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Nehmen statt Kaufen

Maintainer: Stefan Merten, Version 3, 24.11.2000
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Nehmen statt Kaufen

(1) Stefan Merten

Nehmen statt Kaufen

Zur Wirtschaftsform der Freien Software

(3) Die in diesem Beitrag vorgestellten, weitergehenden Gedanken sind wesentlich im Projekt Oekonux [http://www.oekonux.de/] entstanden. Ohne die rege Diskussion der Oekonux-Mailing-Liste [mailto:liste@oekonux.de] wäre dieser Text nicht möglich gewesen.

(4) Der Beitrag ist insgesamt sehr gerafft und kann nur als Einstieg in die Thematik dienen. Vertiefende Texte finden sich im Textbereich [http://www.oekonux.de/texte/] der Oekonux-Web-Site oder über die Linkliste [http://www.oekonux.de/projekt/links.html].

(4.1) 19.11.2002, 22:28, Stefan Merten: Der Beitrag ist im Jahrbuch Nachhaltiges Wirtschaften Ausgabe 1 [http://www.leibi.de/jahrbuch/index_de.htm] als Artikel [http://www.leibi.de/jahrbuch/de/de01_32.htm] erschienen. Dort liegt er auch im Rahmen der englischen Ausgabe [http://www.leibi.de/yearbook/index.htm] als Übersetzung [http://www.leibi.de/yearbook/en/en01_32.htm] vor.

1. Was ist Freie Software?

(5) Neben der kommerziellen Software, die wie andere Waren auf einem Markt gekauft werden kann, gibt es eine Fülle anderer Formen, in den Besitz von Software zu bekommen. Bekannt sind z.B. Shareware-Modelle, bei denen die BenutzerIn einer Software bei Gefallen verpflichtet ist, den ProduzentInnen einen relativ geringen Geldbetrag zu übersenden. Auch Raubkopien sind eine (illegale) Form von Software-Beschaffung.

(5.1) Re: 1. Was ist Freie Software?, 07.09.2001, 13:55, Ano Nym: Freeware??? PD???

(6) In diesem Beitrag ist weder von Shareware noch von Raubkopien die Rede, sondern es geht um Freie Software. Entscheidend für Freie Software ist nicht, daß sie nahezu kostenlos ist. Entscheidend ist vielmehr, daß Freie Software mit bestimmten Freiheitsrechten für die BenutzerIn verbunden ist. Neben dem Recht zur Benutzung der Software, räumt Freie Software auch das Recht ein, die Quellen des Programms zu studieren, Anpassungen an ihnen vorzunehmen, und die originale oder veränderte Versionen weiterzugeben.

(6.1) Re: Was ist Freie Software?, 27.11.2000, 02:45, Thomas Uwe Grüttmüller: Die Frage beantwortet http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html sehr sch%0-n. Gibts leider noch nicht auf Deutsch :o(

1.1. Zur Entstehungsgeschichte Freier Software

(7) Die Geschichte der Freien Software ist untrennbar mit Richard M. Stallmann, der Free Software Foundation und dem Gnu-Projekt verbunden. Richard M. Stallmann, der bis dahin den freien Fluß von Software gewohnt war, ärgerte sich über die aufkommende Kommerzialisierung von Software so sehr, daß er 1984 das Gnu-Projekt ins Leben rief. Ziel war es, ein Unix-artiges Betriebsystem in die Welt zu setzen, das Frei ist. Große Teile dieses Ziels sind auch mit zahlreichen, qualitativ herausragenden Programmen über die Jahre verwirklicht worden. Nur der Kernel, das Herzstück eines Betriebssystems wurde und wurde nicht fertig.

(7.1) Patch, 27.11.2000, 02:19, Thomas Uwe Grüttmüller: /s/"Kommerzialisierung"/"urheberrechtlich gestuetzte Verknappung und Geheimhaltung"

(7.2) Re: 1.1. Zur Entstehungsgeschichte Freier Software, 07.09.2001, 13:48, Ano Nym: Braver Stallmanjünger, freie Software ist nicht die Erfindung von ihm. Sein Verdienst ist die GPL, unter die heute jeder das stellt, was man früher PD nannte.

