertsubstanz repräsentieren. Lohoffs Antwort: Sie sind weder Waren noch im ökonomischen Sinne werthaltig. Hier die Argumente in Kurzform.

(1.1) Re: Informationsgüter als genuin gesellschaftliche Güter, 22.06.2007, 10:54, Wolf Göhring: Zwei vokabeln: wissen und information. Zwei begriffe oder bloss einer?

(1.1.1) Re: Informationsgüter als genuin gesellschaftliche Güter, 23.06.2007, 06:23, Stefan Meretz: Zwei.

(1.2) Re: Informationsgüter als genuin gesellschaftliche Güter, 28.06.2007, 13:25, Wolf Göhring: "Lohoff hat veroeffentlicht." Hab hinter dem krisis-link keinen aktuellen text von Lohoff gefunden. Handelt es sich um ein bezahlgut?

(1.2.1) Re: Informationsgüter als genuin gesellschaftliche Güter, 29.06.2007, 12:59, Stefan Meretz: Ja. Und zudem kommt es erst Mitte Juli raus. Hier kannst du es dir in den "Warenkorb" tun: http://www.unrast-verlag.de/unrast,2,261,13.html

(1.2.1.1) Re: Informationsgüter als genuin gesellschaftliche Güter, 01.07.2007, 21:42, Wolf Göhring: Gut zu wissen. Ich werd aber den teufel tun und fuer ein genuin gesellschaftliches (und wertloses) informationsgut gutes geld ausgeben.

(1.2.1.1.1) Re: Informationsgüter als genuin gesellschaftliche Güter, 02.07.2007, 14:10, Stefan Meretz: Dann wirst du das privatisierte Universalgut, genuin wertlos, aber gleichwohl Bezahlgut, nicht bekommen. Zunächst mal jedenfalls, bis zur Veröffentlichung im Web. Künstliche Knappheit, so läuft das im Kapitalismus.

(1.3) English translation available, 24.03.2008, 17:12, Stefan Meretz: This article is also available in english: »Information goods as genuine societal goods«

(2) Erstens: Informationsgüter sind keine Tauschgüter. Tauschen setzt einen »Händewechsel« voraus. Das Informationsgut verlässt jedoch nicht die Hände des »Verkäufers«, der in der komfortablen Lage ist, dasselbe Gut mehrfach gegen Geld zu vertreiben. Dieses Phänomen ist nicht zu verwechseln mit der Fertigung gleicher stofflicher Güter in der industriellen Massenfertigung. Hier muss jedes einzelne Exemplar neu hergestellt werden, während das beim Informationsgut nur ein einziges Mal geschieht.

(3) Zweitens: Informationsgüter sind universelle Güter, konventionelle Güter hingegen sind singularer Natur. Informationsgüter benötigen zwar einen Träger, die Verbindung zu dem Träger ist jedoch flüchtig und eine Ausbreitung auf neue Träger ist sehr leicht. In digitaler Form benötigen Informationsgüter zur Nutzung Universalmaschinen, die durch geeignete Software -- die ihrerseits ebenfalls zu den Universalgütern gehört -- in vielfältige Spezialmaschinen verwandelt werden. Vielfach schafft erst die Benutzung selbst den antizipierten Nutzen. Universalmaschinen und Universalgüter spannen ein unabschließbares Nutzen-Universum auf. Konventionelle Güter hingegen vergegenständlichen einen singularen Nutzen. Ändert sich der gewünschte Nutzen, muss ein neues Gut erschaffen werden.

(3.1) Wird hier ein quantitativer Unterschied zu einem qualitativen gemacht?, 27.06.2007, 07:11, Maike Arft-Jacobi: Einen Stuhl kann ich zum Sitzen, als Türstopper, zum Wändeverputzen, als Leiter ... verwenden. Den Satz von Pythagoras kann ich verwenden, um etwas zu berechnen, um Eindruck zu schinden, um eine musikalische Komposition zu entwickeln ... Ein Stuhl eignet sich nicht dazu, mir die Haare zu kämmen. Der Satz von Pythagoras auch nicht.

(3.1.1) Re: Wird hier ein quantitativer Unterschied zu einem qualitativen gemacht?, 27.06.2007, 14:52, Stefan Meretz: Dieser eine Stuhl existiert nur in Einzahl mit seiner gesellschaftlichen Bedeutung als Stuhl, egal, welche Zwecke dir für die Nutzung auch immer einfallen (wenn du mal vom als Leiter verwendeten Stuhl geflogen bist, weil du auf dder Lehne standest, dann ziehst du das nächste Mal vielleicht eine Leiter vor). Dieser Satz des Pytharoras existiert (mutmaßlich) in Millionen und potenziell in unabschließbar vielen Köpfen und Anwendnungen und jede Weitergabe vermehrt seine Existenz. Der Stuhl bleibt durch Weitergabe dieser eine Stuhl.

(3.2) 27.06.2007, 19:19, Matthias Schulz: Ändert sich der gewünschte Nutzen einer Software, muss ich diese ebenso anpassen!?

(3.2.1) 28.06.2007, 08:32, Stefan Meretz: Vielleicht ist das ein Missverständnis, dem ich allerdings durch den letzten Satz Vorschub leiste: Mir geht es hier primär um den quantitativen Nutzen, also bei wievielen Leuten der Nutzen eintritt. -- Klar musst du die Software bei neuen Zwecken ändern. Allerdings hast du hier keine stofflichen Schranken (Produktionsmittel, Quellcode und Kenntnisse vorausgesetzt).

(3.3) singulare Natur, 27.06.2007, 19:20, Matthias Schulz: Wieso sind konventionelle Güter singularer Natur? Jedes gesellschaftliche Produkt ist universell und singular zugleich. Aber dazu später mehr.

(3.3.1) Re: singulare Natur, 28.06.2007, 08:37, Stefan Meretz: Weil es das konkrete Exemplar nur einmal gibt und eine Vervielfältigung einen neuen Herstellakt erfordert. Eine Übertragung auf einen neuen Träger (Kopie) ist kein Herstellakt, weil die Gutqualität unberührt bleibt. Es muss nicht erneut hergestellt, sondern eben nur auf einen anderen Träger kopiert werden.

(3.3.1.1) Re: singulare Natur, 28.06.2007, 17:49, Matthias Schulz: Mir geht es ja um die Frage, wann ist etwas eine Ware und wann nicht. Ich verstehe nicht, wieso es relevant ist, ob ich zur Vervielfältigung Arbeitskraft und Rohstoffe aufwenden muss oder nicht. Ist ein Produkt dann keine Ware, wenn ich nur wenig oder keine Arbeitskraft zur Vervielfältigung benötige?

(3.3.1.1.1) Re: singulare Natur, 29.06.2007, 13:06, Stefan Meretz: Eine Ware ist das Gut, wenn es durch unabhängige Privatproduzenten für den Tausch durch Einsatz unmittelbarer Arbeit in der sozialen Form der Knappheit produziert wird. Wird ein Produkt nicht getauscht, wird keine Arbeitskraft aufgewendet, entsteht das Produkt durch allgemeine Arbeit, ist es nicht knapp etc. -- dann ist es auch keine Ware.

(3.3.1.1.1.1) Re: singulare Natur, 01.07.2007, 12:57, Matthias Schulz: Worum es mir hier eigentlich geht, ist dein Argument, das zur Vervielfältigung der Software keine Arbeitskraft aufgewandt werden muss.
Die eigentliche Entwicklung der Software soll wertlos sein. Wie verhält es sich bei einem stofflichen Gut mit dessen Entwicklungsarbeit? Also die Arbeit die geleistet werden muss, bevor ein Produkt überhaupt Produktionsreif ist. Also Erstellung eines Bauplans, zum Beispiel. Das ist ebenfalls noch nicht stofflich. Ist diese Arbeit ebenfalls wertlos? Und ist dann nur die Arbeit wertschaffend, welche das materielle Produkt vervielfältigt?

(3.3.1.1.1.1.1) Re: singulare Natur, 02.07.2007, 22:58, Stefan Meretz: Hier ist zu unterscheiden zwischen Schöpfung neuen und Anwendung vorhandenen Wissens. Ersteres entsteht durch allgemeine Arbeit, bei zweiterem wird unmittelbar Arbeitskraft vernutzt. Wenn also mit dem Bauplan vorhandenes Wissen in die Form der Produktionsvorbereitung gebracht wird, dann ist das Teil der wertproduktiven Arbeit, die schließlich zum Produkt führt. Die Frage der Wertschöpfung hat also nichts mit der Naturalform des Guts (stofflich oder nicht) zu tun -- auch wenn ich schon mehrfach in diese Ecke gedrängt werden sollte (nicht von dir).

(3.3.1.2) 29.06.2007, 16:48, Hans-Gert Gräbe: Aber der Stuhl aus (3.1) ist ja nur deshalb interessant, weil es das allgemeine Wissen gibt, was man mit einem solchen Stuhl anfangen kann, und das weniger allgemeine Wissen, wie man einen solchen Stuhl herstellt. Inkl. der mehr oder weniger verbreiteten Erfahrung, dass das mit dem Besteigen der Lehne schief gehen kann. Sind dieses Wissen und diese Erfahrungen nicht als existent vorausgesetzt, ehe "Vervielfältigung einen neuen Herstellakt erfordert"? Wo beginnt die Warenförmigkeit des Stuhls - oder wie sonst drückst du das aus? Mir scheint, auch am Stuhl gibt es was Nichtwarenförmiges, was man z.B. durch ein Stuhlpatent warenförmig machen könnte. Jenseits der Frage, dass es nicht erteilt würde, weil der Stuhl ja bereits "erfunden" ist.

(3.3.1.2.1) 02.07.2007, 11:55, Stefan Meretz: Zustimmung. All das, was es an allgemeinem gesellschaftlichem Wissen über den Stuhl gibt, ist Voraussetzung von (Wert-) Produktion, ist nicht aber diese selbst; es ist gewissermaßen das "nichtwarenförmige" daran. Das haben alle Produkte, und was das historisch jeweils konkret ist, hängt von Stand der Produktivkraftentwicklung ab.

(3.4) Universalmaschine, 01.07.2007, 21:55, Wolf Göhring: Kann die universalmaschine auch bohren, kaffekochen und hemdknoepfe annaehen?

(3.4.1) Re: Universalmaschine, 03.07.2007, 15:23, Stefan Meretz: Na klar, wenn du ihr eine entsprechende Produktionsmaschine zur Seite stellst, die sie steuern kann.

(3.4.1.1) Re: Universalmaschine, 04.07.2007, 22:49, Wolf Göhring: Was ist an einer universalmaschine universal, wenn ich zum kaffeekochen eine - kaffeemaschine danebenstellen muss? Da koch ich doch gleich den kaffee in der kaffeemaschine. Warum verwendest du statt "universalmaschine" nicht den seit jahrzehnten bestehenden begriff "universal computer" oder "universalrechner" oder deutsch-bandwuermig "datenverarbeitungsanlage"? Warum wird mit dem wort "universalmaschine" ein grosser, um nicht zu sagen "universeller" popanz aufgebaut, der dem wort "elektronengehirn" in nichts nachsteht?

(3.4.1.1.1) Re: Universalmaschine, 05.07.2007, 08:44, Franz Nahrada: Der Punkt ist korrekt. Die Universalmaschine wird es nicht geben, aber zugleich hat die Digitalisierung dazu geführt, dass unser "Universalrechner" (auch kein glückliches Wort) eben in ale möglichen Maschinen (also viele verschieden) eingebaut werden kann und überhaupt mit flexiblen Automaten verbunden werden kann. Die neuen Möglichkeiten die das eröffnet hab ich hier zu skizzieren versucht. Dass die Universalmaschine als Fabrikator ein ärgerlich dümmlicher moderner Mythos geworden ist, ist freilich zu bedauern.

(3.4.1.1.2) Re: Universalmaschine, 05.07.2007, 23:52, Stefan Meretz: Das Adjektiv "universal" für die Produktionsmaschine habe ich zugegeben zu universell formuliert in dem Sinne, den du zugespitzt illustrierst. "Da koch ich doch gleich den kaffee in der kaffeemaschine" steht wiederum für die andere Seite der starren unifunktionalen Produktionsmaschine des Fordismus. Woraufs mir ankommt, ist die Trennung in flexible (ok?) Produktionsmaschinen, die für-sich noch nix herstellen (können), und universellen Algorithmusmaschinen, die vermittels Software jene flexiblen Produktionsmaschinen in Spezialmaschinen "verwandeln".

(3.4.1.1.2.1) Re: Universalmaschine, 12.07.2007, 23:05, Wolf Göhring: D'accord

(4) Drittens: Informationsgüter sind genuin nicht-exklusiv, d.h. sie schließen niemanden von der Nutzung aus. Sie sind ferner nicht-rivalisierend im Gebrauch -- meine Nutzung beschränkt andere in ihrer Nutzung nicht. Informationsgüter gewinnen ihren Nutzen im Gebrauch, während konventionelle Güter ihn dort sukzessive verlieren. Informationsgüter können nur »moralisch verschleißen« (Marx), konventionelle Güter hingegen vor allem technisch.

(4.1) Exklusivität, 27.06.2007, 19:52, Matthias Schulz: Jegliches gesellschaftliche Produkt ist genuin nicht-exklusiv.
Die nicht-Exklusivität erscheint nur am Informationsgut aufgezwungen, weil hier Konsumtions- und Produktionsmittel zusammenfallen. Ich verfüge also über die Produktionsmittel und eine Einschränkung auf die Konsumtion erfahre ich als solche.
Das gleiche gilt jedoch auch für die stofflichen Waren. Auch hier bin ich auf die Konsumtion beschränkt, was ich jedoch nicht als eine Beschränkung erfahre, da ich von vornherein nicht über die Produktionsmittel verfüge.
Und das ist der eigentliche Unterschied imho, die Verfügung über die Produktionsmittel. Das Brötchen ist nicht auschließend aufgrund seiner Stofflichkeit, sondern weil ich darauf beschränkt bin, es so zu nutzen wie es mir als gegebenes entgegentritt. Verfügte ich über die Produktionsmittel wäre es nicht auschließend und auch nicht rivalisierend.

