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Konflikt, Kooperation und Konkurrenz - Überlegungen zur Selbstzerstörung der Menschheit - Teil 3

Maintainer: Martin Auer, Version 1, 25.02.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Markt, Plan und Gartenbau

(1)

Die marxistischen Theoretiker und kommunistischen Potentaten meinten, sie könnten die spontane Selbstorganisation des Marktes komplett beseitigen und durch rationale Planung ersetzen.[52] Eine Analogie dazu wäre der Versuch eines Züchters, eine neue Rinderrasse oder auch nur eine neue Salatsorte aus den zwanzig Aminosäuren zusammenzubauen. Nicht einmal im Zeitalter der Gentechnologie versteigt sich jemand zu solchen Ideen. Dennoch überlassen menschliche Gärtner und Züchter seit 10.000 Jahren weder die Entwicklung der Pflanzen noch die der Tiere gänzlich der spontanen Selbstorganisation, sondern helfen der biologischen Evolution mehr oder weniger planmäßig und gezielt nach. Je besser sie die Gesetzmäßigkeiten der Evolution durchschauen, um so eher entsprechen die Ergebnisse ihren Vorstellungen. (Dass diese Zielvorstellungen der Züchter und Gentechniker dann oft zweifelhaft sind, einseitig nur auf Steigerung der Erträge ausgerichtet, ist ein anderes Kapitel.)

(2)

Hat einerseits kommunistische Planung weit weniger eingegriffen, als es den Vorstellungen der Theoretiker und Machthaber entsprach, so ist andererseits die Marktwirtschaft selbst in den Ländern, wo dem Neoliberalismus am begeistertsten gehuldigt wird, nicht völlig frei. Die gelenkte Marktwirtschaft ist jenseits aller Ideologien eine Tatsache. Bei Staatsquoten von 30 bis fast 50% des BNP ja auch gar nicht anders denkbar. Die relevante Frage ist, mit welchen Zielen und mit welchen Methoden man die Marktwirtschaft lenken will.

(3)

Was nottut, ist eine Abkehr von der Vermehrung der Überschüsse zum Zweck der Vermehrung der Überschüsse.

(4)

Derartiges können die Marktmechanismen nicht bewältigen, ebenso wenig wie die natürliche Evolution das Wachstum der Argus-Fasan-Schwanzfedern umkehren kann. Menschlichen Züchtern freilich ist es ein leichtes, Hühnervögel mit langen oder kurzen, bunten oder einfarbigen, geraden oder geschwungenen Schwanzfedern zu züchten, wobei sie nicht gegen die Vererbungsgesetze, sondern mit ihnen arbeiten.

Endlich die Früchte genießen

(5)

In naher Zukunft werden 20% der arbeitsfähigen Bevölkerung genügen, um die Weltwirtschaft in Gang zu halten, sagen die Wirtschaftsführer der Welt voraus. Die übrigen 80% wird man entweder mit dem Notwendigsten an billiger Massenware am Leben und mit industriell gefertigtem Entertainment bei Laune halten - oder aber es gelingt uns, das gegenwärtige Wirtschaftssystem so zu verändern oder durch ein anderes abzulösen, dass die Menschen, endlich von der Fron der Arbeit befreit, sich dem zuwenden können, was keine Maschine ihnen abnehmen kann: der Fürsorge füreinander.

(5.1) Re: Endlich die Früchte genießen, 26.02.2002, 18:38, Annette Schlemm: Heute bin ich auch der Meinung, daß 20% ausreichen... für die DDR wäre diese Muße aber keine mögliche realistische Handlungsoption gewesen!!! (Weil die Arbeitsproduktivität eben NICHT hoch genug war). In den frühen 60er Jahren muß es noch die Diskussion gegeben haben, daß bald die Zeiten anbrechen würden, in denen wirklich die Arbeitszeit rapide gesenkt wird, um mehr individuelle Freiheiten zu haben. Mit Honecker wurde dann tatsächlich wieder explizit mehr Wert auf die materiellen Bedürfnisse gelegt (z.B. eben das Wohnungsbauprogramm initiiert). Aber ich denke mal, daß - wenn man die Menschen hätte selber entscheiden lassen - sich auch die Leute für mehr materiellen Wohlstand statt für mehr Zeit entschieden hätten (zumindest auf der damaligen Ebene des gerade beginnenden Wohlstands). Daß man die Leute nicht wirklich gefragt hat, ist vielleicht ein Mangel an Demokratie, die man sich aus heutiger Sicht vielleicht wünschen würde. Aber soweit ich die Menschen einschätzen gelernt habe in dieser Zeit, sehe ich wie eben angedeutet, daß auch sie mehr Wohlstand - auch mit mehr Arbeit und Anstrengung verbunden - wollten, nicht mehr Muße und freie Zeit (Weil ich das anders gesehen habe, war ich ziemlich alleine...). Die Erhöhung der Arbeitsproduktivität war Mittel zu diesem Zweck, wenn auch zu wenig erfolgreich, um die Leute nicht doch dann lieber Kapitalismus-pur haben lassen zu wollen...

(5.1.1) Re: Materieller Wohlstand oder Freizeit /Muße, 15.03.2002, 17:47, Swen Osterkamp: Materieller Wohlstand hat wohl einfach einen höheren Statuswert als Muße / Freizeit - Haben statt Sein ! Aber in gewissen Kreisen zählt ja immerhin schon ein durchgestyltes Fahrrad mit Kleinkindanhänger mehr als Super-PS-starkes Auto, usw. ... und diese Kreise bilden die neue Elite (siehe "BoBos - Bohemian Bourgeois" von David Brooks); also es besteht noch Hoffnung.

(6)

Den Buschmännern in der Kalahari genügten drei Tage in der Woche für die Jagd[53]. Sie wären nie auf die Idee gekommen, die Hälfte der Männer sechs Tage lang jagen zu lassen und die andere Hälfte für überflüssig zu erklären. Sie wären auch nicht auf die Idee kommen, alle Männer sechs Tage in der Woche jagen zu lassen und das überschüssige Fleisch gegen – ja, wogegen einzutauschen, wo sie doch alles hatten, was sie brauchten? Die freie Zeit wurde für soziale Aktivitäten genutzt.

(7)

Die freie Zeit, die uns jede Steigerung der Produktivität der Arbeit bringt, sollten wir – jedenfalls zum größten Teil - in soziale Aktivitäten investieren anstatt in die weitere Ausweitung der Produktion. Nicht einfach nur in Form von mehr „Freizeit“ – „Freizeit“ in der modernen Industriegesellschaft bedeutet ja hauptsächlich leere Zeit oder Konsumzeit. Sondern in dem Sinn, dass innerhalb der gesellschaftliche Arbeitsteilung ein immer größerer Anteil den sozialen Dienstleistungen zukommt. Mit sozialen Dienstleistungen ist her gemeint der Bereich von Fürsorge, psychischer und physischer Vorbeugung und Heilung, Training und Animation, Unterhaltung, Kunst, Spiritualität, Lehre und Forschung. Nicht gemeint sind solche von den Wirtschaftswissenschaften unter „Dienstleistungen“ subsumierten Bereiche wie Gelddienste, Werbung, Verwaltung, Rechtsdienste und so weiter, also Dienstleistungen, die in erster Linie die Warenproduktion unterstützen.

(7.1) Re: soziale Dienstleistungen, 15.03.2002, 17:51, Swen Osterkamp: Nur damit die Aufzählung komplett ist: Politische Aktivitäten würde ich auch zu den sozialen Dienstleistungen zählen.

(8)

Eine reiche Industriegesellschaft, die ihre Überschüsse nicht in die Erweiterung der Produktion, sondern in die Erweiterung der sozialen Dienstleistungen investierte, wäre eine nicht-expansive Gesellschaft. Sie hätte nicht das Problem, ständig nach neuen Märkten und neuen Formen des Konsums zu suchen, hätte daher auch keinen Bedarf an Machtausweitung und weniger Probleme mit der Überausbeutung der irdischen Ressourcen. Sie wäre keineswegs eine Verzichtsgesellschaft, sondern ganz im Gegenteil eine Luxusgesellschaft. Denn der wahre Luxus ist nicht ein Vibrationsmassagekissen mit vier Programmen und stufenloser Intensitätsregulierung, sondern sich eine Stunde lang den lebendigen Händen eines einfühlsamen Masseurs hinzugeben. Der wahre Luxus ist nicht ein Vierkanal-Dolby-Surround-HiFi-System, sondern ein Kammerkonzert im Kreis erlesener Freunde beziehungsweise ein Live-Act in hautnaher Club-Atmosphäre.

