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Ökonomische Implikationen der Embryo-Verwertung

Maintainer: Birgit Niemann, Version 1, 27.08.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(1) "Wenn die Verwirklichung näher kommt, schweigen die Utopisten." Erwin Chargaff

Ökonomische Implikationen der Embryo - Verwertung

(2) Wie nicht anders zu erwarteten, hat sich der deutsche Bundestag am 30. Januar 2002 für die eingeschränkte Zulässigkeit des Importes menschlicher embryonaler Stammzelllinien ausgesprochen. Obgleich diese Entäußerung nach dem geltenden Recht von keinerlei juristischer Relevanz war (1), markierte sie den Durchbruch zur gesellschaftlichen Akzeptanz der wissenschafts-ökonomischen Verwertung menschlicher Embryonen in Deutschland. Höchste Zeit, nach den ökonomischen Entwicklungen zu fragen, für die der Bundestag mit seiner Willensbekundung auch in Deutschland die Weichen gestellt hat.

(3) Problemlos lassen sich mindestens vier ökonomische Potentiale erkennen. Das sind erstens, die Entwicklung therapeutischer Verfahren, die Zellerneuerung und Gewebereparatur bezwecken. Zweitens eröffnet sich die zukunftsnahe Option zur isolierten Erzeugung extrakorporaler Ersatzorgane für transplantationsmedizinische Zwecke. Drittens gerät die Reparatur und Optimierung menschlicher Genome, die mittels der Methode des reproduktiven Klonens in Menschen umgesetzt werden können, in greifbare Nähe. Als Viertes aber zeichnet sich die Befreiung der biologischen Reproduktion des Menschen von der Frau ab.

(4) Die Herstellung embryonaler Produkte im Rahmen der sichtbaren ökonomischen Entwicklungspotentiale hängt gleichermaßen von derselben wissenschaftlich-technischen Grundlage ab. Diese lautet: Wachsende biotechnische Beherrschung der menschlichen Embryonalentwicklung auf der Basis des Verständnisses der ihr zu Grunde liegenden molekularen und zellulären Prozesse. Nach der Sequenzierung des menschlichen Genoms aber ist die wissenschaftliche Bearbeitung der embryonalen menschlichen Stammzelle der letzte Schlüssel zu deren Verständnis. Die Transformation der ökonomischen Potentiale in gesellschaftliche Realitäten ist jedoch nicht allein eine Frage der biotechnischen Machbarkeit. Die entscheidende Vorraussetzung besteht vielmehr darin, dass Stammzell-Produkte auf einem Markt auch Absatz finden müssen. Damit steht die Frage, was für reale Märkte zeichnen sich für jede der einzelnen Optionen ab, im Mittelpunkt des Interesses.

Die Zellerneuerung und Gewebereparatur

(5) Der Markt für menschliche Zell- und Gewebekulturen ist auch ohne embryonale Stammzelle ein längst etabliertes ökonomisches Segment des Gesundheitsmarktes. Als Erstes erreichte die Kultivierung individueller Hautzellen, die zu Hautlappen für die Wiederherstellung von Brandopfern verwendet werden konnten, kommerzielles Niveau. Mittlerweile werden auch Zellen zur Bildung von Knorpel und Knochen, sowie adulte Blutstammzellen aus dem Knochenmark kommerziell kultiviert und routiniert therapeutisch eingesetzt. Routiniert bedeutet hier nicht, dass der Einsatz ohne Komplikationen verläuft, sondern das eine Therapie bereits soweit den medizinischen Alltag durchdringt, das verbindliche Handlungsroutinen für ihren Einsatz entwickelt wurden. Dies ist insbesondere in den Stammzell-Therapien zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen der Fall, für die die Bundesärztekammer bereits 1999 "Richtlinien zur Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut" im Deutschen Ärzteblatt (2) veröffentlicht hat. Noch im Stadium der biomedizinischen Forschung befangen ist die Nutzung adulter Gewebestammzellen für die Behandlung von Herzversagen, neuronaler Demenzen, Ersatz von Inselzellen (insulinpflichtiger Diabetes), angeborener Immunschwächen, Erneuerung von Augenhornhaut und anderes mehr. Ein Blick auf die biotechnischen Start-up Unternehmen an den Börsen der Neuen Märkte zeigt überzeugend, dass es auch hier in naher Zukunft kommerzielle Durchbrüche geben wird.

