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Konflikt, Kooperation und Konkurrenz - Überlegungen zur Selbstzerstörung der Menschheit

Maintainer: Martin Auer, Version 3, 12.03.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(1)

Wegen des großen Textumfangs muss das Projekt auf drei Teile aufgeteilt werden:

Selbstzerstörung 01

Selbstzerstörung 02

Selbstzerstörung 03

Literaturliste

Zum Lesen und Ausdrucken kann der Basistext auch in einem Stück gefunden werden auf http://www.martinauer.net/krieg_u_gen/index.htm.


Ich schlage vor, Kommentare, die sich auf das gesamte Projekt beziehen, hier auf dieser Seite zu veröffentlichen. Das absatzweise Kommentieren verleitet ja auch ein wenig dazu, sich in Details zu verlieren. Dem soll hier ein bisschen entgegengewirkt werden.

(1.1) Diskussionskultur, 13.03.2002, 10:04, Martin Auer: Im Sinn einer fruchtbaren Diskussionskultur schlage ich vor, zuerst den gesamten Basistext zu lesen (kann auch in einem Stück auf meiner Homepage gefunden werden, siehe oben), dann die Kommentare, und dann erst zu kommentieren. So können überflüssige Wiederholungen unterbleiben oder Einwände, die ein paar Absätze später sowieso beantwortet werden und dergleichen.
Produktiv wäre es meines Erachtens auch, zunächst einen Kommentar zu schreiben, der sich auf den Basistext als Ganzes bezieht, insbesondere, wenn es grundsätzliche Kritik gibt, also etwa an der Fragestellung überhaupt, an der Methodik etc., und dann erst Detailfragen anhand einzelner Absätze zu diskutieren.

(1.2) Roter Faden "Selbstzerstörung" , Sozio-logie-vs--biologie, 14.03.2002, 13:26, Bernd vd Brincken:
Das Fehlen einer Zusammenfassung setzt sich in den Inhalt des Textes fort - den roten Faden kann ich nicht recht erkennen, jedenfalls nicht den der "Selbstzerstörung". Was ich sehe, ist eine gewisse Faszination für die einfachen Gesetze der Biologie, und deren vermeintliche Übertragbarkeit auf menschliche Geschicke.
Was die Menschheit von Bienen und Ameisen und Kürbisfliegen prinzipiell unterscheidet, versucht sie (die Menschheit) ja u.a. in der wissenschaftlichen Disziplin "Soziologie" zu beschreiben. Soll das alles hinfällig sein? Und das Kriegführen so unvermeidlich wie bei den Ameisen?
Kann man mit "Soziobiologie" etwas erkennen oder begründen, was nur mit der Soziologie nicht zu begründen wäre?

(2) Der Artikel versucht, die Entwicklung menschlicher Gesellschaften als Spezialfall der Selbstorganisation komplexer Systeme zu betrachten. Die Grundthese ist, dass in der Epoche der Zivilisation, also den letzten 10.000 Jahren seit dem Übergang zur Landwirtschaft, die Produktion von Überschuss das entscheidende Moment im Wettbewerb der Kulturen war. Nicht die Kultur setzte sich durch, die den Menschen die beste Lebensqualität bot, sondern diejenige, die es am besten verstand, Überschüsse zu produzieren, die in die Erhöhung der Arbeitsproduktivität zwecks weiterer Steigerung der Überschüsse investiert werden konnten. Diese positive Rückkopplung hat einerseits zu den atemberaubenden Veränderungen in der Biosphäre des Planeten geführt, die wir heute sehen können, birgt aber die Gefahr der Selbstauslöschung in sich. Der Artikel stellt die These auf, dass die Epoche der Zivilisation - als Epoche der exponentiellen Steigerung der Arbeitsproduktivität bzw. des Energiedurchsatzes - zu einem Abschluss gebracht werden muss, dass die Menschheit als Kollektiv von Individuen die Herrschaft über den spontanen Entwicklungsprozess der Gesellschaft gewinnen muss.