(9)

Die Marktmechanismen allein können einen solchen Umschwung nicht bewirken. Industrieprodukte werden billiger in dem Maß, wie weniger Arbeitsstunden nötig sind, um sie zu erzeugen. Die Leistung eines Masseurs oder einer Ärztin aber kann höchstens billiger werden, wenn sein bzw. ihr Lebensstandard gesenkt wird. In dem Maß, wie der technische Fortschritt dingliche Güter wie Nahrungsmittel oder Wohnhäuser verbilligt, kann die Gesellschaft Arbeitskraft von der Erzeugung dieser Güter abziehen und solchen sozialen Dienstleistungen zuwenden. Aber nur, wenn das Einkommen der Massen soweit steigt, dass es für mehr reicht als Nahrung, Kleidung und Wohnen und dergleichen. Das geschieht nicht von selber. Nun gibt es in den Industrieländern sehr wohl einen Trend zur „Dienstleistungsgesellschaft“ (Freilich im konventionellen Sinn von „Dienstleistung“). Der beruht allerdings nur zum Teil auf dem technischen Fortschritt in der erzeugenden Wirtschaft, zum Teil aber darauf, dass ein großer Teil der erzeugenden Tätigkeiten in Billiglohnländer ausgelagert ist. Da wir einen immer geringeren Teil unserer Einkommen für diese Produkte schlechtest bezahlter Arbeitskräfte ausgeben müssen, haben wir mehr Geld für Dienstleistungen über und können einen größeren Anteil unserer Bevölkerung in diesem Bereich arbeiten lassen. Doch auch ohne Ausbeutung von Frauen und Kindern in Vietnam oder Kolumbien würden Industrieprodukte immer billiger werden. Das heißt, dass der Konsum von Industrieprodukten (nicht dem Geldwert nach, sondern der Produktmenge nach) spontan auf jeden Fall schneller wachsen würde als der Konsum sozialer Dienstleistungen. Der Umbau zu einer radikalen Sozialwirtschaft kann also nicht ohne Einschränkung der Marktgesetze geschehen.

Kooperation versus freier Wettbewerb

(10)

Wer aber kann den Marktgesetzen trotzen? Das können Kartelle und staatliche Institutionen. Auch Gewerkschaften sind natürlich Kartelle. Schon früh in der Entwicklung des Kapitalismus haben Lohnarbeiter sich zusammengeschlossen, um die Konkurrenz untereinander wenigstens teilweise einzuschränken und durch Kooperation zu ersetzen, und so die Marktgesetze, die ihren Lohn auf das Existenzminimum hinunterzudrücken strebten, in Schach zu halten. Starke Gewerkschaften haben der Entwicklung des Kapitalismus nicht geschadet. Indem sie den Arbeitenden einen höheren Anteil am Sozialprodukt verschafft haben, haben sie nicht zuletzt dafür gesorgt, dass der Wirtschaft besser ernährte, gesündere und besser ausgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung standen, als geänderte Produktionsverhältnisse danach verlangten. Die relative Verteuerung der Arbeitskraft hat die Unternehmen zu um so rascherer Rationalisierung, also Produktivitätssteigerung angestachelt, und der höhere Konsum der Massen hat eben auch für den Absatz der Produkte gesorgt. Die Unternehmen befinden sich ja in der paradoxen Situation, dass jedes Unternehmen im Grunde daran interessiert sein muss, dass in der Bevölkerung genug Kaufkraft vorhanden ist, um die Produkte aufzunehmen.Für dieKonsumgüterindustrie versteht sich das von selbst, aber auch für die Investitionsgüterindustrie liegt es auf der Hand, dass die Konsumgüterindustrie ihr die Investitionsgüter nur abnehmen kann, wenn die Konsumgüter verkauft werden. Dennoch muss jedes einzelne Unternehmen bestrebt sein, seine Kosten, also auch die Lohnkosten, zu senken.[54] Das Kartell der Arbeitnehmer kann diesen Widerspruch auflösen. Denn überlebenswichtig ist für das einzelne Unternehmen nur, dass es nicht höhere Kosten als die Konkurrenzunternehmen hat. Wenn alle höhere Kosten haben, schadet das dem einzelnen Unternehmen nicht. Ähnliches gilt für alle anderen Faktoren, die die Kosten der Unternehmen zugunsten der Arbeitnehmer oder zugunsten der Gesamtgesellschaft erhöhen, wie Vorschriften, die die Arbeitsbedingungen betreffen, Umweltauflagen oder Qualitätsauflagen.

(11)

Konsumentenvereinigungen können die Konkurrenz unter den Käufern einschränken.

(12)

Dass Unternehmenskartelle zugunsten ihrer Profite die Konkurrenz untereinander einschränken können, ist bekannt. Können sie es auch zugunsten der Gesellschaft? Gelegentlich kommt es, wenn politische Maßnahmen drohen, zu freiwilligen Selbstbeschränkungen, die sich ganze Sparten auferlegen. Doch zumeist sind es staatliche Auflagen, die die Unternehmen dazu bringen, in gewissen Bereichen zu kooperieren, zum Beispiel, indem alle Unternehmen bestimmte Sicherheitsbestimmungen einhalten.

(13)

Doch nicht nur durch Vorschriften, sondern einfach auch in seiner Eigenschaft als größter und wichtigster Konsument von Dienstleistungen und Gütern nimmt der Staat Einfluss darauf, was und in welchen Proportionen die Gesellschaft produziert, auch ohne Zentrale Plankommission. Wenn in Österreich die Bauwirtschaft darniederliegt, wird das Geld der Steuerzahler vermehrt für Straßenbauten, Repräsentationsbauten, unter Umständen sogar Schul- oder Spitalsbauten ausgegeben. Das geschieht, damit nicht die Zahl der Arbeitslosen ansteigt, was ein Sinken der allgemeinen Nachfrage nach Konsumgütern zur Folge hätte, und natürlich auch, damit die Profite der Bauindustrie gesichert werden, weil sonst die Nachfrage nach Investitionsgütern zurückgehen würde und nach einiger Zeit die heimische Bauwirtschaft, wenn sie nicht investiert, auch technologisch in Rückstand geraten würde. So weit so gut. Die Frage, die nicht gestellt wird, ist: könnte es sein, dass eigentlich genug Bauwerke, z.B. Autobahnen, vorhanden sind? Auf längere Sicht ließe sich ein Rückgang der Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft durch eine Zunahme der Arbeitsplätze in den Schulen ausgleichen. Natürlich kann man einen 50jährigen Bauarbeiter üblicherweise nicht zum Physiklehrer umschulen. Aber sehr wohl z.B. als „Zeitzeugen“ für Vorträge über die Arbeitswelt einsetzen. Oder in der Nachmittagsbetreuung der Kinder. Oder als Werk- und Hobbylehrer, Jugendheimbetreuer usw. usw. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn man die persönlichen, charakterlichen Fähigkeiten der Menschen mehr in Betracht zieht als ihre Ausbildung.

(14)

Die Forderung geht dahin, dass der Staat durch Besteuerung und entsprechende Vorschriften dahin wirkt, dass Produktivitätszuwächse in der Güterproduktion nicht in erster Linie zur Ausweitung der Produktion führen, sonder zur Umschichtung der menschlichen Ressourcen auf soziale Bereiche. Das würde sowohl den dinglichen Ressourcenverbrauch mildern als auch den Expansionsdrang verringern. Die freiwerdende Arbeitskraft kann in den sozialen Bereich gelenkt werden, indem von Staat, Stadt, Gemeinde etc. gratis oder billig immer mehr soziale Einrichtungen wie Schulen, Gesundheitsvorsorge, Kulturstätten, Sportstätten etc. etc. zur Verfügung gestellt werden. HiFi-Anlagen sollen teurer werden, Musiklehrer billiger. Die Vielfalt kann gewährleistet werden, indem die Verwaltung dieser Einrichtungen gemeinnützigen Vereinen übertragen wird.

