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Visionen und Utopien - Grundsätze, Ideen, Fragen, Zweifel, lebhafte Debatte

Maintainer: Annette Schlemm, Version 2, 09.02.2001
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Einleitung

(1) Es mag sich polemisch anhören, aber auch Linksradikale haben einen Alltag. Der besteht zumeist in dem immergleichen Rhythmus Planung-Event-Nachbereitung-neues Event und viele haben sich wohl schon stoisch damit abgefunden, ihr Leben damit zu fristen, Jahr für Jahr zu der Schar wackerer KämpferInnen zu gehören, die ihre ganz eigene Lebensnische gefunden haben, in der alle Zeit für den Widerstand geopfert wird.

(1.1) Alltag und Selbsterkenntniss, 03.04.2003, 17:37, Uwe Berger: Identität braucht ein Spiegelbild, das nicht gleich verschwindet, wenn es erblickt wird. Das Heil lehnt an das Unheil sich; der Fluch der kauert vor dem Segen; wer weiß, wo beider First gelegen?

(2) In all der Hektik nimmt sich kaum noch jemand Zeit für die Frage nach Visionen und Zielen. In der Bekämpfung der bestehenden Misere verlieren wir immer mehr aus den Augen, wie die Welt, für die wir kämpfen, eigentlich aussehen soll. Oder haben wir etwa Angst, dass wir so verschiedene Visionen haben, dass uns gar mehr trennt als eint? Oder haben wir etwa gar keine Visionen mehr?

(2.1) Utopien ,Visionen, 12.03.2002, 14:08, Volker Windisch: Mir geht es nicht darum, ob ich mir Zeit nehme, sondern dass mich die Vereinnahmung durch die oft am utopischen Denken hindert. Zum Beispiel beim IT-Lehrgang von IBM wird unter solchem Hochdruck Wissen , dass das Nacharbeiten zu Hause meine Freizeit für Utopien oft plättet. Würde ich das nicht tun, droht mir ungünstigsten Falles ein Maßnahmeabbruch mit ALHI-Sperrzeit.

(2.1.1) Re: Utopien ,Visionen, 14.03.2002, 01:01, Janine Schulz: Tja, wer weiß was dann passieren würde, wenn deine ALHI gekürzt werden würde.# Ich habe aus einer ähnlichen Situation, die ich bewußt so leben wollte- also meinen Visionen und Utopien weitestgehend nachgespürt- sehr viel an Lebensqualität und Sinn gefunden. Im ersten Moment scheint die Situation nachteilig und schmerzlich zu sein (ist sie sicher auch zum Teil); aber wenn ich mein Ziel verfolge und mich darauf einlasse, bin ich überzeugt daß es zum Ergebnis führt. Wenn keiner etwas anders macht, sich wehrt, ausbricht aus der bestehenden Ordnung ändert sich halt nichts.

(2.1.1.1) Re: Utopien ,Visionen, 15.01.2003, 16:43, Uwe Berger: herzliche Einladung: mal an dieser Stelle über den Rand der "bestehenden" (d.h. sich ändernden) Ordnung zu_schauen. 44km nordöstlich von Berlin (U-topos V-orort W-ort) von dromos_thromos_cosmos können wir eins vernachlässigen. (is griechisch und heißt Strasse-Terror-cOsmose´)

(2.2) 14.03.2002, 00:55, Janine Schulz: ich glaube auch, es liegt an der fehlenden Zeit daß sich so wenige Menschen Zeit für Ihre Visionen nehmen.Das hat vielleicht mit fehlender Selbstachtung zu tun . Ich glaube aber nicht daß unsere Visionen so sehr verschieden sind.Ich denke es sind vielleicht die Einzelheiten die uns "trennen", aber im Grunde gibt es bestimmt Ziele die für jeden gelten. Wie z.B. daß jeder sich wohlfühlen und glücklich sein möchte. Das ist die Herausforderung für mich, die verschiedenen Ansätze zu vereinbaren suchen.

(2.2.1) Zeit ist Geld, 05.05.2003, 14:40, Kruno Stubican: Ich denke, es liegt wohl auch am fehlenden Geld, dass sich so wenige Leute Zeit für Visionen nehmen. Wenn ich Geld habe, muss ich nicht arbeiten. Dann bleibt genug Zeit für Vorausschauendes. Aus der Verzweiflung heraus (Geldverdienenmüssen bringt Menschen zur Verzweiflung) lassen sich nicht positive Utopien erzeugen. Zumindest nicht als kontinuierliche Tätigkeit.

