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Seminar zu "New Work" 7.-9. Juli 2006 in Hütten

Maintainer: Hans-Gert Gräbe, Version 2, 05.01.2006
Projekt-Typ:
Status: Archiv

Idee und Anliegen

(1) Die Idee zu einem solchen Wochenendseminar geht auf verschiedene Diskussionszusammenhänge zurück, die sich um ein besseres theoretisches Verständnis der heute ablaufenden Umbruchprozesse bemühen. Trotz deutlicher Unterschiede sowohl in der Herangehensweise als auch im Themenfokus wurde dabei unabhängig voneinander deutlich, dass sich zukunftsweisende praktische Ansätze (Keimformen des Neuen) nicht in einem klassischen Lohnarbeitsverhältnis mit dessen Trennung in Auftrag und Ausführung begrifflich fassen lassen, sondern der Arbeitsbegriff für zentrale Tätigkeitsbereiche der Gesellschaft, die zunehmend durch wissensintensive Elemente geprägt sind, neu durchdacht werden muss.

(1.1) Re: Idee und Anliegen, 05.01.2006, 16:44, Stefan Merten: Klingt interessant :-) .

(2) Quellen solcher Überlegungen sind insbesondere:

(2.1) 18.01.2006, 13:09, waxte24jr 6256279ß0214: ahutis

(3) Eine solche Readjustierung des Arbeitsbegriffs als zentraler Kategorie der gesellschaftlichen Einbettung individuellen Tätigseins ist in groben Strukturen bei (Holloway-04) bereits vorgedacht und im (globalen) Begriff des "gesellschaftlichen Tuns" aufgefangen. Selbstbestimmtheit und Eigeninitiative eines solchen "Tuns" lassen Arbeit immer mehr im (lokalen) Begriff des "Gestaltungsanspruchs" statt des "Gestaltungsauftrags" hervortreten. Auf der Konferenz soll dieses Spannungsfeld auf dem Hintergrund der bereits heute sichtbaren Auswirkungen der technologischen Umbrüche auf die Formen der "Organisation des gesellschaftlichen Tuns" ausgelotet werden, einschließlich der Fragen, welche Konsequenzen sich aus einem solchen Formenwandel für das gesellschaftliche Zusammenleben ergeben und wo die Keimformen für einen solchen Formenwandel in der heutigen Gesellschaft zu finden sind.

Ort, Zeit, Form, Leute

(4) Als Ort hatten wir grob eine Einrichtung irgendwo im "grünen Herzen Deutschlands" in Erwägung gezogen - auch unter dem Eindruck, dass die "Zukunftswerkstatt Jena" da gute Erfahrungen hat mit Objekten in Hausen und Hütten (das sind die Namen zweier Orte im Thüringischen!) und ich (HGG) hoffe, dass die Zukunftswerkstatt bei diesem Projekt mit im Boot sein wird.

(4.1) Re: Ort, Zeit, Form, Leute, 10.01.2006, 14:53, Annette Schlemm: Es gibt zwei Zeitvorschläge: 1.: vom 7.-9.7. mit ca. 20 Personen. 2.: vom 14.-16.7. mit beschränkten Teilnehmern (wieviele genau weiß ich noch nicht).
Preisangebote kommen auch erst noch (ganz billig ist es dort nicht).

(4.2) Re: Ort, Zeit, Form, Leute, 06.02.2006, 15:06, Hans-Gert Gräbe: Nach Abstimmungsrunden mit Annette Schlemm und Franz Nahrada:
Ort und Zeit stehen fest: 7.-9. Juli 2006 in Hütten, http://www.bildungswerk-blitz.de/willkommen.53.0.html (ich habe auch den Titel des Projekts entsprechend geändert)
Wir haben dort zunächst 20 Plätze reserviert.
Mehr zum Objekt unter http://www.hg-graebe.de/WAK-Leipzig/projekt-2.html
TeilnehmerInnen (incl. Referenten) müssen (derzeit) mit einem Eigenbeitrag (ohne Anreisekosten) von etwa 70 Euro für Übernachtung/Verpflegung rechnen. Dieser senkt sich, wenn es uns gelingt, Förderer für das Seminar zu gewinnen. Das ist in Arbeit, Erfolg ungewiss.

(5) Als Form soll ein wirkliches Seminar stattfinden mit Lesematerial im Vorfeld, wenigen (3..5) Impulsreferaten und viel Raum für Diskussion. Anreise wäre Freitag abend, Abreise Sonntag nach dem Mittagessen oder so. Das böte Raum für 3 Seminar-Blöcke (Freitag Abend, Samstag Morgen, Sonntag Morgen) sowie Raum am Samstag Nachmittag für ein paar Schritte vor die Tür oder so. Aber das ist noch genauer zu diskutieren.