(15)

Einwände gegen einen „Versorgungsstaat“ stellen meist die Vorstellung einer Masse passiver Empfänger von Wohltaten in den Raum. Doch worum es geht ist, dass die Menschen, die nicht mehr für die Güterproduktion benötigt werden, hochqualifizierte Dienstleistungen untereinander und natürlich mit den Produzenten der dinglichen Güter austauschen.

(16)

Ein anderer Bereich, in den Produktivitätszuwächse sinnvoll investiert werden kann, ist die Verbesserung der Qualität statt der Quantität der Produkte, vor allem im Sinn von Umwelt- und Sozialverträglichkeit. Ein Verbot der Massentierhaltung etwa würde der Überproduktion von Fleisch sofort Einhalt gebieten. Natürlich würde sich Fleisch verteuern, der Fleischkonsum würde auf ein gesünderes Maß zurückgehen. Untere Einkommensschichten müssten zwar durch gewerkschaftliche Maßnahmen für Ausgleich sorgen, wenn ihnen das nicht durch eine Anhebung der staatlich verordneten Mindestlöhne abgenommen wird. Doch andererseits wäre hochwertiges Fleisch dann nicht mehr ein Privileg der höheren Einkommensschichten. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Viehzucht würde sich etwas erhöhen, die Arbeitsplätze in den Schlachthöfen würden freilich weniger werden. Weniger Fleischkonserven würden in Drittweltländer exportiert werden und die dortige heimische Landwirtschaft könnte aufatmen. Die Überschüsse, die sonst in eine weitere Konzentration und Rationalisierung der Fleischproduktion mit noch größerer Überproduktion investiert würden, müssen so in Qualitätsverbesserung, Humanität und Gesundheit investiert werden.

(17)

Ähnliche Qualitätsauflagen könnten sinnvoll für andere Bereiche der Landwirtschaft erlassen werden, was Monokulturen, Gebrauch von Pestiziden usw. betrifft, aber auch was den Landschaftsschutz betrifft, die gemischte Nutzung des Freilands für Landwirtschaft, Erholung und Wohnen. Aber natürlich auch für den Wohnungsbau, den Städtebau insgesamt, die Verkehrseinrichtungen, den Schulbau und so weiter. Solche Auflagen würden die Unternehmen zwingen, anstatt in die Verbilligung ihrer Produkte (und damit in die Erhöhung des Ausstoßes) in die Erhöhung der Qualität zu investieren. Auf längere Sicht würden solche strengen Qualitätsauflagen die Einkommensschere zwischen arm und reich verringern. Wenn bestimmte Produkte nur mehr in höherer Qualität und entsprechend teurer zur Verfügung stehen, können höhere Einkommensschichten das ausgleichen, indem sie die Menge der verbrauchten Produkte reduzieren. Die unteren Einkommensschichten verbrauchen bisher eine gewisse Mindestmenge an Produkten schlechter Qualität. Wenn diese Produkte nun nur mehr in guter Qualität zur Verfügung stehen, kann diese Mindestmenge aber dennoch nicht weiter reduziert werden. Also müssen die Mindesteinkommen angehoben werden, entweder durch staatliche Verordnung oder durch gewerkschaftliche Maßnahmen.

(18)

Soziale und ökologische Mindeststandards für Importe wären ebenfalls eine Form der Kooperation unter Konsumenten, die der Konkurrenz um den billigsten Preis Schranken setzen würde und die Kooperation der Arbeitnehmer besonders in den Entwicklungsländern erleichtern und helfen würde, ihren Lebensstandard zu erhöhen, Kinderarbeit abzuschaffen und so weiter. Für die etwas erhöhten Preise würden wir eine Verringerung des Konfliktpotentials in der Welt erhalten, z.B. eine Verringerung des Migrationsdrucks.

(19)

Eine radikal sozial und ökologisch orientierte kontrollierte Marktwirtschaft, die nicht auf ständig wachsende Güßterproduktion, sondern auf wachsenden Konsum von sozialen Dienstleistungen ausgerichtet ist, würde den Expansionsdrang untontrollierter marktwirtschaftlicher Entwicklung hemmen.

Souveränität der Politik über die Wirtschaft

(20)

Alle die schönen Projekte, die Konkurrenz unter Arbeitnehmern, Konsumenten und Unternehmen einzuschränken und durch Kooperation zu ergänzen, scheitern natürlich, wenn sie nicht den gesamten Wirtschaftsraum betreffen. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat eine Entwicklung an Tempo zugenommen, die die Wirtschaftsräume weit über die Grenzen des Einflusses nationaler Regierungen, nationaler Gewerkschaften, Parteien, Konsumentenvereinigungen ausgedehnt hat. Die Entwicklung der Transport- und Informationswege und die Leichtflüssigkeit des Finanzkapitals haben das ermöglicht. In dem Maß, wie den Regierungen die Mittel staatlicher Lenkung aus der Hand glitten, da das Kapital sich ihrem Einfluss immer leichter entzog, gewannen die Theorien des Neoliberalismus oder Marktfundamentalismus, wie George Soros ihn nennt, wieder an Einfluss. Ein Schreckgespenst geht um in der globalisierten Wirtschaft, das heißt Kapitalflucht. Die Konkurrenz der Wirtschaftsstandorte um das flüchtige Kapital macht Regierungen, Gewerkschaften und andere national organisierte Kräfte erpressbar.

(20.1) Re: Souveränität der Politik über die Wirtschaft, 26.02.2002, 18:42, Annette Schlemm: Was mir grad einfällt: Geht "Souveränität der Politik über die Wirtschaft" mit Privateigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln und Privatisierung der Kapitalprofite bei Vergesellschaftung der allgemeinen Kosten? Und: war die Politik je souverän über die Ökonomie? (Mir hat grad jemand eine Entgegnung auf meine dies behauptenden Aussagen in http://www.thur.de/philo/oeko.htmgeschickt).

(20.1.1) Re: Souveränität der Politik über die Wirtschaft, 28.02.2002, 00:24, Martin Auer: Dazu fällt mir ein: Weder Marx noch das bürgerliche Gesetzbuch gehen darauf ein, dass es eigentlich Abstufungen des Eigentums gibt. In Wirklichkeit ist es von Zeit zu Zeit, von Ort zu Ort und von Fall zu Fall sehr verschieden, welche konkreten Rechte mit dem Eigentum verbunden sind. (Ob z.B. mit dem Besitz eines Sklaven auch das Recht, ihn zu töten, verbunden ist - was für den Sklaven einen großen Unterschied macht). Wenn man darüber nachdenkt, könnte sich zeigen, dass Übergangsformen vom Privateigentum zum Gemeineigentum möglich sind, dass es da kein scharfes entweder/oder geben muss.

(21)

Um Projekte wie das eines radikalen Sozialstaats durchzuführen, muss die Souveränität der Politik über die Wirtschaft wiedergewonnen werden. Der Wirtschaftsraum und der politische Raum müssen wieder zur Deckung gebracht werden. Eine Weltwirtschaft erfordert eine Weltregierung. Das klingt erschreckend. Zu recht. Eine demokratische Weltregierung ist kaum vorstellbar. Demokratie erfordert, dass alle BürgerInnen die für die Entscheidungen notwendigen Informationen erhalten. Das ist schon in einem kleinen Land wie Österreich höchst problematisch, in einem Raum von der Größe der EU eigentlich schon unmöglich.

(21.1) Radikaler Sozialstaat als Lösung?, 26.02.2002, 18:40, Annette Schlemm: Bei den Vorschlägen für Verbesserungen bin ich pessimistischer als Du.
(ich interpretiere den Radikalen Sozialstaat mal noch als grundsätzlich kapitalistischen, nur eben "kontrollierter"...)
Grad wegen dem oben von Dir geschilderten Konkurrenzzwang ist eine "kontrollierte Marktwirtschaft" sicher illusorisch. Man kann natürlich ziemlich lange sagen: "Das weißt Du ja noch nicht, weil wirs noch nicht genug probiert haben."

