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"So viel Erwerbsarbeit wie nötig, so viel Gemeinschaftsarbeit und freie Zeit wie möglich!"

Maintainer: Hilmar Kunath, Version 1, 10.03.2002
Projekt-Typ:
Status: Archiv

(1) „So viel Erwerbsarbeit wie nötig, so viel Gemeinschaftsarbeit und freie Zeit wie möglich!“

(1.1) Oh je!, 11.03.2002, 17:58, Ano Nym: Ist hier allen Beteiligten klar, daß sich "Gemeinschaftsarbeit" sehr nach New Deal der 30er Jahre, repressivem Kommunitarismus und NS-Volksgemeinschaft anhört? (Gelinde gesagt: anhört)

(1.1.1) Re: Oh je! - Nicht nur Überschriften lesen, bitte !!, 12.03.2002, 18:57, Hilmar Kunath: Was wir mit 'Gemeinschaftsarbeit' meinen, geht hier aus dem Textzusammenhang klar hervor. Wir, als Projektgemeinschaft von 10 Leuten hier in Hamburg, haben angefangen ohne Waren und Geld direkt füreinander tätig zu sein. Der Umfang dieser Tätigkeiten ist die Gemeinschaftsarbeit. In dem Abschnitt über den Fetischcharakter von Waren und Geld schreibt Karl Marx: "Stellen wir uns endlich, zur Abwechslung, einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewußt als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. Alle Bestimmungen von Robinsons Arbeit wiederholen sich hier, nur gesellschaftlich statt individuell. Alle Produkte Robinsons waren sein ausschließlich persönliches Produkt und daher unmittelbar Gebrauchsgegenstände für ihn. Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Es bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsmitgliedern verzehrt. Er muß daher unter sie verteilt werden. Die Art der Verteilung wird wechseln mit der besonderen Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzen wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihr gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen. Andrerseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution." (MEW 23; S.92/93, Hervorhebungen d. Verf.) #Statt 'gesellschaftlich' kann man hier in Bezug auf uns besser 'gemeinschaftlich' einsetzen. Wir versuchen, uns bei einer Art Grundversorgung gegenseitig zu helfen, wobei wir uns bemühen, die über Waren und Geld vermittelten Beziehungen konkret ein Stück zurückzudrängen, sodaß sich bei uns der Anteil am gemeinsamen Nutzen sich nicht formell nach den dafür geleisteten Monatsstunden richtet. Die Leistungen für unsere Gemeinschaft sollen freiwillig bleiben, wobei ein zu leistendes Minimum in der Diskussion ist. Übrigens, wenn sich jemand an dem Ausdruck 'Gemeinschaftsarbeit' stört, kann sie/er gern auch gemeinschaftliche Arbeit einsetzen, also die Gesamtmenge der Arbeiten, die wir in der Projektgemeinschaft freiwillig füreinander ohne Waren- und Geldbezug leisten und die unserer Basisplanung unterliegt. Also: Wir besprechen alle 14 Tage, wer was macht.