(3) Das Projekt „Visionen und Utopien“ möchte Visionen vorstellen, die bereits entworfen wurden und fragen, inwiefern wir aus ihnen schöpfen und lernen können. Es möchte Ansätze und Denkmodelle diskutieren und abseits von einem selbstverständlichen Konsens der Frage auf den Grund gehen, warum die Menschheit vor einer radikalen Veränderung Angst hat und ob uns nicht sogar selber immer noch einige Zweifel auf den Nägeln brennen. Es möchte Sichtweisen und Theorien aus anderen Disziplinen in die Debatte schmeißen, sich die Frage nach der Bedeutung von Kommunikation stellen und es möchte vor allem eins – Eure Visionen und Utopien, Eure Ideen, Eure Fragen, Eure Zweifel und Eure Hinweise auf vieles, was wir vergessen, übersehen oder erstmal weggelassen haben.

(4) Außerdem soll dabei mal ein unzensierter Blick auf die eigene Bewegung geworfen und gefragt werden, inwiefern wir unsere Visionen überhaupt schon leben können oder an unseren Ansprüchen scheitern. Außerdem sollen Fragen aufgeworfen werden, inwiefern gewisse Themen und Denkweisen (das Irrationale im Menschen, Kritik an der Moderne, Technikwahn oder Technikfeindschaft, Psychologie) bereits in sich antiemanzipatorisch sind oder erst durch die Konsequenzen, die manche daraus ziehen, antiemanzipatorisch gemacht werden.
Visionen sind schließlich nur dann wirksam und sinnvoll, wenn sie keine in sich abgeschlossenen Luftschlösser bauen, sondern ihre Konzepte aus der Analyse des Bestehenden ziehen und sinnvoll herleiten. Mut zum radikal Neuen aus purem Realismus bei der Betrachtung des Alten. Oder?

(5) Es wäre sehr schön, wenn alle Beteiligten an diesem Projekt ein bisschen die Logik einhalten könnten. Wenn Ihr also eine Strömung, einen Autor oder eine Vision nachtragen oder kommentieren wollt, packt das unter den Abschnitt "Strömungen von Anarchismus/Visionen". Wenn Ihr Lust habt, könnt Ihr dann ja auch eine Kurzvariante und ein paar Literaturtipps dazu in den entsprechenden Abschnitten hinterlassen. Die grundsätzliche Debatte läuft dann schließlich unter dem Abschnitt "Thesen". Ihr könnt natürlich auch diese Einleitung so kommentieren, dass Ihr meinen Übersichtswahn anprangert und alles anders macht - do what you want!

Strömungen von Anarchismus/Visionen

(6) Wie überall streiten sich die Gelehrten darum, wie man jetzt die Strömungen des Anarchismus voneinander abgrenzen kann und vor allem, wer wo dazugehörte. Einerseits zwängt mensch sich dadurch Schubladen auf, andererseits braucht mensch auch ein wenig Übersicht im Wust der Richtungen. Dieser Versuch ist ein rein subjektiver Vorschlag.

(6.1) Re: Strömungen von Anarchismus/Visionen, 07.09.2001, 16:47, Cherie Anne R. : Anarchokapitalismus (AK) oder Die Entstehung der Gesellschaft aus Freiheit und Eigentum Auch als Rechtsanarchismus bezeichnet und mit dem Neoliberalismus heutigen Verständnisses (Großkonzerne beeinflussen Regierungshandeln) zusammengeworfen. Die Anarchokapitalisten fordern als einzige Grundlage menschlichen Zusammenlebens die Respektierung sogenannter negativer Freiheiten (Abwehrrechte) für ihre Person und ihre Eigentum nach Lockescher Definition. Diese negativen Freiheiten können nur durch freiwillige Vereinigungen durchgesetzt werden (Ablehnung von Zwangsvereinigungen wie z.B. dem Staat). Grundlage der Theorie ist die subjektive Wertlehre. Gültig sind nur beidseitig freiwillige Tauschhandlungen ohne Intervention Dritter. Anarchisten wie Proudhon, Stirner und Kropotkin stehen dem AK neutral gegenüber. Der AK hat kein spezielles Menschenbild, sondern geht von der willensbestimmten Handlung aus (Praxeologie). Notwendig ist nur Einsicht in den eigenen langfristigen Vorteil. Damit kann er die Einsichten zahlreicher liberaler Theoretiker nutzen (Physiokratie, A. Smith, J.B. Say. Wichtigste Vertreter des AK sind Ludwig von Mises und Murray Rothbard. (Anmerkung: Die sogenannten Objektivisten, die sich an Ayn Rand orientieren, zählen trotz häufig gleichlautender Argumentation nicht zum AK.)