(5.1) Re: Die Zellerneuerung und Gewebereparatur, 07.05.2003, 00:56, ge nom: als es den Tulpenwahn gab , hat doch jeder nur ans geld gedacht ?! Kommplette lösung gibts -(aber einen neuen Tulpenwahn braucht man nicht ). mfg subsurfer Korrigieren:::::: NICHT FÜR NORMALSTERBLICHE. cu

(6) Mit der therapeutischen Verwendung der Stammzelle, gleich ob embryonal oder adult, wird auch die somatische Gentherapie ihre Erfolgsgeschichte beginnen. Denn alle bisherige Gentherapie musste relativ randständig in der Forschung verharren, weil durch die systemische Bombardierung menschlicher Patienten mit gentechnischen Vektoren (3) vor allem differenzierte Körperzellen erreichbar sind und die verwendeten "shot-gun-Methoden" (4) nur begrenzte Zielgenauigkeit besitzen. Differenzierte Körperzellen aber haben alle eine biologische Halbwertzeit. Deshalb wird eine solche Gen-Reparatur vom Körper des Patienten ganz selbstorganisiert wieder biologisch entsorgt. Erst mit gentechnisch veränderten Stammzellen, die nicht vorprogrammiert sterben, sondern reparierte Körperzellen permanent nachproduzieren, erhält die somatische Gentherapie eine erfolgsträchtige Grundlage. Hinzu kommt, dass die gentherapeutische Reparatur der Stammzelle außerhalb des menschlichen Körpers erfolgt. Die transformierte Zelle kann aus dem Kulturmedium herausgefischt und vermehrt werden, bevor sie zurück in den Körper versetzt wird. Ein wesentlicher Teil der bisherigen Erfolgsrisiken der somatischen Gentherapie kann damit im Labor bereits abgefangen werden. Zu den ersten Erbkrankheiten, die durch somatische Gentherapie geheilt werden können, werden deshalb monogenetische Defekte sich schnell erneuernder Gewebe gehören. Die erfolgreiche Befreiung zweier französischer Kleinkinder von dem angeborenen Immundefekt (SCID)-X1 mittels gentechnisch reparierter Blutstammzellen, veröffentlicht im April 2000 (5), leitete diese Phase der erfolgreichen Gentherapie bereits praktisch ein.

(7) Die Verwendung der embryonalen Stammzelle eröffnet auf dem Markt der Zellerneuerungs- und Gewebereparaturprodukte keine grundsätzlich neuen Handlungsoptionen. Für jeden spezifischen medizinischen Einsatz sind adulte Stammzellen gleichermaßen geeignet. Es kommt hinzu, dass körpereigene adulte Stammzellen, im Gegensatz zu fremden embryonalen Stammzellen keine Abstoßungsreaktionen im Patienten hervorrufen. Die Protagonisten der embryonalen Stammzelle können diesen Nachteil nur durch therapeutisches Klonen, wofür Eizellen zwecks Erzeugung neuer zerpflückbarer Embryonen gebraucht werden, wieder ausgleichen. Diese Technik aber ist ethisch umstritten und muss gegen juristische Verbote erst noch vollständig durchgesetzt werden. In Europa ist sie bisher nur in England, in Schweden und in den Niederlanden erlaubt, sowie in Portugal nicht verboten. In Frankreich, Dänemark, Spanien, Finnland, Italien und in Griechenland ist dagegen erst die Verwertung überzähliger Embryonen aus der assistierten Reproduktionsmedizin gestattet Das Rennen zwischen den Protagonisten der adulten und der embryonalen Stammzelle wird auf diesem Markt daher durch einen leichten ökonomischen Vorsprung der adulten Stammzelle gekennzeichnet sein.

Die Herstellung isolierter Organe

(8) Auch der medizinische Organbedarf ist im Gesundheitsmarkt bereits fest etabliert. Denn seit dem ersten Langzeiterfolg einer Nierentransplantation zwischen eineiigen Zwillingen durch den amerikanischen Arzt Joseph Murray im Jahre 1954 ist bewiesen: Nicht die chirurgische Kunst, sondern die immunologische Abstoßung fremder Gewebe und die Organbeschaffung, Aufbewahrung und Verteilung sind begrenzende Faktoren der Transplantationsmedizin. Die Vielfalt der Erkrankungen und die Zahl der Patienten, deren Lebenshoffnungen sich an einem "neuen" Organ wieder entzünden, aber ist in den letzten 30 Jahren parallel mit dem biomedizinischen Wissen permanent gestiegen. Über 14.000 Menschen stehen allein in Deutschland auf den Wartelisten der Transplantationsmediziner und etwa 4000 Transplantationen werden jährlich durchgeführt. Das Spektrum der verpflanzbaren Organe reicht von der Niere, über die Leber, das Herz, den Pankreas, die Haut, diversen Knochen und den Darm bis hin zu Gebärmutter und Hoden. Ein legaler Organmarkt ist jedoch in den Industrieländern der Welt nur in Keimform existent, weil direkter Organhandel mit Handelsverboten belegt und durch juristisch fixierte Einwilligungsvorbehalte der potentiellen Spender sozial gefesselt wurde (6). Um die Organtransplantation herum, aber blüht ein Markt der biomedizinischen Zuliefer-Industrie.