(4.1.1) Re: Exklusivität, 28.06.2007, 08:44, Stefan Meretz: Auch im Kommunismus kann niemand weiteres das Brötchen verzehren, das du gerade verzehrt hast. -- Du nimmst hier eine (sympatische) andere Perspektive ein. Du diskutierst die Frage, wie man denn gesellschaftlich mit jener Tatsache umgehen kann, dass sich ein Brötchen im Konsum rival und exklusiv verhält -- richtig, indem man neue Brötchen herstellt, weil man u.a. über die Produktionsmittel verfügt. Das ist ein Thema (neben anderen) meines Warenformaufsatzes.

(4.1.1.1) Re: Exklusivität, 28.06.2007, 17:58, Matthias Schulz: Werde ich bei der Nutzung einer Software auf die Konsumtion beschränkt, kann sie also nicht vervielfältigen, kann auch niemand anderes sie nutzen, während ich sie verwende. Das Universalgut verhält sich also bei einer Beschränkung auf die Konsumtion ebenfalls rival und exklusiv. Diese Beschränkung ist weder dem Brötchen, noch dem Universalgut genuin, sondern den bestimmten Produktionsverhältnissen geschuldet.

(4.1.1.1.1) Re: Exklusivität, 29.06.2007, 13:13, Stefan Meretz: Das ist ein Irrtum: Wenn du eine Kopie der Software nutzt -- und du nutzt immer eine Kopie --, tangiert das niemanden. Universalgüter sind in der Nutzung nicht-rival und nicht-exklusiv. Das hängt nicht von den Produktionsverhältnissen ab.

(4.1.1.1.1.1) Re: Exklusivität, 01.07.2007, 11:49, Matthias Schulz: Wenn ich ein Brötchen verzehre, hindert das ebenfalls niemanden daran, ebenfalls ein Brötchen zu verzehren. Ich sehe den Unterschied wirklich nicht.

(4.1.1.1.1.1.1) Re: Exklusivität, 02.07.2007, 11:57, Stefan Meretz: Wenn du ein Brötchen verzehrst, kann dieses Brötchen niemand anderes verzehren. Es müsste ein weiteres Brötchen hergestellt werden.

(4.1.1.1.1.2) Re: Niemand, 02.07.2007, 00:25, Wolf Göhring: "Wenn du eine Kopie der Software nutzt ... tangiert das niemanden."

Wenn ich software nutze, dann ziehe ich elektrische energie aus dem netz. War schon anno 1960 so, als ich erstmals software nutzte. Zugegeben, das umkippen eines bits hat damals mehr energie erfordert als heute. Aber wenn heute so an die 10 millionen leute in D tsoftware nutzen, dann ziehen sie soviel Watt aus dem dem netz, wie ein block des AKW Biblis zu liefern vermag. Die leistung kann auch von windmuehlen oder andern generatoren kommen.

Und das alles soll wirklich niemanden tangieren?

Das ist so maerchenhaft wie jene erzaehlung, ein AKW verbreite keine schadstoffe, weil nichts davon zu sehen ist.

(4.1.1.1.1.2.1) Re: Niemand, 02.07.2007, 11:57, Stefan Meretz: Du sprichst über das Netz, ich über die Software.

(4.1.1.1.1.2.1.1) Re: Niemand, 04.07.2007, 22:56, Wolf Göhring: Ich habe wie du ueber software und deren nutzung gesprochen. Du hast formuliert: "Wenn du eine Kopie der Software nutzt ... tangiert das niemanden."

In dieser behauptung hast du die physische seite zusammen mit der gesellschaftlichen nicht nur ausgespart, sondern verneint. Die welt hoert bei mir nicht an der schuko-dose auf. Du nutzt software - praktisch immer ist's eine kopie - bestimmt nicht ohne elektrische energie und ohne den gesellschaftlichen hintergrund, wo einige leute auf schicht sind, um diese energie - heutzutage im austausch - zu liefern. Ueber software und ihre nutzung zu reden, ohne ueber den physischen und gesellschaftlichen hintergrund zu reden, ohne den software keine software ist, heisst meines erachtens, das thema zu verfehlen.

Und selbst wenn du ganz autonom mit solarzellen und batterien auf "deinem" computer software nutzt, so musst du zuvor all das in der gesellschaft zusammengeklaubt haben. Software ganz ohne computer zu nutzen ist noch nicht aktuell. Software zu nutzen ist deshalb nicht zu haben, ohne dass es in der gesellschaft einige viele tangiert.

Deine formulierung halte ich fuer so (fahr-)laessig wie "ex und hopp".

(4.1.1.1.1.2.1.1.1) Re: Niemand, 06.07.2007, 00:02, Stefan Meretz: Du hast ja recht, aber das ist nicht mein Punkt. Die Auseinandersetzung ging um den Begriff der Rivalität. Software ist ein nicht-rivales Gut: "Wenn du eine Kopie der Software nutzt ... tangiert das niemanden." Und ja: Einmal mit Google suchen kostet soviel wie eine Stunde einer 11 Watt Lampe. Usw.

(4.1.1.1.1.2.1.1.1.1) Re: Software ist rival, 12.07.2007, 23:13, Wolf Göhring: Ich halte software fuer ein rivales gut. Es bedarf eines datentraegers, denn die software schwabert nicht als esoterischer luftgeist durch den aether. Damit die software - auf einem traeger - software wird, muss sie "laufen": ohne computer, auf dem sie laufen kann, ist sie ebenso wenig software. Zum laufen bedarf es elektrischer energie. Erst dann wird sie wirklich software. Alle diese mittel, durch die software ueberhaupt software wird, sind nicht rival. In zeiten von lochkarten und bits in daumengrossen roehren à la ECC81 (oder so) war das noch offensichtlich.

Bei Jaquards steuerung eines webstuhls mittels lochbrett war das ebenso offensichtlich. Entfernt man vom lochbrett das holz, dann hat man nicht die reine, nicht-rivale software der loecher an sich, sondern gar nichts.

Aber das ist jetzt nicht anders.

(4.1.1.1.1.2.1.1.1.1.1) Re: Software-TRÄGER ist rival, 13.07.2007, 11:18, Stefan Meretz: "Ich halte software fuer ein rivales gut. Es bedarf eines datentraegers..." -- Wissen bedarf immer eines Trägers, es ist aber gerade wegen seiner Entkopplung von einem bestimmten Träger nicht-rival. Wenn du dir die Löcher vom Jaquard-Webstuhl aufgemalt oder wie auch immer notiert, fotografiert oder auch nur auswendig gelernt hast, dann hast du die "Software der Löcher". Ganz sicher: Die "Software der Löcher" vom Jaquard-Webstuhl kannst nicht mehr aus der Welt entfernen, in dem du im Museum das Holz drumherum klaust. -- Hier übrigens ein nettes Foto: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Jacquard01.jpg

(4.1.1.1.1.2.1.1.1.1.1.1) Re: Software-TRÄGER ist rival, 15.07.2007, 00:11, Wolf Göhring: Was meinst du, was los ist, wenn du "bloss" das holz vom lochbrett - selbstredend ohne loecher - aus dem museum fort nimmst? All die andern lochbretter, die zufaellig nicht im museum gelandet sind, sind futsch, mitsamt der software, sie ist aus der welt.

Die software der loecher des programms meiner diplomarbeit ist weg. Ein skript hab ich auch nicht mehr. Details hab ich nimmer im kopf, obwohl ich's mal fast auswendig konnte. Das informationsgut ist futsch, vernichtet mit den traegern, da unaufloeslich mit solchen verbunden.

Ich hab noch nie andre als rivale software produziert. Software ist nicht gleichgueltig gegen den traeger. Mit einem fotografierten lochbrett laesst sich der (alte) webstuhl nicht steuern. Ohne passenden webstuhl ist die ganze software nix, genauso wie jene nicht entzifferbare schrift auf den alten scherben.

Was ist wissen in deiner antwort? Ich hab noch nie wissen ausser in einem menschlichen kopf vorgefunden.

(5) Viertens: Informationsgüter können exklusiviert werden, indem technische Zugangsschranken den Zugriff ver- oder wenigstens behindern. Doch auch diese technischen Zusätze ändern nichts am universellen Charakter des Guts. Technische Zusätze machen aus Universalgütern keine Waren, dennoch ändert sich ihre Form in paradoxer Weise: Sie werden zu privatisierten Universalgütern. Werden die Techniksperren entfernt, tritt die Universalität wieder uneingeschränkt hervor. Das Knacken von Kopierschutz ist ein Akt der Entprivatisierung, des Wiederherstellens des universellen Charakters des Informationsguts.

(5.1) Was sagt dieser Abschnitt aus?, 27.06.2007, 07:46, Maike Arft-Jacobi: Nicht nur Informationsgüter können exklusiviert werden, auch andere Güter. Autos z.B. werden abgeschlossen, um sie nicht gebrauchen zu können - auch wenn der Besitzer 2 Wochen in Urlaub ist.

"Technische Zusätze machen aus Universalgütern keine Waren": kein technischer Zusatz macht aus irgendeinem Gut eine Ware.

"dennoch ändert sich ihre Form in paradoxer Weise: Sie werden zu privatisierten Universalgütern": es ändert sich bisher lediglich die Bezeichnung für eine phänomenologisch behauptete Kategorie von Gütern. Die Form, die Güter annehmen, ist ein gesellschaftliches Verhältnis und als solches konstruiert, historisch, änderbar.

"Werden die Techniksperren entfernt, tritt die Universalität wieder uneingeschränkt hervor": nur, wenn diese Sperren als dem Gut äußerlich aufgefasst werden. Was spricht dagegen, dass im Sinne des Kapitalismus solche Sperren als dem Gut wesentlich konstruiert/produziert/aufgefasst werden? Dass die Technik noch nicht so weit ist wie bei gentechnisch verändertem Saatgut, das sich nicht zur Wiederaussaat eignet und proprietäre "Schädlings"bekämpfungsmittel braucht? Thomas Müntzer konnte sich auch mal nicht vorstellen, wie ein Wald Privateigentum werden könnte. Diejenigen, die sich Brennholz holen wollten, wurden dann eben wegen "Diebstahl" in den Knast gesperrt.

"Das Knacken von Kopierschutz ist ein Akt der Entprivatisierung": das Knacken von Autos und die gentechnische Veränderung gentechnisch veränderten Saatguts zwecks Wiederaussaat auch.

"Das Knacken von Kopierschutz ist ein Akt ... des Wiederherstellens des universellen Charakters des Informationsguts": Entsteht dieser "Charakter" bzw. das, was "wieder hergestellt" wird, im asozialen Raum? Wenn ja: Wo hört dann das Gut genau auf, Gesellschaftsprodukt zu sein?

(5.1.1) Exklusivierung, 27.06.2007, 15:05, Stefan Meretz: "Nicht nur Informationsgüter können exklusiviert werden, auch andere Güter. Autos z.B. ..." Stimmt. Andere, Autos z.B., sind aber von vornherein keine Universalgüter.

(5.1.2) Warenform, 27.06.2007, 15:06, Stefan Meretz: "kein technischer Zusatz macht aus irgendeinem Gut eine Ware." Stimmt. Auch nicht aus Universalgütern.

(5.1.3) Güterform, 27.06.2007, 15:07, Stefan Meretz: "Die Form, die Güter annehmen, ist ein gesellschaftliches Verhältnis und als solches konstruiert, historisch, änderbar." Stimmt. Nichts anderes behaupte ich -- in diesem Fall für Universalgüter.

(5.1.3.1) 29.06.2007, 16:51, Hans-Gert Gräbe: Das verstehe ich nicht. Erstens verstehe ich die Sprachkonstruktion "die Form, die Güter annehmen, ... ist ein Verhältnis" rein logisch nicht. Das mit dem Spiegeln habe ich noch verstanden, aber "ist"? Verweis auch auf die sprachkritischen Ausführungen in (Ruben-98). Zweitens verstehe ich die Kategorialität der Aussage nicht. Um es plump zu fragen: Hat ein Stuhl in einem anderen gesellschaftlichen Verhältnis eine andere Form, oder werde ich ihn trotzdem wiedererkennen?

(5.1.3.1.1) 02.07.2007, 12:18, Stefan Meretz: Das "ist" ist prachlich nicht glücklich, aber du weisst schon, was gemeint ist? Und zweitens erkennst du den Stuhl ob seiner Naturalform und nicht seiner Warenform -- ich würde mir also keine Sorgen machen.

(5.1.3.1.1.1) 15.07.2007, 11:25, Hans-Gert Gräbe: "Du weißt, was gemeint ist"? Nicht wirklich. Eigentlich verstehe ich hier gar nichts. Weder, was du hier mit "Form" meinst noch mit "Gut" noch mit "gesellschaftlichem Verhältnis". Ich habe nicht begriffen, was denn nun ein "Gut" ist, wenn es für dich offensichtlich beim Stuhl nicht das Anfassbare ist (seine "Naturalform"), aber hier auch nicht seine "Warenform", sondern das "privatisierte Universalgut". Muss es nicht korrekt Privatisierte-Universalgut-Form heißen, weil das, was du als "privatisiertes Universalgut" bezeichnest, auch nur eine - weitere - Form des "Guts" ist?
Dass eine Sperre gegen etwas sperrt und insofern hier eine Einschränkung wirksam wird, das sagt ja schon der Name. Dass diese Einschränkung fällt, wenn die Sperre entfernt wird, ist ebenso logisch. Dass sich damit die Form, insbesondere auch die Form der Nutzung (hat dieser Formbegriff mit deinem hier verwendeten Formbegriff was zu tun?) ändert, ist (mir) ebenso klar.
Dass Etwas nicht Ware ist, sondern (neben vielen anderen trefflichen Eigenschaften auch) die Eigenschaft Ware hat, findest du bei Ruben genauestens ausargumentiert. Aus haargenau denselben Gründen erscheint mir, dass Etwas nicht Universalgut ist, sondern (neben vielen anderen trefflichen Eigenschaften) die Eigenschaft Universalgut hat.
Inwieweit Etwas auch nicht Form ist, sondern Form hat, wäre an der Logikargumentation von Ruben mal durchzudeklinieren, wenn ich verstanden habe, was du mit "Form" meinst.