ANARCHO-KOMMUNISMUS – der Kampf um die Kommune mit Wort und Waffe

(7) Klingt böse, beschreibt aber imgrunde die Richtung, die Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem durch Michail Bakunin dafür sorgte, dass sich die antiautoritären Kommunisten von den autoritären Kommunisten unter Marx abspalteten. Seit dieser Zeit (1872) steht der Anarchismus endgültig dem Staatskommunismus als eigene Bewegung offensiv gegenüber. Die Gesellschaft ist hier dezentral in Kommunen aufgeteilt, sämtliche Hierarchien, Ideen oder Institutionen, die unsere freie Entfaltung verhindern, werden abgeschafft. Die Kommunen handeln und arbeiten in freien Kooperationen nach Bedürfnis, gegenseitiger Hilfe und individuellem Talent. In Sachen Entscheidungen herrscht das Konsensprinzip.Waren sich die zwei wichtigsten Denker dieser Richtung – MICHAIL BAKUNIN (1814-1876) und PETER KROPOTKIN (1842-1921) über ihr Ziel einig, so teilten sich jedoch die Meinungen über den Weg dahin und auch über die Herleitung aus der bestehenden Gesellschaft. Bakunin förderte den gewalttätigen Kampf des Proletariats und den Aufbau autonomer Arbeitergenossenschaften mit allen Mitteln, während Kropotkin als Pazifist die sogenannte alltägliche Propaganda vertrat. Reden, reden und nochmals reden, dazu eigene autonome Presse und viel Überzeugungsarbeit und Gründung von Genossenschaften um die eigene Vision schon vorzuleben. Außerdem begründete Kropotkin seine Vision damit, dass das Prinzip gegenseitiger Hilfe die eigentliche Natur von Mensch und Tier sei, die nur freigesetzt werden müsse. Er vertrat das auf der Basis seiner Studien als Naturwissenschaftler. Bakunin dagegen wollte erst mal die totale Zerstörung des Bestehenden, um neu anzufangen, anstatt in ihm die positiven Aspekte zu fördern. Somit verkörpern diese beiden Männer imgrunde die argumentierende und besonnene und die kämpferische und revolutionäre Seite derselben Medaille.

ANARCHOSYNDIKALISMUS – die Gewerkschaft triezt die Bosse, bis sie aufgeben

(8) Die Anarchosyndikalisten sehen die Gewerkschaft als Grundorganisation einer freien Welt und den Generalstreik als mächtigstes Mittel auf dem Weg dahin. Ihr Ziel ist eine Übernahme der Betriebe durch die ArbeiterInnen und eine dezentrale, selbstverwaltete Gesellschaft. Hauptansatzpunkt dieser Richtung liegt in der schrittweise Zersetzung des Kapitalismus durch eben die Mittel, welche die ausgebeuteten Massen praktisch haben – Boykott, Besetzung, Streik, Sabotage, direkte Aktion. Gerade zu Anfang des 20. Jahrhunderts zogen anarchosyndikalistische Gewerkschaften wie die IAA überall große Massen an. In der spanischen Revolution bildeten sie Milizen, die in vorderster Front kämpften und ihr Ansatz war schon immer ökonomisch und nicht so sehr auf die Freiheit des Individuums bedacht. Die wollen sie natürlich auch, aber sie bildet nicht den Hauptantrieb für den Widerstand – den bildet eben das klassische Modell des Kampfes gegen die Kapitalisten und des Übernehmens der Produktionsmittel. Berühmte Vertreter dieser Richtung waren FERDINAND PELLOUTIER (1867-1901) und GEORGE SOREL (1847-1922). Die Realisierung ihrer Vision hat bei den Anarchosyndikalisten keine wirklichen Tabus zwischen Überzeugung, friedlichem Protest und revolutionärem Kampf. Hauptsache es geht voran.