(21.1.1) Re: Radikaler Sozialstaat als Lösung?, 28.02.2002, 00:18, Martin Auer: Na ja, als ehemaligem Kämpfer für die Weltrevolution kommen mir meine Vorschläge manchmal selber recht zahm vor. Nun gibt es Historiker, die der Ansicht sind, dass es seit der Entstehung des Staats sowieso nie was anderes gegeben hat als kontrollierte Marktwirtschaften - die sich nur im Grad oder auch der Qualität der staatlichen Kontrolle und im Gewicht des Markts relativ zur Subsistenzwirtschaft unterschieden haben. (Marktwirtschaft ist jetzt nicht gleichzusetzen mit Kapitalismus). Der Gedanke ist jedenfalls wert, ihn genauer zu verfolgen.

(22)

Die Alternative dazu ist den Wirtschaftsraum zu verkleinern. Das Streben nach Autarkie gilt als total überholtes Konzept, höchstens für Kriegszeiten akzeptabel. In Kriegszeiten streben Staaten danach, wirtschaftlich unabhängig zu sein, lösen Verflechtungen auf, verzichten darauf, die billigsten Rohstoffe zu verwenden und ersetzen sie durch teurere Ersatzstoffe, weil die durch wirtschaftliche Unabhängigkeit erreichte militärische Beweglichkeit höher eingeschätzt wird. Warum soll ein Land, eine Ländergruppe, nicht nach wirtschaftlicher Autarkie streben, um die Bewegungsfreiheit für ein Sozial- und Friedensprogramm zu bekommen? Eine Radikale Sozialwirtschaft braucht den Weltmarkt nur beschränkt. Sie benötigt den Weltmarkt nur um an Produkte zu gelangen, die im eigenen Wirtschaftsraum nicht erzeugt werden können, bestimmte Rohstoffe etwa oder landwirtschaftliche Produkte aus anderen Klimazonen. Sie exportiert nicht, um in möglichst großem Maßstab produzieren zu können, sondern nur, um das Notwendige importieren zu können.

(23)

Dass jeder Raum nur das erzeugen soll, was er am billigsten erzeugen kann, ist zu kurz gedacht, wenn der Preis, den wir für niedrige Preise zahlen, die Aufgabe der Souveränität der Gesellschaft über ihr eigenes Schicksal ist.

Demokratie und der Trittbrettfahrer-Effekt

(24)

Dies bezieht sich auf ein strukturelles Problem der Kooperation, das Mancur Olson in seinem Buch „The Logic of Collective Action“ („Die Logik kollektiver Aktion“) behandelt. Olson weist nach, dass in einer Gruppe „rational ihr Eigeninteresse verfolgender Individuen“ ab einer bestimmten Größe gemeinsame Interessen auch dann nicht verfolgt werden, wenn allen Mitgliedern der Gruppe klar ist, dass alle Mitglieder der Gruppe besser fahren würden, wenn alle ihren Beitrag leisten würden. Olson spricht von einem kollektiven Gut, das ist ein Gut, an dem alle Gruppenmitglieder teilhaben, unabhängig davon, ob sie ihren Beitrag geleistet haben (Z.B.: Wenn die Hälfte der Stadtbewohner von Braunkohlenheizung auf Erdgas umsteigt, wird die Luft für alle sauberer).

(24.1) Re: Demokratie und der Trittbrettfahrer-Effekt, 26.02.2002, 18:43, Annette Schlemm: Greifen Trittbrettfahrer-Konzepte nicht von von vornherein zu kurz, weil sie unbesehen eine typisch "kapitalistisch-bürgerliche" Verhaltensweise als allgemein-menschliche verabsolutieren. Wenn DIE Menschen wirklich so handeln würden, hätte es nie eine kohärente Gesellschaft gegeben... Direkt falsch ist aus den Erfahrungen der großen Projekte der Freien Software Deine Behauptung, daß Kooperation in großen Gruppen ohne zentrale Leitung nicht zustande kommen könnte. Man kann zwar viel diskutieren über die Rolle von Linus Torwalds bei der Linux-Entwicklung, aber das Grundprinzip funktioniert völlig anders. Dezentral-vernetzt mit sog. "Maintainern" (oder auch anders, wenn die Beteiligten das so festlegen).
Die "irrationalen Momente", die Du brauchst, brauchst Du auch nicht mehr, wenn Du nicht das bürgerliche Menschenbild (zu dem man jedes kleine Kind erst mühsam "bilden" muß!!!) voraussetzt! (sondern das grundlegende Bedürfnis von Menschen, vorsorgend-kooperativ produktiv tätig zu sein und sich nur in Gesellschaft "natürlich" aufgehoben zu fühlen...).

(24.1.1) Re: Demokratie und der Trittbrettfahrer-Effekt, 28.02.2002, 00:20, Martin Auer: "Irrational" ist überhaupt nicht negativ oder überhaupt wertend gemeint. Es heißt einfach nur "nicht rationaler Überlegung entspringend". Ein angeborenes Bedürfnis nach Kooperation ist ebenso irrational wie ein angeborener Egoismus. Irrational sind neben angeborenen alle Verhaltensweisen, die der Tradition, der Erziehung, der Gewohnheit oder eben einem "Gefühl" entspringen, also auch Verhaltensweisen, die z.B. der Liebe oder der Nächstenliebe entspringen. Die meisten Verhaltensweisen der Menschen sind irrational, das Menschenwesen wäre überfordert, müsste es in jeder Situation rational handeln.

(24.1.2) Re: Direkt falsch ist aus den Erfahrungen der großen Projekte der Freien Software Deine Behauptung, daß Kooperation in großen Gruppen ohne zentrale Leitung nicht zustande kommen könnte., 28.02.2002, 00:27, Martin Auer: Das behaupte ich nicht. Ich behaupte nur (d.h. Mancur Ohlsen behauptet es, und ich stimme ihm zu), dass sie unter "rational den eigenen Vorteil verfolgenden Individuen" nicht möglich ist. Ich habe vielleicht in meinem Artikel zu wenig betont, dass es sich dabei um eine Abstraktion handelt, eine Modellrechnung. Ich bin nicht der Meinung, dass das Modell des "homo oeconomicus" das Menschenwesen ausreichend beschreibt. Im Gegenteil, ich habe ja beschrieben, wie meiner Meinung nach die Fähigkeit zur Kooperation und gegenseitigen Fürsorge in das menschliche Erbgut geraten sein könnte. Trotzdem ist homo oeconomicus ein nützliches Modell, um Schwierigkeiten, die sich im gesellschaftlichen Zusammenleben ergeben, herauszuarbeiten. Denn in dem Maß, wie die Verhaltensweisen der Menschen vom Markt bestimmt werden, werden die Menschen gezwungen, sich wie homo oeconomicus zu verhalten. Der Aktionär mag aus Nächstenliebe seine Dividende den Ärzten ohne Grenzen spenden - die Manager, die die Firmen, an denen er beteiligt ist, verwalten, müssen rational seinen Vorteil maximieren.