(9) Die (Re)Produktion extrakorporaler Organe aus Stammzellen wäre die Lösung eines Problems, nach der der Gesundheitsmarkt geradezu schreit. Die wissenschaftliche Aufklärung der Differenzierung von Stammzellen zu funktionalisierten Körperzelltypen für Zellreparatur und Gewebeerneuerung bringt neben den zellulären Gesundheitsprodukten auch das Wissen für die Organproduktion hervor. Bereits heute zeichnet sich ab, dass es die Leber sein könnte, die zum ersten Erfolgsorgan der Organzüchtung wird. Parallel zu diesen Prozessen expandiert die Entwicklung biologisch verträglicher Materialien, die mit lebenden (Stamm)Zellen unter Nutzung von formbildendem Design die Herstellung von Implantaten und Prothesen revolutioniert, sowie deren medizinische Einsatzgebiete erweitert. Auch die vor Wochen durch den Pressewald rauschenden Meldungen zur Erzeugung gentechnisch veränderter Schweine als potentielle Organspender, markieren den Stand der Entwicklung. Dass Schweineorgane in Menschen verpflanzt werden, dürfte allerdings eher eine experimentalmedizinische Randerscheinung werden. Das wahre ökonomische Potential der gentechnisch veränderten Schweine liegt in ihrem Einsatz als lebendige Produktionsanlagen zur Herstellung menschlicher Organe aus menschlichen Stammzellen. Sich entwickelnde Schweine, die humanes Gewebe nicht mehr immunologisch zerstören, würden sich dafür geradezu anbieten.

(10) Für die Herstellung isolierter Organe sind embryonale und adulte Stammzellen ebenfalls gleichermaßen geeignet. Auch hier gilt, dass die körpereigenen adulten Stammzellen medizinisch zu bevorzugen sind. Die embryonalen Stammzellen liefern jedoch schnellere Erkenntnisse über den Ablauf grundlegender biologischer Differenzierungsprozesse. Denn die embryonale Stammzelle steht noch am Nullpunkt ihrer Funktionalisierung. Bei aller biotechnischen Kompliziertheit der gesamten Materie ist es einfacher und kostet weniger Zeit, im Experiment mit Hilfe bekannter Differenzierungsfaktoren vom Nullpunkt aus Entwicklungen auszulösen und jeden Schritt zu analysieren, als eine bereits erfolgte Differenzierung mühselig zurückzuverfolgen. Die Protagonisten der embryonalen Stammzelle beginnen die wissenschaftliche Arbeit also am Beginn von Differenzierungsprozessen und die Protagonisten der adulten Stammzellen steigen im bereits "halbdifferenzierten" Stadium parallel ein. Das Rennen um die Patente und die ökonomische Verwertung der zu entwickelnden Produkte wird auf diesem Markt daher Kopf an Kopf laufen. Es sieht eher nach einem kooperativen Radrennen aus, in welchem beide Richtungen zur selben Mannschaft gehören. Denn die Mannschaft ist schneller, als es jeder für sich allein wäre. Auch lässt sich der Gewinn an Patenten und vermarktbaren Produkten noch relativ gut aufteilen, weil der Markt für Stammzellprodukte sich noch am Ursprung befindet und Expansionspotential für beide Entwicklungsrichtungen bietet.