(2.1) Roter Faden, "Selbstzerstörung" , Sozio-logie-vs--biologie, 14.03.2002, 14:05, Martin Auer: Ich kopiere hier Bernd von den Brinckens Stellungnahme von weiter oben herein, damit der "Rote Faden" der Diskussion nicht gleich am Anfang verwickelt wird: Das Fehlen einer Zusammenfassung setzt sich in den Inhalt des Textes fort - den roten Faden kann ich nicht recht erkennen, jedenfalls nicht den der "Selbstzerstörung". Was ich sehe, ist eine gewisse Faszination für die einfachen Gesetze der Biologie, und deren vermeintliche Übertragbarkeit auf menschliche Geschicke. Was die Menschheit von Bienen und Ameisen und Kürbisfliegen prinzipiell unterscheidet, versucht sie (die Menschheit) ja u.a. in der wissenschaftlichen Disziplin "Soziologie" zu beschreiben. Soll das alles hinfällig sein? Und das Kriegführen so unvermeidlich wie bei den Ameisen? Kann man mit "Soziobiologie" etwas erkennen oder begründen, was nur mit der Soziologie nicht zu begründen wäre?

(2.1.1) Re: Roter Faden "Selbstzerstörung", 14.03.2002, 14:07, Martin Auer: Was ist der rote Faden in diesem Text? Das Wort Selbstzerstörung kommt im Text selber tatsächlich selten vor, aber es ist doch sehr viel vom Krieg und seinen Ursachen die Rede. Auszuführen, warum Krieg im Zeitalter der Massenvernichtungsmittel die Gefahr der Selbstauslöschung der Menschheit in sich trägt, habe ich tatsächlich nicht für notwendig gehalten.
Der rote Faden dieses Artikels sollte eigentlich der sein: Was geschieht in einem System, das aus relativ autonomen Teilen/Mitgliedern besteht? Einfachstes Beispiel: Zwei Ochsen, die mit Stricken an einen Wagen gebunden sind. Wenn der eine nach Osten zieht und der andere nach Norden, dann bewegt sich das System nach Nordosten - in eine Richtung, in die keiner der beiden Ochsen gewollt hat. Ähnliches passiert der Menschheit andauernd. Die individuellen Anstrengungen von Einzelnen oder von Menschengruppen führen zu Ergebnissen, die keiner gewollt oder vorhergesehen hat - wie z.B. Kriegen.
Oder zum täglichen Stau in unseren Städten - Menschen wollen von A nach B und von C nach D. Keiner will am Punkt X im Stau stecken. Aber genau weil sie von A nach B und von C nach D wollen, stecken sie bei X im Stau. Das Problem des Ochsenkarrens haben listige Menschen schon vor tausenden Jahren gelöst, indem sie die beiden Ochsen nicht an lange Stricke binden, sondern an eine Deichsel. Eine Lösung, die sie den Ochsen allerdings aufgezwungen haben, die Ochsen hätten sich das sicher anders vorgestellt. Das Problem des Staus ist noch nicht gelöst. Wenn wir es näher ansehen, so ist eine Ursache des Staus die, dass immer noch Wagen in die Kreuzung einfahren, wenn es hinter der Kreuzung schon nicht mehr weitergeht. Sie blockieren dann die Kreuzung, wenn das Licht gewechselt hat, noch für einen Teil der Grünphase der anderen Fahrtrichtung oder sogar die ganze. So breitet sich der Stau rasant über die ganze Stadt aus. Und weil jeder Einzelne versucht, möglichst schnell voranzukommen, kommen alle langsamer voran. Obwohl die Autos von Menschen gefahren werden, verhalten sie sich kaum anders als wenn die Autos von Pantoffeltierchen gelenkt würden. Warum ist das so? Die Antwort lautet: Zwar sind alle langsamer, wenn alle in blockierte Kreuzungen einfahren, aber wer nicht in blockierte Kreuzungen einfährt, ist noch langsamer. Und hier ist in abgemilderter Form (man stirbt ja nicht gleich aus, wenn man zu spät zur Arbeit kommt), derselbe Mechanismus an der Arbeit, der dafür verantwortlich ist, dass das Gen selbstsüchtig ist.
Es geht nicht darum, Gesetze der Biologie auf das Menschenwesen zu "übertragen", sondern es geht darum zu erforschen, ob es für Systeme aus relativ autonomen Individuen allgemeine Gesetzmäßigkeiten gibt. Diese Gesetze sind - wie ich annehme - die Gesetzmäßigkeiten der Evolution. Diese wurden zwar zunächst anhand der biologischen Evolution studiert, ich meine aber, dass sie sich verallgemeinern lassen (Zum Beispiel auch auf die Entwicklung von Computerprogrammen).
