Home   Was ist ot ?   Regeln   Mitglieder   Maintainer   Impressum   FAQ/Hilfe  

Gegenbilder, Kap. 2: Subjektivität, Selbstentfaltung und Selbstorganisation

Maintainer: Gruppe Gegenbilder, Version 2, 18.08.2000
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(1) Der Kapitalismus ist totalitär und unmenschlich. Totalitär ist er, weil es nahezu keine Ecke in dieser Gesellschaft gibt, die nicht von ihm erfasst wird. Unmenschlich ist er, weil er uns durch seine Produktionsweise immer schneller unsere natürlichen und sozialen Lebensgrundlagen unter den Füßen wegzieht und zerstört. Die Erfahrung, daß "der Kapitalismus hinten mit dem Arsch mehr einreißt, als er vorne Waren ausspuckt" können viele nachvollziehen, da wir es jeden Tag im Fernsehen zur Kenntnis nehmen müssen. Den schrecklichen Bildern von Zerstörungen, menschengemachten Katastrophen, Kriegen, Vergiftung von Lebensmitteln usw. soll nun mit der Disney-EXPO eine optimistische technologische Zukunftsvision entgegengesetzt werden. {Weltausstellung} Die Botschaft ist: "Ertragt den Kapitalismus nicht bloß nach dem Motto 'Da kann man nichts machen', sondern bejaht ihn fröhlich, ja, auch Ihr Kritiker, kommt zu uns, und arbeitet mit an einer besseren Zukunft, die auch für Euch gut ist - nach dem EXPO-Motto: Mensch, Natur, Technik."

(2) Doch unsere Gefühle täuschen uns nicht. Wir lassen uns vom bunten und gigantomanischen Potemkinschen EXPO-Dorf nichts vormachen. Wir machen die Augen nicht zu, sondern wollen verstehen, warum das Grauen so ist, wie es ist, wie es sich entwickelte und welche Alternativen es gibt. Es geht darum, das diffuse Unbehagen in klaren Verstand und Wissen umzusetzen. Es geht um respektloses Aufräumen mit allem Alten, das nicht weiterbringt. Das schließt ein, nicht auch bloß wieder eine Weisheit zu verkünden, so etwas funktioniert nicht, das gehört mit zum Alten. Dieses Buch entwirft kein Idealbild, dem dann alle hinterher laufen sollen - auch das hatten wir schon. Nein, heute kommt es auf eine/n jede/n selbst an, auf die maximale Entfaltung der eigenen Individualität. Die Selbstentfaltung mit klarem Kopf, das Wegräumen aller Barrieren, die mich und uns daran hindern, ist Strategie und Ziel. Was das heißt, und warum das eine den Kapitalismus sprengende Dynamik beinhaltet, wollen wir im weiteren Text entwickeln.

(2.1) Wir machen die Augen nicht zu, sondern wollen verstehen, warum das Grauen so ist, wie es ist, wie es sich entwickelte und welche Alternativen es gibt., 01.10.2001, 01:54, the element: Ein wahnsinns schöner Satz! Ich glaube, das trifft genau den Ursprung meiner Suche nach der Wahrheit.

(2.1.1) Hauptsache es ist nicht Schwarz und auch nicht Weiß, das wär´das Schlimmste., 04.05.2003, 17:03, Uwe Berger: eingefroren oder verdamfpft. ach, haben wir es nicht schön so dazwischen.

(3) Dieser Text ist ein Beitrag zur Verständigung darüber, wie die Lage ist und welche individuellen wie kollektiven Handlungsmöglichkeiten bestehen. Es geht um die Fragen "Was ist Emanzipation heute?" und "Was kann ich, können wir tun?" - und ihre möglichen Antworten. Wir werden uns in diesem Teil des Buches auch mit Ökonomie und Produktion beschäftigen. Für politisch aktive Menschen, gerade im ökologischen Bereich, ist die Alltagswelt der Produktionsarbeit im allgemeinen recht uninteressant. Sie erscheint grau, eintönig, stressig - man meidet sie lieber. Trotzdem müssen wir gerade sie ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit stellen, wenn es um die nahen Zukunftsvisionen geht - denn das Wirken der menschlichen Zivilisation auf der Erde und ihre Entwicklung ist maßgeblich mit diesem Arbeitsalltag verbunden.

(4) Wie ist die Logik der Abschnitte in diesem Kapitel aufgebaut? Zunächst eröffnen wir im ersten Abschnitt (2.1) einen historischen Blick auf die heutige Situation. Man versteht vieles von dem, was ist, wenn man versteht, wie es geworden ist. Diese Gewordenheit, das Verständnis des Heutigen als Resultat einer Kette von Entwicklungen gibt dann die Möglichkeit, über die zukünftigen Entwicklungspfade nachzudenken. Dabei entwerfen wir kein bloßes Wunschbild, sondern betrachten Geschichte und Zukunft als Resultat einer Entwicklung in Widersprüchen. Die Möglichkeit, daß alle die Freiheit haben, ihren eigenen Weg zu suchen und zu gehen, beruht auf dem, was zur Zeit geschieht, und das gilt es zu verstehen: Welches sind die Widersprüche, was ist objektiv angesagt und wie geht der Kapitalismus damit um.

(5) Im zweiten Abschnitt (2.2) geht es um die Frage: "Worin besteht die Herrschaft?" In der Regel wird eine Erklärung darauf beschränkt, Herrschaft werde als politische Herrschaft von Personen ausgeübt. Das ist aber höchstens die halbe Wahrheit. Herrschaft im Kapitalismus ist ein viel komplexerer, sich selbst organisierender Mechanismus, in dem es eine einfache Trennung in "die da oben" und "wir hier unten" nicht gibt. Im Text wird eine "entpersonalisierende" Sichtweise entwickelt, die es leichter möglich macht, die eigene Eingebundenheit zu bemerken und Handlungsalternativen zu entwickeln.

(6) Im dritten Abschnitt (2.3) bemühen wir uns darum, das vorher Analysierte mit politischen Handlungsmöglichkeiten zusammenzuführen. Wir erläutern, was wir unter "Selbstentfaltung" verstehen und erklären, warum Selbstentfaltung Strategie und Ziel der Emanzipation sein muß. Dabei geht es zentral auch um die Hindernisse und Widersprüche in emanzipatorischen Bewegungen selbst.

(7) Wir beschließen dieses Kapitel vierten Abschnitt (2.4) mit einer positiven Utopie, der Revolution in fünf Schritten!

(8) Alle Darstellungen sind keine Ableitungen dessen, was mit Notwendigkeit geschehen wird oder muß. Auch wir sind keine BesserwisserInnen - sondern tragen zusammen, was uns wichtig erscheint. Während die Aussagen über die Schranken, die uns die kapitalistische Gesellschaft noch setzt, als recht objektiv zu betrachten sind, sind alle Vorschläge einer Alternative gleichberechtigt mit vielen anderen. Auf welche Kriterien wir dabei Wert legen (Autonomie, Selbstorganisation usw.), begründen wir und hoffen auf viele Übereinstimmungen in der weiteren Diskussion.

Fortsetzung

(9) Weiter geht es mit Kapitel 2.1: Geschichte ist die Geschichte der Produktivkraftentwicklung.


Valid HTML 4.01 Transitional