Die Optimierung menschlicher Individuen

(11) Ein Markt für optimierte menschliche Wesen scheint noch hypothetisch. Doch in Wahrheit zeichnen sich längst reale Bedarfsfelder ab. Mit dem amerikanischen Nash-Baby, unter 15 Embryonen selektiert, um seiner Leukämie-kranken Schwester immunologisch passende und gesunde Blut-Stammzellen zu liefern, wurde im August 2000 die Ära der Designer-Babies eingeleitet. Ein Jahr später meldete die Presse die extrakorporale Zeugung eines britischen Design-Babies und berichtete von 19 weiteren Interessenten. Am 14. Februar 2002 wurde es geboren und sechs Weitere wurden bestellt. Ist die Selektion extrakorporaler Embryonen unter gesundheitlichen Kriterien erst als Präimplantationsdiagnostik (PID) in der Reproduktionsmedizin etabliert, wird bald die Reparatur durch Gentechnik folgen. Warum fünfzehn oder mehr Eizellen für die Embryonen-Erzeugung verschwenden, um einen Treffer zu landen, wenn zur Stammzellgewinnung bereits ein Embryo ausreicht? Dessen embryonale Stammzellen können erst gentechnisch repariert und anschließend als intakter Zellkern zwecks Erzeugung eines gesunden Baby's neu geklont werden. Das erfordert insgesamt weniger Embryonenzerstörung und verringert die Hormonbelastung der Mutter zwecks Gewinnung von Eizellen. Die notwendigen Techniken aber sind längst an der Maus etabliert und verfügbar, auch wenn die Anpassung an die Entfaltung des menschlichen Embryos noch experimentelle Arbeit kosten wird (7).

(12) Auch hier steht der Gesundheitsmarkt als Entwicklungsmotor an erster Stelle. Auch hier werden es die monogenetischen Erbkrankheiten sein, die die Beseitigung juristischer Verbote des therapeutischen und reproduktiven Klonens durch Aushöhlung gesellschaftlich akzeptant machen werden. Selbst die Manipulation menschlicher Keimzellen erledigt sich gleich mit, noch bevor ein Laie auf die Idee kommen kann, sie öffentlich zu diskutieren. Denn rekombinante Stammzellen bringen beim reproduktiven Klonen ihr eigenes Keimbahngewebe hervor. Genau an dieser Stelle bleibt auch die adulte Stammzelle auf der Strecke, denn für die gentechnische Erzeugung eines Designer-Babies muss auch sie mit Hilfe einer Eizelle neu geklont werden. Damit verwandelt sie sich in einen Embryo, dessen "genetische Qualität" mittels PID geprüft werden kann. Auf die Akzeptanzerklärung für die Verwertung menschlicher Embryonen durch den Bundestag konnte daher wirklich nicht verzichtet werden. Das Stammzellimportgesetzt vom April 2002, das nur den Import von bereits vorhandenen embryonalen Stammzellen erlaubt, muss deshalb eher früher als später der Harmonisierung europäischer Märkte und den WTO-Regeln zum Opfer fallen.

(13) Entwicklungen, die sich aus der Verwertung adulter und embryonaler Stammzellen für Gewebereparatur, Organersatz und Keimbahnkorrektur ergeben, können vom Menschen sehr wohl als Befreiung von Behinderung, Krankheit und vorzeitigem Tod erfahren werden. Das erklärt ihre verbreitete und hoffnungsfrohe Akzeptanz. Was aber wird aus der neuartigen Freiheit, wenn sich dieser Markt ganz eigendynamisch ausbreitet, wie es dem ökonomischen Wesen von Märkten entspricht? Im Blick auf die diagnostischen Kataloge der Betriebsmediziner, die Leistungskataloge der Krankenkassen, die Fragebögen der Versicherungsgesellschaften, die Pressemeldungen der Börsen und die Internetseiten der Lebenswissenschaftler, sowie dubioser Sekten und privater Fortpflanzungs-Klinikdirektoren erscheinen die Konturen eines Zukunftsmarktes in täglich leuchtender werdenden Farben.

(14) Genetische Anforderungsprofile auf Stellenausschreibungen für Arbeitsplätze mit hoher Chemikalienbelastung, die auf die Auswahl der besten individuellen biochemischen Entgiftungskapazitäten zielen, sind realitätsnah vorstellbar. Genetisches Massen-Screening mittels Gen-Chips, wie sie die kaufmännische Krankenkasse am Beispiel Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) seit dem letzten Jahr auf noch freiwilliger Basis durchführt, werden die Daten dafür liefern. Der elektronische Gesundheitspass mit allen individuellen Patienten-Daten ist in der Einführungsdiskussion. Gen-Chip-Hersteller expandieren und private Kleinfirmen, wie die Berliner Firma "gentest24", die bereits 16 Nachweis-Kits im Angebot hat, erweitern permanent die Möglichkeiten zur individuellen genetischen Testung. Die versicherungsrelevante Einteilung von Menschen in gute und schlechte Risiko-Klassen schreitet fort, um werdende Mütter zu inspirieren, ihre ungeborenen Kinder ganz "freiwillig" auf genetische Dispositionen für körperliche Defekte testen zu lassen. Das Gesundheitsministerium Bayerns schritt zu Beginn diesen Jahres mit gutem Beispiel voran, indem es im Verein mit den Kassen das Neugeborenen-Screening der zweiten Vorsorgeuntersuchung in einem Modellprojekt von drei Stoffwechseldefekten auf dreißig erweiterte. Der Mutterpass schwangerer Frauen schwoll in den letzten 15 Jahren von einem Faltblatt zur Broschüre mit über 50 diagnostischen Fragestellungen an. Die Schwangerschaft aber transformierte dabei von einer Zeit der guten Hoffnung in eine Zeit der angstvollen Risikobetrachtungen, die wie von selbst nach immer umfassenderer Kontrolle durch biomedizinische Technik verlangt.