Einen Unterschied zwischen Menschen und Pantoffeltierchen sehe ich sehr wohl: Menschen können diese Gesetzmäßigkeiten erkennen. Und sie sich, wie andere Gesetzmäßigkeiten auch, zunutze machen. Sie könnten zum Beispiel vereinbaren, an jeder Kreuzung eine Überwachungskamera anzubringen und jeden Verkehrssünder zu bestrafen, so dass der Vorteil des In-die-Kreuzung-Einfahrens sich in einen Nachteil verwandelt. Sie könnten aber auch vereinbaren, Verkehrskurse zu besuchen, in denen alle Verkehrsteilnehmer in Spielen und Übungen die praktische Erfahrung machen können, dass kooperatives Fahren allen nützt. Sie könnten auch vereinbaren, den Individualverkehr überhaupt durch öffentlichen Verkehr zu ersetzen, und so weiter. In derartigen Vereinbarungen sehe ich die Chance, Autonomie der Systemteilnehmer mit der Vermeidung von Selbstschädigung und Selbstzerstörung des Systems in Einklang zu bringen. Nur wenn die Menschen die Entwicklungsgesetze von Systemen erkennen und sich zunutze machen, wird das Kriegführen bei den Menschen nicht ebenso unvermeidlich sein wie bei den Ameisen.
Innerhalb eines Automobils gibt es keine derartigen Widersprüche. Das Automobil kann sich nicht selbst zerstören, weil seine Teile nicht autonom sind. In lebenden Organismen ist die Autonomie der Zellen stark eingeschränkt (im Vergleich zu Einzellern). Allerdings kann es zu Widersprüchen kommen, wenn etwa das Immunsystem, das ohne eine gewisse Autonomie ja nicht auskommen kann, sich gegen den eigenen Körper wendet. Auch im Superorganismus Ameisenkolonie ist die Autonomie der Einzelorganismen stark eingeschränkt (Vergleiche Ameisen mit nichtsozialen Wespen). Wie es scheint, tendiert die Evolution von Systemen dazu, die Autonomie der Teilsysteme einzuschränken. Je weniger autonom die Teilsysteme, umso geringer die Gefahr selbstschädigender innerer Widersprüche. Als einzelnem und relativ autonomem Menschenwesen gefallen mir beide Aussichten nicht: weder die Selbstzerstörung der Menschheit, noch die Entwicklung des Systems Menschheit zu einem Superorganismus, der seine Einzelteile zu mechanischen Rädchen und Schräubchen degradiert.
Doch die Menschen zögern, nein, die Menschen sind noch längst nicht imstande, "in den Entwicklungsprozess des ihnen übergeordneten Systems, der Gesellschaft oder Menschheit, aktiv einzugreifen." Die Aktivitäten von Einzelnen und Gruppen, von der UNO bis zu den NGOs, den Gewerkschaften bis zu den Künstlern, haben alle ihre Bedeutung, die ich nicht schmälern will. Doch all diese Anstrengungen sind doch weit von gemeinsamen, koordinierten und die Systemgesetzmäßigkeiten ausnutzenden Anstrengungen aller Menschen weit entfernt. Die Ochsen ziehen immer noch in unterschiedliche Richtungen. Und was dabei herauskommt, ist eben - die spontane Selbstorganisation des Systems Menschheit.
Wir diskutieren hier im Rahmen von Open Theory, einem Forum, das von der Erfahrung ausgeht, dass Computerprogramme durch spontane Selbstorganisation immer besser werden. Selbstorganisation bringt tatsächlich immer besser funktionierende Programme, wissenschaftliche Theorien, biologische Arten hervor, und zwar indem die nicht oder schlecht funktionierenden durch besser funktionierende verdrängt werden. Ein Prozess, den man in bezug auf Programme und Theorien nicht grausam nennen kann. Für biologische Arten, die durch "bessere" verdrängt werden, mag das schon anders aussehen. Was aber, wenn gar kein konkurrierendes System da ist? Wenn das Experiment Menschheit fehlschlägt, ist so schnell keine Alternative in Sicht. Der Biosphäre kann's wurscht sein. Die Mönchsrobbe und die sardinische Grasschlange werden aufatmen. Ich kann auch gar keinen objektiven Grund anführen, warum die Menschheit weiterbestehen soll. Nur einen subjektiven: Mir ist es nicht wurscht. Nur darum meine ich, dass die Menschen die Entwicklung der Menschheit nicht der spontanen Selbstorganisation überlassen dürfen.