(2) Viele Millionen Menschen in den hochindustriealisierten, kapitalistischen Ländern haben keine Erwerbsarbeit; noch mehr Menschen haben ungesicherte Jobs, die kaum das zum Leben Notwendige einbringen. Die Menschen, die Dauererwerbsarbeitsplätze haben, sind häuftig sehr angespannt und zeitknapp, also nicht glücklich damit. Die Erwerbsarbeit ist häufig mit einem ungesundem täglichen Wettlauf verbunden ist. Wer sich nicht anpaßt oder zu viel krank ist, gehört leicht auch zu den Erwerbslosen. Auch verfestigt sich global eine menschenunwürdige Armut für die Mehrheit der Menschen. So erhebt sich für uns die Frage: Wie aus dieser grundlegend unbefriedigenden Lage herauskommen ? Es gibt kein Land außerhalb des Weltmarktes, in das einfach 'ausgewandert' werden könnte. Da ist nur die Möglichkeit, sich jeweils 'zu Hause' kritisch davon abzustoßen im Sinne einer merklich menschlicheren Gemeinschaft und Gesellschaft in dieser Gesellschaft jenseits der Zwänge des Marktes. Um einen merklich anderen Anfang zu finden, haben wir eine praktische Kritik der Erwerbsarbeit begonnen, die ausgeht von einer zunächst 100 % Abhängigkeit vom Warenmarkt und vom Erwerbszwang über Geld. Als auch selbst Betroffene waren und sind unsere Ausgangsfragen: 'Was sollen Menschen tun, die trotz eigenem Bemühen dauerhaft erwerbslos bleiben?' und, damit eng verbunden: 'Was sollen Menschen tun, die sehr viel Erwerbsarbeit haben, darin fast vollständig aufgehen und damit unzufrieden werden?' Die Erwerbsarbeit in leicht reformierter Form oder eine Reform der Welthandelsbeziehungen gab uns keine befriedigende praktische Antwort auf diese Fragen. Also haben wir begonnen, verschiedene Mitmachprojekte zu entwickeln, die die Zwänge der Erwerbsarbeit mildern und Erfahrungen selbstbestimmteren Wirtschaftens ermöglichen sollen. Der Umsonstladen ist inzwischen das bekannteste davon. Der Erwerbsarbeit setzen wir jedoch nicht einfach nur einen Versuch von Gemeinschaftsarbeit entgegen. Denn unmittelbar füreinander können wir zunächst nur verhältnismäßig wenig tun. So wichtig die Erfahrung des Unterschiedes ist: Leben können wir von der Gemeinschaftsarbeit nur zu einem sehr geringen Anteil. Wir brauchen also ein kritisches Wechselspiel von marktbezogener Arbeit und Gemeinschaftsarbeit: Einerseits versuchen wir uns schrittweise vom Vollerwerbsjob etwas 'freizuschaufeln' (weniger Überstunden, Kürzung der marktbezogenen Arbeitszeit, wo möglich ...). Wer zunächst keine Erwerbsarbeit hat, versucht mit Unterstützung der Gruppe wieder welche zu bekommen, aber nach Möglichkeit keine 40 Wochenstunden oder mehr ... Andererseits nutzen wir die gewonnene freie Zeit, zu Muße (Selbstbesinnung), selbstbestimmter Weiterbildung, zu gegenseitiger Hilfe und Entwicklung von Gemeinschaftsarbeit, die teilweise auch zu unserem Erwerb beitragen kann. Es gibt bei uns offene Mitmach-Projekte, wie den Umsonstladen, Frauencafe und längerfristige Projekte, die sich direkt als Teil der Projektgemeinschaft begreifen. Beides ist uns wichtig. Die Idee des Umsonstladens geht aus von dem ungeheuren Warenreichtum in dieser Gesellschaft. Es gibt inzwischen einen Berg nützlicher Dinge, die irgendwo herumliegen: Sie sind „zu schade zum Wegwerfen!“ Viele Menschen sind froh, Dinge, die sie über haben, anderen geben zu können, anstatt sie in den Müll werfen zu müssen. Anderen Menschen fehlen vielleicht gerade diese Dinge, die sie sich kaum leisten können. Darüber hinaus sehen viele Umsonstladen-BesucherInnen, die Erwerbsarbeit haben, nicht mehr ein, ständig alles neu zu kaufen. Über 15 000 Menschen haben das bisher (durch Bringen, Holen, Kontakt aufnehmen) allein bei uns für sich nutzen können. Inzwischen gibt es sechs Umsonstläden und ein paar ähnliche Ansätze. Ein Teil unserer Projekte gehen sehr wohl in geringem Umfang auf den Markt, bieten z.B. Dienstleistungen, Kleinmöbel, Fahrrad(selbst)hilfe und Fahrräder zu günstigen Preisen an. Alle Projekte, die sich als Teil der Projektgemeinschaft ' Neue Arbeit begreifen, arbeiten aber auch ohne Geld direkt für die anderen Aktiven. Neuerdings bieten die Einzelnen ein paar Fähigkeiten zur gegenseitigen Unterstützung der anderen Aktiven an.