(15) "Menschliches Klonen - dieser Service wird angeboten für die Summe von 200.000,- Dollar" wirbt Brigitte Boisselier von der Sekten-Firma Clonaid bereits heute um Kunden. Die Zeit, bis der Markt auch die reproduktiven Klonierungsverbote sprengt, wird überbrückt mit Eizellenverkauf und in Vitro-Fertilisation. Das kostet 5.000,- Dollar pro Eizelle plus Fertilisationskosten. Auch der Pionier Severino Antinori, der bereits 1994 einer 64-jährigen Frau ermöglichte, ein in-Vitro befruchtetes Kind auszutragen, ist mit von der Partie und der amerikanische Professor Panayiotis Zavos soll ebenfalls zehn "Klonierungswillige" an der Hand haben. Die Firma Advanced Cell Technology aber schlagzeilte im November 2001 mit erfolgreich hergestellten menschlichen Klonen und versuchte sich auch an der Parthenogenese (Jungfernzeugung) des Menschen.

(15.1) eizellenkauf plus ausreifungsmöglichkeit, 28.10.2002, 08:51, Ano Nym: Meiner Frau sin die Eierstöcke entfernt worden. Ich, 55 Jahre, Ehepartner, möchte Vater eines Babys werden. Auch dann, wenn die Eizelle plus Brütungsmöglichkeit bei einer anderen Frau (4 Staaten möglich, darunter Unganrn) zu erfolgen hätte, und wenn Verwirklichung illegal wäre. Wie weit dies mit vorliegenden Abs 15 angesprochen wäre, bedarf ihrer (bitte) Beratung. Danke für Ihre Rückmeldung!

(15.1.1) Re: eizellenkauf plus ausreifungsmöglichkeit, 08.11.2002, 22:00, Birgit Niemann: An diesem Kommentar sind aus der Fülle der menschlichen Verhaltensmöglichkeiten mindestens zwei Verhaltensmuster deutlich erkennbar. Das eine besteht darin, dass Menschen wirklich vor nichts so leicht zurückschrecken, wenn Sie ihre individuellen Interessen zu realisieren suchen. Aber dafür haben wir ja mehr als ausreichend unrühmliche Beispiele in unserer Geschichte und Gegenwart. Als Zweites ist deutlich erkennbar, dass Menschen weniger die Aussagen von geschriebenen und gesprochenen Texten aufnehmen, sondern vor allem selektiv solche Inhalte wahrnehmen, an die sie selbst anknüpfen können. Dem Kommentator ist offensichtlich der ablehnende Impetus dieser knappen Offenlegung kapitaler Embryonenverwertung und ihrer Folgen entgangen. Jemanden zu beraten, wie er Frauen als "Brutkasten" benutzen kann, wäre nun wirklich das Letzte, was mir einfallen würde. Sollte ich mit dieser Reaktion wieder einmal "zarte Gefühle" verletzt haben, ist es diesmal nicht unbewußt und es tut mir auch nicht leid.

(15.1.2) Re: eizellenkauf plus ausreifungsmöglichkeit, 21.12.2002, 23:49, Ano Nym: Wie die Entwicklung unaufhaltsam klarstellt, wird die Moral wie Jucisprudenz nicht umhinkommen, sich der Nutzbarmachung von Möglichkeiten anzupassen. Aus diesem Blickwinkel möge eine unausgeformte Begründung nicht das begründete Bedürfnis an sich und in sich selbst negativ werten.

(15.1.2.1) Re: eizellenkauf plus ausreifungsmöglichkeit, 21.12.2002, 23:59, Ano Nym: Zu Absatz 15 der open theorie „Ökonomische Implikationen der Embryo-Verwertung (Version1, Dr. Birgit Niemann vom 27.8.2002): Wären Sie bitte in der Lage und willens, eine Kontaktadresse zu a) „menschliches Klonen“ (außerhalb der Sekten-Firma Clonald, wenn Clonald nicht ein quasi Monopol habe), etwa Advanced Cell Technology b) Eizellenverkauf und in Vitro-Fertilisation, c) Severino Antinori, d) Professor Panayiotis Zavos zu geben?