(6) Wer sich in die Vorbereitung einbringen will, einfach in dieses Projekt eintragen, weil wir eine Reihe von Informationen auf der dahinterliegenden Mailingliste austauschen.

(6.1) 10.01.2006, 14:56, Annette Schlemm: Ich kümmere mich um die Unterbringung (Hütten). Ich möchte aber bitte nicht die ganze Finanzierung etc. mit übernehmen... Annette S.

(7) Mehr dazu (und die Quelle des ultimativen Standes von Brainstorming und Vorbereitung) unter http://coforum.de/?SeminarNewWork

Einige grundsätzliche Überlegungen zum Thema

(8) Die Umbrüche unserer Zeit sind ganz wesentlich geprägt von einer Krise der Arbeitsgesellschaft im überkommenen Sinn mit ihrer Aufspaltung in Unternehmer und Lohnabhängige. Äußeres Zeichen dieser Krise ist die seit etwa 30 Jahren permanent hohe Arbeitslosigkeit, die sich in den letzten Jahren trotz verschiedener Versuche des Gegensteuerns auf immer höherem Niveau einpegelt. Damit stehen ganz wesentlich die Existenzbedingungen breiter Schichten der Bevölkerung unter Druck, die zum einen nun - wie von Marx für eine hoch entwickelte Industriegesellschaft vorausgesagt - einerseits massenhaft "freie Zeit", "Mußezeit", "Zeit für höhere Tätigkeiten" haben, andererseits aber unter hohen Stress gestellt sind, da ihnen die - faktischen und finanziellen - Möglichkeiten für die Ausfüllung dieser Zeit zunehmend genommen werden.

(9) Es ist abzusehen, dass es eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung in diesem Erwerbsarbeitssinn mit einer so klaren Teilung in "Arbeit" und "Freizeit" - insbesondere auch als Phasen von "Geldzufluss" und "Geldabfluss" - für zunehmend große Teile der Bevölkerung nicht geben wird. Neoliberale Konzepte des Umgangs mit diesen Fakten greifen zunehmend weniger - wenigstens nicht in ihren auf Menschen zentrierten Voraussagen. Die bürgerliche technologische Entwicklung hat die bürgerliche Gesellschaft in eine Krise gestürzt, die deutlich tiefer ist als alle vorangegangenen. Während etwa mit dem "New Deal" oder dem Konzept der "sozialen Marktwirtschaft" frühere tiefe strukturelle Krisen nach etwa 10 Jahren Dauer mit einem neuen hegemonialen Konzept überwunden werden konnten, entfaltet das Konzept des Neoliberalismus als Versuch, auf ähnliche Weise auf die neuen Herausforderungen zu reagieren, eher die entgegengesetzte Wirkung und scheint die Krisenprozesse noch zu verstärken.

(10) Damit kommt der genauen Analyse der Umbrüche in der Arbeitswelt eine zentrale Bedeutung zu, die sich dabei allerdings nicht mehr allein in einer Dimension zwischen "Arbeit" und "Konsum" bewegen darf, sondern Antworten auf die Frage finden muss, ob nicht die Nutzung der "freien Zeit", der "Mußezeit", der "Zeit für höhere Tätigkeiten" eine natürliche Verlängerung des Begriffs der "gesellschaftlich nützlichen Arbeit" und damit der "Erwerbsarbeit" ist, in dem allerdings die Eigenbestimmtheit der Zielrichtung dieses Beitrags eine deutlich größere Rolle spielt als im klassischen oder modernen Lohnarbeitsverhältnis.

(11) Folgt man dieser Gedankenrichtung und fragt nach der Substanz eines solchen erweiterten Arbeitsbegriffs, dann erscheint sofort der damit verbundene "Gestaltungsanspruch" - der Anspruch, ein Stück Gesellschaft eigenverantwortlich gestalten zu wollen - in seiner doppelten Herausforderung vor dem Einzelnen und der Gesellschaft, einerseits Freiräume für ein solches Gestalten zu schaffen und Ressourcenzugriff zu ermöglichen sowie andererseits diese Freiräume kompetent und verantwortlich auszufüllen. Details hierzu finden sich in (Graebe-01).