(8) In dieser Situation trat 1992 Linus Torvalds auf den Plan. Er suchte im Internet Leute, die wie er Lust hätten, einen Kernel zu entwickeln. In rasanter Geschwindigkeit fanden sich weltweit zahlreiche ProgrammiererInnen und in atemberaubendem Tempo entstand das, was heute als Linux bekannt ist. Da die damals bereits vorhandene Gnu-Software diese Entwicklung erst möglich machte und auch ein heutiges Linux zum größten Teil aus Gnu-Software besteht, sollte genauer von Gnu/Linux gesprochen werden.

(8.1) Patch, 27.11.2000, 02:22, Thomas Uwe Grüttmüller: /s/1992/1991 /s/"ein heutiges Linux"/"eine heutige Linux-Distribution"

1.2. Lizenz zum Kopieren

(9) Der geniale Trick von Richard M. Stallmann bei der Gründung des Gnu-Projekts bestand darin, die General Public License zu erfinden - kurz GPL. Eine Lizenz, die genau das erlaubt, was andere Lizenzen verbieten: Das beliebige Kopieren und Weitergeben der Software, das Studium der Quellen, deren Veränderung und auch die Weitergabe der veränderten Versionen.

(9.1) Re: 1.2. Lizenz zum Kopieren, 07.09.2001, 13:50, Ano Nym: Das macht man so, was ist das neue daran, in jeder Firma ist der Code eines Softwareprojektes offen, wenn man im team daran arbeitet. Neu ist die Offenheit für Externe!

(10) Das einzige was die GPL verbietet, ist die Reprivatisierung von Software, die unter der GPL steht: Wird GPL-Software weitergegeben, dann müssen den EmpfängerInnen die Quellen genauso verfügbar gemacht werden, wie sie der GeberIn zur Verfügung stehen. Die Eigenschaft der Freiheit eines Produkts, das unter der GPL steht, vererbt sich also quasi auf Folgeprodukte.

(10.1) Wissen das die coder, 07.09.2001, 13:55, Ano Nym: ich muss gestehen, gar nicht so genau zu wissen, wo de rUnterschied bei den Lizenzen eigentlich liegt.

(11) Neben der GPL hat sich auch eine Fülle von weiteren Lizenzmodellen für Software gebildet. Diese lassen teilweise sogar die Reprivatisierung von Software zu, indem die GeberIn nicht verpflichtet wird, bei Weitergabe der Software die Quellen mitzuliefern. In diesem Fall kann dann von Open Source-Software gesprochen werden. Freie Software im engeren Sinne ist solche, die unter der GPL steht und damit den BenutzerInnen die weitestgehendsten Freiheitsrechte einräumt.

(11.1) Begriffe (FS, OS usw.), 27.11.2000, 02:52, Thomas Uwe Grüttmüller: Hierzu gibt es auch eine wundersch%0-ne Erklaerung: http://www.gnu.org/philosophy/categories.html

(11.2) 19.07.2001, 09:44, Thomas Uwe Grüttmüller: Die "Open Source Definition" entspricht nahezu dem Wortlaut der "Debian Free Software Guidelines", welche wiederum eine Kurzfassung der Definition der FSF darstellt. "Freie Software" und "Open Source" sind daher nahezu dasselbe. Der Streit geht nur um die Begriffe: "frei" impliziert "kostenlos" und "quelloffen" vernachlässigt sprachlich die politischen Ziele. (Sich um diese Begriffe zu streiten, ist m.E. genauso albern, wie beim Buchstabieren immer "Doppel-S" zu sagen und jeden, der das anders macht, als bösen Nazi zu beschimpfen, obgleich doch, wie jeder weiß, die Abkürzung "SS" für "Sovetskij Sojuz" ("Sowjetunion") steht!!!)

(11.3) 19.07.2001, 09:56, Thomas Uwe Grüttmüller: Mit "freier Software im engeren Sinne" ist sicher freie Software unter Copyleft gemeint.

