Home Was ist ot ? Regeln Mitglieder Maintainer Impressum FAQ/Hilfe
Nehmen statt Kaufen
Maintainer: Stefan Merten, Version 1, 06.11.2000
Projekt-Typ:
Status: Archiv
(1.1) Re: Nehmen statt Kaufen, 09.11.2000, 11:36, Stefan Merten: Der Text soll ca. 14000 Zeichen(!, nicht Worte wie in der Mail stand) umfassen. Wenn er länger wird, muß er u.U. für die Publikation gekürzt werden.
(3) Zur Rolle von Oekonux für die Entstehung dieses Textes
(3.1) Re: Zur Wirtschaftsform der Freien Software, 11.11.2000, 13:17, Stefan Merten: Die in diesem Beitrag vorgestellten, weitergehenden Gedanken sind wesentlich im Projekt Oekonux [http://www.oekonux.de/] entstanden. Ohne die rege Diskussion der Oekonux-Mailing-Liste [mailto:liste@oekonux.de] wäre dieser Text nicht möglich gewesen.
(3.2) Re: Zur Wirtschaftsform der Freien Software, 11.11.2000, 13:18, Stefan Merten: Der Beitrag ist insgesamt sehr gerafft und kann nur als Einstieg in die Thematik dienen. Vertiefende Texte finden sich im Textbereich [http://www.oekonux.de/texte/] der Oekonux-Web-Site oder über die Linkliste [http://www.oekonux.de/projekt/links.html].
(4) Zur Rolle von OpenTheory für die Entstehung dieses Textes
(5.1) Re: 1. Was ist Freie Software?, 08.11.2000, 22:36, Stefan Merten: Neben der kommerziellen Software, die wie andere Waren auf einem Markt, gekauft werden kann, gibt es eine Fülle von anderen rechtlichen Formen, in denen Software zu bekommen ist. Bekannt sind z.B. Shareware-Modelle, bei denen die BenutzerIn einer Software bei Gefallen verpflichtet ist, den ProduzentInnen einen relativ geringen Geldbetrag zu übersenden.
(5.2) Re: 1. Was ist Freie Software?, 08.11.2000, 22:36, Stefan Merten: Von dieser Sorte Software soll hier nicht die Rede sein. In diesem Beitrag soll es um Freie Software gehen. Entscheidend für Freie Software ist nicht, daß sie nahezu kostenlos ist. Entscheidend ist vielmehr, daß Freie Software mit bestimmten Freiheitsrechten für die BenutzerIn verbunden ist - insbesondere dem Recht zur Weitergabe, zum Kopieren der Software.
(6.1) Re: 1.1. Zur Entstehungsgeschichte Freier Software, 08.11.2000, 22:37, Stefan Merten: Die Geschichte der Freien Software ist untrennbar mit Richard M. Stallmann, der Free Software Foundation und dem Gnu-Projekt verbunden. Richard M. Stallmann, der bis dahin den freien Fluß von Software gewohnt war, ärgerte sich über die aufkommende Kommerzialisierung so sehr, daß er 1984 das Gnu-Projekt ins Leben rief. Ziel war es, ein Unix-artiges Betriebsystem in die Welt zu setzen, das Frei ist. Große Teile dieses Ziels sind auch mit zahlreichen, qualitativ herausragenden Programmen über die Jahre verwirklicht worden. Nur der Kernel, das Herzstück eines Betriebssystems war noch nicht fertig.
(7.1) 08.11.2000, 22:37, Stefan Merten: In dieser Situation trat 1992 Linus Torvalds auf den Plan. Er suchte im Internet Leute, die wie er Lust hätten, einen Kernel zu entwickeln. In rasanter Geschwindigkeit fanden sich weltweit zahlreiche ProgrammiererInnen und in atemberaubendem Tempo entstand das, was heute als Linux bekannt ist. Da die damals bereits vorhandene Gnu-Software diese Entwicklung erst möglich machte und auch ein heutiges Linux zum größten Teil aus Gnu-Software besteht, sollte immer von Gnu/Linux gesprochen werden.
(8.1) Re: 1.2. Lizenz zum Kopieren, 08.11.2000, 22:38, Stefan Merten: Der geniale Trick von Richard M. Stallmann bei der Gründung des Gnu-Projekts bestand darin, die General Public License zu erfinden - kurz GPL. Eine Lizenz, die genau das erlaubte, was andere Lizenzen verboten: Das beliebige Kopieren und Weitergeben der Software, das Studium der Quellen und deren Veränderung, und auch die Weitergabe der veränderten Versionen.