(12) Eine solche Neuadjustierung hätte eine Reihe von Vorteilen. Einmal würde sie die Trennlinie längs des "Lohnarbeitsbegriffs" - durch Ich-AG's, Kleinstunternehmer, Freelancer etc. längst praktisch ad absurdum geführt - nun auch theoretisch als obsolet markieren. Eine Adjustierung, die in (Moglen-03) konsequent zu Ende gedacht ist: der grundlegende Widerspruch, der diese Gesellschaft auseinandertreibt, ist nicht der zwischen "Bourgeoisie und Proletariat" - wie im "Kommunistischen Manifest" (MEW 4) noch vermutet - sondern der zwischen "Owners and Creators". Dies ist eine kleine und zu Marxens Zeit noch kaum wahrnehmbare Nuance, die erst bei einem Stand der Produktivkräfte ihre Wirkung entfaltet, wo "die Schöpfung des wirklichen Reichtums weniger abhängt von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden ... " (MEW 42, S. 592), dort aber eine solche Dynamik entfaltet, dass "Arbeit" und "Konsum" alter Prägung gar nicht mehr als zwei Seiten des Alltags wahrgenommen werden, sondern zu einem "aktiven Leben" verschmelzen und die Frage, ob "der Modus der Verteilung dem der Produktion folgt" (Busch-05) gegenstandslos wird, weil beide in einem einheitlichen Prozess der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur, die Natur der menschlichen Vergesellschaftung eingeschlossen aufgehen.

(12.1) 05.01.2006, 16:49, Stefan Merten: Zu diesem Thema könnte auch das "Hacker Manifesto" von McKenzie Wark interessant sein ( kurze_Version, lange Version scheint nicht im Web zu sein, gibt es aber auch als deutsche Übersetzung als Buch (ISBN 3406528759)).

(13) "Entwicklung der Arbeit zum ersten Lebensbedürfnis" (Busch-05) ist - in einem wirklich emanzipatorischen Sinne - wohl auch nur mit einem solchen Arbeitsbegriff zu denken.

(14) Zweitens bekommt die "Nützlichkeit", das Maß, an welchem sich die gesellschaftliche (und heute auch monetäre) Anerkennung der indivduellen Arbeit zu orientieren hat - wenn es denn noch einer solchen Orientierung bedarf; ich gehe davon aus - eine deutlich andere Ausrichtung als auf die "Verausgabung einfacher Arbeitskraft, die im Durchschnitt jeder gewöhnliche Mensch, ohne besondere Entwicklung, in seinem leiblichen Organismus besitzt" (MEW 23, S. 59). In einer Gesellschaft, welche sich auf die "Multioptionalität von Zukunft" (Laitko-01) aktiv vorbereitet, zerfällt eine solche Nützlichkeit in potenzielle und handlungsaktive Nützlichkeit. Ersteres wird bestimmt durch das Wissen, die Erfahrung, die in persönlicher Kompetenz akkumulierte Erinnerung, das eigene ICH, das unmittelbare Sein als Faser des Gesellschaftskörpers, aus welchen letzterer gewebt ist. Und wenn und so lange Nützlichkeit in Geld umgerechnet wird, ist es nur legitim, diese potenzielle Nützlichkeit der reinen Existenz eines jeden Menschen in einem Existenzgeld, einer Grundsicherung, einem garantierten Grundeinkommen oder wie wir es auch immer nennen wollen, zu manifestieren.

(14.1) Potenzielle Nützlichkeit soll Grundeinkommen garantieren?, 06.01.2006, 11:50, Wolfgang Schallehn: Die ganze Brisanz des Themas New Work wird vielleicht am besten am Bild "Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen" deutlich. Müssen wir nicht eine Tendenz zur "Entmenschlichung durch Nichtarbeit" konstatieren? Gibt es nicht erschreckende Deformationen von Persönlichkeiten, sei die Nichtarbeit nun durch Mangel an Arbeit oder durch Überfluss an Gütern begründet? Als fatalste Tendenz der Gegenwart erscheint mir, dass die "Selbstverwirklichung" eigentlich nur noch "weg von der Arbeit" propagiert wird. Die Ausweitung der "Nullbockgeneration" ist m.E. eine größere Gefahr für die menschliche Zivilisation als alle Tsunamis und Ozonlöcher und AKWs zusammen. Das "aktive Leben" für alle will gestaltet sein - ein Patentrezept habe ich auch nicht.

(15)

(Busch-05) Ulrich Busch: Schlaraffenland - eine linke Utopie? Kritik des Konzepts eines bedingungslosen Grundeinkommens. Utopie Kreativ 181 (2005), 978-991. (pdf)
(Graebe-01) Hans-Gert Gräbe: Emanzipatorische Herausforderungen moderner Technologien - 10 Thesen. Version vom Mai 2001. html
(Holloway-04) John Holloway: Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen. Verlag Westfälisches Dampfboot, 2004.
(Laitko-01) Hubert Laitko: Bildung als Funktion einer multioptionalen Gesellschaft. Utopie kreativ 127 (2001), 405-415. (pdf)
(Moglen-03) Eben Moglen: The dotCommunist Manifesto. Version vom Januar 2003. (html, deutsche Übersetzung)

(15.1) Literaturergänzung, 05.01.2006, 18:09, Annette Schlemm: (Zukunftswerkstatt 05) Die Selbstentfaltungsgesellschaft: http://www.thur.de/philo/ku5.htm


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