SOZIALISTISCHER ANARCHISMUS / LIBERTÄRER SOZIALISMUS – das Aufbauen eigener Kreisläufe neben den Kapitalisten, bis dem seine Leute zur Konkurrenz überlaufen

(9) Was den sozialistischen Anarchismus von dem Syndikalismus unterscheidet, ist grob gesagt das Aufbauen eigener Kreisläufe anstatt das Bekämpfen der bestehenden Macht. Ihre dezentrale, freie Gesellschaft lässt solange neben den Ausbeutern und ihren Betrieben freie Genossenschaften und Kooperationen entstehen, bis diese aufgeben müssen. Revolutionärer Kampf a’la Bakunin liegt ihnen eher fern, das Entwickeln eigener Kreisläufe näher. PIERRE PROUDHON (1809-1865) etwa wollte die freie Gesellschaft unter anderem durch die Gründung einer Volksbank, die zwar durchaus eine Währung als Tauschmittel hat, aber weder Zinsen noch Eigenkapital aufweist. Seine Vision beinhaltet somit Geld als reines symbolisches Tauschmittel ohne jede Möglichkeit auf Monopol und Vermehrung durch sich selbst. GUSTAV LANDAUER (1870-1919) grenzte sich von den Syndikalisten auch dadurch ab, dass seine Vision das Buhlen um die Massen in Gewerkschaften zu plump fand. Er wollte eine sozialistische Ordnung auf anarchistischer Basis. Heute vertreten die letzten linken Intellektuellen wie der amerikanische Professor NOAM CHOMSKY einen Mischmasch aus Syndikalismus und dem, was er libertären Sozialismus nennt. Eine sozialistische Gesellschaft ohne Autorität unter freier Entfaltung des Einzelnen. Und den Weg als Ziel durch Überzeugung, Gegenöffentlichkeit und das Schaffen eigener Strukturen anstatt das direkte Trietzen der Konzerne oder gar das Warten auf einen heftigen revolutionären Umsturz.

INDIVIDUALANARCHISMUS – das Individuum muss sich nur vor sich selbst legitimieren

(10) Hat das schlechte Image einer bösen Ellbogentheorie, meint aber das genaue Gegenteil. Zentrum der Theorie ist alleine die völlig freie Entfaltung des Individuums. Der Mensch darf nie mehr nur in seiner Rolle gedacht werden, die er in irgendeinem Kollektiv einnimmt. Demnach sollten selbst die freien Kooperationen auf ein Minimum eingeschränkt werden. Der Mensch soll sich als Individuum gänzlich befreien und nie mehr im Dienste irgendeiner höheren Sache stehen, sei sie nun durch Kapital, Religion, Wissenschaft oder Moral begründet. WILLIAM GODWIN (1756-1846) formulierte in diesem Rahmen als allererster anarchistische Ideen und sah den Menschen als Vernunftwesen, der in einer freien Gesellschaft sein Potential schon entfalten werde. MAX STIRNER (1806-1856) dachte seine Vision nur vom Individuum aus – wenn jeder nach seinem Gutdünken handelt und es keine Hierarchie oder Macht mehr gibt, würde die Gesellschaft sich von selber einpendeln. Die Realisierung dieser Vision kann selbstverständlich nur von jedem Einzelnen und gewaltlos ausgeübt werden, da ja niemand das Recht hat, anderen etwas aufzuzwängen.

(10.1) Re: INDIVIDUALANARCHISMUS – das Individuum muss sich nur vor sich selbst legitimieren, 15.03.2004, 11:59, Thorsten Hohnrath: Hallo, Stirner war nicht gegen Gewalt -- er hat das Recht zur Gewalt in das Individuum verlagert. Recht ist im übrigen für Stirner eine \\\"fixe Idee\\\" -- dem Individuum vom Staat aufgezwungen.Zum Recht etwas zu tun oder zu unterlassen ermächtigt er sich selber.