(5.1.3.1.2) Ruben, 17.08.2007, 17:31, Stefan Meretz: Da du Ruben so gerne anführst, habe ich mir "Ist die Arbeitskraft eine Ware?" (1995) und "Was bleibt von Marx' ökonomischer Theorie?" (1998) mal angesehen. Ich werde mir wohl nichts weiteres von ihm ansehen, weil ich kein Interesse an bürgerlicher Ökonomietheorie habe. Genau das macht Ruben aus der marxschen politischen Ökonomie, und zwar mit einem Trick, der mich nachdenklich macht: "Es wird gewiß kein Einwand erhoben werden, wenn ich nun grundsätzlich unterstelle, die Ökonomie als empirische Wissenschaft zu betrachten". Das ist Unfug, und zwar ein spezieller Unfug, aus der politischen Ökonomie erst Ökonomie macht und die dann zur empirischen Wissenschaft. Aber nachdenklich macht mich, dass es offensichtlich in der realsozialistischen Debatte so war, wie Ruben selbstverständlich vorschlägt und sich sicher ist, auf allfälliges Kopfnicken zu stoßen. Die BWL und VWL sind empirische Wissenschaften, und dazu macht Ruben die politische Ökonomie von Marx. Deswegen kennt er grundsätzlich auch keinen Unterschied von Wert und Preis, denn man muss ja rechnen können. Deswegen unterstellt er Marx, dass der keine Ahnung von Mathematik hat, weil die Größen in seinen Gleichungen nicht mathematisch gleichsetzbar sind. Etc. Und nun wird mir auch klar, warum der Unterschied von "etwas ist Ware" zu "etwas hat die Eigenschaft Ware" so bedeutend ist: Es ist in der Tat der Unterschied ums Ganze. Begreife ich die Analysen Marx' kategorial, dann verstehe ich, was eine Ware ist. Lese ich Marx empiristisch, dann wimmelt es von Eigenschaften, die ich quantifizieren möchte. Dann wird Produktion und Ökonomie zu einer scheinbar neutralen überhistorischen Daseinsweise der Menschheit, ein Quasi-Naturtatbestand, der reguliert werden will.

(5.1.3.1.2.1) 21.08.2007, 15:12, Hans-Gert Gräbe: "Es ist in der Tat der Unterschied ums Ganze...." In der Tat. Es ist die Frage, ob du im Gestrüpp Hegelscher Begriffsbildungen steckenbleibst oder bei aller Theorie den Gegenstand derselben "empiristisch" im Auge behältst. Ob es unter den neuen Verhältnissen schlicht einer Reinterpretation Marxscher Kategorien bedarf oder diese doch auch selbst zu adjustieren sind. Worin sich dieser "bürgerliche Ökonom", der dafür auch zu DDR-Zeiten viel Dresche bekommen hat, seit vielen Jahrzehnten versucht. Der zitierte Aufsatz ist wohl als so etwas wie sein Legat zu betrachten. Soviel mal nur zu deinem Kommentar, der sich ansonsten bestens selbst kommentiert. Zum Thema "überhistorisch" steckt die Diskussion anderenorts ja auf dieselbe Weise fest.

(5.1.4) Zugriffssperren, 27.06.2007, 15:10, Stefan Meretz: "Was spricht dagegen, dass im Sinne des Kapitalismus solche Sperren als dem Gut wesentlich konstruiert/produziert/aufgefasst werden?" Die Praxis der Piraterie, des Hacking und Cracking, der Freien Software, der Freien Kulturbewegung etc. Es ist keine Frage der Vorstellung von Privateigentum. Heute ist ist es eher umgekehrt: (Fast) Niemand kann sich eine Welt mehr ohne Privateigentum vorstellen.

(5.1.5) Entprivatisierung, 27.06.2007, 15:16, Stefan Meretz: "das Knacken von Autos und die gentechnische Veränderung gentechnisch veränderten Saatguts zwecks Wiederaussaat (ist) auch" ein Akt der Entprivatisierung. Auto - nein, Saatgut-Gen - ja. Mir geht's hier um die Entprivatisierung der Privatisierung allgemeiner Arbeit. Das Knacken des Autos ist eine Akt der individuellen Entprivatisierung des singulären Guts, den Gencode wieder zu reparieren, bedeutet hingegen eine Entprivatisierung eines allgemeinen Guts (nicht des konkreten Saatguts der Charge xy, sondern der Fähigkeit zur Wiedersaat).

(5.1.6) Universeller Charakter, 27.06.2007, 15:18, Stefan Meretz: "Entsteht dieser (universelle) "Charakter" bzw. das, was "wieder hergestellt" wird, im asozialen Raum? Wenn ja: Wo hört dann das Gut genau auf, Gesellschaftsprodukt zu sein?" -- Nein, das Wiederherstellen geschieht im sozialen Raum, eben weil es sich um ein Universalgut oder mit anderen Worten: um eine gesellschaftliches Gut handelt.

(5.4) privatisierte universalgueter, 01.07.2007, 22:01, Wolf Göhring: Ich find's echt spassig: Das neue krisis-heft kommt als privatisiertes universalgut auf die welt. Oder ist gedruckte denke kein universalgut, aber elektrifizierte denke doch?

(5.4.1) Re: privatisierte universalgueter, 02.07.2007, 23:05, Stefan Meretz: Du hast es erkannt: Auch der Inhalt des Krisis-Heftes ist ein privatisiertes Universalgut. So ist das mit der Wertform: Bezahlgut muss sein, da können auch die kritischsten KritikerInnen nicht dran vorbei.

(5.7) 27.06.2007, 20:03, Matthias Schulz: Durch technische Zugangsschranken soll die Trennung von Produktion und Konsumtion hergestellt werden. Diese Trennung ist notwendig, da sonst Produktion gar nicht erst stattfindet. Dasselbe bei stofflichen Gütern!?

(5.7.1) Trennung von Produktion und Konsum?, 28.06.2007, 08:51, Stefan Meretz: Zwar fallen bei Informationsgütern, wie du oben sagst, Produktions- und Konsumtionsmittel häufig (jedoch nicht immer) zusammen, nicht jedoch damit automatisch Produktion und Konsumtion. Der "Prosumtionsfall" ist IMHO immer noch der seltenere. Ich verstehe dann nicht, warum Produktion und Konsumtion getrennt werden müssen, damit Produktion überhaupt stattfindet. Was ist zum Beispiel bei Dienstleistungen?

(5.7.1.1) Re: Trennung von Produktion und Konsum?, 28.06.2007, 18:16, Matthias Schulz: Ist es bei der Produktion Freier Software nicht notwendig das Produktion und Konsumtion nicht getrennt sind? Sonst wären es ja weiterhin entfremdete Verhältnisse. Diese Art der Produktion bedarf der Sphärentrennung also gerade nicht, um stattzufinden, denn es handelt sich nicht um Produktion für den Tausch, also um keine Warenproduktion.
Bei der Produktion für den Tausch ist die Trennung der Sphären notwendig, sonst wäre ich ja im Besitz des von mir hergestellten Produktes und es könnte kein Tausch mehr stattfinden, oder?

(5.7.1.1.1) Re: Trennung von Produktion und Konsum?, 29.06.2007, 13:23, Stefan Meretz: Die Trennung von Produktion und Konsumtion ist weder Bedingung für Warenproduktion noch Kriterium für Entfremdung (siehe Dienstleistungen). Entfremdung heisst Produktion für einen fremden Zweck (Geldvermehrung) und nicht für den eigenen (verallgemeinerten Nutzen). Und die Sphärentrennung und Besitz des eigenen Produkts sind zwei paar Schuh: Trotz Sphärentrennung kannst du (oder meinetwegen "die Arbeiter des Betriebs") im Besitz des Produkts sein -- etwa bei Genossenschaften. Solange die Produktion für einen fremden Zweck stattfindet, herrscht auch Entfremdung.

(5.7.1.1.1.1) Re: Trennung von Produktion und Konsum?, 01.07.2007, 12:09, Matthias Schulz: Die Sphäre der Konsumtion möchte ich verstehen als Sphäre, in der ich meinen Bedürfnissen gemäß tätig bin. Aber da sie die Produktion aus sich ausschließt, kann ich die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung nur nutzen, wie sie mir entgegentreten, habe aber keinen Zugriff darauf.
In der Sphäre der Produktion stelle ich die Verhältnisse, unter denen ich lebe, her. Aber, da sie die Sphäre der Konsumtion aus sich ausschließt, nicht meinen Bedürfnissen gemäß, sondern von konkreten Bedürfnissen überhaupt abstrahierend.
Entfremdung und Sphärentrennung sind für mich ein und dasselbe.

(5.7.1.1.1.1.1) Re: Trennung von Produktion und Konsum?, 02.07.2007, 12:30, Stefan Meretz: Das entspricht IMHO nicht dem Marxschen Entfremdungsbegriff, aber ok. Angenommen, dein Begriff der Entfremdung als Sphärentrennung träfe zu, dann erleben wir derzeit einen Prozess Aufhebung der Entfremdung, weil die Reproduktionssphäre (Sphäre der Konsumtion) zunehmend der Verwertung untergeordnet wird. Das ist allerdings eine Form der "negativen" Aufhebung, also Verhunzung und Zerstörung, wie wir sie in größer werden Teilen der Welt beobachten können. Und es ist -- jetzt wieder mit dem Marxschen Entfremdungsbegriff gedacht -- eine Form der Zuspitzung der Entfremdung: Ich bin nicht nur für einen fremden Zweck produktiv tätig (sofern überhaupt noch), sondern entfremde mich leibhaftig von allem und jedem, weil ich alle und auch mich selbst als Fremde empfinden und behandeln muss.

(5.7.1.1.1.2) 15.07.2007, 11:29, Hans-Gert Gräbe: Wieso ist Geldvermehrung ein fremder Zweck? Ist es nicht umgekehrt der Gebrauchswert, der auf "Produktion für einen fremden Zweck" abstellt, wie Ruben hier bei Marx liest: "Wenn ich mehr producire, als ich unmittelbar selbst von dem producirten Gegenstand brauchen kann, so ist meine Mehrproduktion auf dein Bedürfniß berechnet, raffinirt. Ich producire nur dem Schein nach ein Mehr von diesem Gegenstand. Ich producire der Wahrheit nach einen andern Gegenstand, den Gegenstand Deiner Produktion, den ich gegen dieß Mehr auszutauschen gedenke." Geht es also nicht vielmehr an dieser Stelle um einen entfremdeten eigenen Zweck (womit natürlich Entfremdung durch sich selbst erklärt würde)? Welche Rolle spielen in dem Thema aber nun die wirklich fremden Zwecke und die Tatsache, dass in einer fortgeschrittenen arbeitsteilig organisierten Gesellschaft immer (unmittelbar) "für einen fremden Zweck" produziert wird?

(5.7.1.1.2) Freie Software, 29.06.2007, 13:29, Stefan Meretz: Freie Software gibt "nur" dem, was sowieso schon stattfindet, eine angemessene Form. FS ist nicht deswegen keine Ware, weil sie etwa nicht geatuscht würde -- auch proprietäre Software wird nicht getauscht, sondern verteilt. Während PS jedoch durch Rechtsform oder Technikrestriktion den Nutzen einschränken will, um Geld abzuziehen, findet diese künstliche Beschränkung bei FS nicht statt. Auch die allgemeine Arbeit kann sich in FS in freier Form entfalten und unterliegt nicht privaten Einschränkungen. Etc. In Freier Software kommt das, was da ist, zu sich.

(5.7.3) 29.06.2007, 16:52, Hans-Gert Gräbe: Wolf betont im Beispiel seiner Tasse Kaffee immer die lange Kette vom Kaffeebauern zum Kaffeetrinker. Die meisten Konsumtionsakte - genauer: Kaufakte, aber nur darauf kommt es ja bei Waren an - sind also zugleich Akte des Produzierens - genauer: Voraussetzung dafür. Welche Bedeutung hat diese Trennung zwischen Produktion und Produktion für dich? Spielt sie hier irgendeine Rolle?

(5.7.3.1) Produktive Konsumtion?, 02.07.2007, 12:37, Stefan Meretz: Was du beschreibst, sind Kauf und Weiterverarbeitung, aber keine Konsumtionsakte, bei denen das Gekaufte verbraucht wird. Allerdings gibt es die produktive Konsumtion, also der Verbrauch des Gekauften in der Produktion. Meinst du das: "Die Arbeit verbraucht ihre stofflichen Elemente, ihren Gegenstand und ihr Mittel, verspeist dieselben und ist also Konsumtionsprozeß. Diese produktive Konsumtion unterscheidet sich dadurch von der individuellen Konsumtion, daß letztere die Produkte als Lebensmittel des lebendigen Individuums, erstere sie als Lebensmittel der Arbeit, seiner sich betätigenden Arbeitskraft, verzehrt. Das Produkt der individuellen Konsumtion ist daher der Konsument selbst, das Resultat der produktiven Konsumtion ein vom Konsumenten unterschiednes Produkt." (MEW 23, S. 198)

(5.7.3.1.1) 15.07.2007, 11:31, Hans-Gert Gräbe: Was heißt für dich "Konsumtion von Informations- bzw. Universalgütern"? Ist sie nicht (fast immer) "produktive Konsumtion" im hier aufgerufenen Sinne?