(3) Was ist Neue Arbeit für uns ? Neue Arbeit ist nicht die alte, marktbezogene Erwerbsarbeit, auch nicht der Warenhandel, ob klein oder groß. Sie bedeutet für uns ein Aufbruch zu selbstbestimmteren Arbeitsarten: von gegenseitiger Hilfe, Eigenarbeit und Gemeinschaftsarbeit. Das Neue der Neuen Arbeit besteht für uns darin, dass sie ohne Waren und Geld direkt füreinander geleistet und ihrem Umfang und ihrer Verteilung von der Gemeinschaft selbst beschlossen wird. Wir nehmen bewußt als Grundlage, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, aber nicht mehr ist: Wir helfen uns gegenseitig. Gegenseitige Hilfe ist noch keine Gemeinschaftsarbeit, aber sie kann sich daraus entwickeln. Wir fragen uns: Wer kann freiwillig etwas für die anderen Aktiven in der Projektgemeinschaft tun? Da sind wir erst ganz in den Anfängen. Ziel ist es, durch die Zusammenarbeit von einzelnen Projekten eine gemeinschaftliche, verabredete Arbeitsteilung zu entwickeln, die die Zwänge der Erwerbsarbeit abmildert und unsere Abhängigkeit davon allmählich senkt. In einer „Liste der Bedürfnisse" haben wir zum Beispiel angefangen, unsere Wünsche nach Gegenständen und Tätigkeiten, die jede (r) von uns braucht, aufzuschreiben. Alle gut 20 Aktive aus dem Umsonstladen und der Projektgemeinschaft versuchen dann, diese Wünsche zu erfüllen.

(4) Die Gemeinschaftsarbeit soll merklich ruhiger, angenehmer, verantwortlich und mit gegenseitiger direkter Anerkennung laufen. Wir entwickeln die Gemeinschaftsarbeit auch, um das Neue der nicht so waren- und geldgeprägten Tätigkeiten zu erleben, also ihren Unterschied zu bisheriger Erwerbsarbeit. Sie ist verbunden mit einer Entwicklung von Gemeinschaftsbesitz (Gemeinsame Räume, Computer, größere Anschaffungsgegenstände). Gemeinschaftsarbeit ist direkte Arbeit eines Einzelnen oder einer Gruppe für die anderen Aktiven. Nur als 'binnenbezogene' kann sie anfangs überhaupt Gemeinschaftsarbeit sein, weil rundherum ja alles (noch) nach dem Verwertungsprinzip funktioniert. Um diese Beschränktheit zu überwinden, ist für uns auch eine stadtübergreifende, praktische Zusammenarbeit sehr wichtig. Soweit Gelder für diese Arbeiten nötig sind, werden sie aus der gemeinsamen Kasse bezahlt. Die Schwerpunkte und Verteilung der Gemeinschaftsarbeit werden auf den 14-tägigen Arbeitskreis-Treffen besprochen. Ziel der Gruppe ist eine langfristige, freiwillige Aktivierung für die Gemeinschaft, die gleichzeitig die kreativen Kräfte der Einzelnen freisetzt und schützt. Aus unserer bisherigen Tätigkeit haben wir ein paar einfache Grundsätze entwickelt: 1.) Hier können die einzelnen Menschen sich Zeit lassen, herauszufinden, was sie wirklich tun wollen. Jede (r) ist wichtig ! 2.) Wir fördern und helfen uns gegenseitig. 3.) Für die selbst gewählten Aufgaben entwickeln wir eine freiwillige Verantwortung. Die einzelnen Menschen sollen zunächst für sich etwas tun. Dann kommt auch der Antrieb, von den eigenen starken Seiten her etwas in eine Gemeinschaft einzubringen. 4.) Die einzelnen Gruppen und Projekte entscheiden selbst über ihre Angelegenheiten (Projektautonomie). Dafür versuchen die Gruppen füreinander Nützliches zu tun und haben eine Verpflichtung zu Kontakt und zur Absprache mit den anderen Teilgruppen. 5.) Wir bleiben weltanschaulich vielfältig, basisdemokratisch, ungebunden und offen. Wir verabreden nur "Minimalspielregeln", die nicht zu komplex werden dürfen und versuchen nicht, uns gegenseitig auf bestimmte Weltbilder zu "vereinheitlichen" (Pluralismusgebot)