(9) Vererbungseigenschaft der GPL
(9.1) 08.11.2000, 22:38, Stefan Merten: Das einzige was die GPL verbot, war die Reprivatisierung von Software, die unter der GPL steht: Wenn jemensch GPL-Software weitergibt, dann muß er den EmpfängerInnen die Quellen genauso verfügbar machen, wie sie der GeberIn selbst zur Verfügung gestanden haben. Die Eigenschaft der Freiheit eines Produkts vererbt sich also quasi auf Folgeprodukte.
(10.1) 08.11.2000, 22:38, Stefan Merten: Neben der GPL hat sich auch eine Fülle von weiteren Lizenzmodellen für Software gebildet. Diese lassen teilweise sogar die Reprivatisierung von Software zu, indem die GeberIn nicht verpflichtet ist, die Quellen mitzuliefern. In diesem Fall kann dann von Open Source-Software gesprochen werden. Freie Software im engeren Sinne ist solche, die unter der GPL steht und damit den BenutzerInnen weitestgehende Rechte einräumt.
(11) Ständig wachsende Fan-Gemeinde
(11.1) Re: 1.3. Die Freie-Software-Community, 11.11.2000, 13:18, Stefan Merten: Auf dieser Grundlage hat sich innerhalb weniger Jahre eine ständig wachsende Fan-Gemeinde gebildet, die Freie Software und speziell Gnu/Linux nutzt. Sie wird sichtbar in zahllosen Linux-bezogenen Web-Sites und einigen Linux-bezogenen Zeitschriften.
(11.2) Re: 1.3. Die Freie-Software-Community, 11.11.2000, 13:19, Stefan Merten: Einige aus dieser Community entwickeln in einem permanenten Prozeß die vorhandene Freie Software weiter und erstellen neue. Auf diese Weise entsteht eine überragende Qualität, die nur von wenigen kommerziellen Produkten erreicht wird. Insbesondere die verbreiteten Microsoft-Produkte können bei der Qualität auf allen Ebenen nicht im entferntesten mithalten.
(13) Begeisterung, Leidenschaft
(13.1) 11.11.2000, 13:19, Stefan Merten: Neben dem konkreten Nutzen, den Freie Software allen BenutzerInnen bietet, ist in der Community aber auch deutlich eine Begeisterung für die Idee der Freien Software als solche zu spüren. Viele sind einfach fasziniert von dem Gedanken, selbst bei der Programmierung von Software Spaß zu haben und der ganzen Welt damit gleichzeitig etwas Gutes tun zu können.
(15.1) Re: 2.1. Gnu/Linux, 11.11.2000, 13:19, Stefan Merten: Gnu/Linux und der Apache-Web-Server gelten als zwei Flaggschiffe der Freien-Software-Bewegung. Gnu/Linux ist ein Betriebssystem, das sich in den letzten Jahren zunehmend gegen die Marktmacht von Microsoft nicht nur behaupten kann, sondern immer größere Anteile an installierten Systemen stellt. In jüngster Zeit fängt sogar der Riese Microsoft an diese Bedrohung zu sehen und reagiert mit Kampagnen, die Freie Software schlecht machen sollen.
(15.2) Re: 2.1. Gnu/Linux, 11.11.2000, 13:19, Stefan Merten: Der Einsatz des Freien Web-Servers Apache liegt Untersuchungen zu Folge seit einiger Zeit zahlenmäßig weit vorne und hat die Einsatzzahlen von Microsoft- oder Netscape-Servern längst hinter sich gelassen. Insbesondere Internet-Service-Provider, für die hochzuverlässige Software lebenswichtig ist, setzen zu einem erheblichen Teil auf die Kombination von Gnu/Linux und Apache.
(16.1) Re: 2.2. Andere Freie Projekte zur Produktion von Informationsgütern, 11.11.2000, 13:20, Stefan Merten: Angeregt durch die Art und Weise wie Freie Software erstellt wird, haben sich in den letzten Monaten und Jahren einige Projekte gebildet, die die Prinzipien der Entwicklung Freier Software auf andere Informationsgüter übertragen wollen. Eine kleine Auswahl:
(16.2) Re: 2.2. Andere Freie Projekte zur Produktion von Informationsgütern, 11.11.2000, 13:21, Stefan Merten: o Das OpenTheory-Projekt [http://www.opentheory.org/] versucht, die Entwicklung theoretischer und anderer Texte zu leisten. Mit Hilfe eines einfachen Web-Interfaces können LeserInnen die Texte kommentieren, die einE MaintainerIn dort eingestellt hat und die den Text verwaltet.
(17.1) 08.11.2000, 12:10, Torsten Wöllert: Ein paar Beipiele für Open Content stehen in dem OT-Projekt WissensTendenz, andere müssten sich noch in meinen Bookmarks finden, falls du welche brauchst.
(17.2) 11.11.2000, 13:21, Stefan Merten: o Die Projekte Nupedia [http://www.nupedia.com/] und Encyclopaedia Aperta [http://www.opentheory.org/enzyklopaedie] versuchen Freie Enzyklopädien zu erstellen.