(11.4) 19.07.2001, 10:02, Thomas Uwe Grüttmüller: An der Fülle von Lizenzen für freie Software sehe ich nicht mangelnde Freiheiten als Probelm, sondern die Inkompatiblität jener Lizenzen zueinander: Es ist nicht legal möglich, GPL-lizensierten Code und solchen unter einer der alten BSD-Lizenz ähnlichen Lizenz stehenden zu einem Programm zusammenzulinken.

1.3. Die Freie-Software-Community

(12) Auf dieser Grundlage hat sich innerhalb weniger Jahre eine ständig wachsende Fan-Gemeinde gebildet, die Freie Software und speziell Gnu/Linux nutzt. Sie wird sichtbar in zahllosen Linux-bezogenen Web-Sites, zahlreichen Linux User Groups, vielen Veranstaltungen mit teilweise über 10,000 BesucherInnen und einigen Linux-bezogenen Zeitschriften.

(12.1) Re: 1.3. Die Freie-Software-Community, 09.06.2002, 02:25, bert ti: Such mal nach Linux bei google... wieviele hits du da kriegst...

(13) Einige aus dieser Community entwickeln in einem permanenten Prozeß die vorhandene Freie Software weiter und erstellen neue. Die so entstehende Software ist in der Regel von überragender Qualität, die nur von wenigen kommerziellen Produkten erreicht wird. Insbesondere die verbreiteten Microsoft-Produkte können bei der Qualität auf allen Ebenen nicht im entferntesten mithalten.

(14) Neben dem konkreten Nutzen, den Freie Software allen BenutzerInnen bietet, ist in der Community aber auch deutlich eine Begeisterung für die Idee der Freien Software als solche zu spüren. Viele sind einfach fasziniert von dem Gedanken, selbst bei der Programmierung von Software Spaß zu haben und gleichzeitig damit der ganzen Welt etwas Gutes tun zu können.

(14.1) 25.09.2001, 02:03, JAck Daniels: Was ist mit Open Music???

2. Einige Projekte

2.1. Gnu/Linux und Apache

(16) Das erwähnte Gnu/Linux und der Apache-Web-Server gelten als zwei Flaggschiffe der Freien-Software-Bewegung. Gnu/Linux ist ein Betriebssystem, das sich in den letzten Jahren zunehmend gegen die Marktmacht von Microsoft nicht nur behaupten kann, sondern immer größere Anteile an installierten Systemen stellt. In jüngster Zeit fängt sogar der Riese Microsoft an diese Bedrohung zu sehen und reagiert mit Kampagnen, die Freie Software schlecht machen sollen.

(17) Die Einsatzzahlen des Freien Web-Servers Apache liegen Untersuchungen zu Folge seit einiger Zeit weit vor denen von Microsoft- oder Netscape-Servern. Insbesondere Internet-Service-Provider, für die hochzuverlässige Software lebenswichtig ist, setzen zu einem erheblichen Teil auf die Kombination von Gnu/Linux und Apache.

2.2. Andere Freie Projekte zur Produktion von Informationsgütern

(18) Angeregt durch die Art und Weise wie Freie Software erstellt wird, haben sich in den letzten Monaten und Jahren einige Projekte gebildet, die die Prinzipien der Entwicklung Freier Software auf andere Informationsgüter übertragen wollen. Eine kleine Auswahl:

(19) o Das OpenTheory-Projekt [http://www.opentheory.org/] versucht, die Entwicklung theoretischer und anderer Texte zu leisten. Mit Hilfe eines einfachen Web-Interfaces können LeserInnen die Texte kommentieren, die einE MaintainerIn dort eingestellt hat und die den Text verwaltet.

(20) o Die Projekte Nupedia [http://www.nupedia.com/] und Encyclopaedia Aperta [http://www.opentheory.org/enzyklopaedie] versuchen Freie Enzyklopädien zu erstellen.

(21) o Freie Musik wird u.a. von den Projekten GNUsic [http://www.gnusic.net] und auch dem europäischen MP3-Verbund [http://www.mp3eu.net/] gefördert. Gemeint ist hier nicht Musik, die von einer normalen, handelsüblichen CD genommen wurde, sondern solche, die von vorneherein Frei (d.h. im Sinne der GPL) weiterverteilt werden kann.