(5) Aus einigen Gründen bleibt auch die bisherige Erwerbsarbeit noch sehr bedeutsam zum Gelderwerb - wenn auch, je nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Einzelnen, zeitlich zurückgedrängt: a) zur Einkommenssicherung derer, die in der Projektgemeinschaft mitmachen , b) für die einzelne Rente; vielleicht auch darüber hinaus für einen gemeinsamen Rentenanteil, c) zum Ausgleich für gemeinsame Unkosten (Laden- und Werkstattmiete, Verbrauchsmaterial). d) für gemeinsame Anschaffungen (Computer, Auto, Maschinen...). Wenn wir schon die Erwerbsarbeit und die marktbezogene Seite der Projektarbeit nur langsam und schrittweise zurückdrängen können, so kann sie uns doch auch dazu dienen, um uns davon allmählich gründlich von ihr abzustoßen: Wir sind fast alle mehr oder weniger verfangen und verstrickt in das Werthandeln und Wertdenken (z.B. werden wir immer wieder vor allen Inhalten gefragt: "Wie finanziert ihr euch?", oder nach erster Erklärung des Umsonstladens wird von vielen Leuten erst einmal mißverstanden: "Aha, ein Tauschladen!"; siehe auch die Intensität unserer eigenen häufigen Debatten um 'die Ladenmiete'; wirkliche Zwänge tragen dazu bei, unsere Gedanken ständig um den Wert und die Verwertung kreisen zu lassen. ) Um uns überhaupt etwas davon lösen zu können, brauchen wir nicht nur die Gemeinschaftsarbeit, weil sie uns guttut, sondern wir können die Erwerbsarbeit bzw. den Marktbezug auch dazu einsetzen, um diesen uns allen allzu selbstverständlichen Bereich uns noch einmal neu ansehen zu können und genauer zu spüren, was uns selbst davon nicht gut tut.

(6) In unserer Gruppe sind zur Zeit knapp zwei Dritteln erwerbslos. Vor einem Jahr waren es noch mehr. Trotzdem begreifen wir uns bewußt nicht als Erwerbslosengruppe, sondern helfen uns gegenseitig dabei, wieder Erwerbsarbeit zu bekommen, allerdings möglichst nur so viel davon, dass noch Platz ist für ein angenehmeres Leben und für unsere selbstbestimmtere Gemeinschaftsarbeit! Gleichzeitig wenden wir uns ausdrücklich an Erwerbstätige, die ihre Erwerbsarbeit einschränken wollen, um mehr Zeit zum Leben und für selbstbestimmtere Tätigkeiten zu haben. Im Bereich der Mitmachprojekte und der Projektgemeinschaft sind sie willkommen. Gemeinschaftsarbeit soll für uns jedoch kein "Ventil" sein, um 'Dampf abzulassen für ein weiteres Funktionieren in der Marktwirtschaft. --- Wenn wir beide Arbeitsarten ständig erleben, auch die Schwierigkeiten des Gemeinschaftslebens, können wir einen kritischen Sinn dafür entwickeln, wie wir unsere Arbeit, unsere Tätigkeiten dauerhaft gestalten wollen. Marktbezug und Erwerbsarbeit dürfen nicht mehr allein dazu dienen, unsere Abhängigkeit von den entfremdeten und verselbständigten Kräften des Marktes immer wieder neu zu stärken. Lasst uns eine flexible Taktik des Umgangs mit der Warenwelt entwickeln, mit der es Spaß macht, in Richtung tätiger Mitmenschlichkeit auszuwandern! Ein Diskussionspapier im Arbeitskreis Lokale Ökonomie e.V. , Hamburg März 2002 Kontakt: 040 - 39 90 41 96 neuearbeithamburg@web.de 1