(16) Der Ausschluss genanalytisch bestimmbarer Risiken durch Selektion von Embryonen und Feten, die Auswahl extrakorporal erzeugter menschlicher Embryonen nach ihrem "therapeutischen Zusatznutzen" und therapeutisches Klonen menschlicher Zellen samt Vernutzung von Embryonen bis zum 14. Lebenstag ist bereits Realität in Europa. Nur der Weg zum reproduktiven Klonen muss erst noch frei gemacht werden. Das Handlungsmuster ist dabei immer dasselbe und bekannt. Einige Wissenschaftler preschen vor, damit sich die Empörung des wissenschaftlichen Establishmentes und der politischen Öffentlichkeit über sie ergießen kann. Das gewöhnt die Menschen an die Normalität des ungeheuerlichen Gedankens und soll individuelle Hoffnungen und Optimierungsbedürfnisse, sowie Vertrauen in die etablierten Wissenschaften wecken. Immer kürzere Zeit später folgt dann der wissenschafts-ökonomische Mainstream den einst verpönten Pionieren. Auch die Europäische Union leistet ihren Beitrag zur Harmonisierung der nationalen Rechtsgrundlagen für den Umgang mit Embryonen. Im sechsten Rahmenprogramm der europäischen Forschungsförderung ist festgehalten, dass erstens die Stammzellforschung mit europäischen Mitteln finanziert werden kann, zweitens die Arbeit mit adulten Stammzellen bevorzugt zu fördern ist und drittens die Forschung an Embryonen bis zum 14. Tag ihrer Entwicklung ebenfalls gefördert werden kann, sofern die nationale Gesetzgebung des Antragstellers es erlaubt. Diese letzte Bestimmung ist geeignet, die Anstrengungen für die demokratische Herstellung der besten wissenschafts-ökonomischen Standortbedingungen für die Embryonenverwertung in den einzelnen europäischen Ländern kräftig anzuheizen. Obwohl das reproduktive Klonen zur Zeit noch weltweit verboten ist, lässt sich das Verfallsdatum auch dieses Verbotes bereits erahnen. Doch genau an der Stelle, an der der Markt für embryonale Produkte die unmittelbaren Gesundheitsinteressen individueller Menschen überschreitet, schlägt die Befreiung von Krankheit und vorzeitigem Tod in Enteignung des Menschen von seinen stofflichen Grundlagen um.

Die Befreiung der biologischen Reproduktion des Menschen von der Frau

(17) Auf dem Markt der biotechnisch gesteuerten menschlichen Reproduktion kommt den Frauen noch immer die Schlüsselrolle zu. Sie sind die ersten Konsumentinnen der Fortpflanzungstechnologien und der vorgeburtlichen Diagnostik. Gleichzeitig verkörpern sie in Form eines subjektiven "Anspruches auf ein gesundes Wunschkind" die Legitimationsobjekte für den wissenschafts-ökonomischen Ausbau der Reproduktionsindustrie. Die WHO hat ungewollte Kinderlosigkeit zur Krankheit erklärt und in Deutschland wird die in-Vitro-Fertilisation den Frauen bereits nach einem Jahr des unerfüllten Kinderwunsches angeboten. Drei Behandlungszyklen werden von den Krankenkassen bezahlt. Das entspricht einem Anteil von 10% am Gesamtbudget der Frauenheilkunde (8). Längst ist allerdings zu beobachten, dass der Konsumentenkreis sich erweitert, denn es geraten zunehmend homosexuelle Paare als potentielle Kunden in das markterforschende Blickfeld (9). Den lesbischen und schwulen Paaren nähert sich die Reproduktionstechnologie auf freiheitlichen Füßen. Es wird die selbstbestimmte Entscheidung für "eigene" Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren, die einzig und allein durch die Technik verwirklicht werden kann, suggeriert.