(6) Fünftens: Die »soziale Hieroglyphen« (Marx), also die durch die Güter vermittelten sozialen Beziehungen, unterscheiden sich bei privatisierten Universalgütern und Waren beträchtlich. Die bürgerliche Gesellschaft hat keinen Begriff davon und hält schlicht alle Arten von Bezahlgütern für »Waren«, aber sie hat die Differenz gleichwohl rechtlich kodifizert: Während das Eigentum an traditionellen Gütern in der Regel exklusiv auf den Käufer übergeht, wird dem Käufer des Informationsguts lediglich ein limitiertes Mitnutzungsrecht gewährt.

(6.1) Gilt nicht exklusiv für Informationsgüter, 27.06.2007, 07:56, Maike Arft-Jacobi: Es sollen ja Argumente dafür sein, dass digitale Informationsgüter weder Waren noch im ökonomischen Sinne werthaltig sind. Da dieser Punkt auch für werthaltige Güter gilt, gehört er nicht hierher.

Digitale Informationsgüter könnten außerdem so produziert werden, dass sie exklusives Eigentum darstellen. Das ist eine technisch lösbare Angelegenheit.

(6.1.1) Re: Gilt nicht exklusiv für Informationsgüter, 27.06.2007, 15:29, Stefan Meretz: Ich weiss nicht, welche Güter du hier im Sinn hast. Ein klassisches Beispiel sind Mietwohnungen. Die jedoch gehen als singuläre Güter in den Besitz (nicht in das Eigentum!) des Mieters über. -- Und dem Technikargument hast du selbst widersprochen. Und ich halte das zudem auch technisch nicht für lösbar.

(6.1.2) 29.06.2007, 16:53, Hans-Gert Gräbe: Aber mit der Inbesitznahme teilen sich dann Eigentümer und Besitzer die Verantwortung für die Bewirtschaftung dieses Guts, und zwar auf einer rechtlich (hier: Mietvertrag sowie Mietvertragsrecht) geregelten Basis. Die, in dieser Gesellschaft, den Eigentümer voraussetzt, denn von dem aus startet das Rechtsgeschäft als Delegierung von Verantwortung für den Erhalt (letztlich gesellschaftlichen) Reichtums.

(6.2) Nutzungsrecht, 27.06.2007, 20:08, Matthias Schulz: Man mag es kaum glauben, aber das gilt für die stoffliche Ware genauso. Auch hier erwerbe ich nur die Möglichkeit es zu gebrauchen wie es mir entgegentritt. Ich kann es nicht meinen Bedürfnissen entsprechend umgestalten und meine Besonderheit hinzufügen. Ich nehme es also mitnichten im Ganzen in Besitz.

(6.2.1) Re: Nutzungsrecht, 28.06.2007, 08:56, Stefan Meretz: Und so ist das rechtlich kodiert? Nein, soweit ich weiss geht's im Recht genau um jene exklusive Verfügung und den Ausschluss Dritter. Das ist die rechtsförmige Widerspiegelung der "sozialen Hieroglyphe". Ob du nun zwecks Umgestaltung physisch an jede Schraube rankommst, ist unerheblich.

(6.2.1.1) Re: Nutzungsrecht, 28.06.2007, 18:23, Matthias Schulz: Es braucht nicht rechtlich kodiert zu werden, denn ich komme nicht mal auf die Idee etwas anderes mit der Ware machen zu können, als sie zu konsumieren und kann auch nichts anderes damit anfangen, da ich über die Produktionmittel nicht verfüge.

(6.2.1.1.1) Re: Nutzungsrecht, 29.06.2007, 13:34, Stefan Meretz: Es muss rechtlich kodifiziert sein und am besten auch technisch beschränkt. Und die sogenannten "Raubkopierer" (also fast alle) kommen sofort auf die Idee, das Universalgut -- Rechtform hin oder her -- zu vervielfältigen, was sie auch locker tun können, da ihre Kopiermaschine auf dem Tisch steht. Diese Kopiermaschine kann sogar Produktionsmittel werden, wenn Leute die Kopierschutze knacken oder wenn sie selbst Software herstellen etc.

(6.2.1.1.1.1) Re: Nutzungsrecht, 01.07.2007, 12:18, Matthias Schulz: Genau, ich meinte ja bei der stofflichen Ware braucht es nicht rechtlich kodifiziert zu werden, da ich sowieso nicht über die Produktionsmittel verfüge. Während das beim Universalgut notwendig ist, eben weil ich hier über die PM verfüge. Beide Male bin ich jedoch beschränkt auf die Nutzung des Produkts, und diese Beschränkung ist notwendiger Bestandteil der Produktionsverhältnisse.
Es tritt also am Universalgut nur das deutlich hervor und wird rechtlich kodifiziert, was schon immer Tatsache ist.

(6.2.1.1.1.1.1) Re: Nutzungsrecht, 02.07.2007, 12:42, Stefan Meretz: Auch bei der stofflichen Ware muss eine rechtliche Kodifizierung vorhanden sein. Auch dort wird rechtlich fixiert, was bereits Tatsache oder dabei ist, Tatsache zu werden. Dafür gibt's viele historische Beispiele. Was mich hier interessiert, ist die Tatsache, dass die rechtliche Kodifizierung bei Universalgütern eine andere ist als bei konventionellen Gütern, weil das, was hier fixiert wird (die soziale Form nämlich, die dadurch konstituiert wird), anders ist.

(6.2.1.2) Umgestaltung, 28.06.2007, 18:29, Matthias Schulz: Mir geht es auch nicht darum, an jede Schraube zu kommen oder eine Umgestaltung nur auf dem Niveau eines Hobbys vorzunehmen. Es geht darum, das in der Ware vergegenständlichte Wissen in Besitz zu nehmen. Dieses ist wesentlicher Bestandteil der Ware, bleibt mir aber verwehrt. Und nur durch die Verfügung über dieses Wissen wäre ich in der Lage, dem Produkt meine Besonderheit hinzuzufügen.

(6.2.1.2.1) Re: Umgestaltung, 29.06.2007, 13:50, Stefan Meretz: Das ist ein interessanter Punkt (mal ab von der eigentlichen Aussage des Absatzes: rechtsförmige Widerspiegelung der "sozialen Hieroglyphe"). Dazu ein paar Ideen. Das vergegenständlichte Wissen nehme ich bereits durch Nutzen des Gutes (nicht: Ware) in Besitz: Ich muss Verwendung und intendierten Zweck erlernen, muss mir die Software qualifikatorisch aneignen. Aber damit kann ich sie noch nicht umgestalten oder nur im vorgegebenen Rahmen (Konfiguration). Oder höchstens mit erheblichem Aufwand, was zum Beispiel beim bekannten Samba-Projekt stattfindet. Die produktive Nutzung ist mir weitgehend verwehrt, ist eben proprietäre Software. Aber auch bei Freier Software ist die Umgestaltung nicht so einfach. Ich muss das Umgestalten, also Programmieren schon gelernt haben. Dokumentationen und Lernbücher müssen verfügbar etc. Ein Community kann helfen. -- Das ist in der sozialen Form wie sie die FS herausgebildet hat wesentlich besser möglich, aber es ist kein wesentlicher Unterschied zu prop. Software.

(6.2.1.2.1.1) Re: Umgestaltung, 01.07.2007, 12:31, Matthias Schulz: Also hier bin ich jetzt sehr verwirrt. Erstmal ging es mir eigentlich um die stoffliche Ware und dabei um so etwas wie den Bauplan. Erst wenn ich über den verfüge, kann ich das Produkt umgestalten und erst dann hätte ich das Produkt vollständig in Besitz genommen. Ansonsten bin ich auf die Nutzung beschränkt, wie es mir gerade entgegentritt.

(6.2.1.2.1.1.1) Re: Umgestaltung, 02.07.2007, 12:52, Stefan Meretz: Dann hast du einen sehr weiten Begriff von "Besitz". Danach hätten wir nicht allzuviel im Besitz.

(6.2.1.2.1.2) Re: Umgestaltung, 01.07.2007, 12:34, Matthias Schulz: Das weitere ist, das ja nicht jeder ein Produkt an seine Bedürfnisse anpassen können muss. Es genügt, wenn es möglich ist. Dann werden sich auch welche finden, die es tun. Und da deren Bedürfnisse potentiell auch meine sind, werden meine gleich mit erfüllt.

(6.2.1.2.1.3) Re: Umgestaltung, 01.07.2007, 12:42, Matthias Schulz: Das du nun keinen wesentlichen Unterschied zwischen proprietärer und Freier Software siehst, verstehe ich gar nicht. Bedeutet das, dass es unwesentlich ist, ob ich über den Quellcode verfüge oder nicht?
Das ist auch eine Befürchtung von mir, wie die Universalgütertheorie den Blick verstellt. Ist das Universalgut nämlich schon ganz von sich aus keine Ware, unabhängig von dem was ich tue, so ist es auch unwesentlich was ich tue.

(6.2.1.2.1.3.1) Re: Umgestaltung, 02.07.2007, 12:48, Stefan Meretz: Ehm, ich habe doch geschrieben, dass ich einen zentralen Unterschied sehe: Die produktive Nutzung ist mir verwehrt. Damit bin ich von einem wesentlichen Teil der Verfügung abgeschnitten (ich würde das nicht identisch zum "Besitz" rechnen, ist aber egal).

(6.2.1.2.1.3.1.1) 15.07.2007, 11:32, Hans-Gert Gräbe: Wieso ist dir die produktive Nutzung verwehrt? Du darfst die Software nur nicht zu den speziellen Zwecken benutzen, zu denen du sie gern nutzen würdest - etwa als Steinbruch für eigenen Code. Darüber gibt es ein aktuelles gesellschaftliches Agreement (genauer - eine von den "Mächtigen" durchgesetzte Regelung), das dich und andere daran hindert, ihre Produktivität zu entfalten. Grund des Agreements ist ein aus einem Interessenkonflikt herrührender (natürlich auch ideologisch fundierter) Abwägungstatbestand: Wenn kein "Geld fließt", dann bricht die Wirtschaft zusammen, deshalb müssen in nachgelagerten Bereichen Schranken gesetzt werden, um dieses primäre Ziel zu erreichen. So behauptet die eine Seite. Du und viele andere sagen wohlbegründet "alles Quatsch", aber doch nicht deshalb, weil sie ein "Gut produktiv nutzen" wollen, sondern weil eine produktive Aktivität unmittelbar, ohne Umweg über eine "Trivialisierung" in ein "Produkt", in eine weitere produktive Aktivität eines anderen Akteurs übergeht. Oder wie ist das?

(6.4) Gueter vermitteln soziale beziehungen, 02.07.2007, 01:11, Wolf Göhring: "die durch die Güter vermittelten sozialen Beziehungen"

Das heisst, die gueter betaetigen sich als vermittler sozialer beziehungen. Die gueter sind also "mit eigenem leben begabte, untereinander und mit den menschen in verhaeltnis stehende selbstaendige gestalten. ... Dies nenne ich den fetischismus, der den arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als waren produziert werden ..."

Der zitatgeber ist so gut bekannt, dass ich auf seine ausdrueckliche nennung verzichte.

(6.4.1) Re: Gueter vermitteln soziale beziehungen, 02.07.2007, 12:59, Stefan Meretz: Ja, genau das meine ich, danke für das Zitat. Die Quelle sei trotzdem genannt, falls es jemand nachlesen will: MEW 23, S. 86f.

(7) Sechstens: Informationsgüter entstehen durch allgemeine Arbeit oder -- so sie in privatisierter Form als Bezahlgüter auftreten -- durch privatisierte allgemeine Arbeit. Darin gleichen sie der Wissenschaft. Konventionelle Güter hingegen erfordern den wiederkehrenden Einsatz unmittelbarer Arbeit bei der Herstellung. Folgt man Marx, so ist allgemeine Arbeit hinsichtlich ihrer Wertschöpfungspotenz unproduktive Arbeit, während allein unmittelbare Arbeit wertproduktiv ist. Das darf jedoch nicht zu der Gleichsetzung unmittelbar = stofflich = produktiv verkürzt werden. Unmittelbare Arbeit umfasst sowohl gegenständliche wie geistige Tätigkeiten. Produktive geistige Tätigkeiten sind jedoch nur jene, die vorhandenes Wissen im Produktionsprozess anwenden -- also solches Wissen, das etwa die Wissenschaft als Gratisproduktivkraft zur Verfügung gestellt hat --, nicht jedoch Tätigkeiten, die neues Wissen produzieren. Analog verhält es sich, wenn Wissen und Informationen die »gegenständliche«, aber gleichwohl flüchtige digitale Form annehmen: Durch allgemeine Arbeit geschaffene Informationsgüter universeller Natur verkörpern keinen Wert.

(7.1) Privatisierung allgemeiner Arbeit, 20.06.2007, 09:05, Stefan Meretz: Mir ist nochmal klar geworden, dass "privatisierte allgemeine Arbeit" nicht nur jene "entlohnte allgemeine Arbeit", sondern generell die Privatisierung allgemeiner Arbeit meint - ob entlohnt oder nicht. Dass heisst, dazu zählt auch die unentgeltliche Aneignung allgemeiner Arbeit, etwa jene, die die Freie Software leistet. Oder mit Hardt/Negri gedacht die "affektive Arbeit".

(7.2) Problem, 21.06.2007, 09:07, Franz Nahrada: Stefan, es wäre (vielleicht nicht hier, aber vielleicht doch) nochmal zu untersuchen ob Marx hier sich nicht selbst widersprochen hat und wenn nicht darauf hinzuweisen warum. Es gibt durchaus Stellen im Kapital wo es eine "Erweiterung des Begriffes der produktiven Arbeit" auf den "produktiven Gesamtarbeiter" als "Subjekt" (Agens) der Wertproduktion gibt. Leider sind die begrifflichen Differenzen zwischen geistiger Arbeit im Kontext besonderer Arbeiten und allgemeiner Arbeit in der Marxschen Werttheorie niemals explizit bestimmt worden, soweit ich weiß.