(6.1) Fragen über Fragen, 10.03.2002, 23:23, Martin Auer: Das klingt alles ziemlich spannend, bleibt aber für Nichtbeteiligte ein bisschen vage und unanschaulich. Was ist die Geschichte der Initiative, wie lange existiert sie schon, wie hat sie sich entwickelt? Welche Jobs haben die Erwerbstätigen, welche Berufsausbildung die Erwerbslosen, wieviel verdienen die Erwerbstätigen, womit meinen sie auskommen zu können, welche konkreten Arbeiten werden gemeinschaftlich bzw. für einander gemacht, was kann ich im Umsonstladen bekommen, ist es wirklich umsonst, wer kann dort was bekommen, welche konkreten Wünsche sind das, die die Gruppe zu befriedigen sucht usw.?

(6.1.1) Re: Fragen über Fragen, 11.03.2002, 16:01, Hilmar Kunath: Zu unserer Entwicklung: Es gibt uns, den Arbeitskreis Lokale Ökonomie, als lockeren Gesprächskreis seit Herbst 1996; seit Febr. 1999 haben wir mit anfangs vier Leuten einen 50 Quadratmeter Stadtteilladen in HH-Ottensen gemietet, um dort verschiedene Projekte der Selbsthilfe und Nachbarschaftshilfe zu beginnen. Erst gab es eine Gruppe Entspannung und Bewegung; und: wir hatten uns den UMSONSTLADEN ausgedacht. Das bedeutet, daß jede(r) die/der in HH igendwelche tragbaren, funktionsfähigen Dinge über hat, sie bei uns vorbeibringen kann, und wer etwas braucht, kann diese Dinge umsonst bei uns abholen. Pro Besuch gibt es bis zu drei Teile, damit für alle etwas da ist. Mit etwas Geduld kannst du bei uns vieles bekommen, was man zum Leben braucht. Nur große Teile (wie Möbel, Kühlschrank usw.) können wir (noch) nicht lagern. Die nehmen wir auf Karteikarten auf, die wir im Stadtteilladen aushängen, damit sich Vor- und NachbesitzerInnen in Verbindung setzen können. Ca. 200 Leute kommen pro Woche während der drei Öffnungszeiten in den Stadtteilladen zum Umsonstladen. Inzwischen haben wir fünf weitere UMSONSTLÄDEN in norddeutschen Raum befördern können (HH-Billstedt; Berlin,Bremen, Hannover, Detmold). :)) Weitere sind in Planung.

(6.1.1.1) Re: Fragen über Fragen, 11.03.2002, 16:04, Hilmar Kunath: Wir erwarten allerdings, daß wer bei uns im UMSONSTLADEN etwas nimmt, irgendwann, wenn er oder sie auch etwas über hat, diese Dinge uns bringt, oder auch mithilft, zu gemeinsamen Nutzen. Hauptsächlich durch BesucherInnen, die das toll fanden, sind wir inzwischen auf über 20 Leute gewachsen. Wer möchte, kann auch mit einem halben Euro zu unserer Ladenmiete beitragen. Wir finanzieren uns nur aus diesen Spenden , aus den freiwilligen Beiträgen der Aktiven und den inzwischen entstandenen anderen Projekten. Zum 1. Mai 2002 ziehen wir in einen etwas größeren Stadtteilladen um!