FOURIESMUS – muntere freie Arbeit und Luxus für alle

(11) Diese Lehre von CHARLES FOURIER (1772-1837) sieht die Arbeit an sich als Grundtrieb des Menschen an, der durch den Kapitalismus pervertiert worden wäre. Da wir imgrunde alle einen kreativen und produktiven Drang haben, muss also die Arbeit in freien Assoziationen nach Talent, Fähigkeit und Sympathie geschehen. Diese Produktionsweise soll erstmal als autonomer Kreislauf im System ausprobiert werden, das Eigentum wird erst abgeschafft, wenn genug Reichtum für alle da ist. Das Motto heißt: Luxus für Alle statt allgemeines Elend. Fourier ging naiverweise davon aus, dass die Kapitalisten mit der Zeit von dieser effektiven und freien Organisation überzeugt würden und im allgemeinen Luxus ihre Macht von selber abgeben.

(11.1) Re: FOURIER muntere freie ..., 03.04.2003, 18:13, Uwe Berger: Der Effekt, etwas zu unterdrücken und dann belustigt zuzusehen, wie ein Ersatz gesucht wird, ist dem Machtapparat nichtmehr wegzuschminken. Fourier hat aus gegenseitigen Leidenschaften mathematisch berechnet, wann wir in einen Zustand von Zufriedenheit kommen. Vielleicht hat er die Tragik der "abhängigen Individuen" übersehen, wo der Dealer immer für Nachschub sorgt und gegenseitig Einverständniss erzwungen wird. Er hat auch mehrere 10000 Jahre als "Serien" verstanden, die vielleicht durch einen puritanen Marxismus sogar beschleunigt wurden???

SAINT SIMONISMUS – die tüchtigen Funktionäre

(12) Die Saint-Simonisten kann man nicht zu den Anarchisten zählen, da sie zwar die Lohnarbeit, aber nicht den Staat abschaffen wollten. Die Menschen werden zu Funktionären ihres Staates und die Regierung ergebe sich aus den Besten in Wissenschaft, Kunst und Industrie. Die Verteilung der Güter geschieht nach Tüchtigkeit. Somit ist diese Strömung gegen jede freie Entfaltung des Individuums und wurde auch eher von autoritären Kommunisten und im Laufe der Geschichte gar von radikalen Liberalen aufgenommen.

ANARCHOLIBERALISMUS – freier Handel ohne Monopol, Staat und Ausbeutung

(13) Diese von SILVIO GESELL (1862-1930) ins Leben gerufene Lehre will weder das Geld, noch das Eigentum abschaffen. Sie verlangt aber einen freien Handel ohne Staat, freien Boden und freies Geld. Das klingt natürlich nach stinkendem Neoliberalismus und sicherlich berufen sich neoliberale Denker auch darauf, aber diese Vision hatte einen entscheidenden Kniff. Das Geld muss immer im Umlauf bleiben, verliert beim Horten an Wert und es ist unmöglich, aus Geld mehr Geld zu machen. Somit gibt es keinerlei Kollektiv, der Mensch soll seinen individuellen Eigennutz als Triebfeder ruhig leben, aber es gibt keine Möglichkeit von Akkumulation und Ausbeutung der Mehrheit durch die Minderheit. Imgrunde eine schöne Utopie autonomer Föderationen in ständigem Handel mit Geld als dauerhaft fließendem Schmiermittel. Eine Gesellschaft nur aus Mittelklasse.

MODERNE VISIONEN – gegen die Arbeit, gegen das Wertgesetz, gegen die reine Vernunft

(14) Von den modernen Visionen seien wegen Zeitmangels hier nur ein paar wenige Beispiele erwähnt.

(15) Die GRUPPE KRISIS hat mit ihrem „Manifest gegen die Arbeit“ nicht den Kampf gegen die Konzerne oder die Gemeinschaft der Ausgebeuteten, sondern den Kampf gegen das Konzept Arbeit an sich beworben. Die Arbeit sei im Kapitalismus der Motor allen Übels und wenn man ihm den Sprit – also sich selbst – entziehe, sei dies der wirksamste Widerstand gegen das System. Kollektive Arbeitsverweigerung als Weg zum Ziel einer freien Gesellschaft, in der nicht mehr die Arbeit, sondern die freiwillige Tätigkeit der Motor der Gesellschaft sind.