(7.2.1) Re: Problem, 22.06.2007, 14:14, Stefan Meretz: Kannst du (mir) solche Stellen nennen? -- Generell gilt, dass Marx kein Heiliger ist. Und wenn ich mich (und viele andere) gerade auf die "Grundrisse" berufen, dann muss man wissen, dass Marx hier laut gedacht hat. So findet man Passagen, wo Marx den gleichen Gedanken zig-mal formuliert, gerade so, als ob er sich selbst überzeugen muss. Und klarerdings sind die Begriffe bei Marx nicht immer konsistent. W.F.Haug sagt dazu "flüssige Begriffsverwendung". So kann mans sehen. Aber das heisst, dass Marx z.B. keinen festen Begriff von "allgemeiner Arbeit" hat. Wenn ich den jetzt hier so verwende, dass ist das (nicht nur) meine Vereindeutigung. Wir müssen da einfach selber denken, da hilft uns eine Exegese nicht weiter. Um ein paar Standards der marxschen Erkenntnisse streite ich mich dann aber schon:-)

(7.3) 25.06.2007, 00:25, Wolf Göhring: Wie kann "wissen die 'gegenstaendliche', aber gleichwohl fluechtige digitale form annehmen"?

(7.3.1) Gegenstand und digitale Form, 25.06.2007, 12:32, Stefan Meretz: Gegenstand meint keineswegs nur "Stoff", sondern auch "Sache", "Thema", "Angelegenheit" etc. - auch in der Umgangssprache. In diesem Sinne ist es hier gemeint. Die Anführungsstriche sollen die mögliche Doppeldeutigkeit anzeigen. Präziser noch ist W.F.Haug, dem ich zustimme, wenn er von der "nichtstofflichen Materialität der digitalen Objekte" spricht, um genau die beiden Aspekte (nichtstofflich, materiell als Existenzbegriff) in einen Begriff zu nehmen. Link: http://www.linksnet.de/artikel.php?id=818

(7.3.1.1) Re: Wissen und digitale Form, 26.06.2007, 23:41, Wolf Göhring: Schoen. Oben war schon geklaert, dass wissen und information verschiedenes ist. Jetzt nochmals meine frage ohne in die irre fuehrende beiwoerter: Wie kann wissen die digitale form annehmen?

(7.3.1.1.1) Re: Wissen und digitale Form, 27.06.2007, 15:30, Stefan Meretz: Durch Kodierung? -- Oder was meinst du?

(7.3.1.1.1.1) Re: Wissen und digitale Form, 28.06.2007, 12:27, Wolf Göhring: Umgekehrt: Was meinst du mit deinem satz "Analog verhält es sich, wenn Wissen und Informationen die »gegenständliche«, aber gleichwohl flüchtige digitale Form annehmen"?

Das versuchte ich durch meine fragen herauszufinden.

(7.3.1.1.1.1.1) Re: Wissen und digitale Form, 29.06.2007, 14:04, Stefan Meretz: Ich versuche zu antworten, wobei mir nicht klar ist, was dir nicht klar ist: Das Wort "analog" bezieht sich auf den vorstehenden Satz, in dem zwischen "Anwenden von vorhandenem Wissen" (=wertproduktiv) und "Schaffen von neuem Wissen" (=unproduktiv, durch allg. Arbeit entstanden) bei konventionellen Gütern ging. Geht es nun um digitale Universalgüter, so ist hier der Entwicklungsaufwand ("Schaffen von neuem Wissen") wesentlich höher als dann die Kopien zu erzeugen (macht im Downloadfall der Nutzer selbst). Daraus schließe ich: "Durch allgemeine Arbeit geschaffene Informationsgüter universeller Natur verkörpern keinen Wert."

(7.3.1.1.1.1.1.1) Re: Downloadfall, 01.07.2007, 23:25, Wolf Göhring: "macht im downloadfall der nutzer selbst": Das ist doch wohl 'ne illusion. Im downloadfall mach ich kaum mehr selbst, als wenn ich anner fritten-bude "1-mal pommes rot-weiss" sage. Hinter der NTBA-box faengt eine ganze nachrichtentechnische welt an, von der ich nicht 1 atom selbst dahin gezaubert habe. Und ohne dem geht mein downloadfall nicht. Selbst wenn's drahtlos geht, bedarf's noch einiger technischer einrichtungen jenseits meines zugriffs.

(7.3.1.1.1.1.1.1.1) Re: Downloadfall, 02.07.2007, 13:01, Stefan Meretz: Ja, ja, der User schaufelt nicht selbst die Bits und klebt sie auf Platte. Es benutzt dazu technische Mittel. Ok?

(7.3.1.1.1.1.1.2) Re: Wissen und digitale Form, 02.07.2007, 01:34, Wolf Göhring: Was ist in deiner formulierung "wenn Wissen und Informationen die »gegenständliche«, aber gleichwohl flüchtige digitale Form annehmen" information und was ist im unterschied dazu wissen? Was waeren, um noch eins hinzuzunehmen, daten, auch im unterschied zu den beiden andern?

An unserm fragen-ping-pong zeigt sich, dass dein wissen und mein wissen wohl etwas verschieden voneinander sind. Wenn nun dein wissen die digitale form annimmt, dann koennte ich mir das auf dem bildschirm angucken. Haette sich mein wissen um deines vermehrt bei diesem upload?

In den usa gibts einige hohepriester der kuenstlichen intelligenz KI, die prophezeien, dass man in wenigen jahrzehnten das gesamte wissen eines menschen wird digital downloaden koennen. Die kriegen sogar staatsknete fuer derlei schreibe.

(Waer das nicht doll, wenn dabbeljuhuh als usb-stick in fallschirmspringermontur daherkaeme?!)

(7.3.1.1.1.1.1.2.1) Daten, Information, Wissen, 02.07.2007, 13:09, Stefan Meretz: Gute Frage, um die ich mich derzeit drumherum drücken möchte. Es ist ein eigenes Thema, worüber sich auch schon Generationen den Kopf zerbrechen (bitte jetzt nicht wieder wörtlich nehmen, Wolf). Ich verspreche, ich liefere dazu etwas nach. Das kann ich schon mal sagen: Was die Hohepriester der KI sagen, ist großenteils Quatsch, aber immerhin immanent konsistenter Quatsch. Einiges kannst du auch schon hier nachlesen, insbeondere das Kapitel 3 Vom Ursprung der Bedeutungen und noch spezifischer Kapitel 3.3 Bedeutungen in der Informatik (darin auch einiges zur KI).

(7.3.2) 27.06.2007, 10:34, Hans-Gert Gräbe: "... Wissen und Informationen die "gegenständliche", aber gleichwohl flüchtige digitale Form annehmen" - du sprichst hier offensichtlich über einen Transformationsprozess. Kannst du näher ausführen, was für dich hier und wie genau transformiert wird? Am besten gleich unter Beachtung von (1.1.1)

(7.3.2.1) 27.06.2007, 15:32, Stefan Meretz: Uh, gute Frage, die nicht kurz zu beantworten ist. Ich verweise auch hierbei auf http://www.opentheory.org/info_kap_2/text.phtml

(7.4) Produktive Arbeit, 27.06.2007, 08:18, Maike Arft-Jacobi: Ist das Folgende falsch? Arbeit ist dann produktiv/produziert dann Wert, wenn sie in das Verhältnis G-W-G' eingebunden ist und ohne sie kein G' erreicht werden kann. Dieselbe unmittelbare Arbeit kann je nachdem produktiv oder unproduktiv sein (z.B. Krankenpflege in öffentlichen und privatisierten Krankenhäusern). Ob "vorhandenes" Wissen oder "neues" Wissen in unmittelbare Arbeit einfließt, macht nicht den Unterschied "produktiv"/"unproduktiv" aus. Auch nicht die Frage, ob ein Preis für die entsprechende Arbeitsleistung bezahlt werden muss. Die Frage, ob ein Wissen "vorhanden" oder "neu" ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Praktisch sind die Übergänge fließend; man streitet auf Patentämtern drüber; es wäre erforderlich, alles "vorhandene" Wissen zu wissen ...

(7.5) allgemeine Arbeit, 27.06.2007, 20:20, Matthias Schulz: Wenn als allgemeine Arbeit diejenige verstanden wird, welche neues Wissen hervorbringt, welches dann Vorrausetzung für produktive Arbeit ist, dann ist sie deshalb unproduktiv, da sie selbst gar keinen Vermittlungszusammenhang herstellt. Und da sie keinen Vermittlungszusammenhang produziert, welcher durch den Tauschwert hergestellt wird, ist sie wertlos.
Danach ist allgemeine Arbeit aber nicht hilfreich dabei die Warenform aufzuheben, denn es geht ja darum, einen neuen Vermittlungszusammenhang herzustellen und nicht gar keinen.

(7.5.1) Re: allgemeine Arbeit, 28.06.2007, 09:01, Stefan Meretz: Das halte ich für einen schwerwiegenden Irrtum. Allgemeine Arbeit ist gesellschaftliche Arbeit sui generis. Sie ist schon gesellschaftlich vermittelt und -- wenn man so will -- deshalb unproduktiv. Bitte nochmal in die "Grundrisse" schaun.

(7.5.1.1) Re: allgemeine Arbeit, 28.06.2007, 18:36, Matthias Schulz: Natürlich ist sie gesellschaftlich vermittelt, nur stellt sie den Vermittlungszusammenhang selbst nicht her. Der wird erst erzeugt, wenn dieses neue Wissen angewandt, vergegenständlicht wird. Und das passiert in der unmittelbaren Arbeit, oder? Gesellschaftliche Arbeit wäre dann allgemeine und unmittelbare Arbeit zusammengenommen. Vielleicht kommt es hier wieder auf das Verhältnis dieser beiden zueinander an. Vielleicht meinst du jedoch mit allgemeiner Arbeit etwas anderes?

(7.5.1.1.1) Re: allgemeine Arbeit, 29.06.2007, 14:30, Stefan Meretz: Na klar stellt allgemeine Arbeit den Vermittlungszusammenhang selbst her, so gebrochen das durch widerstreitende Privatinteressen das auch sein mag. Schau dir zum Beispiel die OpenAccess-Bewegung an. Das ist eine Reaktion auf die Tatsache, dass aufgrund von Profitinteressen der Verlage nun droht, dass der globale wissenschaftliche Vermittlungzusammenhang zersetzt wird. -- Aus meiner Sicht ist allgemeine Arbeit gesellschaftliche Arbeit, und es geht darum, die Trennung in allgemeine und unmittelbare Arbeit aufzuheben. Marx sagte dazu auch "unmittelbar gesellschaftliche Arbeit" (ausm Kopf zitiert).

(8) Siebtens: Treten Informationsgüter in privatisierter Form erfolgreich als Bezahlgüter auf, so findet findet zwar kein »Kauf« statt, sondern es wird nur eine Nutzungserlaubnis erteilt, gleichwohl aber wird unidirektional Wert vom Erlaubnisnachsucher zum Erlaubnisgeber transferiert. Dieser Wert muss -- z.B. vermittelt über den Verkauf von Arbeitskraft -- aus anderweitiger Wertsubstanz-Schöpfung stammen. Analog zum Grundbesitzer, der für die Erlaubnis, seinen Grund nutzen zu können, eine Grundrente kassiert, streicht der Kontrolleur des privatisierten Universalguts eine Informationsrente ein.

(8.1) Perry Rodan, 27.06.2007, 08:31, Maike Arft-Jacobi: Leute, die am Fließband Perry Rodan Romane schreiben, sind produktiv und schaffen Wert. Die Form, über die dieser Wert am Markt realisiert wird: Paperhefte werden verkauft, und wer sie unerlaubt vervielfältigt und verkauft, kommt in den Knast. Ob Arbeit produktiv ist/Wert schafft, hängt nicht davon ab, was sie hervorbringt.

(8.1.1) Re: Perry Rodan, 27.06.2007, 15:53, Stefan Meretz: "Ob Arbeit produktiv ist/Wert schafft, hängt nicht davon ab, was sie hervorbringt." - Richtig, es hängt aber auch nicht davon ab, ob irgendwas am Markt verkauft wird oder ob wer in der Knast kommt, wenn er die geltende Rechtsform verletzt. Es ist ein ganzer Zusammenhang von Bedingungen, der gleichzeitig gegeben sein muss, um von "(wert)produktiver Arbeit" sprechen zu können. Mehr dazu anderenorts, z.B. http://www.keimform.de/2007/06/17/universalgueter/ oder http://www.keimform.de/2007/06/19/gorz-ueber-universalgueter/ oder http://www.keimform.de/2007/06/20/web-20-kapitalismus-reloaded/ oder http://www.keimform.de/2007/06/22/unikat-und-universalgut/

(8.2) 27.06.2007, 20:28, Matthias Schulz: Ich kann wirklich nicht erkennen, wieso Softwareentwicklung keine unmittelbare Arbeit sein soll. Dort wird kein neues Wissen geschaffen, sondern vorhandenes angewendet und vergegenständlicht.

(8.2.1) Softwareentwicklung, 28.06.2007, 09:06, Stefan Meretz: Das sehe ich anders. In der Softwareentwicklung wird permanent neues Wissen geschaffen und vergegenständlicht (das gilt sogar für LabView;-)). Das ist Knackpunkt der dritten industriellen Revolution, anderenfalls könnte es eine "Algorithmisierung der Algorithmisierung" (also eine Art Softwareentwicklung auf Knopfdruck) geben. Hier sind die Ursachen zu suchen, wenn man über die vielzitierte "Krise der Softwareentwicklung" nachdenkt.