(6.1.1.1.1) Re: Fragen über Fragen, 11.03.2002, 16:07, Hilmar Kunath: Also, die meisten von uns sind erwerbslos - und zwar mit dem unterschiedlichsten Ausbildungsstand, von Hauptschule bis Uni-Abschluß. Drei sind Studenten. Ca. ein Drittel hat Abitur... (Wir fragen uns übrigens NICHT öffentlich, wieviel wir verdienen.) Allerdings, wer einen Job hat, leistet in der Regel einen selbst bestimmten Monatsbeitrag. Wir geben auch keine Normen aus, mit wieviel Geld im Monat jemand auskommen sollte. Praktische Konsum- und Warenkritik hat nur freiwillig einen Sinn. Wir versuchen, durch die gegenseitigen Hilfen (ich hab z.B. ein Auto, daß ich der Projektgemeinschaft zur Verfügung stelle, jemand anderes kann Klempnerarbeiten...) uns das Leben leichter zu machen. Wichtig ist uns, daß Leute, die vielleicht bei uns mitmachen möchten, ihre Nähe und Distanz zu uns frei einstellen können. Deshalb gibt es die Mitmach-Projekte, die jede (r) bei einem Minimum an Absprache gleich starten kann und, wer mehr will, hat die Möglichkeit in der Projektgemeinschaft mitzumachen. Hier läuft dann eine gezieltere gegenseitige Absprache, wer was für die anderen in der Gruppe machen möchte.

(6.2) 24.04.2002, 15:29, Rolf Schröder: Zunächst war ich stutzig geworden, dass unter LOKALER ÖKONOMIE neben den UMSONSTLÄDEN die TAUSCHRINGE nicht zumindest erwähnt werden. Ich selbst mache Öffentlichkeitsarbeit für einen Tauschring und habe dabei die praktische Erfahrung gemacht, dass es vor Ort - in einem Stadtteil - überhaupt nicht selbstverständlich ist, dass solche sozialen Innovationen sich ergänzen können. Das mag unterschieliche Ursachen haben. Vielleicht liegt es u. a. auch daran, dass die hier präsentierte Dichotomie zwischen Erwerbsarbeit einerseits und Gemeinschaftsarbeit andererseits nicht so ganz richtig ist: ein Arbeitsloser, der in einem Tauschring Räder flickt, macht das nicht für die Gemeinschaft, er denkt schon daran sich für seine dabei "erworbenen" Talente, Batzen oder was auch immer etwas anderes im Tauschring zu "erwerben", trotzdem ist dies keine klassische Erwerbsarbeit (im Marktsystem/Kapitalismus), bei der man (oder frau) seine "erworbenen" Euros spart oder im Ballermann auf Mallorca verjubelt. Hier bedarf das Grundkonzept einer Ergänzung.

(6.2.1) Tauschringe, 07.05.2002, 22:39, Hilmar Kunath: Ich stimme Dir zu, dass Tauschring-Tätigkeiten nicht direkt 'klassische Erwerbsarbeit' bedeuten. Sie können Wirtschaften wieder handhabbarer machen, auch ein Aufbruchsversuch zu selbstbestimmteren Wirtschaftsweisen sein. Menschen, die sonst keine oder zu wenig Erwerbsarbeit haben, können im Tauschring etwas zu gegenseitigem Nutzen tun. Auch kann soziale Isolierung gemildert werden. wenn sich die Kontakte aber weitgehend auf die Tauschakte beschränken, entsteht daraus kein sich weiter entwickelnder Ansatz demokratischen Wirtschaftens. Ich hab dazu eine "kleine Analyse der Tauschringe" für die Zeitschrift CONTRASTE geschrieben. Unser Ansatz mit den Umsonstläden und der Projektgemeinschaft setzt auf freiwillige Aktivierung und auf direkte gegenseitige Unterstützung. Er ist eine praktische Kritik der Tauschprinzips, das den Tauschringen zugrunde liegt. Bei uns bekommt jede (r), was sie/er braucht und sie/er gibt, was sie nicht mehr brauchen ... Wir verrechnen untereinander nicht. Wir passen nur auf, dass jemand nicht nur nimmt und versuchen eine freiwillige Verantwortung zu entwickeln.

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