(2.1.1.1) Einsicht / Koordinierung der "Menschenwesen", 21.03.2002, 23:03, Bernd vd Brincken:
- Sie schreiben: "Menschen können diese Gesetzmäßigkeiten erkennen." - Im Falle des in-die-Kreuzung-Fahrens scheinen Sie mir aber ein banales Phänomen zu ignorieren: Dass viele Autofahrer einfach vor Ort schon aufmerksam genug sind, um vor der Kreuzung zu warten - ohne Überwachungskameras, Verkehrskurse oder Wechsel-zu-öffentlichen-Verkehrsmitteln; spätestens bei wiederholten Staus. Da unterstellen sie eine (Ameisen-)Mechanik, die so (zum Glück) nicht gegeben ist. Angesichts der Verkehrsdichte finde ich es eher erstaunlich, wie gut man doch immer noch durchkommt und wie reibungslos diese stille Abstimmung funktioniert.
- Sie wünschen sich weiter "gemeinsame... Anstrengungen aller Menschen".
Da zucke ich doch etwas zusammen - alle gemeinsam - wofür? Wie soll das koordiniert werden? Wollen die Menschen das - alle an einem Strang ziehen? Will Gesellschaft das?
Wohl kaum. Zum Glück.
Auf die Dauer hilft nur - Kultur: Zu wissen, das man niemals alle anderen verstehen wird.
Ein Hoch auf die Geheimnisse.

(2.1.1.1.1) Re: erstaunlich, wie gut man doch immer noch durchkommt, 22.03.2002, 09:45, Martin Auer: Nun ja, ich beklage, dass das Glas halb leer ist, und Sie trösten sich damit, dass es halb voll ist. Ob wir die Tatsache, dass man trotz allem immer noch durchkommt, der stillen Abstimmung zwischen den Verkehrsteilnehmern verdanken oder der immer rigoroseren Überwachung, wäre einer ernsthaften Untersuchung wert.