2.3. Freie Projekte mit dem Ziel materieller Produkte

(22) Sogar im Bereich der materiellen Produkte haben sich erste Projekte gebildet, die im Moment Freie Informationsgüter wie Schaltpläne oder Konstruktionsunterlagen herstellen, die für die Produktion materieller Güter notwendig sind.

(22.1) Re: 2.3. Freie Projekte mit dem Ziel materieller Produkte, 29.01.2002, 21:33, Birgit Niemann: Aha, hier wird es spannend. Was wurde denn mit solchen Freien Konstruktionsplänen schon gebaut? Waren es private Einzelstücke, für die ein Hobbybastler die Einzelteile im Baumarkt oder Elektronikmarkt zu seinem eigenen Vergnügen gekauft hat oder gibt es bereits irgend eine darauf beruhende Produktion von Gebrauchsgütern über den eigenen Bedarf hinaus? Und wer organisiert dann wie die dafür nötigen stofflichen Ressourcen? Werden die wie bisher üblich von irgend jemandem gekauft oder woher stammen sie sonst? Und wie fließen dann die Freien virtuellen Anteile mit den gekauften stofflichen Anteilen im Produkt zum Wohle der Beteiligten zusammen? Und das wichtigste, warum können es sich die Produzenten freier Konstruktionspläne leisten, die Früchte ihrer Tätigkeit einfach zu verschenken? Haben sie für andere Arbeiten ausreichend hohe Gehälter oder vielleicht eine Erbschaft gemacht oder werden sie von sonst irgend einem anderen Prozess ausgehalten? Irgendwann habe ich im Internet 'mal gelesen, dass jemand ein Auto auf diese Art und Weise kollektiv und dezentral bauen wollte. Bauen, nicht nur projektieren. Ist denn daraus bereits etwas Reales geworden und wenn ja, wie kommt das fertige Auto (oder auch andere Produkte) unter die Leute? Und was haben dann die Beteiligten an den Entwicklungen davon? Freuen sie sich einfach, das irgend ein Produzent dank ihrer kostenlosen und billigen Projektionsarbeit billiger produzieren kann, gehört ihnen ein Stück vom fertigen Produkt und oder wie entwickelt sich die Sache sonst praktisch weiter, wenn sie beginnt, von der unbegrenzten, weil virtuellen Algorithmusentwicklung in's prinzipiell immer begrenzte stoffliche Leben zu wechseln? Das sind genau die Fragen, die mich wirklich brennend interessieren.

(23) Mehrere Projekte befassen sich mit dem Entwurf elektronischer Elemente auf den verschiedensten Ebenen. Von Strukturen auf Chips (Free IP project [http://www.free-ip.com/]) über elektronische Chips selbst (OPENCORE.ORG [http://www.opencores.org/]) bis hin zu einer Freien CPU (Freedom CPU [http://f-cpu.tux.org/]) und elektronischen Schaltungen (OpenCollector [http://opencollector.org/]) wird mittlerweile eine große Palette elektronischer Bauelemente abgedeckt.

(24) Das ambitionierteste Projekt ist derzeit wohl das OSCar-Projekt [http://www.theoscarproject.org/] bei dem ein Freies Auto entworfen wird.

(25) Momentan arbeiten diese Projekte noch auf der Basis, daß die erstellten Konstruktionsunterlagen, die unter GPL-ähnlichen Lizenzen stehen und damit von jedem Menschen gelesen, benutzt und verändert werden können, von einer kommerziellen Firma für die Produktion benutzt werden. Die so entstehenden Produkte haben einen niedrigeren Preis als kommerziell entwickelte, da der Entwicklungsaufwand von der Herstellerfirma nicht bezahlt werden muß und sich dementsprechend nicht in den Preisen niederschlägt. Mit dem Trend hin zu Freien materiellen Produkten ist prinzipiell vorstellbar, daß nach und nach die gesamte Warenwelt durch Freie Güter ersetzt wird.