(18) Als Lieferantin für die "Rohstoffe" Eizellen und Embryonen, sowie als Gebärmutter ist die Frau ebenfalls noch immer unverzichtbar. Die Vermietung der eigenen Gebärmutter in Form von Leihschwangerschaften ist in anderen Ländern der Welt längst üblich. In den USA rekrutieren Maklerbüros ihre "Eizellspenderinnen" durch Inserate in Schulen, Colleges und Universitäten und die Kunden können sich in Ruhe aus Angebotskatalogen die geeigneten Merkmalsträger heraussuchen. In Europa ist der Handel mit Eizellen bisher noch verboten. Wie andere, gesetzlich nur beschränkt verfügbare, menschliche "Rohstoffe" sind Eizellen daher knapp. Aus dem therapeutischen Klonen für Organersatz und Gewebeerneuerung wird sich allerdings ein sehr hoher Eizellbedarf ableiten. Deshalb greifen auch die "Restaurationsmediziner" gern emanzipative Argumente auf. "Mein Bauch gehört mir" war einst der trotzige Slogan, unter dem sich Frauen das Recht auf selbstbestimmte Abtreibung eroberten. "Selbstverständlich gehört dein Bauch dir" sekundiert heute die Biomedizin. "Kein Gesetz, keine Ethik und keine Moral soll deine individuelle Freiheit beschränken dürfen, mir deine Eizellen und Embryonen zu verkaufen," heißt der nächstfolgende logische Schluß. Wie im Zeitraffer schlägt so vor unseren Augen die erkämpfte reproduktive Freiheit von Frauen in ihre Enteignung von Eizellen, Embryonen und Schwangerschaft um.

(19) Die Verwirrung der Frauen hielt jedoch nicht allzu lange an. "Wer für die freie Wahl weiblicher Lebensentwürfe eintritt, muss den von der biomedizinischen Forschung vorgegebenen Weg noch lange nicht mitgehen." heißt es in den Positionen der im Frauen-Forum Fortpflanzungsmedizin "Reprokult" zusammengeschlossenen Frauen. Auf der Berliner Tagung "Reproduktionsmedizin und Gentechnik - Frauen zwischen Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Normierung", die vom 15. bis 17. November 2001 stattfand, wurde im Abschlussforum folgende Schlussfolgerung gezogen: Es liegt in der Verantwortung der Gesellschaft, Grenzen des Machbaren zu setzen. Daher wird es höchste Zeit, die Forderung nach Selbstbestimmung wieder vom Individuum auf die Gesellschaft auszuweiten.

(20) Einforderung gesellschaftlicher Selbstbestimmung, massenhafte individuelle Verweigerung eigendynamischer Marktentwicklungen und demokratische Begrenzung wissenschaftlicher Freiheit beeinträchtigen die biowissenschafts-ökonomische Qualität des Standortes Deutschland. Es gilt als selbstverständlich in Politik und Life-Science-Industrie was Prof. Dieter Berg 1998 auf dem 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in seiner Rede feststellte: "Auch wir müssen rein in die Zukunftstechnologien, rein in die Biotechnik, die Informationstechnologie. Wir müssen jetzt eine Aufholjagd starten, bei der wir uns Technologie- und Leistungsfeindlichkeit einfach nicht leisten können."(9). Kanzler Schröder und auch die Europäische Union haben sich diese Auffassung auf die Fahnen geschrieben. Das neue Rahmenprogramm für die EU-Forschungspolitik hat sich die Schaffung des "Forschungsraumes Europa" zur Aufgabe gemacht und den "europäischen Mehrwert" zum Schlüsselbegriff erklärt. Denn es droht die Gefahr, in wichtigen Bereichen der dritten industriellen Revolution gegenüber Amerika den Anschluss zu verlieren (10,11).