(2.1.1.1.2) Re: "gemeinsame... Anstrengungen aller Menschen"., 22.03.2002, 14:30, Martin Auer: Ja, da tu ich mir ja auch nicht leicht. Wenn es nicht ums Überleben ginge, würde ich dafür nicht plädieren.
Nehmen wir als Beispiel den Konflikt Israel-Palästina. Immer wieder liest man von Umfragen, die tröstlicherweise ergeben, dass auf beiden Seiten die Mehrheit der Menschen Frieden wünscht. (Ich habe in Israel keinen einzigen Menschen gesprochen, der nicht für den Frieden gewesen wäre, aber das ist natürlich nicht repräsentativ.) Aber der Konflikt eskaliert und eskaliert, obwohl der Kalte Krieg zwischen Supermächten, dessen Produkt er ist, Geschichte ist. Denn da gibt es so viele Sonderinteressen, und zwar nicht nur bei den Extremisten auf beiden Seiten. Da gibt es nicht nur die Siedler, die aus ihrer Frontstellung immer besondere Vorteile gezogen haben, da gibt es auch Geschäftsleute, denen billige - weil rechtlose und arme - palästinensichen Arbeitskräfte zupass kommen, da gibt es die Interessen, die die Kontrolle über das Wasser nicht aufgeben wollen, da gibt es Besitzer von fruchtbarem Land, die es nicht verlieren wollen, da gibt es jüdische religiöse Extremisten, die ihre Existenzberechtigung von der Existenzangst der jüdischen Israelis beziehen, da gibt es Politiker, die mit Emotionen spielen, um wiedergewählt zu werden, da gibt es junge Soldaten, die aus Angst den Kopf verlieren, da gibt es die Angst, ein starkes Palästina würde den arabischen Israelis den Rücken stärken, von deren untergeordneter Position natürlich viele jüdische Israelist profitieren... Da gibt es auf der anderen Seite junge Palästinenser, die keine Aussicht für sich sehen, jemals "etwas zu werden" - es sei denn Märtyrer. Da gibt es Anführer, die nur solange eine politische Rolle spielen, Geld und Unterstützung kriegen können, solange es den Konflikt gibt. Da gibt es eine politische Führung, für die ein erfolgreicher Friedensprozess zwar durchaus den Machterhalt bedeuten würde, die aber ihre Macht verlieren würde, wenn sie als zu nachgiebig erschiene...
Und das Dumme ist, dass ein Selbstmordattentat alle Monate genügt, um den Konflikt am Kochen zu halten, natürlich mit darauf folgender Vergeltungsaktion, die unweigerlich wiederum zivile Opfer zur Folge hat.
Würden Sie nicht auch zustimmen, dass gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten notwendig sind, um aus diesem Konflikt herauszukommen. Fast jeder der Beteiligten sagt: "Ich will Frieden, aber..." Die gemeinsamen Anstrengungen müssen diesem Aber gelten. Frieden würde allen Beteiligten mehr Vorteile als Nachteile bringen. Dennoch ist bis jetzt die Furcht vor den Nachteilen anscheinend größer als die Hoffnung auf die Vorteile. Nur ein gemeinsamer Plan kann bewirken, das beispielsweise keine der Parteien Angst haben muss, die andere würde ihnen das Jordanwasser abgraben. Dass beide Teile einen gemeinsamen wirtschaftlichen Aufschwung erreichen, anstatt jeweils auf Kosten des Anderen. Dass beide Teile sicher sind vor Übergriffen und Racheakten. Und so weiter.
Global gesehen ist es so, dass seit der Erfindung der Atomwaffen die Welt (abgesehen von den im Vergleich zum heutigen Potential zaghaften Testläufen in Hiroshima und Ngasiki) 16 Mal konkret von iherer Anwendung bedroht war (>http://www.islandnet.com/~emerald/vpc/readings/nukeuse.htm), und dass immer noch 36.000 Atomsprengköpfe herumliegen, müsste eigentlich jeden überzeugen, dass wir am Rand des Abgrunds tanzen.Ich bin auch sehr dafür, dass jedes Individuum, jede Familie, jede WG, jede Gemeinde, jedes Volk, jede Kultur, jede Religionsgemeinschaft nach der jeweils eigenen Fasson selig werden können soll. Und gerade um das zu ermöglichen, braucht es einen gemeinsamen Plan, so paradox das ist.
"Wer soll das koordinieren?"
Die Bemühungen um einen solchen gemeinsamen Plan haben, soweit wir wissen, vor ca. zweieinhalb Jahrtausenden eingesetzt. Zu den Proponenten gehörten Leute wie Mahavira, Buddha, Konfuzius, Sokrates, die Verfasser des Mahabharata, die jüdischen Propheten, Jesus, Mohammed, Kant, Kropotkin, Marx, Fromm, Küng... um nur ein paar zu nennen. Und die Debatte geht natürlich weiter.