(24.1.3) Re: Direkt falsch ist aus den Erfahrungen der großen Projekte der Freien Software, 28.02.2002, 01:19, Martin Auer: Da ist Vorsicht geboten. Die Entwicklung des Pflugs oder des Webstuhls ist im Prinzip nicht anders verlaufen als die Entwicklung von Linux - wenn die Zeiträume auch größer waren. Was den Pflug und den Webstuhl von Linux unterscheidet, ist, dass es für den Pflug oder den Webstuhl kaum möglich war, den Source Code zu verheimlichen. Wer einen Pflug sah, konnte ihn auch nachbauen, da eine Verbesserung an der Pflugschar anbringen, dort am Ochsengeschirr etwas ändern oder ein neues Geschirr erfinden, das die Verwendung von Pferden ermöglichte.
Weniger leicht zu durchschauen war z.B. die Herstellung von Porzellan, und es ist den chinesischen Herrschern lange Zeit gelungen, den Source Code dafür zu verheimlichen.
Progressiv ist sicherlich die Einstellung der Beteiligten an Open Source Projekten, bewusst und freiwillig auf die Verheimlichung des Source Codes zu verzichten. Der Prozess der Programmentwicklung selbst entspricht dem Prozess der Entwicklung der Wissenschaften und Technologien wie er von der Menschheit seit Jahrtausenden sozusagen naturwüchsig praktiziert wird. Herrscher haben, wie gesagt, immer wieder versucht, dort, wo es die Natur der Sache erlaubte, Produktionsgeheimnisse zu wahren (z.B. auch, indem sie den genialen Baumeister nach Fertigstellung des Palasts/Tempels/Staudamms ermorden ließen). Doch institutionalisiert wurde das ja erst im Kapitalismus mit der Entwicklung des "geistigen Eigentums", des "Patents" usw., also gesellschaftlichen Übereinkommen, die es ermöglichten auch im Grunde nicht leicht zu verheimlichende Quelltexte von Bauanleitungen bis zu Musikpartituren per Gesetz unzugänglich zu machen. Wieweit das "geistige Eigentum" die Entwicklung der Wissenschaften und Künste behinderte und inwieweit es sie beförderte, muss meines Wissens erst untersucht werden. Einerseits stellte die Einführung des "geistigen Eigentums" die Erzeuger der "Software" (z.B. Autoren) mit den Erzeugern der "Hardware" (z.B. Buchdruckern) gleich. Das beseitigte eine Ungerechtigkeit und musste die Produktion von Software (wissenschaftlichen Erkenntnissen, technologischen Weiterentwicklungen, Kunstwerken) befördern. Andererseits ermöglichte es die Vermarktung dieser Software und damit auch das Vorenthalten und Verheimlichen gegenüber Nicht-Zahlungswilligen oder Nicht-Zahlungsfähigen, was sich wohl hemmend auf die Entwicklung auswirken musste.
Die Privatisierung der Software ist also eine relative neue Entwicklung, während die vergesellschaftete Software mit der privatisierten Hardware schon seit den Sumerern koexistiert hat. Insofern kann ich in der Vergesellschaftung von Software zunächst einmal höchstens eine Abkehr von einer Entartung sehen, aber noch keinen Keim einer neuen Entwicklung.

(25)

Wenn die Gruppe klein genug ist, dass der Nutzen, den ein einzelnes Mitglied vom Einsatz für die gemeinsame Sache hat, seinen Aufwand auch dann noch übertrifft, wenn es als einziges seinen Beitrag leistet, dann ist anzunehmen, dass alle ihren Beitrag leisten werden.

(26)

Wenn die Gruppe so groß ist, dass der Beitrag des einzelnen Mitglieds keinen merklichen Unterschied macht, so ist anzunehmen, dass das einzelne Mitglied seinen Beitrag nicht leisten wird. Denn es kann dadurch weder den Gesamtnutzen noch seinen individuellen Anteil daran erhöhen, noch auch nur durch gutes Beispiel andere ermuntern, auch ihren Beitrag zu leisten. Jedes Mitglied wird also versuchen, als Trittbrettfahrer auf Kosten der Allgemeinheit seinen Nutzen zu beziehen, und so ist zu erwarten, dass kein Mitglied seinen Beitrag leisten wird und die gemeinsamen Interessen nicht erreicht werden.

(27)

Zwischen den beiden Extremen liegt der Bereich, in dem der Beitrag oder Nichtbeitrag des einzelnen Mitglieds einen merkbaren Unterschied macht. Vor allem in dem Fall, dass Kooperation auf irgend eine Weise bereits hergestellt ist, kann das einzelne Gruppenmitglied davon ausgehen, dass die Kooperation gefährdet wäre, wenn ein Mitglied seinen Beitrag nicht leistet. Denn für die anderen würde sich ihr Verhältnis von Aufwand zu Nutzen merklich verschlechtern, und ihre Versuchung, selbst Trittbrettfahrer zu werden, würde sich vergrößern.

(28)

Die genauen Zahlenverhältnisse hängen natürlich von der Natur des kollektiven Guts ab, von dem jeweiligen Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen und von der jeweiligen Schwelle, ab der eine Änderung des Nutzens von den Gruppenmitgliedern wahrgenommen werden kann.

(28.1) Aufwand und Nutzen, 12.03.2002, 23:48, Birgit Niemann: Einen aus meiner Sicht sehr wichtigen Faktor vergisst Du hier. Das ist die gegenseitige Kontrolle Aller durch Jeden. In einer ausreichend kleinen Gruppe (z.B. Dorfgemeinschaft) weiß Jeder fast alles von Jedem über die individuellen Verhältnisse von Aufwand und Nutzen. Wir Menschen sind wie alle sozialen Lebewesen bereit, in etwa so viel für andere zu tun, wie wir von anderen an Leistungen brauchen (Kinder sind ein Sonderfall, der aber nicht menschentypisch ist, sonders bereits aus der Biologie mitgebracht wurde). Twischen beidem besthet eine annähernde Reziprozität, die im Einzelnen verletzt werden kann, sich im Durchschnitt aber realiseren muss. Das tatsächliche Verhalten, der tatsächliche Besitz und die tatsächliche Verlässlichkeit gegenüber gemeinsamen Absprachen kann in überschubaren Gruppen von Jedem ohne viel Mühe beobachtend und tratschend (sozial kommunizierend) kontrolliert werden. In einer solchen Umgebung ist Betrug fast nicht möglich, ohne selbst geschnitten zu werden. Mit wachsender Anzahl der Gruppenmitglieder, die wieder untereinander in Kleingruppen zerfallen, steigen die objektiven Möglichkeiten für die Realisierung egoistischer Strategien in dem Maße, indem die objektiven Möglichkeiten, beobachtend kontrolliert zu werden, sinken. Insbesondere der Fernhandel bot besonders gute Möglichkeiten, aus naturwüchsigen sozialen Kontrollzusammenhängen auszuscheren und (vor allem ökonomische) Unterschiede zu akkumulieren, die zu Ausgangpunkten neuer Differenzierungsprozesse werden konnten.

(28.1.1) Re: sehr wichtigen Faktor vergisst Du hier. Das ist die gegenseitige Kontrolle Aller durch Jeden, 13.03.2002, 10:15, Martin Auer: Hab ich nicht vergessen. Kommt drei Absätze später.

(29)

Leicht einzusehen ist aber, dass in relativ kleinen Gruppen Kooperation für ein gemeinsames Gut spontan zustande kommen kann, in mittleren Gruppen pekär ist, und in großen Gruppen ohne zentrale Lenkung nicht zustande kommen wird.

(30)

Dies unter der Voraussetzung, dass die Gruppenmitglieder nicht anders miteinander kommunizieren als durch das Leisten oder Nichtleisten ihres Beitrags für die gemeinsame Sache.

(31)

Worauf Olson nicht eingeht, sind dezentrale Abmachungen und gegenseitige Kontrolle von unten. Durch solche Maßnahmen kann Kooperation auch in größeren Gruppen erreicht werden. Doch Beratungen und Vereinbarungen kosten Zeit und auch andere Ressourcen, desgleichen gegenseitige Kontrolle. Es ist klar, dass bei Beratungen zwischen jedem Mitglied und jedem anderen Mitglied die Beratungskosten rascher als die Gruppengröße wachsen. (n Mitglieder brauchen 1 + 2 + 3 + ... + n - 1 Gespräche um die Kooperation zu vereinbaren bzw. 1 + 2 + 3 + ... + n – 1 Kontrollbesuche in regelmäßigen Abständen).

(32)

Je geringer die Beratungs- und Kontrollkosten, um so größer kann die Gruppe sein, die zu freiwilliger Kooperation imstande ist (Informationstechnologien, die Beratung und Kontrolle verbilligen, kommt hier ebenso eine Rolle zu wie geschickter Organisation, z.B. einem Delegiertensystem, das ebenfalls die Beratungskosten drastisch verringern kann).

(33)

Doch auch unter Einbeziehung von Beratung und aktiver Kontrolle können die Grenzen für funktionable Gruppengrößen nach wohl nach oben verschoben werden, doch nicht unbegrenzt.

(34)

Es ist leicht einzusehen, dass bei einer bestimmten Gruppengröße es für das einzelne Mitglied zwar nicht mehr rationell erscheint, allein die ganze Arbeit zu machen. Es kann aber sehr wohl noch rationell sein, es auf sich zu nehmen, mit den anderen Gruppenmitgliedern zu reden und sie vom Vorteil gemeinsamen Handelns zu überzeugen. Wird die Kooperation erreicht, kann der Nutzen auch für die erste Missionarin noch ihren Aufwand übertreffen. Ab einer gewissen Gruppengröße verschwindet aber die Chance, dass die Missionarin jemals ihren Aufwand hereinbekommt. Hier können dann nur mehr irrationale Momente, wie das Gewissen, Nächstenliebe und dergleichen weiterhelfen.