(18.1) 11.11.2000, 13:21, Stefan Merten: o Freie Musik wird u.a. von den Projekten GNUsic [http://www.gnusic.net] und auch dem europäischen MP3-Verbund [http://www.mp3eu.net/] gefördert. Gemeint ist hier nicht Musik, die von einer normalen, handelsüblichen CD genommen wurde, sondern solche, die von vorneherein kostenlos weiterverteilt werden kann.
(19.1) Re: 2.3. Freie Projekte mit dem Ziel materieller Produkte, 11.11.2000, 13:22, Stefan Merten: Sogar im Bereich der materiellen Produkte haben sich erste Projekte gebildet, die im Moment Freie Informationsgüter wie Konstruktionsunterlagen herstellen, die für die Produktion materieller Güter notwendig sind.
(19.2) Re: 2.3. Freie Projekte mit dem Ziel materieller Produkte, 11.11.2000, 13:22, Stefan Merten: Mehrere Projekte befassen sich mit dem Entwurf elektronischer Elemente auf den verschiedensten Ebenen. Von Strukturen auf Chips (Free IP project [http://www.free-ip.com/]) über elektronische Chips selbst (OPENCORE.ORG [http://www.opencores.org/]) bis hin zu einer Freien CPU Freedom CPU [http://f-cpu.tux.org/] und elektronischen Schaltungen (OpenCollector [http://opencollector.org/]) existieren Projekte, die mittlerweile eine große Palette elektronischer Bauelemente abdecken.
(21.1) 11.11.2000, 13:22, Stefan Merten: Das ambitionierteste Projekt ist derzeit wohl das OSCar-Projekt [http://www.theoscarproject.org/] bei dem ein Freies Auto entworfen wird.
(21.2) 11.11.2000, 13:22, Stefan Merten: Momentan arbeiten diese Projekte noch auf der Basis, daß die erstellten Konstruktionsunterlagen, die unter GPL-ähnlichen Lizenzen stehen und damit von jedem Menschen benutzt und verändert werden können, von einer kommerziellen Firma für die Produktion benutzt werden. Die so entstehenden Produkte haben einen niedrigeren Preis als kommerziell entwickelte, da der Entwicklungsaufwand nicht bezahlt werden muß und sich dementsprechend nicht in den Preisen niederschlägt. Mit dem Trend hin zu Freien materiellen Produkten ist aber prinzipiell vorstellbar, daß nach und nach die gesamte Warenwelt durch Freie Güter ersetzt wird.
(22.1) Re: 3. Freie Software als Wirtschaftsform, 17.11.2000, 22:54, Stefan Merten: Die so entstehenden Produkte lassen sich mit kapitalistisch geprägtem Denken nicht mehr richtig fassen. Alle Aspekte zusammengenommen handelt es sich dabei um eine neue, in der Geschichte der Menschheit bisher nicht dagewesene Wirtschaftsform.
(23) Kein Tausch: Niemensch muß geben um zu bekommen
(23.1) Re: 3.1. Weder Tausch noch Schenken, 17.11.2000, 22:56, Stefan Merten: Freie Software und andere Freie Produkte sind nicht Gegenstand irgendwelcher Tauschvorgänge. Freie Software steht allen zur Verfügung, die sie benötigen - sie kann einfach genommen werden. Auch wer überhaupt nichts zu Freier Software beigetragen hat - wie jedeR durchschnittlicheR Gnu/Linux-NutzerIn -, kann sie in vollem Umfang und ohne Abstriche nutzen, sich die Quellen anschauen und sie weitergeben. Das Konzept des Tausches ist auf Freie Produkte schlicht nicht anwendbar. Das schließt im übrigen ein, daß auch eine Person, die etwas gibt, nicht erwarten kann, dafür etwas zu bekommen.
(24) Keiner bekommt etwas geschenkt im engeren Sinne
(24.1) 17.11.2000, 22:56, Stefan Merten: Andererseits kann auch nicht von Geschenken im engeren Sinne gesprochen werden, da Freie Software im allgemeinen nicht für bestimmte Personen geschrieben wird. Höchstens von einem Geschenk an die Menschheit kann gesprochen werden.
(25) EntwicklerInnen werden nicht bezahlt
(25.1) Re: 3.2. Weder Lohnarbeit noch Subsistenz, 17.11.2000, 22:55, Stefan Merten: Da die ProduzentInnen Freier Produkte nicht bezahlt werden - und in aller Regel auch gar nicht bezahlt werden wollen -, sind Freie Software und andere Freie Produkte wertlos im besten Sinne: Sie müssen nicht bezahlt werden und stehen dennoch im Überfluß zur Verfügung.