(2.1.2) Re: Soziologie versus Soziobiologie, 14.03.2002, 15:38, Martin Auer: Die Soziobiologie versteht sich laut Wickler/Seibt 1977 als interdisziplinäre Wissenschaft, die sich Methoden und Erkenntnisse sowohl der Biologie, insbesondere der Populationsgenetik, als auch der Soziologie, weiters auch der Ökologie und Physiologie zunutze macht. Insofern muss gar kein Widerspruch zwischen Soziologie und Soziobiologie bestehen. Die Soziobiologie untersucht freilich in erster Linie das Sozialverhalten von Tieren, was die Soziologie ja nicht tut.
"Die modernen Soziobiologen gründen ihre Argumentation auf die Erkenntnisse der Populationsgenetik und zeigen auf, wie soziales, auch sogenanntes altruistisches Verhalten sich zwangsläufig aus den Evolutionsgesetzen ergibt."
Etwas verwaschen schränken sie ein:
"...dass die angebotenen Folgerungen nur dann zwingend sind, wenn Gene das untersuchte Verhalten bestimmen..."
Für Wickler/Seibt ist der Schlüssel zum Verständnis genetisch bedingter Kooperation die Verwandtschaft. Sie beziehen sich dabei vor allem auf W.D. Hamilton 1964 "The genetical Theory of Social Behaviour". "Z*r>E" lautet ihre "soziale Grundformel", also der Zuwachs an Fortpflanzungschancen für das geförderte Individuum multipliziert mit dem Grad der Verwandtschaft zu dem geförderten Individuum muss größer sein als die Einbuße an Fortpflanzungschancen für das fördernde Individuum.
Anthropologen wie Catherine A. Key und Leslie C. Aiello sind darüber hinausgegangen und haben, ausgehend von Zahavis Handicap-Prinzip die Verästelungen der kin-selection (also der innerartlichen Selektion) weiter untersucht und haben gezeigt, wie die Geschlechter soziales Verhalten beim jeweils anderen Geschlecht herausselegieren können.
Wenn die Soziologie das Verhalten von Menschen und Menschengruppen untersucht, dann muss sie sich darüber klar sein, von welchem Bild, von welchem Modell des Menschenwesens sie ausgeht. Etwa vom Modell "homo oeconomicus" oder vom Modell "Der Mensch ist gut" oder von irgend einem anderen. Die Soziobiologie kann da hilfreich sein, indem sie die Entstehung des Sozialverhaltens im Tierreich (neuerdings auch im Pflanzenreich) bis herauf zum Menschen untersucht und die biologischen Veranlagungen des Menschenwesens zu erklären versucht. Also die Fähigkeit des Menschenwesens zu Egoismus, Aggression, Destruktivität ebenso wie die Fähigkeit zu Kooperation, Fürsorge und Liebe.
Ich habe hier versucht, die Erklärung des Psychologen Fromm für diese zwiespältige Veranlagung mit dem Handicap-Prizip des Biologen Zahavi in Zusammenhang zu bringen.

(2.1.2.1) Evolution jenseits der Gene / Mehr als Summe-von-Einzelnen, 21.03.2002, 22:45, Bernd vd Brincken:
Sie zitieren: "Die modernen Soziobiologen ... zeigen auf, wie soziales ... Verhalten sich zwangsläufig aus den Evolutionsgesetzen ergibt."
Eben das ist der Knackpunkt, und da habe ich zwei Einwände:
1. Wenn man Mensch und Gesellschaft heute untersucht (und das tun wir, wir simulieren ja nicht die Haltung der Neandertaler zu diesem Thema), dann kann man Evolution nicht mehr nur an Genen festmachen. Man muss dann Phänomene wie Buchdruck (Medien), Rechtswesen, Kultur et al. berücksichtigen. - Das wird von der Soziobiologie ausgeblendet, und was immer dann heraus kommt: Es kann nicht brauchbar sein.
2. Sie halten es für wichtig, "von welchem Modell des Menschenwesens [die Soziobiologie] ausgeht". Ja? - Dann liegt sie aber nicht mehr "interdisziplinär" über den anderen Disziplinen, sondern sie blendet diese teilweise einfach aus.
Im Falle Soziologie: Was hier (jedenfalls über die Empirik hinaus) interessiert, ist doch gerade die Frage, wie aus dem Zusammenwirken von Individuen Phänomene entstehen, die aus deren Einzelwirken nicht erklärbar sind. Anders gesagt: Wie das Ganze mehr sei als die Summe der Teile.
Ein "Bild des Menschenwesens" ist dafür eben gerade nicht notwendig und nicht hilfreich. Vielmehr braucht es Abstraktion über das Zusammenwirken der Menschen. Der Soziologe mag dieses Zusammenwirken als eigenes "Gebilde" substantiieren (Luhmann: "Soziales System"), oder es anders beschreiben. Seine Sicht ist dabei stets: unpersönlich - jedoch nicht unmenschlich.

(2.1.2.1.1) Re: dann kann man Evolution nicht mehr nur an Genen festmachen, 22.03.2002, 14:33, Martin Auer: Dann sind wir uns ja einig. Nur an den Genen will ich sie sicherlich nciht festmachen.