(35)

Olsons Schlussfolgerung ist, dass Kooperation spontan nur in kleinen Gruppen möglich ist, in großen Gruppen durch zentrale Lenkung erzwungen werden muss. [55]

Die Kürbisfliege – ein Zahlenbeispiel

(36)

Als die ersten Siedler in den Umsenwald kamen, um dort Felder anzulegen und Kürbisse zu pflanzen, bekamen sie es bald mit der Kürbisfliege zu tun. Die Kürbisfliege kommt im Umsenwald selten vor. Sie legt ihre Eier auf die Blätter wilder Kürbisse, und die Larven, die ausschlüpfen, ernähren sich von diesen Blättern. Da die wilden Kürbisse nur sehr verstreut im Wald vorkommen, ist auch die Kürbisfliege selten. Legt man aber ein Kürbisfeld an, kann die Kürbisfliege sich schnell vermehren und ist eine große Plage für die Kürbisbauern.

(37)

Von einem Feld könnte eine Familie im Jahr 100 Kürbisse ernten (die Kürbisse snd nämlich sehr groß), doch durch die Kürbisfliege verliert sie 50 Kürbisse wieder.

(38)

Auf einem Acker gibt es pro Jahr, wenn man nichts dagegen unternimmt, 500 Kürbisfliegen (die auch sehr groß sind).

(39)

Gegen die Kürbisfliege hilft nur der Saft der blauen Bittermelone. Um 500 Fliegen zu vernichten, braucht man den Saft von 10 Bittermelonen. Wollen die Bauern also etwas gegen die Fliegen tun, müssen sie ein Zehntel von ihrem Acker für Bittermelonen reservieren, sie können also nur 90 Kürbisse ernten.

(40)

Aber wie gesagt: Wenn sie nur Kürbisse pflanzen und nichts gegen die Fliegen tun, ernten sie nur 50 Kürbisse im Jahr.

(41)

Nun ist es klar, dass die Kürbisfliegen sich nicht an die Ackergrenzen halten.

(42)

Wenn also meine Familie die Fliegen auf ihrem Acker vernichtet, die Nachbarfamilie aber nichts gegen die Fliegen tut, werden die Fliegen vom Nachbarfeld bald merken, dass auf unserem Feld Platz frei ist und werden sich dorthin ausbreiten.

(43)

Wenn 500 Fliegen sich über zwei Äcker ausbreiten, heisst das, es werden 250 Fliegen herüberkommen. Und wenn wir die vernichten, kommen noch einmal 125, und dann noch einmal 62 oder 63 und so weiter, bis wir praktisch alle Fliegen vom Nachbarfeld auch vernichtet haben. Dafür brauchen wir natürlich 10 weitere Bittermelonen. Wir können dann also nur 80 Kürbisse ernten. Aber es lohnt sich, denn hätten wir nichts gegen die Fliegen vom Nachbarfeld unternommen, hätten die 250 Fliegen 25 unserer Kürbisse vernichtet, wir hätten also statt 90 nur 65 geerntet.

(44)

Was passiert nun, wenn wir zwei Nachbarfmilien haben, die nichts gegen ihre Fliegen tun?

(45)

Tun wir nichts, ernten wir (und die anderen auch jeweils) 50 Kürbisse.

(46)

Töten wir 500 Fliegen, verteilen sich 1000 Fliegen über 3 Felder, wir verlieren 33, haben Kosten von 10, ernten also 57.

(47)

Vernichten wir 1000 Fliegen, verlieren wir 17, haben Kosten von 20, ernten also 63.

(48)

Vernichten wir alle Fliegen, haben wir Kosten von 30, ernten also 70. Unsere Nachbarn ernten sogar 100, aber für uns ist es immer noch besser, allein alle Fliegen zu vernichten, als nichts zu tun.

(49)

100 - (AnzahlFelder * 500/VernichteteFliegen) - (VernichteteFliegen/500*10)

(50)

Auch bei drei Nachbarn geht’s noch. Haben wir aber vier Nachbarn, die nichts tun, ist es gleich, ob wir was gegen die Fliegen unternehmen oder nicht, und sind es mehr als 4 Nachbarn, können wir nur mehr verlieren, wenn wir versuchen, etwas gegen die Fliegen zu tun.

(51)

Das heißt: solange wir weniger als 5 sind, ist es besser für jeden, auch dann etwas gegen die Fliegen zu tun, wenn sonst keiner was tut. Also ist anzunehmen, dass alle was tun werden.

(52)

Sind wir fünf oder mehr, besteht die Gefahr, dass in dem Moment, wo ich aufhöre, die anderen auch aufhören, weil sie sonst in Gefahr kommen, unnütz Bittermelonen anzupflanzen und dennoch die Kürbisse zu verlieren. D.h.: solange alle mitmachen, werden alle mitmachen. Macht aber einer nicht mehr mit, kann er das ganze Gebäude einreißen.

Nur: Werden die anderen das merken?

(53)

Nehmen wir an, dass 10 Fliegen auf einem Acker noch nicht aufallen. Würden sie alle denselben Kürbis attackieren, würde der zwar eingehen, aber da sie sich verteilen, merkt man nur ein paar dunkle Flecken auf den Blättern. 10 Fliegen könnten auch aus dem Wald gekommen sein.

(54)

Sind wir also 50 Nachbarn, fällt es nicht mehr auf, wenn ich mir die Arbeit mit den Bittermelonen ersparen will.

(55)

Angenommen, 100 Nachbarn vernichten brav die Kürbisfliegen. Jeder pflanzt 10 blaue Bittermelonen, vernichtet 500 Fliegen und erntet 90 Kürbisse. Wunderbar. Nun will ich mir die 10 Bittermelonen ersparen.

(56)

Das bedeutet 5 Fliegen mehr für jeden Nachbar und für mich. Kein Problem. Im Durchschnitt 1/2 Kürbis Verlust.

(57)

Ein zweiter Nachbar beschließt, nichts zu tun. 1 Kürbis Verlust pro Familie, auch noch kein Beinbruch. Wenn 20 Nachbarn nichts tun, gibt das für die restlichen 80 je 10 Kürbisse Verlust, bzw. müssen die restlichen 80 jeweils 11 Bittermelonen pflanzen, um die Felder fliegenfrei zu halten. Umso größer wird die Versuchung, auch nichts zu tun, weil jeder, der nichts tut, sich nun 11 Bittermelonen ersparen oder 11 Kürbisse gewinnen kann.

(58)

Wenn 50 nichts tun, ist die Belastung für den Rest je 20 Bittermelonen. Nehmen wir an, die 50 reden miteinander: Dann können sie ausrechnen, dass es für sie als Gruppe immer noch besser ist, für die 50 Verräter die Fliegen mit zu vernichten, weil sie ja 80 Kürbisse ernten im Gegensatz zu 50. Doch ein einzelner, der jetzt aussteigt, hat die Chance, statt 80 Kürbissen 99 zu ernten.

(59)

Nehmen wir an, es war bisher nicht Sitte, etwas gegen die Fliegen zu tun. Bei 100 Feldern gibt es 50.000 Fliegen. Würde eine Familie statt 100 Kürbissen (man muss ja 100 anbauen um 50 zu ernten), 50 Kürbisse und 50 Bittermelonen anpflanzen um zu versuchen, etwas gegen die Fliegenplage zu unternehmen, so könnte sie 2.500 Fliegen töten. 47.500 Fliegen würden übrigleiben und von 9.950 Kürbissen nicht 5000 sondern nur 4.750 vernichten. Das bedeutet 5.200 geerntete Kürbisse, oder 52 für jede Familie, aber nur 26 für die Familie, die das Experiment gewagt hat. Die Frage ist, ob die Ertragssteigerung von 4% ausreicht, um die Nachbarn von den Vorteilen der Fliegenbekämpfung zu überzeugen. Möglicherweise, wenn die innovative Familie mehrere Jahre durchhält. Aber was, wenn 1000 Familien involviert sind?

(60)

Und nun vergleiche man damit die Situation, in der ein Diktator befiehlt, dass jede Familie 10% des Ackerlands für die Bittermelonenproduktion reservieren muss. Selbst wenn der Diktator für diesen weisen Ratschluss und für die Beamten und Soldaten, die die Einhaltung überwachen und erzwingen, weitere 20% des Kürbisertrags kassiert, sind die Bauern besser dran, weil ihnen immer noch 70 Kürbisse statt 50 bleiben.