(26) Strengen sich nicht nur für sich an
(26.1) 17.11.2000, 22:55, Stefan Merten: Gleichzeitig strengen sich Freie ProduzentInnen nicht nur für sich selbst an. Zwar spielt der konkrete Nutzen für die je persönlichen Bedürfnisse oft eine Rolle bei der Entwicklung eines Freien Produkts, doch viele Freie ProduzentInnen arbeiten zusammen mit anderen Interessierten in ihre Produkte auch unentwegt Änderungen und Erweiterungen ein, die vorwiegend anderen NutzerInnen des Produkts nützlich sind. Damit hebt sich diese Form des Wirtschaftens von allen subsistenzbasierten Formen ab, die nur für die Bedürfnisse der je eigenen Person und/oder Gruppe tätig werden.
(27.1) Re: 3.3. Individuelle Selbstentfaltung als Motor, 20.11.2000, 22:05, Stefan Merten: Zwar bekommen die AutorInnen Freier Software kein Geld, aber natürlich haben auch sie etwas davon, daß sie Software schreiben. Eine der wichtigsten Triebfedern dürfte der Spaß am Programmieren sein, der für einige schon Befriedigung genug ist. Aber auch die konkrete Nützlichkeit für sich oder andere spielt eine wichtige Rolle bei der Erstellung Freier Software. Durch diesen Aspekt richtet der Fokus der AutorInnen auf den Gebrauchswert, auf die umfassende Qualität der Software. Wieder andere haben einfach Freude an der Kooperation in einem Team aus Gleichgesinnten. Personen, die sich als Maintainer eines Freien Software-Projekts betätigen, müssen Spaß an der Kommunikation, Organisation und auch mal am Treffen von Entscheidungen haben, die den Konsens in einem Projekt widerspiegeln. Nicht wenige schreiben allerdings Freie Software auch, weil sie der Welt etwas geben wollen.
(27.2) Re: 3.3. Individuelle Selbstentfaltung als Motor, 20.11.2000, 22:06, Stefan Merten: Die Gründe, die zu Freier Software führen, lassen sich als Wunsch nach Selbstentfaltung zusammenfassen - und diese Selbstentfaltung ist individuell höchst unterschiedlich. AutorInnen Freier Software, die in der Regel aus anderen Quellen materiell abgesichert sind, brauchen aufgrund dieser verwirklichten Selbstentfaltung keine äußere Motivation für ihr Tun, sondern die Tätigkeit ist sich selbst genug.
(28) Programmieren just for fun
(29) Unterschiedliche Aufgaben - unterschiedliche Motivationen
(30.1) "Einfach Nehmen", 20.11.2000, 22:07, Stefan Merten: In der Konsequenz führt das zu einer Wirtschaftsform, in der die zur Verfügung stehenden Produkte im Überfluß zur Verfügung stehen und in der alle einfach das nehmen können, was sie brauchen. Es ist kein Tausch irgendwelcher Werte mehr notwendig und dennoch ist eine maximale Versorgung gewährleistet.
(30.2) "Einfach Nehmen", 20.11.2000, 22:07, Stefan Merten: Gelingt es, diese Aspekte, die heute in der Freien Software schon weit entwickelt sind, auf die Produktion zunächst weiterer Informationsgüter und dann auf die materielle Produktion auszudehnen, dann hat diese neue Wirtschaftsform das Potential den Kapitalismus mit seiner Tausch- und Zwangslogik abzulösen. Erste Entwicklungen, die die Prinzipien der Entwicklung Freier Software auf andere Güter übertragen, sind schon vielfältig sichtbar und bei dem momentanen Entwicklungstempo könnten die Umbrüche schneller gehen, als wir uns heute vorstellen können.
(31) Digitale Kopie als Vorbedingung
(31.1) Re: 3.4. Die Rolle digitaler Kopien und des Internets, 20.11.2000, 22:05, Stefan Merten: Diese in dieser Dimension völlig neue Form des Wirtschaftens ist historisch erst durch die Erfindung der digitalen Kopie und durch deren breite Verfügbarkeit ermöglicht worden. Erst der Computer ermöglichen die massive Senkung der Transaktionskosten einer Kopie und die qualitätsverlustfreie Replizierbarkeit beliebiger digitaler Daten: Software, Web-Seiten, Kochrezepte, Reiseberichte, Briefe, Bilder, Musik, etc.
(32) Internet als Vorbedingung
(32.1) 20.11.2000, 22:05, Stefan Merten: Das Internet, das als riesige Fernkopiereinrichtung verstanden werden kann, überschreitet die Beschränktheit des lokalen Computers und ermöglicht eine weltweite Vernetzung. Das Internet bringt weltweit verstreute Menschen zusammen, die am gleichen Thema interessiert sind. Freie Software ist ein Beispiel dafür, wie fruchtbar diese globale Vernetzung sein kann.