(25.1) Auto-Projekt, 29.01.2002, 21:54, Birgit Niemann: Hier ist ja schon das Auto-Projekt. Okay, der Preis ist niedriger, weil die Entwicklungskosten nicht anfallen. Das erhöht den Preisdruck auf andere Auto-Bauer, die dann vielleicht auch von ihren Entwicklern erwarten, dass sie umsonst arbeiten. Oder vielleicht diese entlassen, um sich dafür bei den großzügigen Freien Entwicklern zu bedienen. Die wichtigste Frage ist für mich also noch offen. Wie partizipieren die Freien Software-Entwickler an den von ihnen entwickelten Produkten im Rahmen ihrer eigenen individuellen Reproduktion, ohne als Eigner beteiligt zu sein oder vielleicht alle 5-10 Jahre eines der Autos für die eigene Nutzung überlassen zu bekommen? Wenn letzteres der Fall ist, dann stellt sich die Frage, wieviele Freie Beteiligte kann dann der Hersteller langfristig verkraften und was wäre das dann anderes als eine konkrete Art von Lohn? Und bei wievielen Autos als Gegenleistung regelt sich die Geschichte ein? Und was ist die Regulationsgröße, wenn nicht die uns allen doch so herzlich vertraute Quantität der "verschenkten" Projektionsleistung, auch von mir immer noch mit dem Terminus Arbeit benannt?

3. Freie Software als Wirtschaftsform

(26) Freie Produkte lassen sich mit dem durch Tausch, Arbeit und Geld geprägten Denken nicht mehr richtig fassen. Es ist für viele allein schon schwer vorstellbar, warum einE EntwicklerIn kein Geld für ihre Tätigkeit verlangt. Alle Aspekte zusammengenommen handelt es sich bei Freier Produktion um eine neue, in der Geschichte der Menschheit bisher nicht dagewesene Wirtschaftsform.

(26.1) Re: 3. Freie Software als Wirtschaftsform, 29.01.2002, 22:11, Birgit Niemann: "....in der Geschichte der Menschheit bisher nicht dagewesene Wirtschaftsform." Immer langsam mit den kühnen Absoluta wie "bisher nicht dagewesen". Die Geschichte der Menschheit ist sehr viel älter als die Warenproduktion und der Gütertausch. Man darf die letzten 10.000 Jahre wirklich nicht so unverschämt überbewerten. Die wirklich längste Zeit der menschlichen Geschichte beruhte auf Subsistenz und gegenseitigen Geschenken. Wenn sie in der modernen angedachten Form denn tatsächlich einmal wirklich funktionieren sollte, wogegen ich persönlich überhaupt nichts hätte, dann könnte man sie bestenfalls als neue Renaissance bezeichnen.

3.1. Weder Lohnarbeit noch Subsistenz

(27) Da die ProduzentInnen Freier Produkte nicht bezahlt werden - und in aller Regel auch gar nicht bezahlt werden wollen -, sind Freie Software und andere Freie Produkte so wertlos wie die Luft zum Atmen: Sie müssen nicht bezahlt werden und stehen dennoch denen, die sie brauchen, im Überfluß zur Verfügung.

(27.1) Re: 3.1. Weder Lohnarbeit noch Subsistenz, 25.09.2001, 02:05, Ano Nym: Kennst du den Song "Dit Land hört us all" von Helmut Debus?

(28) Gleichzeitig strengen sich Freie ProduzentInnen nicht nur für sich selbst an. Zwar spielt der konkrete Nutzen für die je persönlichen Bedürfnisse oft eine Rolle bei der Entwicklung eines Freien Produkts, doch viele Freie ProduzentInnen arbeiten zusammen mit anderen Interessierten in ihre Produkte auch unentwegt Änderungen und Erweiterungen ein, die vorwiegend anderen NutzerInnen des Produkts nützlich sind. Damit hebt sich diese Form des Wirtschaftens von allen subsistenzbasierten Wirtschaftsformen ab, die nur für die Bedürfnisse der je eigenen Person und/oder Gruppe tätig werden.