(8.2.2) 29.06.2007, 16:56, Hans-Gert Gräbe: Machst du einen Unterschied zwischen "Softwareentwicklung" und "Softwareproduktion"? Falls ja oder nein - wie ist das mit "Stuhl-*", die sich ja auch weiterentwickelt; es wird permanent neues Wissen geschaffen, über die Materialien, aus denen Stühle für verschiedene Zwecke hergestellt werden, über die sich mit Windeseile verbreitende Erfahrung, dass man nicht auf die Lehne des Stuhls klettern soll. Ist heute teilweise sogar ins Kindergarten-Curriculum eingegangen. Womit dieses Wissen mittels - in deiner Terminologie - nicht Wert schaffender Bezahlarbeit (der Kindergärtner und -innen) in Köpfen junger Menschen "vergegenständlicht" (?) wird.

(8.2.2.1) Entwicklung und Produktion, 02.07.2007, 13:15, Stefan Meretz: Wikipedia kennt "Softwareproduktion" nicht und ich auch nicht. Also: Nein, kein Unterschied. Und: Ja, ich unterscheide "Stuhlentwicklung" und "Stuhlproduktion". Prima, genau auf diesen konstitutiven Unterschied von universellen und konventionellen Gütern wollte ich hinweisen.

(8.2.2.1.1) 15.07.2007, 11:34, Hans-Gert Gräbe: Da bin ich aber bass erstaunt. Was ist für dich "Produktion"? Allein die Vervielfältigung des Stuhlprototyps oder Brötchenprototyps (4.1.1 ff) in gebrauchsfähige Instanzen? Im Software-Engineering unterscheidet man ja Massensoftware und Individualsoftware. Ich vergleiche die beiden Seiten in meiner Vorlesung gern mit dem Werkzeugmaschinenbau und dem Industrieanlagenbau. Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem "Entstehen" einer großen Industrieanlage (wie etwa Leuna) und dem "Entstehen" einer IT-Infrastruktur einer größeren Firma? Jenseits der Frage, ob du das "Entwicklung" oder "Produktion" nennen würdest (oder mir zustimmen, dass die Grenzen zwischen beiden längst gefallen sind, weil sich die "Macht der Agentien" auch im "algorithmischen Zeitalter" nicht von selbst in Bewegung setzt, obwohl es gelegentlich so scheint) - entsteht dort wirklich kein "Wert"? Oder wie muss ich deinen letzten Satz in (8.2.2.2) verstehen?

(8.2.2.2) Vergegenständlichtes Wissen, 02.07.2007, 13:22, Stefan Meretz: Ja, den Gegenständen wird Wissen eingebaut, das macht ihre Nützlichkeit in dem entsprechenden Kontext aus (und manchmal auch in anderen, zunächst nicht intendierten Kontexten). Die Erfahrung im Umgang mit den Dingen, das Benutzungswissen, hat mit der Herstellung nichts zu tun (oder erst später als User-Feedback). Gleichwohl muss das Benutzungswissen auch individuell angeeignet werden (siehe anderer Kommentar). Das alles hat mit "Wert" nix am Hut.

(9) Achtens: Die Informationsrente bedeutet für den Privatproduzenten von Universalgütern zwar ein Einkommen, gesamtgesellschaftlich hingegen wird die Verwertungsbasis nicht erweitert. Bei der Vorstellung eines selbsttragenden informationskapitalistischen Akkumulationsschubes handelt es sich folglich um eine Fata Morgana.

[Add-on: Punkt 9 ist in der Streifzüge-Version nicht enthalten]

(10) Neuntens: Es ist eine zweifelhafte, aber äußerst effektive Leistung der Wertform, gesellschaftliche Beziehungen in isolierbare Einzelrelationen von Dingen zu überführen. Diese Verdinglichung - oder in Bewegung gebracht: der Fetischismus - konstituiert die sozialen Beziehungen, in denen sich die Teilnehmer in der Warenwelt aufeinander beziehen können. Voraussetzung für diese Leistung ist, dass im Tausch die verdinglichte Gesellschaftlichkeit durch Hände- und damit Platzwechsel vollständig erfüllt wird und dann erlischt. Das bezeichnete Marx als das »Geheimnis aller Wertform«, was in der einfachen einfachen Wertform steckt: »Vermittelst des Wertverhältnisses wird also die Naturalform der Ware B zur Wertform der Ware A oder der Körper der Ware B zum Wertspiegel der Ware A.« Dieses Wertverhältnis stellt sich jedoch erst gar nicht her, wenn die »Naturalform der Ware B« sich auf eine beliebige, unabschließbare Menge von Exemplaren ausdehnt, in der sich die Ware A ausdrücken will. Würde man das Verhältnis dennoch gedanklich konstruieren, dann wäre das Quantum Naturalform als Äquivalent nicht bestimmbar, da gar nicht klar wäre, wann das digitale Informationsgut aufgehört hat, sich zu vervielfältigen. Und weiter konstruiert würde der Wert asymptotisch gegen Null gehen in dem Maße, wie neue Äquivalenz-Exemplare als Kopien auf die Welt kommen.

(10.1) Re: [Leistung der wertform], 25.06.2007, 00:44, Wolf Göhring: "Es ist eine zweifelhafte, aber äußerst effektive Leistung der Wertform, gesellschaftliche Beziehungen in isolierbare Einzelrelationen von Dingen zu überführen. Diese Verdinglichung - oder in Bewegung gebracht: der Fetischismus - konstituiert die sozialen Beziehungen, in denen sich die Teilnehmer in der Warenwelt aufeinander beziehen können."

Es sieht nicht besonders lustig aus, wenn Marx auf den kopf gestellt wird. Vgl. MEW 23, s. 85-92.

(10.1.1) Re: [Leistung der wertform], 25.06.2007, 09:15, Franz Nahrada: Dein Kommentar ist erklärungsbedürftig. eine Idee: Einerseits besteht eine soziale Beziehung, andererseits ist diese keine bewusste. "Sie haben gehandelt bevor sie gedacht haben". Sie nehmen tatsächlich aufeinander als Waren- und Geldbesitzer bezug, in diesem Sinn ist es richtig festzustellen dass ihre soziale Beziehungsform im Sinne bewussten Handelns durch die Wertform konstituiert ist. "nullus possit emere aut vendere...."

(10.1.2) Re: [Leistung der wertform], 25.06.2007, 12:53, Stefan Meretz: Empörung oder Ironie spricht nicht für sich: Begründe mal, warum. Bevor du mir jedoch unterstellst, ich würde von ungesellschaftlichen Verhältnissen ausgehen, die erst durch die Warenform in gesellschaftliche überführt werden (worauf Franz' Interpretation hinausläuft), solltest du a) die inkriminierten Sätze nochmal genau lesen und b) ergänzend http://www.opentheory.org/kampfumdiewarenform/text.phtml#37 (ab Abs. 37) heranziehen.

(10.1.2.1) Re: [Leistung der wertform], 27.06.2007, 00:09, Wolf Göhring: Marx: "Dagegen hat die warenform und das wertverhaeltnis der arbeitsprodukte, worin sie sich darstellt, mit ihrer physischen natur und den daraus entspringenden dinglichen beziehungen absolut nichts zu schaffen. Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche verhaeltnis der menschen selbst, welches hier fuer sie die phantasmagorische form eines verhaeltnisses von dingen annimmt." Kapital I, MEW 23, s. 86.

Meretz: "Diese Verdinglichung - oder in Bewegung gebracht: der Fetischismus - konstituiert die sozialen Beziehungen, in denen sich die Teilnehmer in der Warenwelt aufeinander beziehen können."

Ich sehe in deiner formulierung Marx auf den kopf gestellt.

(10.1.2.1.1) Re: [Leistung der wertform], 27.06.2007, 15:45, Stefan Meretz: Nö, ich seh mich in voller Übereinstimmung mit Marx: Den Produzenten "erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen." (MEW 23, S. 87)

(10.1.2.1.1.1) Re: [Leistung der wertform], 28.06.2007, 12:57, Wolf Göhring: Neuer anlauf:

Ich lese aus deiner formulierung:

Die wertform ueberfuehrt die gesellschaftlichen beziehungen in isolierbare einzelrelationen von dingen. Dies konstituiert die sozialen beziehungen. Nur darin koennen sich die teilnehmer in der warenwelt aufeinander beziehen.

Meine ergaenzung:

Wir sind, bis auf ein paar indianerstaemme in amazonien, teilnehmer in der warenwelt. Aus der verdinglichung kommen wir nicht mehr heraus, denn diese konstituiert unsere beziehungen. Da dies die leistung der wertform, werden wir auch diese nicht mehr los. Ende der geschichte. Nach deinem kommentar steht das im einklang mit Marx.

Wo liege ich falsch?

(10.1.2.1.1.1.1) Re: [Leistung der wertform], 02.07.2007, 13:31, Stefan Meretz: Du liegst IMHO in dem Schluss falsch, dass wir die Wertform nicht wieder los werden könnten. Die Anforderung ist in der Tat, dass wir unsere Beziehungen selbst konstituieren und nicht über Sachen sozusagen "konstituieren lassen" (vgl. dein Zitat zum Fetischismus in 6.4). Das ist die Frage nach einer anderen Form der gesellschaftlichen Vermittlung jenseits der Waren/Wertform. Wie das gehen kann, zeigt keimförmig die Freie Softwarebewegung.

(10.2) Re: [Null wert - unendlich ressourcen], 25.06.2007, 01:01, Wolf Göhring: "Und weiter konstruiert würde der Wert asymptotisch gegen Null gehen in dem Maße, wie neue Äquivalenz-Exemplare als Kopien auf die Welt kommen."

Das ist so laecherlich wie v. Neumanns beweis der sich beliebig oft reproduzierenden Turing-maschine. Mathematisch-formal ist v. Neumanns beweis korrekt, aber physikalisch nonsense, was v. Neumann als physiker, der den 1. us-rechner zur berechnung der kritischen masse der bombe bauen liess, durchaus haette wissen koennen.

Angesichts des oekologischen rucksacks, das jedes bit mit sich herumtraegt, ist die vorstellung beliebig vieler kopien eines informationsguts gleichermassen nonsense, denn nur unter dieser voraussetzung koennte - formal - der wert asymptotisch gegen null gehen.

Zur information, weil es sich vielleicht noch nicht als universalgut herumgesprochen hat: Der oekologische rucksack eines PC betraegt zwischen 1,5 to (Memorandum "Nachhaltige Informationsgesellschaft") und 14 to (Schmidt-Bleek in FR am 23.5.2007, "Faktor 10").

"So gerechnet kostet eine bankueberweisung per internet etwa so viele ressourcen wie die bereitstellung von vier dosen fuer bier."(Schmidt-Bleek)

Prost!

(10.2.1) Re: [Null wert - unendlich ressourcen], 25.06.2007, 09:20, Franz Nahrada: Das ist aber gerade keine Kritik an dem oben festgestellten Umstand dass es keine fixierte Relation zwischen Naturalform und Universalgut gibt! "Kosten" tun dann halt die jeweiligen Naturalformen, aber nicht der Anteil des Universalgutes.

(10.2.1.1) Re: [Null wert - unendlich ressourcen], 26.06.2007, 23:54, Wolf Göhring: Klar, es gibt keine spezielle relation zwischen natural- und wertform. Aber eines stellen die prinzipien der physik sicher: Wenn die naturalform eines produkts eine masse hat, dann hat die produktion eine zeit gedauert, vielleicht nur wenig, aber stets ungleich null. Und in irgendeiner weise war auch die menschliche hand mit im spiel, beileibe nicht zeitlos und selbst wenn das einzelstueck zuguterletzt in einer geisterschicht produziert wurde. Voilà: der wert ist ebenso ungleich null, auch bei irgendwelchen durchschnittsbildungen.

Darin aendert sich auch nichts, wenn ich mir datenmatsch uebers internet in meine maschine ziehe.

(10.2.1.1.1) Re: [Null wert - unendlich ressourcen], 27.06.2007, 16:03, Stefan Meretz: Sorry, diese Art der Wertvorstellung hätte Marx "vulgär" genannt. Wir reden über ein gesellschaftliches Verhältnis.

(10.2.1.1.1.1) Re: [Null wert - unendlich ressourcen], 28.06.2007, 12:36, Wolf Göhring: Dann war auch Marx vulgaer:

"Betrachten wir nun das residuum der arbeitsprodukte. Es ist nichts von ihnen uebriggeblieben als diesselbe gespenstige gegenstaendlichkeit, eine blosse gallerte unterschiedsloser menschlicher arbeit, d.h. der verausgabung menschlicher arbeitskraft ohne ruecksicht auf die form ihrer verausgabung. Diese dinge stellen nur noch dar, dass in ihrer produktion menschliche arbeitskraft verausgabt, menschliche arbeit aufgehaeuft ist. Als kristalle dieser ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen substanz sind sie werte - warenwerte." (Kapital I, MEW 23, s. 52)

(10.2.1.1.1.1.1) Re: [Null wert - unendlich ressourcen], 29.06.2007, 14:44, Stefan Meretz: Nö, Marx entwickelt hier in logischer Argumentation das "gemeinsame Dritte" beim Tausch aus der Elementarform der kapitalistischen Gesellschaft, der Ware. Er stellt fest, dass es "nicht eine geometrische, physikalische, chemische oder sonstige natürliche Eigenschaft der Ware sein" kann. Das ist nämlich die Gebrauchswertseite, wo die Qualität der Dinge eine Rolle spielt. Beim Tausch ist es aber nur die Quantität. Was kann das sein? Aha, siehe da, es sind Arbeitsprodukte. Aber auch die Arbeiten sind qualitativ unterschiedlich hinsichtlich ihrer konkreten Tätigkeit, aber gleichzeitig steckt in den Waren auch "gleiche menschliche Arbeit, abstrakt mneschliche Arbeit". Und dann kommt dein Zitat. Schließlich stellt er dar, dass der Wert ein gesellschaftliches Verhältnis ist. Und dahinter sollten wir nicht zurück.