(61)

Spricht das nun für die Diktatur? Egal, wie billig es der Diktator macht, theoretisch könnten die Bauern ohne Diktator 90 Kürbisse pro Familie ernten., wenn sie freiwillig das Vernünftige täten.

(62)

Das Problem bei 100 Nachbarn ist einfach dieses: Ob eine Familie ihren Beitrag von 10 Bittermelonen leistet oder nicht, kann die Fliegenplage nicht merklich beeinflussen. Wenn wir nicht mitmachen, verschlechtert sich die Ernte für alle um einen halben Kürbis, aber unsere Ernte erhöht sich um 9 1/2 Kürbisse. Der Schaden teilt sich auf alle auf, den Nutzen haben wir alleine.

(63)

Bei 1000 Nachbarn beträgt der Schaden, wenn wir nicht mitmachen, 1/20 Kürbis für jeden. Da ist es wirklich nicht mehr einzusehen, warum wir unseren Beitrag leisten sollen. Wenn allerdings alle 1000 so denken, beläuft sich der Verlust für jeden wieder auf 50 Kürbisse.

(64)

Nun könnte man versuchen, die Situation zu verbessern, indem man miteinander redet. Reden kostet Zeit, Zeit, die von der Arbeitszeit abgeht. Beratungen werden komplizierter und dauern länger, je mehr Beteiligte vorhanden sind. Nehmen wir an, dass eine Versammlung, wenn zehnmal soviele Familien beteiligt sind, auch genau zehnmal so lange dauert. Die Kosten für jede Familie erhöhen sich pro beteiligter Familie um 1/10 Kürbis. Wenn 10 Familien miteinander verhandeln, kostet das jede Familie 0.9 (9/10) Kürbisse. Diese 10 Familien können dann als Gruppe auftreten, die gemeinsam handelt.

(65)

Wenn die Gemeinschaft der Kürbisbauern nicht mehr aus Einzelfamilien besteht, sondern aus 10er-Gruppen, können wir in allen obigen Überlegungen die Familie durch die 10er-Gruppe ersetzen. Bei bis zu 4 10er-Gruppen wäre die Fliegenbekämpfung gesichert, zwischen 5 und 50 Zehnergruppen prekär, und über 49 Zehnergruppen würde die Fliegenbekämpfung bald aufhören.

(66)

Wir könnten die Zahl noch einmal verzehnfachen, wenn wir 100er-Gruppen bilden. Das würde jede Familie 9.9 Kürbisse pro Jahr zusätzlich kosten, dafür wäre aber die Fliegenbekämpfung bis zu 4 100er-Gruppen, also 400 Familien, gesichert, und für bis zu 49 100er-Gruppen, also 4.900 Familien, prekär. Wir hätten also ein Durchschnittseinkommen von 80,1 Kürbissen.

(67)

Doch können wir uns leisten, 1000er-Gruppen zu bilden? Die Verhandlungskosten würden 99,9 Kürbisse betragen, wären also nicht mehr tragbar. Die Grenze liegt bei Verhandlungskosten von 40, denn dann wären wir wieder bei einem Ertrag von 50 Kürbissen herunten. 400er-Gruppen wären also das Maximum.

(68)

Wir könnten die Verhandlungskosten reduzieren, indem wir nicht 100er-Gruppen bilden, sondern die 10er-Gruppen Delegierte schicken lassen. Die Verhandlung der 10 Delegierten würde jede Familie nur zusätzliche 0,9 Kürbisse kosten.

100er-Gruppen: 1,8 Kürbisse pro Familie,

(69)

1000er-Gruppen: 2,7

10.000er: 3,6

(70)

100.000er 4,5

1.000.000: 5,4

(71)

Durch ein Delegiertensystem könnte man also mit geringen Kosten große Menschengruppen organisieren. Doch auch hier steigen die Beratungskosten mit der Größe der Organisation. Und wenn die Zahl der zu beratenden Fragen zunimmt, fällt auch diese Belastung wieder ins Gewicht.

(72)

Doch: Delegierte, die 10.000, 100.000 oder eine Million Menschen vertreten, bekommen unweigerlich sehr viel Macht. Solange es um eine einzelne einfache Frage wie die der Fliegenbekämpfung geht, gibt es noch keine großen Probleme. In einer großen Menschenorganisation gibt es aber eine Vielzahl von Fragen zu besprechen. Wählt man für jede Frage eigene Delegierte, wachsen die Beratungskosten mit der Anzahl der zu klärenden Fragen. Betraut man Delegiere mit mehreren oder allen Fragen, erhält man - Berufspolitiker.

Gemeinde, Staat oder Weltregierung?

(73)

Das Beispiel der Kürbisfliegen-Bekämpfung zeigt deutlich das Problem: Ohne Abmachungen, Verträge oder Gesetze gibt es Kooperation zwischen „rational im Eigentinteresse handelnden Individuen“ nur in sehr kleinen Gruppen. Obwohl wirkliche Menschen der Abstraktion des „Homo oeconomicus“ nicht voll entsprechen und durchaus auch eine angeborene Bereitschaft zur Kooperation haben, und durch irrationale Motive wie Tradition und anerzogene Ideale gelenkt werden, finden wir die Bestätigung in der wirklichen Welt. Gruppen in etwa von der Größe der Sammler- und Jägerhorde können spontan kooperieren. Durch Gespräche und Vereinbarungen lässt sich Kooperation für ein gemeinsames Gut auch für größere Gruppen erzielen, Gruppen von der Größe einer Dorfgemeinschaft etwa. Doch die Verhandlungskosten wachsen mit der Größe der Gruppe. Gruppen von der Größe der griechischen Polis konnten sich in der Volksversammlung gerade noch mündlich verständigen, sie diskutierten und stimmten in Gruppen ab. Auch germanische Stämme zur Zeit des Tacitus oder der Irokesenbund waren zu dieser Form der direkten Demokratie imstande. Doch wird bei dieser Gruppengröße schon eine Zentralgewalt sichtbar.

(74)

Ein jedes zahlt gern den Mitgliedsbeitrag im Kegelverein. Denn jedes Mitglied eines Kegelvereins weiß ziemlich genau, was es für seinen Mitgliedsbeitrag bekommt, kann mitbestimmen, wie die Gelder verausgabt werden und der Versuch, sich zu drücken, würde auch sofort auffallen und durch Ächtung oder Ausschluss bestraft werden.

(75)

Niemand jedoch zahlt gern Steuern. Jeder, der die Möglichkeit hat, reduziert seine Steuern so weit es geht, ein ganzer Berufsstand lebt davon, Menschen zu beraten, wie sie ihren Beitrag für die Gemeinschaft möglichst gering halten können. Warum, ist klar: Das einzelne Mitglied der Gesellschaft hat keinen Überblick über die Verwendung der Steuern, kann praktisch nicht darüber mitbestimmen, und niemand bekommt die Folgen seiner legalen und illegalen Steuerspartricks zu spüren in der Form, dass etwa die Spitalsleistungen sich wegen dieser einen Beitragsverweigerung in irgend einer merkbaren Weise verschlechtern würden.

(76)

Die Theoretiker des Anarchismus können also einige Gründe für ihre Forderung in Anspruch nehmen, den Staat abzuschaffen und alle Entscheidungsgewalt der Gemeinde zu übertragen.

(77)

Globale Probleme müssen freilich global gelöst werden und kontinentale Probleme kontinental. Doch nicht jedes Problem ist ein globales oder kontinentales.

(78)

Aus der Logik der kollektiven Aktion folgt auch, dass 5 Staaten unter sich leichter kooperieren und den Trittbrettfahrereffekt vermeiden können als 180 Staaten. Dass 10 Gemeinden eher ein gemeinsames Ziel erreichen können als 10.000. Dass Einrichtungen im Gemeinschaftsbesitz eines Wohnblocks pfleglicher behandelt werden als Einrichtungen im anonymen Staatsbesitz.