(2.1.2.1.2) Re: und was immer dann heraus kommt: Es kann nicht brauchbar sein., 22.03.2002, 15:42, Martin Auer: Erstens:
Ich bin hier gar nicht angetreten, um Soziobiologie zu betreiben, schon gar nicht im eingeschränkten Sinn von Hamilton. Soziobiologie ist ja nur eine von mehreren Methoden, die in diesem Artikel angesprochen werden.
Zweitens:
Biologisch sind wir im Großen und Ganzen dieselben wie vor 30.000 oder 40.000 Jahren. Während der 10.000 Jahre Zivilisation hat es eine rasante kulturelle Evolution gegeben und nur eine kaum merkliche biologische. Einiges scheint freilich auch in dieser Zeit passiert zu sein: So ist zum Beispiel das Sichelzellen-Gen in der schwarzen Bevölkerung Nordamerikas im Schwinden begriffen, während es in den Malariagebieten Afrikas noch immer noch immer mit derselben Häufigkeit vorkommt. (Sichelzellenanämie ist tödlich, wenn man sie von beiden Eltern geerbt hat, schützt aber Malaria, wenn man sie nur von einem Elternteil hat.) Immerhin eine meßbare Rückwirkung zivilisatorischer Errungenschaften auf den Genpool. Aber dies nur am Rande.
Wenn wir also biologisch noch immer dieselben sind, die wir zur Eiszeit waren, dann muss ich bei Behandlung der Frage: "Wie sind wir die geworden, die wir heute sind?" den Buchdruck eben nicht mit einbeziehen. Keineswegs heißt das, dass ich mich mit kulturellen Phänomenen überhaupt nicht auseinandersetzen muss. Ganz im Gegenteil: In den Millionen Jahren vor dem Mesolithikum hat sich die kulturelle Entwicklung in einem Zeitmaß vollzogen, das dem Zeitmaß der biologischen Entwicklung durchaus ähnlich war. In dieser langen Zeitspanne haben kulturelle Entwicklungen sehr wohl auf die biologische Entwicklung rückgewirkt. Wie sollte denn sonst etwa ein Sprachvermögen entstanden sein? Die genetischen Veränderungen im Gehirn und am Kehlkopf haben sich doch durchgesetzt, weil es in einer Umwelt, in der es Kommunikation gibt, eben einen Fortpflanzungsvorteil bedeutet, wenn man besser kommunizieren kann. Wenn Luhman, soviel ich weiß, Gesellschaft mit Kommunikation gleichsetzt, dann ist doch die Frage interessant, wieso wir überhaupt kommunizieren können. Luhmann spricht hier, soviel ich weiß, von einer Ko-Evolution des Psychischen und des Sozialen, also einem gegenseitigen Bedingen.

(2.1.2.1.3) Re: ist doch gerade die Frage, wie aus dem Zusammenwirken von Individuen Phänomene entstehen, die aus deren Einzelwirken nicht erklärbar sind., 22.03.2002, 16:30, Martin Auer: Ich glaube, das ist ein Mißverständnis. Aus dem Zusammenwirken von Individuen entstehen Phänomene, die beim Individuum nicht vorhanden sind. Das ist auf allen Ebenen so. Auf der Ebene des Atoms gibt es beispielsweise keine Katalyse. Katalyse ist ein Phänomen, das emergiert, wenn Atome sich auf Grund der Eigenschaften ihrer Elektronenhüllen sich zu unterschiedlichen Molekülen zusammenfinden. Erst dann hat es einen Sinn davon zu sprechen, dass ein Molekül die räumliche Anordnung der Atome in einem anderen Molekül beeinflusst und dadurch die chemische Reaktion dieses Molekül mit einem Dritten ermöglicht. Aber dieser ganze Vorgang wird durch die atomaren Kräfte bewirkt und kann ohne sie nicht erklärt werden. Wären Elektronen nicht elektrisch geladen, gäbe es gar keine Chemie. Es kommt aber noch ein neues Element zur Erklärung hinzu, nämlich die räumliche Beziehung der Atome zueinander.
Wären die Individuen, die die menschliche Gesellschaft ausmachen, anders, als sie sind, dann wäre auch die menschliche Gesellschaft anders. Wären wir alle absolut bedürfnislos wie Buddha, dann würden wir herumhocken wie Steine und es gäbe überhaupt keine Soziologie. Aber weil wir Bedürnisse haben, weil wir ständig auf der Suche nach Futter und Sex sind, auf der Suche nach Schutz vor wilden Tieren, Hitze, Kälte, auf der Suche nach Liebe und Anerkennung, auf der Suche nach Erfolg und so weiter, weil unsere Bedürfnisse einander teils ergänzen und teils ausschließen, deshalb gibt es a) eine Gesellschaft, ist diese b) in ständigem Wandel begriffen und ist c) die Soziologie so kompliziert. Natürlich emergieren in der Gesellschaft völlig neue Phänomene, z.B. Staaten, Kriege, Verträge, die Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft, die Gewerkschaft der Privatangestellten. Was eine Gewerkschaft ist, kann ich mit den Begriffen der Biologie nicht erklären, das ist klar. Aber: Wenn wir nicht essen müssten, gäbe es keine Gewerkschaften. Und wenn uns die gebratenen Tauben ins Maul fliegen würden, gäbe es auch keine Gewerkschaften. Das Bedürfnis nach Nahrung, Kleidung, Wohnung usw. einerseits und der Mangel an diesen Dingen in der unbearbeiteten Umwelt andererseits genügen natürlich nicht zur Erklärung, aber ohne diese beiden Faktoren kommt man eben auch nicht aus.