(28.1) Subsistenz und Gruppe, 29.01.2002, 22:39, Birgit Niemann: "Damit hebt sich diese Form des Wirtschaftens von allen subsistenzbasierten Wirtschaftsformen ab, die nur für die Bedürfnisse der je eigenen Person und/oder Gruppe tätig werden." Das dürfte allerdings wirklich noch genauere Untersuchung erfordern. Stellen wir uns z.B. die historisch erste Herstellung eines Speeres vor. Ein individueller Erfinder hatte diese großartige Idee und führte die dafür notwendigen Handlungen aus. Die stoffliche Herstellung des Speers erforderte zweifellos einen ideell vorweggenommenen Herstellungsprozess, also einen Algorithmus. Dieser Algorithmus kann sehr wohl als mentales Pendant zu einer Software betrachtet werden. Unser Erfinder erfand den Speer vermutlich zum eigenen Nutzen und gab seine mentale Software sicher stolz und begeistert an seine Gruppenmitglieder weiter. Bald hatten alle einen selbst hergestellten Speer und der eine oder andere hatte vielleicht den Algorithmus der Herstellung auch noch verbessert. Das aber konnte den Nachbarn (unabhängig ob Freund oder Feind) nicht lange verborgen bleiben. Da sie vermutlich nicht wesentlich dümmer waren als unser Erfinder, haben sie sofort begriffen, was ein Speer für Nutzen bringt (und Schaden anrichten kann) und schnellstmöglich selbst einen gebaut. Und das alles noch als Homo erectus. Was also liegt mit der Idee und dem Herstellungsalgorithmus für den Speer vor? Eine Art Freier Software, die einer erfand und alle, die sie sahen, sich aneignen und ohne Gegenleistung nutzen und verbessern konnten. Die alte Subsistenz und das Handeln allein zum eigenen Nutzen bzw. dem Nutzen der Gruppe (was fast identisch war) bezog sich vor allem auf stoffliche Ressourcen. Wie sich der Umgang mit den stofflichen Ressourcen, die sich mit eurer neuen Art von Freier Software verbinden, gestalten wird, das muss sich erst noch erweisen. Erst wenn das geschehen und erfahrbar ist, ist es Zeit, in Euphorie oder Realismus auszubrechen.

3.2. Weder Tauschen noch Schenken

(29) Freie Software und andere Freie Produkte sind nicht Gegenstand irgendwelcher Tauschvorgänge. Freie Software steht allen zur Verfügung, die sie benötigen - sie kann einfach genommen werden. Auch wer überhaupt nichts zu Freier Software beigetragen hat - wie jedeR durchschnittlicheR Gnu/Linux-NutzerIn -, kann sie in vollem Umfang und ohne Abstriche nutzen, sich die Quellen anschauen, daraus lernen und sie weitergeben. Das Konzept des Tausches ist auf Freie Produkte schlicht nicht anwendbar. Das schließt im übrigen ein, daß auch eine Person, die etwas gibt, nicht erwarten kann, dafür etwas zu bekommen.

(29.1) Re: 3.2. Weder Tauschen noch Schenken, 29.01.2002, 23:10, Birgit Niemann: Das genau ist das Prinzip, nach dem sich alle erfundenen ideellen Algorithmen solange frei verbreitet haben, bis Herstellungsalgorithmen selbst zur lebenserhaltenden Ressource wurden. Im übrigen ist dieses Prinzip auch heute noch in anderen Lebensbereichen durchaus alltäglich. So haben sich z.B. auch technische Methoden in der Wissenschaft verbreitet, die ja ebenfalls als Algorithmen aufgefasst werden können, sonst wären sie nicht durch Computer automatisierbar. Um sich solche methodischen Algorithmen einfach kostenfrei anzueignen, fährt man zum Arbeitsaufenthalt in ein Labor, wo die Methode bereits steht und erlernt sie in freier Kooperation. Um auch die Parallele zur propietären Software nicht zu vernachlässigen, gibt es auch hier natürlich die Möglichkeit, einen bezahlten Kurs zu absolvieren, wenn man keinen freien Kooperationspartner hat.

(30) Andererseits kann auch nicht von Geschenken im engeren Sinne gesprochen werden, da Freie Software im allgemeinen nicht für bestimmte andere Personen geschrieben wird. Höchstens von einem Geschenk an die Menschheit könnte gesprochen werden.