(21) Diese Not zwingt das Life-Science-Kapital ideenreiche Lösungen für die "Rohstoffbeschaffung" zu entwickeln, die möglichst frei von gesellschaftspolitischen Behinderungen sind. Denn der Dialog mit einer unwilligen Gesellschaft kostet vor allem Zeit und der Ausgang scheint offen. In Wahrheit aber kommt es auf jeden Tag an, weil die neuen Genchip-Technologien mit ihrem hohen Durchsatz zusammen mit den Synergieeffekten, die durch die Bioinformatik erreichte werden, die Geschwindigkeit der biowissenschaftlichen Forschung samt ihrer Vermarktung in den letzten fünf Jahren noch einmal exponentiell beschleunigt haben. Das Rennen um Patente, Risikokapital und Marktanteile kann die soziale Gemächlichkeit der demokratischen Entscheidungsfindung und die Einschränkung von Forschung und Technologie durch Gesetzgebung einfach nicht mehr schadlos tolerieren. Neue Möglichkeiten zur Eizellgewinnung, wie die Nutzung unreifer Eizellen abgetriebener Föten, die Gewinnung von Eierstöcken als Nebenprodukt von Operationen und die Entnahme aus weiblichen Spenderleichen sind längst erschlossen. Selbst unreife Eizellen, die bei künstlicher Befruchtung anfallen, werden durch künstliche Reifung nutzbar gemacht und auch die Verwendungsfähigkeit artfremder Eizellen wird ausgetestet. Der gleiche Trend findet sich bei der Beschaffung von Embryonen und in der Erforschung der Embryogenese. Keine mögliche Embryonen-Quelle wird vernachlässigt und in den USA wachsen menschliche Embryonen bereits in künstlichen Gebärmüttern heran. Dort wird auf die baldige Aufgabe der juristisch vorgeschriebenen Zeitbegrenzung bis zum 14. Tag der Embryo-Entwicklung für derartige Experimente durch den amerikanischen Gesetzgeber gesetzt. Auch in Tokio werden Ziegenembryonen in künstlichen Gebärmüttern gezüchtet und die Technik vervollkommnet. Da auch der Tod menschlicher Frühgeburten medizintechnisch bereits auf den 5. - 6. Monat zurückgedrängt werden konnte, werden sich wohl beide Techniken bald in der Mitte treffen, um die Befreiung der biologischen Reproduktion des Menschen von der Frau zu vollenden. Die dann produzierten Wesen werden als Bestandteil von Verfahren patentierbar sein und es wird sich zwangsläufig die Frage stellen, (zu) wem diese Wesen dann gehören werden und für welche Zwecke sie optimierbar sind. "Mit solchen Lebewesen, halb Mensch, halb Molekularbiologie - erzeugt, nicht gezeugt, im Schatten einer Doppelhelix - wird man viel tun können, was jetzt noch nicht möglich ist. Ich möchte nicht dabei sein." schätzt der über neunzigjährige Nobelpreisträger Erwin Chargaff die sozialökonomischen Folgen seiner eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit ein (12).

Randbemerkungen und Literatur:

(22) 1. Der Import von Stammzelllinen, die aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden, wird vom Embryonenschutzgesetzes nicht erfasst, deshalb war der Import bis zur Verabschiedung des Stammzellimportgesetzes im April 2002 juristisch nicht verboten.

(23) 2. "Richtlinien zur Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut", Dt. Ärztebl. 1999; 96: A-11297-1304

(24) 3. Vektoren sind gentechnisch konstruierte, meist ringförmige DNS-Moleküle, die als Transportvehikel für Gene fungieren.

(25) 4. Von "Schrot-Schuss-Methoden" wird in der Gentechnik immer dann gesprochen, wenn eine "Genfähre" (Vektor) ungerichtet in einen Organismus hineingebracht wird. Unter diesen Bedingungen muss es dem physiologischen Geschehen innerhalb des Organismus überlassen werden, ob und wie die Verwendung des neuen Genes dann stattfindet. Im Verlaufe der Entwicklung von gezielten Genveränderungen stehen "Schrot-Schuss-Methoden" immer am Anfang von gentechnischen Experimenten und werden im Verlaufe der inneren Methodenentwicklung von gezielteren Verfahren abgelöst.

(26) 5. "Gene Therapy of Human Severe Combined Immunodeficiency (SCID)-X1 Disease" M. Cavazzana-Calvo et al, Science Apr 28 2000: 669-672. Bei der SCID-X1-Krankheit verhindern Mutationen, die Gene für Zellkommunikationsproteine verändern, die Bildung bestimmter Immunzellen (T-Zellen), die für die Ausbildung und Reifung des Immunsystems wichtig sind.

(27) 6. "Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz - TPG) vom 5. November 1997", Bundesgesetzblatt I S.2631

(28) 7. "Embryonale Stammzellen der Maus", Rohdewald H. und Wobus A.M., Bundesgesundheitsblatt 2002-45:113-122

(29) 8. Statement ReproKult- Frauen Forum Fortpflanzungsmedizin, Hearing with the Civil Society - Temporary Committee on Human Genetics - EU-Parliament am 9.+10. Juli 2001 in Brüssel zum Thema: The impact of Human Genetics on our everyday life

(30) 9. "Der frauenlose Embryo", Bioskop Rundbrief - Denkzettel Nr.4

(31) 10. "Verwirklichung des "Europäischen Forschungsraumes": Leitlinien für die Maßnahmen der Union auf dem Gebiet der Forschung" (2002-2006), KOM (2000) 612, Brüssel, den 04.10.2000

(32) 11. "Vorschlag der Europäischen Kommission zum 6. Rahmenprogramm" KOM (2001) 94, Brüssel, den 21.2.2000

(33) 12. "Über das Lebendige", Erwin Chargaff , Klett-Kotta 1993 (Greif-Bücher)


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