(2.1.2.1.4) Re: Ein "Bild des Menschenwesens" ist dafür eben gerade nicht notwendig, 22.03.2002, 16:39, Martin Auer: Wie ich oben ausgeführt habe, halte ich einerseits sehr wohl auch ein Bild des Menschenwesens in seiner biologischen Gegegebenheit notwendig. Andererseits aber eben auch ein Bild des Menschenwesens als soziales Wesen, das sowohl biologisch als auch psychologisch ein Produkt der Gesellschaft ist.

(2.1.2.5) Re: Soziologie versus Soziobiologie, 28.05.2002, 10:58, Konrad Stoeber: Was bietet die Soziobiologie für die Ergründung der Tiefen und Untiefen der menschlichen Gesellschaft ? Sie kann im positiven Sinne darüber etwas aussagen, was die menschliche Gesellschaft mit etwa tierischen Gesellschaften gemeinsam hat, ein Allgemeines tierischer und menschlicher Gesellschaften. Ebenso kann die Physik selbstorganisierender Systeme etwas darüber aussagen, was selbstorganisierende physikalisch-chemische Systeme etwa die Belousov-Zhabotinsky Reaktion mit menschlichen Gesellschaften gemeinsam haben. Damit ist natürlich kein Wort zu den Besonderheiten menschlicher Gesellschaften gesagt. Wenn aber etwas über menschliche Gesellschaften ausgesagt werden soll, muß gerade dieser Besonderheit Rechnung getragen werden.

(2.1.2.5.1) Re: Soziologie versus Soziobiologie, 29.04.2004, 19:13, Björn Rekow: Ich töte dich und mich, jeden tag sterbe ich. Gleich der griechischen mythologie in der dem Jünglng, an einem Felsen gekettet die Leber von einem Adler ausgepickt wird. TAg für TAg. Ich bhin mein Adler, mein eigenes Leiden. Das Pandemonium des Seins, eine Floskel Mutter Naturs. Ohne Leben kein sterben, ohne Fluss der stillstand... Erzählt mir was ihr wollt, ich fungiere in meiner Rolle als Mensch, als Beispiel für das, was ihr zu bekämpfen versucht. Ich, Björn Rekow, die reinkarnation des christlichen Begriffes des Teufels, das Erbe Fritz Zorns, und der Heiland der Geschlagenen. Welt Heil heisst sich selbst heilen. Die Tatsache, dass ihr nur redet und euch nur auf der Ebene des mitteilens heilt, also durch die bestätigung des Individuums in der gewählten Gemeinschaft wirft ein schwaches Bild auf euch. Ihr, die ihr mit der Hoffnung auf besserung spielt, wie die Kinder ihre Neugier erfoschen. Das Ziel, die Enttäuschung! Jugendlicher Enthusiasmus, gemischt mit Halbwahrheiten die nichts verkünden als den Untergang!! Allah Akbar! Welt- Heil!!!!!


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