3.3. Die Rolle digitaler Kopien und des Internets

(31) Diese in dieser Dimension völlig neue Form des Wirtschaftens ist historisch erst durch die Erfindung der digitalen Kopie und durch deren breite Verfügbarkeit ermöglicht worden. Erst der Computer ermöglichen die massive Senkung der Transaktionskosten einer digitalen Kopie und die qualitätsverlustfreie Replizierbarkeit beliebiger digitaler Daten: Software, Web-Seiten, Kochrezepte, Reiseberichte, Briefe, Bilder, Schaltpläne, Musik, etc.

(31.1) Re: 3.3. Die Rolle digitaler Kopien und des Internets, 07.09.2001, 13:51, Ano Nym: und Netzeffekte

(31.2) Re: 3.3. Die Rolle digitaler Kopien und des Internets, 29.01.2002, 23:29, Birgit Niemann: Hier ergibt sich wirklich eine interessante Situation. Allerdings sehe ich auch hier, dass ausschließlich virtuelle Produkte von dieser Entwertung erfasst werden. Eben Musik, Bilder, Pläne, wissenschaftliche Paper etc. Was dadurch erzeugt wird, ist natürlich zunächst einmal massenhafte Enteignung der Hersteller dieser virtuellen Produkte von ihren geistigen Arbeitsresultaten. Das hat für die Nutzer ausschließlich positive Seiten (die einen Hauch von virtuellem Parasitismus nicht verleugnen können), kann für die Hersteller aber fatal sein, wenn sie keine andere Chance haben, an Brötchen zu kommen. Im Grunde genommen wird dadurch die allgemeine Konkurrenz um die stofflichen Ressourcen eher verschärft. Doch auch das kann Vorteile haben, wenn dadurch die Probleme schneller einer Lösung zutreiben. Es ist nur Pech für die Betroffenen und ich selbst würde dabei auch lieber Nutzer als Betroffener werden.

(32) Das Internet, das als riesige Fernkopiereinrichtung verstanden werden kann, überschreitet die Beschränktheit des lokalen Computers und ermöglicht eine weltweite Vernetzung. Das Internet bringt in historisch neuer Qualität weltweit verstreute Menschen zusammen, die am gleichen Thema interessiert sind. Freie Software ist ein Beispiel dafür, wie fruchtbar diese globale Vernetzung sein kann.

3.4. Individuelle Selbstentfaltung als Motor

(33) Zwar bekommen die AutorInnen Freier Software kein Geld, aber natürlich haben auch sie etwas davon, daß sie Software schreiben. Eine der wichtigsten Triebfedern dürfte der Spaß am Programmieren sein, der für einige schon Befriedigung genug ist. Aber auch die konkrete Nützlichkeit für sich oder andere spielt eine wichtige Rolle bei der Erstellung Freier Software. Dadurch richtet sich der Fokus der AutorInnen auf den Gebrauchswert, auf die umfassende Qualität der Software. Wieder andere haben einfach Freude an der Kooperation in einem Team aus Gleichgesinnten. Personen, die sich als MaintainerIn eines Freien Software-Projekts betätigen, müssen Spaß an der Kommunikation, Organisation und auch mal am Treffen von Entscheidungen haben, die den Konsens in einem Projekt widerspiegeln. Einige schreiben allerdings Freie Software auch, weil sie der Welt etwas geben wollen.

(33.1) Re: 3.4. Individuelle Selbstentfaltung als Motor, 29.01.2002, 23:44, Birgit Niemann: "Eine der wichtigsten Triebfedern dürfte der Spaß am Programmieren sein, der für einige schon Befriedigung genug ist." Solange ihnen anderweitig Futter (und einige andere nette Kleinigkeiten) zur Verfügung stehn.

(34) Die Gründe, die zu Freier Software führen, lassen sich als Wunsch nach Selbstentfaltung zusammenfassen - und diese Selbstentfaltung ist individuell höchst unterschiedlich. AutorInnen Freier Software, die in der Regel aus anderen Quellen materiell abgesichert sind, brauchen aufgrund dieser verwirklichten Selbstentfaltung keine äußere Motivation für ihr Tun, sondern die Tätigkeit ist sich selbst genug.