(10.2.1.1.1.1.1.1) Re: [Null wert - unendlich ressourcen], 15.07.2007, 00:24, Wolf Göhring: Dieses ping-pong fing an, dass ich deine formulierung "Und weiter konstruiert würde der Wert asymptotisch gegen Null gehen ..." aufgriff. Jetzt erfahre ich von dir, "dass der Wert ein gesellschaftliches Verhältnis ist".

Aus deinen argumenten laesst sich schliessen: Ein gesellschaftliches verhaeltnis kann asymptotisch gegen null gehen.

Wie das?

(10.2.1.1.1.1.1.1.1) Q.e.d., 15.07.2007, 11:45, Stefan Meretz: Eben, geht nicht. Das ist der Schluss meiner gedanklichen "Konstruktion": Universalgüter können keine Waren sein.

(10.2.2) Nicht jedes vorstellbare Äquivalenz-Exemplar ist auch ein Gut, 25.06.2007, 11:13, Christian Siefkes: "So gerechnet kostet eine bankueberweisung per internet etwa so viele ressourcen wie die bereitstellung von vier dosen fuer bier." Das mag stimmen oder auch nicht, ist aber für die Frage nach dem Wert zunächst irrelevant, weil diese Kosten ja zum allergrößten Teil beim Kunden anfallen und nicht beim Produzenten. Der Wert eines Buches erhöht sich ja nicht dadurch, dass der Käufer unter Umständen eine Brille braucht, um es lesen zu können!

Tatsächlich wird die Anzahl der Äquivalenz-Exemplare nicht erst dadurch beschränkt, dass die Erde vielleicht irgendwann aus den Nähten platzt, sondern noch durch eine andere Grenze, die normalerweise schon vorher zuschlagen dürfte. Die Anzahl ist nämlich schon dadurch begrenzt, dass ein Gut einen Gebrauchswert haben muss, d.h. es muss jemand geben der es gebrauchen kann. Die Anzahl der Äquivalenz-Exemplare, die ein Gut darstellen, ist also durch die Anzahl der Menschen, die ein Bedürfnis nach diesem Gut haben, begrenzt. Erstellt man darüber hinaus noch weitere Exemplare, sind diese also keine Güter mehr (unabhängig von der gesellschaftlichen Produktionsweise, Kapitalismus oder nicht) und können daher (im Kapitalismus) auch weder Waren sein noch als Waren ("in die Warenform gepresst") verkauft werden. Da diese theoretisch vorstellbaren "Müll-Exemplare" keinen Gebrauchswert haben und somit auch keinen Tauschwert haben können, können sie für die Analyse nicht relevant sein.

(Das alles gilt auch dann, wenn der Produzent des Universalguts bereit wäre, das Universalgut zu verschenken, d.h. zum Preis null abzusetzen, was er unter kapitalistischen Umständen aber natürlich nicht wollen wird und -- bei Strafe des Bankrotts -- auch gar nicht kann, außer als Werbemaßnahme für andere, preisbehaftete Waren. Im Kapitalismus ist es dann die Anzahl der zahlungskräftigen Bedürfnisse, nicht mehr die Anzahl der Bedürfnisse, die die Anzahl der -- jetzt aus Produzentensicht -- sinnvollerweise erstellenbaren Äquivalenz-Exemplare noch weiter reduziert. Endlich ist sie aber in jedem Fall, nicht nur im Kapitalimus.)

Wie aber die Wertformanalyse von "Universalgütern" bei den real immer gegebenen endlich vielen Äquivalenz-Exemplaren aussieht, dazu siehe hier und hier.

(10.2.3) 27.06.2007, 10:36, Hans-Gert Gräbe: Redet ihr hier von Wert oder Preis? Bzw. - das frage ich mich schon lange - unterscheidet ihr das überhaupt (noch)? Was hier "asymptotisch gegen null geht" ist sicher der Preis. Und da kennen sich die bürgerlichen Ökonomen auch empirisch gut aus. Das Grenzkostentheorem besagt, dass sich perspektivisch, wenn die Sachen nur lange genug am Markt sind, die Preise hin auf die Grenzkosten bewegen. Praktisch bedeutet das den in der angloamerikanischen als "commodification" bezeichneten Umschlag der Verwertungsbedingungen, wenn das "Ding" nicht mehr "innovativ", sondern "wohlfeil" wird: Druck auf die Unternehmer (geringste Profitmargen), die das über die Verdingungsverhältnisse an die "Arbeitnehmer" weitergeben (Druck auf die Löhne), und zwar so lange, bis alle "Luft" raus ist. Praktisch erfordert das (in dieser Gesellschaft) neue Geschäftsmodelle, auf deren Einführung sich gewisse Unternehmen "spezialisiert" haben, die landläufig auch als "Heuschrecken" bezeichnet werden.
Dass genau dieses Grenzkostentheorem auch im singulären Fall ganz offensichtlich seine Wirkung entfaltet, kann im SW-Bereich studiert werden. Fixe Herstellungkosten (einer Software) geteilt durch potenziell unendlich viele Nutzer ergibt einen Grenzkostenpreis Null. Also wird man sich irgendwann mal über andere Geschäftsmodelle Gedanken machen müssen, und offensichtlich sind die Gedanken bei IBM oder Sun schon sehr weit vorangeschritten, sonst würden sie nicht derart viel Geld in Open Source Projekte wie etwa Eclipse oder Apache reinstecken.

(11) Die Argumenteliste ist nicht vollständig -- bitte selbst lesen. Was bedeuten diese neuen Einsichten?

(11.1) Zum Ganzen, 27.06.2007, 20:39, Matthias Schulz: Was über das Universalgut ausgesagt wird, trifft meinem Verständnis nach auf jede Ware zu. Es ist nur so, das ihre Widersprüchlichkeit im digitalen Gut deutlich hervortritt. Das Hervortreten dieser Widersprüchlichkeit und damit des über sich selbst hinausweisens, ist aber noch nicht das überschreiten des Gegebenen. Das ist es erst, wenn die Widersprüche aufgehoben sind.
Was über das stoffliche Gut ausgesagt wird, halte ich für völlig ungenügend, da die Beschränkung auf die Konsumtion gar nicht reflektiert und kritisiert, sondern als gegeben, als der Stofflichkeit zukommend hingenommen wird.

(11.1.1) Re: Zum Ganzen, 28.06.2007, 09:50, Stefan Meretz: Danke für die Punkte und das Fazit. Aus meiner Sicht habe sie (bis auf einen Punkt) alle beantwortet. Die Widersprüche haben nicht mit der Digitalität oder Nichtstofflichkeit als solcher zu tun, sondern mit der schon von Marx vorausgeahnten Tendenz, dass die unmittelbare (zeitlich messbare abstrakte) Arbeit zurückgehen und die allgemeine (genuin gesellschaftliche, nicht messbare und nicht zuordnenbare) Arbeit zunehmen werde. Das -- und insofern stimme ich dir zu -- betrifft alle warengesellschaftliche Produktion, und dieser Unterschied tritt bei Universalgüter (die zu Marx' Zeiten kaum eine Rolle spielten) nur unverstellt zu Tage. Dieser Unterschied muss jedoch auch theoretisch angemessen reflektiert und begrifflich gefasst werden, anstatt sie mit dem Argument "alles nur Ware" zu verwischen. Meines Erachtens handelt es sich um einen Unterschied ums Ganze.

(11.1.1.1) Re: Zum Ganzen, 28.06.2007, 18:46, Matthias Schulz: Meines Erachtens verstellt es den Blick, wenn du diesen Umstand nur am Universalgut und nicht an der Ware überhaupt aufzeigst. Schließlich ist es ein und dasselbe was auf einem niedrigeren Produktivkraftniveau neue Potenzen eröffnete und jetzt zur Beschränkung wird.

(11.1.1.1.1) Re: Zum Ganzen, 29.06.2007, 14:54, Stefan Meretz: Es tritt nun mal beim Universalgut so deutlich unterschieden auf. Und diesen Unterschied muss man, wie gesagt, auch benennen können. Es ist nun mal nicht alles ein und dasselbe. Gleichwohl stimme ich dir insofern zu, als auch bei konventionellen Gütern solche Entwicklungen bis zu einem gewissen Grade beobachtbar sind. Etwa darin, dass der "Wissenanteil" in den Produkten stetig zunimmt. Ja, eigentlich müsste es im Ganzen dargestellt werden, um diese Differenzen deutlicher herauszupräparieren. Ok, das wird bestimmt noch kommen. Bausteine dafür habe ich ja auch schon geliefert.

(11.1.1.2) alles nur Ware, 01.07.2007, 13:14, Matthias Schulz: Diejenigen, welche sagen "alles nur Ware" und meinen damit alles gesagt zu haben, haben die Ware ja nicht begriffen. Davon sollte man sich also nicht abschrecken lassen.
Anstatt nun also zu meinen, man hätte die Ware begriffen, und da das Universalgut dem nicht zu entsprechen scheint zu glauben, es könne deshalb keine Ware sein, wäre es meines Erachtens angemessener, das durch das Universalgut gelernte, als über die Ware gelerntes aufzufassen, und es so auf die Ware zurückzuführen und dadurch sein Verständnis darüber zu vertiefen.

(11.1.1.2.1) Re: alles nur Ware, 02.07.2007, 13:49, Stefan Meretz: Das wäre in der Tat der Weg der "harten Kritik", was ich in 13.1.1.1.2 gemeint habe. Eine dergestalt entwickelte wasserdichte Kritik könnte mich überzeugen. Auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass ein vertieftes Verständnis eine Differenzierung in Ware und privatisiertes Universalgut in Warenform zum Ergebnis hätte:-)

(11.1.2) Transzendenz, 28.06.2007, 10:44, Stefan Meretz: Die Widersprüche selbst sind kein Überschreiten des Gegebenen -- völlig einverstanden. Das Aufheben der Widersprüche kann ich jedoch nur dann anstreben, wenn ich sie angemessen in den Begriff bekommen habe. -- Was du mit der "Beschränkung auf die Konsumtion" in Bezug auf die Reflexion im Sinn hast, ist mir allerdings nicht klar. Die Tatsache der Stofflichkeit kannst du IMHO nicht ignorieren.

(11.1.2.1) Stofflichkeit, 28.06.2007, 18:48, Matthias Schulz: Ich verstehe nicht, was die Stofflichkeit zum Ware- oder Nicht-Waresein beiträgt.

(11.1.2.1.1) Re: Stofflichkeit, 29.06.2007, 15:00, Stefan Meretz: Die Stofflichkeit hat Auswirkungen auf den Charakter und Eigenschaften des Gutes, damit seiner Produktionsform, damit seiner "sozialen Hieroglyphe". Ich verstehe nicht, wie man die Stofflichkeit und damit konkreten Produktionstätigkeiten ignorieren kann (vgl. Marx zur Rolle der Wissenschaften in den "Grundrissen").

(11.1.2.1.1.1) Re: Stofflichkeit, 01.07.2007, 13:25, Matthias Schulz: Dank Sabine Nuss ist mir nochmals bewusst geworden, dass das Eigentumsverhältnis kein Verhältnis des Menschen zu den Dingen ist, sondern der Menschen zueinander. Auch die Ausschließlichkeit und Rivalität ist ein Verhältnis der Menschen zueinander. Wenn ich dich richtig verstehe, meinst du, dass dieses Verhältnis zumindest in einem gewissen Grade bestimmt ist durch genuine Eigenschaften einer Sache. Das fände ich dann doch zumindest fragwürdig.

(11.1.2.1.1.1.1) Re: Stofflichkeit, 02.07.2007, 13:56, Stefan Meretz: Ja, das ist eine der Leistungen von Sabine, auch wenn gerade das von ihr im Buch (Copyright & Copyriot) nicht durchgehalten wird. Eine Gütereigenschaft, die bei der Nutzung -- also dem Verhältnis der Menschen zu den Gütern -- auftritt, kurzerhand auch zum bloßen Verhältnis von Menschen zu erklären, ist doch zumindest fragwürdig. Die Absicht mit der du das tun willst -- wenn wir die menschlichen Verhältnisse vernünftig gestalten, dann ist auch Exklusivität und Rivalität kein Thema mehr --, teile ich. Die Lösung liegt jedoch nicht im Bereich der Idee (das wirkliche Problem zur bloßen Frage des Verhältnisses der Menschen machen), sondern der Praxis (das wirkliche Problem von Exklusivität und Rivalität sozial lösen).

(11.1.2.1.2) 15.07.2007, 11:37, Hans-Gert Gräbe: Hier hilft m.E. Rubens Einwand weiter, dass ein Etwas nicht Ware ist, sondern die Eigenschaft Ware hat. Dann kann man über die Kombination mit anderen Eigenschaften - etwa stofflich, nicht stofflich - überhaupt erst sprechen. Dass die Wareneigenschaft in verschiedenen Kontexten in verschiedenen Formen zum Ausdruck kommt, wie sich diese Formen transformieren etc.

(12) Ich muss meine Bewertung Freier Software revidieren. Die besondere Qualität Freier Software liegt nicht darin, dass sie einen wertsubstanzlosen Raum außerhalb der ansonsten wertproduktiven proprietären Softwareproduktion schafft. Software als Universalgut kann grundsätzlich keinen Wert vergegenständlichen. Innerhalb der proprietären Softwareproduktion, deren Art und Weise äußerlich von der Wertform bestimmt wird, werden Produkte geschaffen, deren universaler Charakter der privaten Form widerspricht.