(79)

Vom Standpunkt der Kooperation und der Vermeidung ungewollter Trittbrettfahrer-Effekte ist es also wünschenswert, möglichst viel Entscheidungsgewalt (mitsamt den zugehörigen Budgets) auf die möglichst kleinsten gesellschaftlichen Einheiten zu übertragen: Auf den Trägerverein des Kulturhauses, den Eltern-Lehrer-Schüler-Ausschuss, auf den Bezirk, die Gemeinde, das Land.

(80)

Das heißt auch, Produktions- und Lebenszusammenhänge nach Möglichkeit wieder zusammenzuführen. Es macht einen Unterschied, ob man die Luft dort verschmutzt, wo man wohnt, oder irgendwo anders. Auch in diesem Sinn ist es wünschenswert, Produktion so weit wie möglich zu dezentralisieren (Z.B. in der Energieproduktion zeichnen sich solche Möglichkeiten bereits ab. Dass in die gesellschaftliche Konsten-Nutzen-Rechnung beim Vergleich Windkraftwerke-Atomkraftwerke nicht nur der Preis der Kilowattstunde eingehen darf, beginnt sich herumzusprechen)

(81)

Funktionierende Kooperation erfordert natürlich auch informierte Teilnehmer. Umfassende Bildung und umfassender Informationszugang für alle ist entscheidend und muss als wichtiger angesehen werden als Staats-, Betriebs- und Bankgeheimnisse und dergleichen.

Zusammenfassung

(82)

Mit der Entstehung des menschlichen Bewusstseins ist die Selbstorganisation des Lebendigen in eine neue Phase getreten: Der spontane Prozess reflektiert sich im menschlichen Bewusstsein, und die Menschheit – obwohl immer noch Teil des spontanen Prozesses - greift aktiv in den Prozess ein – Landwirtschaft, Viehzucht, Handwerk und Industrie haben den Entwicklungsprozess der Biosphäre in von Menschenwesen gewünschte Bahnen gelenkt. Mit dem aktiven Eingriff in die Keimbahn wird gerade ein neuer Schritt der Selbstmodifikation des Selbstorganisationsprozesses vorbereitet. Gleichzeitig zögern die Menschen, in den Entwicklungsprozess des ihnen übergeordneten Systems, der Gesellschaft oder Menschheit, aktiv einzugreifen. Tut sie das nicht, besteht die Gefahr, dass Menschen immer mehr zu hilflosen Rädchen und Schräubchen des Superorganismus Wirtschaft degradiert werden, nicht eigenständiger als Leberzellen oder Blutkörperchen in einem Organismus, auf dessen Handlungen sie keinen Einfluss haben, und von positiven Rückkopplungen in diesem Superorganismus, die zur Selbstzerstörung der Menschheit führen können.

(82.1) Zur Rolle des Bewußtseins, 26.02.2002, 18:44, Annette Schlemm: Nicht das Bewußtsein alleine (verstanden als so was wie die Fähigkeit der Gehirne zur Selbstreflexion) macht das Neue am Menschlichen aus, sondern der gesellschaftliche Charakter der (Re-)Produktion. Daraus leitet sich dann alles (auch die spezifische bewußte Subjektivität der Menschen) ab.

(82.1.1) Re: Zur Rolle des Bewußtseins, 28.02.2002, 00:21, Martin Auer: Den gesellschaftlichen Charakter der (Re-)Produktion sehe auch ich als typisch für das Menschenwesen an (wenn auch nicht als gänzlich neu, siehe Bienen und Ameisen). Aber gesellschaftlich ist nicht gleichbedeutend mit harmonisch. Haie oder Bären haben da viel weniger Probleme, weil sie eben nicht gesellschaftlich leben. In der Gesellschaft mit ihrer inneren Differenzierung haben wir es eben mit Widersprüchen zu tun, zwischen Individuen, Geschlechtern, Schichten, Klassen, Generationen, zwischen Geschwistern, Kindern und Eltern und ganz allgemein zwischen Individuum und Gesellschaft. Wohin wir schauen - die Evolution bringt sowohl Kooperation als auch Konkurrenz hervor. Sogar zwischen Foetus und Mutter gibt es Konkurrenz. Seit es Propheten und Moralphilosophen gibt, verurteilen sie den Egoismus und fast alle Menschen stimmen ihnen zu. Und trotzdem hat sich bis heute die Existenz von Propheten und Moralphilosophen, die den Egoismus verurteilen, nicht erübrigt.

(82.2) Bewusstsein / Re: Zusammenfassung, 11.03.2002, 01:37, Bernd vd Brincken:
Von "Selbstzerstörung" - dem Titel dieses Textes - habe ich bis auf die Zusammenfassung hier wenig gelesen.
Und gar nichts darüber, wie "die Entwicklung menschlicher Gesellschaften als Spezialfall der Selbstorganisation komplexer Systeme" betrachtet wird (was mich neugierig machte).
Stattdessen Weisheiten wie:
"Gleichzeitig zögern die Menschen, in den Entwicklungsprozess des ihnen übergeordneten Systems, der Gesellschaft oder Menschheit, aktiv einzugreifen." - Ja, wirklich, sie zögern? Bilden sie nicht tausende Parteien, Gruppen, parlamentarisch oder ausserhalb, GOs und NGOs, veröffentlichen Zeitungen, Petitionen, betreiben Internet-Foren usf.?
In meiner Welt findet das alles bereits statt - und ich kann nicht verstehen, wie man im Jahr 2002 dermassen wehleidig über das Schicksal der Menschheit schreiben und Forderungen stellen kann, als ob die Gesellschaft auf dem Bewusstseinsstand von Dr. Schiwago wäre.

(82.2.1) Re: Bewusstsein / Re: Zusammenfassung, 12.03.2002, 23:32, Birgit Niemann: "..... als ob die Gesellschaft auf dem Bewusstseinsstand von Dr. Schiwago wäre." Also ehrlich, mir kommt es manchmal so vor, als ob der postmoderne Bewußtseinszustand der Gesellschaft von 2002 noch darunter wäre. Vor allem, wenn ich mir so anschaue, welche theoretische Qualität vor 150 bis 100 Jahren so Standard war und was für welterschütternde reale Prozesse daraus resultierten. Immerhin war der Anspruch zu der Zeit noch der tatsächliche Griff nach der ganzen Welt-Gesellschaft und ein reales Drittel dieser Erde wurde weitgehend aus dem Kapitalzusammenhang gerissen und mühselig, sowie unter schwierigsten Bedingungen nachholend modernisiert. Heute dagegen gibt es Big Brother, Schurkenstaaten, die Achse des Bösen, Weltordnungskriege und Atomwaffendrohungen, denen sich niemand mehr ernsthaft wiedersetzt, den Einstieg in die Befreiung der biologischen Reproduktion der menschlichen Funktionselemente von der Frau, ein paar Selbsthilfegruppen, die von den Brosamen des Kapitaltisches leben, nette (aber zahnlose) Internet-Diskussionen, zahlreiches Event-Hopping, ein paar Umsonstläden und Urban Gardening. Nicht dass ich etwas gegen die zweite Hälfte der Aufzählungen sagen will, letzter Widerstand ist immerhin besser als gar keiner. Aber als Bewußtseins- oder gar realen emanzipativen Fortschritt kann ich das nicht gerade betrachten.

(83)

(84)

[52] Dass die Planung jemals sehr tief gegriffen hat, wird von einigen Ökonomen stark in Zweifel gezogen.

(85)

(86)

[53] Eybl-Eibesfeltd

(87)

(88)

[54] „Viele Länder sind dem Anreiz gefolgt, über Lohnzurückhaltung Wettbewerbsvorteile zu erzielen und dabei gleichzeitig darauf zu bauen, dass andere Länder diese Strategie nicht einschlagen, weil sonst die gesamteuropäische Nachfrage gefährdet wäre.“ Markus Marterbauer, WiFo, in „Der Standard“ 19./20. 1. 2002.

(89)

(90)

[55] Funktionabel ist auch die Verknüpfung eines individuellen Vorteils mit dem Beitrag für das gemeinsame Wohl (z.B. ein spezieller Versicherungsschutz für jedes Gewerkschaftsmitglied, das seinen Beitrag zahlt. Die mit Hilfe der Beiträge erkämpfteniHi höheren Löhne und besseren Arbeitsbedingungen kommen allen Arbeitnehmern zugute, die Versicherung nur denen, die ihren Beitrag leisten).


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