3.5. Einfach nehmen

(35) In der Konsequenz führt das zu einer Wirtschaftsform, in der die zur Verfügung stehenden Produkte im Überfluß zur Verfügung stehen und in der alle einfach das nehmen können, was sie brauchen. Es ist kein Tausch irgendwelcher Werte mehr notwendig und dennoch ist die bestmögliche Versorgung gewährleistet.

(35.1) Re: 3.5. Einfach nehmen, 29.01.2002, 23:52, Birgit Niemann: Welch schneller und übergangsloser Sprung vom der spielerischen Freiheit des Virtuellen in die notwendigen Fesseln der stofflichen Reproduktion. Das macht mich misstrauisch. Da ich aber wie alle hier Versammelten doch viel lieber Licht am Ende des Tunnels erblicken würde, als immer nur an den träumerischen Utopien herumzunörgeln, würde ich mir wünschen, ihr würdet eure netten Ideen zu etwas soliderer Theorie unter Einschluss stofflicher Realitäten ausbauen. Vielleicht ist ja wirklich etwas d'ran.

(35.1.1) Re: 3.5. Einfach nehmen + nachproduzieren, 11.08.2005, 13:26, Rolf Köhne: Letztlich ist Wirtschaften eine Frage gesellschaftlicher Übereinkunft. Solange die Produktivkraftentwicklung noch nicht soweit ist, dass alle gewünschten Produkte und Dienstleistungen in freier Kooperation bereitgestellt werden können, könnte man sich z.B. darauf verständigen, dass alle ungefähr gleiche Zeitbudgets ihres Lebens im "Reich der Notwendigkeit" ihre Fähigkeiten einsetzen. Auf der Basis einer solchen Vereinbarung könnte ich mir eine Wirtschaftsform vorstellen, in der sich jeder nimmt, was er braucht und sich gleichzeitig an der Nachproduktion des Verbrauchten bzw. an Instandhaltung und Betrieb der erforderlichen Infrastruktur beteiligt. Die digitale Vernetzung zwischen Einzelhandel, Produktionsbetrieben und Zulieferern, die es ja bereits gibt, macht es möglich, dass die Information, was genau zu tun ist, lokal zur Verfügung steht. (siehe dazu Stefan Meretz und sein Begriff "selbstgeplante Wirtschaft" in seinem Text "Die doppelte algorithmische Revolution".) Wenn sich auch die "Informationsarbeiter" an der materiellen Arbeit beteiligen, werden sehr schnell neue Gedanken entstehen, wie die Arbeit zu vermeiden ist. Das "Reich der Notwendigkeit" wird damit tendenziell im kleiner werden.

(36) Gelingt es, diese Aspekte, die heute in der Freien Software schon weit entwickelt sind, auf die Produktion zunächst weiterer Informationsgüter und dann auf die materielle Produktion auszudehnen, dann hat diese neue Wirtschaftsform das Potential den Kapitalismus mit seiner über Tausch, Arbeit und Geld vermittelten Zwangslogik abzulösen. Erste Entwicklungen, die die Prinzipien der Entwicklung Freier Software auf andere Güter übertragen, sind schon vielfältig sichtbar und bei dem momentanen Entwicklungstempo könnten die Umbrüche schneller gehen, als wir uns heute vorstellen können.

(36.1) Zuerst muss die Zahl der nutzer erhöht wrden, 07.09.2001, 13:53, Ano Nym: d.h. auch dass der Staat nicht gegen Open Source, also unfreie Software fördern darf.

A. Copyright

(37) Copyright (c) 2000 Stefan Merten.

(37.1) Re: A. Copyright, 07.09.2001, 13:51, Ano Nym: Warum nicht unter Dokument Licence

(38) Permission is granted to copy, distribute and/or modify this document under the terms of the GNU Free Documentation License, Version 1.1 or any later version published by the Free Software Foundation; with the Invariant Sections being Copyright, with no Front-Cover Texts, and with no Back-Cover Texts. A copy of the license can be found under http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html.

(38.1) Invariant Copyright section, 27.11.2000, 02:41, Thomas Uwe Grüttmüller: "with the Invariant Sections being Copyright" -- Geht das so? Wo fgen denn dann zuknftige Maintainer, Forker, Co-Autoren ihren Namen hinzu?


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