(12.1) Wichtiger Schluß, 25.06.2007, 09:22, Franz Nahrada: Damit sollten wir uns auch verabschieden von der Vorstellung, die Freie Software wäre so eine Art magische Praxis, die bei korrekter Befolgung eine freie Gesellschaft herbeiführen würde. Diese Vorstellung hat Oekonux kaputtgemacht und die weitere theoretische Entwicklung blockiert.

(12.1.1) Re: Wichtiger Schluß, 25.06.2007, 12:44, Stefan Meretz: Ich glaube nicht, dass genau das Oekonux kaputt gemacht hat und halte es auch für sinnvoll den "utopischen Überschuss" von Entwicklungen denkend auszureizen und nicht von vornherein alles platt zum "Frommen des Kapitalismus" zu erklären. Ich seh das als kollektive dialektische Denkbewegung, in der es Leute dringend braucht, die die transzendierende Momente denken können.

(13) Das Neue im Alten entsteht auch in den alten Formen, nicht allein neben ihnen. Freie Software als universelle und auch der Form nach vergesellschaftete Produktion ist die dem universalen Charakter des Gutes adäquate Produktionsweise -- darin liegt die neue Qualität, und das macht ihren Keimform-Charakter aus.

(13.1) Alternativvorschlag, 27.06.2007, 08:50, Maike Arft-Jacobi: Es sind technische Möglichkeiten entstanden, die zu Produktionsformen motivieren, die Keimformen sein könnten, wenn es gelänge, den heute dominanten Charakter des Gutes "Software" als kaum in die Warenform zu Bringendes aufrecht zu erhalten. Aber das eigentlich Keimförmige sehe ich in der Produktionsweise selber - egal zunächst, was da produziert wird. Dass es Software ist, hat sich halt so ergeben, weil die Technik des In-die-Warenform-Zwängens zeitlich hinterher hinkt. Dieses Hinterherhinken sowie die Anwendung plumper Gewalt zur Durchsetzung der Warenform ist für alle neuen Arten von Gütern wahrscheinlich - war bei der Privatisierung der Wälder als Nutzholzplantagen auch schon so.

(13.1.1) Re: Alternativvorschlag, 27.06.2007, 16:00, Stefan Meretz: "das eigentlich Keimförmige sehe ich in der Produktionsweise selber" -- Das sehe ich ganz genauso, weil dort die Verallgemeinerungspotenz liegt (und nicht in der Spezifik des universellen Gutes). In praxi hängt nicht viel davon ab, ob man meiner weitreichenden Universalgüterthese zustimmt oder nicht. Ich habe keine Bekehrungabsichten, aber ich habe auch noch keine wirklich harten Argumente dagegen vernommen. Stattdessen kommen etliche Argumente sehr schlicht daher, etwa der Art: Da ist immer Physik und Hand im Spiel, also Aufwand, also Wert. Mein Eindruck: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. -- Damit meine ich jetzt gar nicht dich, Maike.

(13.1.1.1) Argumente, 27.06.2007, 20:51, Matthias Schulz: Ich fand schon, das bereits harte Argumente, die zumindest den Mangel deiner These aufzeigen, gekommen sind. Besonders die Kritiken von Christian Siefkes fand ich sehr treffend. Ich war sehr verärgert, das du sie, für mein empfinden, nicht wirklich ernst genommen hast. Ich hoffe du findest meine Argumente treffender. Es ist allerdings sehr schwierig zu argumentieren, da mir vieles als nur behauptet erscheint. Aber vielleicht liegt es daran, das der vollständige Text von Ernst Lohoff noch nicht vorliegt.

(13.1.1.1.1) Re: Argumente, 28.06.2007, 09:11, Stefan Meretz: Dein Ärger hatte ja was Gutes: Du hast hier geschrieben, und das schätze ich stets sehr. Ich schätze auch Christians Argumente und -- das finde ich tendenziell unfair -- nehme sie ernst (du müsstest belegen, wo nicht). Ich habe mich ausführlist auf keimform.de u.a. mit Christian auseinandergesetzt. Teilweise habe ich dafür nur lapidare Antworten geerntet (nix Neues etc.).

(13.1.1.1.2) Re: Argumente, 28.06.2007, 09:22, Stefan Meretz: Ich will dir noch begründen, warum ich die Argumente bislang nicht als "hart" empfand. Die Kritiken hatten oft einen äußerlichen und Einzelpunkt-Charakter. Das ist nicht grundsätzlich verkehrt, denn auch einzelne Punkte müssen diskutiert und geklärt werden. Aber was mit der Universalgüterthese geschieht, ist ja was anderes: Hier wird ein ganzer Theoriekomplex in Frage gestellt (nämlich die traditionelle Werttheorie: wo gesellschaftlich notwendige Arbeit, da auch Wert) und -- je nach Gusto -- vom Kopf auf die Füsse gestellt oder umgekehrt. Das kann ich dann nicht mehr "einzeln" in Frage stellen, sondern muss das als Komplex ernstnehmen, in die Logik eindringen, sie immanent prüfen und dann ggf. zerlegen. Das wäre hart. Das fand (noch) nicht statt. Stattdessen wenn schon mal das Ganze angesprochen wird: "Ich finde meins besser". Na ja, ok, ich auch.

(13.1.1.1.2.1) Prüfung des Unprüfbaren?, 29.06.2007, 11:38, Christian Siefkes: 'Das kann ich dann nicht mehr "einzeln" in Frage stellen, sondern muss das als Komplex ernstnehmen, in die Logik eindringen, sie immanent prüfen und dann ggf. zerlegen.' -> Und wie soll das gehen, wenn du selbst die Grundlage deiner Konzeption -- was genau "allgemeine Arbeit" sein soll und warum sie unproduktiv sein soll -- nicht offen legst? Sondern stattdessen den Begriff lediglich selbst-rekursiv definierst und, um dich gegen Kritik zu immunisieren, auf ein Manuskript von Marx verweist, dass dieser nicht veröffentlicht hat ('Bitte nochmal in die "Grundrisse" schaun'). Dass Marx die "Grundrisse" verworfen hat und dass in seinem später tatsächlich veröffentlichtem Werk (dem "Kapital") die "allgemeine Arbeit" für ihn keine nennenswerte Rolle mehr gespielt zu haben scheint, ignorierst du einfach. Du könntest natürlich begründen, warum Marx sich zwischen den "Grundrissen" und dem "Kapital" theoretisch zurück- und nicht (wie ich eher annehmen würde) weiterentwickelt hat, oder warum die "allgemeine Arbeit" ganz unabhängig von Marx wichtig ist, aber beides tust du nicht.

Und wenn man dich auf logische Paradoxa hinweist, die sich aus deiner Theorie ergeben, antwortest du, dass es halt Zwischenformen geben muss (zwischen Ware und Nicht-Ware, wertproduktiv und nicht-produktiv) zu denen du nichts Grundsätzliches sagen kannst, die aber auch nicht weiter stören. Das ist keine Antwort auf Kritik, sondern eher ein Ignorieren.

(13.1.1.1.2.1.1) Re: Prüfung des Unprüfbaren?, 29.06.2007, 16:40, Stefan Meretz: "Und wie soll das gehen, wenn du selbst die Grundlage deiner Konzeption -- was genau "allgemeine Arbeit" sein soll und warum sie unproduktiv sein soll -- nicht offen legst?" -- Eh, hallo? Das warst du doch, der mir hier zustimmt? Ich immunisiere mich keineswegs gegen Kritik, sondern im Gegenteil veröffentliche und antworte ich, was das Zeug hält. Stattdessen immunisierst du dich gegen auch nur die Möglichkeit neuer Einsichten: Ein (Einzel-)Punkt nach dem anderen ziehst du hervor (oft nur Beispiele), ich antworte ausführlich und so genau wie möglich, und du gehst zum nächsten Punkt als ob es meine Antwort nicht gäbe. So wie jetzt mit den "Grundrissen". Da antworte ich jetzt mal nicht, ja, erstmals ignoriere ich tatsächlich einen Punkt, denn diese Art der Exegetik ist mir echt zu blöd. -- Und was heisst hier "logische Paradoxa"? Du hast ein Beispiel konstruiert, dass ich wiederum innerhalb der Annahmen beantwortet habe. Dabei spielten mögliche Zwischenformen nur eine periphere Rolle, ich habe den Fall sozusagen gleich mitdiskutiert. Dort antwortest du nicht inhaltlich, schmierst mir das aber hier aufs Butterbrot und wirfst mir dann noch in Verdrehung der wirklichen Verhältnisse vor, ich antworte nicht auf Kritik. -- Wenn du die Thesen nicht prüfen willst, gut, dann lass es bleiben. Aber wirf mir nicht vor, ich würde Kritik ignorieren, das ist einfach nicht wahr.

(13.1.1.1.2.1.1.1) Re: Prüfung des Unprüfbaren?, 30.06.2007, 18:52, Christian Siefkes: Wo ich zustimmen wollte, ist dass Wert nicht "einfach so" entsteht, sondern nur da, wo Waren produziert werden sollen, wo die Produktion dem Ziel des Geldvermehrung dient. Nicht aber da, wo Arbeit um ihrer selbst willen oder aufgrund des aus ihr entstehenden Gebrauchswert stattfindet, wie es etwa bei Hausarbeit u.a. im Familien- und Freundeskreis geleisteter Arbeit, beim Schreiben von Linux, oder auch bei staatlich finanzierter und für die Öffentlichkeit, nicht für die Verwertung gedachter wissenschaftlicher Arbeit der Fall ist -- insbesondere für letzeres würde mir auch der Begriff "allgemeine Arbeit" einleuchten.

Soweit wollte und würde ich zustimmen, aber gleichzeitig hatte ich durch meine Frage schon darauf hinwiesen, dass von all dem ja bei der von Microsoft finanzierten Programmierarbeit gar nicht die Rede sein kann. Es schien und scheint mir einleuchtend, dass man die Produktion so organisieren könnte, dass "die Dinge von vornherein gesellschaftlich produziert" werden, und dass dann von Wert im kapitalistischen Sinne keine Rede mehr sein kann -- deshalb meine Zustimmung. Aber dass eine solche postkapitalistische, nicht auf Profit sondern auf Gebrauchswert abzielende Produktionsweise von Microsoft nicht schon klammheimlich praktiziert wird, schien und scheint mir ebenso einleuchtend -- deshalb ja meine kritische Nachfrage.

Und auf diese Frage, wieso es sich bei den Microsoft-Programmierer/innen trotzdem nicht um die wertproduktive Arbeit handelt, kam dann eben nur die von Benni und mir beklagte zirkuläre Antwort -- dieser Punkt, dass du uns nicht überzeugend erläutern konntest, was für dich "allgemeine Arbeit" ist und (noch wichtiger), warum sie keinen Wert produziert, ist ja nun wirklich alles andere als neu, sondern dominierte die ganze folgende Diskussion! Und dabei -- dass dieser Antwort das Fundament fehlt, weil sie sich auf sich selber stützt -- ist es für mein Empfinden eben bis heute geblieben -- weswegen es dann auch nur bedingt Sinn macht, diese selbe, nach wie vor gültige Kritik, dann immer wieder zu wiederholen. Und noch fundamentaler als "Der These fehlt das Fundament" kann eine Kritik im Übrigen ja eigentlich auch gar nicht werden...

(13.1.1.1.2.2) Re: Argumente, 07.07.2007, 16:32, Maike Arft-Jacobi: "wenn schon mal das Ganze angesprochen wird ..."

Wenn ich das "Ganze" betrachte, kommt heraus: die These der Universalgüter ist eine Gestaltbildung. Eine Gestaltbildung ist auch "Wauwau". Kinder, die Hunde kennen, ordnen die erste Katze, die sie sehen, vielleicht erstmal mit Hunden in dieselbe Gruppe ein, die sie "Wauwau" nennen. Dann kommen welche, und machen auf Einzelpunkte aufmerksam, die die Einordnung in dieselbe Gruppe in Frage stellen. Wenn es darum geht, im Laden die richtigen Futterdosen zu erwischen, wird es praktisch wichtig, Hund und Katze zu differenzieren.

Im Moment halte ich die Gestalt "Universalgüter" und die Weise der Gestaltbildung eher für unpraktisch, d.h. die Kernthese: "Universalgüter konstituieren eine besondere soziale Form, die im Kapitalismus sehr widersprüchliche Konsequenzen hat" ( Kampf um die Warenform 26.1.6 ). Das ergibt einen Disput über den Begriff "Universalgüter". Man müsste in diese Richtung fragen: Was macht die "despotische Vergesellschaftung durchs Kapital" überflüssig? ( Kampf um die Warenform 26.1.3.2 ) Das ergibt einen Disput über die Frage, wie Kapitalismus überwunden werden kann. Dabei könnte eine Gestalt rauskommen, die sich teilweise mit "Universalgütern" überlappt.

(13.1.1.1.2.2.1) Re: Argumente, 10.07.2007, 22:42, Stefan Meretz: Die beiden von dir gestellten Fragen sind doch keine gegensätzlichen, oder? Ich stelle jedenfalls beide. Ich denke, dass es höchst nützlich ist, sich mit den immanenten Widersprüchen kapitalistischer Vergesellschaftung zu befassen, um die Frage beantworten zu können, wie diese Form der Vergesellschaftung überflüssig gemacht werden kann. Denn eins ist doch klar: Wir müssen es tun, und nicht auf irgendwas warten.

(13.2) Grammatik, 01.07.2007, 12:13, Peter Grunder: Auch hier will mir scheinen, dass letztlich über Grammatik räsoniert wird: schwachsinnig, ja unsinnig, solange Grammatik nicht (selbst)bewusst von Gehalt unterschieden wird - ganz zu schweigen vom Aufnehmen diesseits und Umsetzen jenseits des Gehalts.
Ob dieser Gedanke, der jedes Leben in sich haben muss, um zu werden, zu sein und zu bleiben (-;ontologisch;-), wohl ankommt?


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