(15.1) 14.03.2002, 01:05, Ano Nym: das glaube ich auch

(15.2) 14.03.2002, 01:06, Janine Schulz: und stehe auch dazu (habe vergessen meinen Namen einzutragen;)

(16) Die GRUPPE GEGENBILDER zeichnet in ihrem Buch „Freie Menschen in freien Vereinbarungen“ einen visionären Mix aus dem Grundprinzip der freien Entfaltung des Individuums und der ökonomischen und ökologischen Notwendigkeit freier, dezentraler, antihierarchischer, betriebsamer Kooperationen. Der Weg wird hier als Ziel beschrieben, ständiges Lernen und dauerhaftes Hinterfragen der eigenen Bewegung als dringende Notwendigkeit visionärer Bewegungen beschrieben. Die Wurzel allen Übels in der bestehenden Gesellschaft ist das Wertgesetz, dem mittlerweile alle unterliegen, womit alte Unterteilungen wie Kapitalisten und Unterdrückte obsolet werden. Auch der Manager unterliegt dem totalitären Wertgesetz, der Mensch selber ist zur nutz- und formbaren Ressource geworden. Die Realisierung einer alternativen Gesellschaft geschieht darin, die Keimzellen des Neuen (autonome Kreisläufe und Freiräume) gedeihen zu lassen und auszubilden und wenn überhaupt erst dann, wenn der Konsens in „unsere“ Richtung kippt, revolutionäre Gewalt anzuwenden.

(17) Die PANOKRATIE ist ein viel gescholtener Exot unter den Visionen. Die Panokratie bricht mit zahlreichen anarchistischen Tabus und ist inhaltlich wie sprachlich in keine Schublade einzuordnen. Ihre provokanten Unterschiede zu klassischen anarchistischen Vorstellungen gewinnt sie aus einem geschlossenen Modell, der Berücksichtigung des Irrationalen und des Gefühls, der Proklamierung von Abstimmungen statt Konsens und einer Vorfertigung bis ins Detail.
Für viele problematisch, da hier das Konzept der Autarchiegenese als Wurzel allen Übels dasteht. Das meint das automatische Entstehen von Machtgefällen in allen Systemen, die in nicht Gefühl und Ratio zu vereinen wissen. Verstand ohne Gefühl ist Mord, Gefühl ohne Verstand macht manipulierbar. In diesem Sinne basiert die Panokratie auf eine Wiedervereinigung von Ratio und Gefühl und definiert sich selber abseits von rechts und links (im Sinne des Kommunismus) neben der Anarchie als einziges Aufwärtssystem. Sie propagiert eine genauestens durchgeplante Parzellierung der Gesellschaft. Parzellen je nach Größe in freien Föderationen verknüpft und je nach Größe mit verschiedenen Aufgaben belegt. Produktion mit Einbezug aller Technik auf Bedarf und dezentral. Das Individuum und auf Sympathie gegründete Kernzellen als Basis. Sämtliche Entscheidungen von unten nach oben. Individualwacht, freie Entfaltung als Basis gegenseitiger Hilfe und Vertrauens. Breites Bildungssystem mit verschieden freien Stufen und Mündigkeitstest für die Zellengrößen. Teils absurde technische Visionen. Dieses Modell ist größenwahnsinnig, vorlaut, dreist und sogar noch unterhaltsam verfasst – wie das nun zu werten ist, bleibt jedem selbst überlassen.

(18) Und nun sind alle aufgerufen, diesen munteren Reigen von Visionen zu ergänzen, zu kommentieren und zu erweitern.

(18.1) Weitere Strömungen..., 25.05.2001, 09:21, espi twelve: Unbedingt aufnehmen solltest du Ökotopia und den (u.A. von Murray Bookchin formulierten) Ökoanarchismus, dessen Ideen viele Menschen und Zusammenhänge beeinfluss(t)en, z.B. die einstige grüne Bewegung, Ökolinx und die Umweltschutz von unten Bewegung. Weniger realen Einfluß, aber dennoch nennenswert ist der (in der englischen Zeitung "Green Anarchist" vertretene) Anarch@-Primitivismus, der Herrschaftskritik mit einer grundsätzlichen Ablehnung von Technik (u.A. auch Städten), der Rückkehr zum "Einfachen" verbindet. Nicht ganz unproblematische Positionen, aber darüber kann mensch diskutieren. Ganz nebenbei...eine interessante Arbeit zum Thema "Anarchismus in USA u. BRD", wo viele (auch neuere) Strömungen angerissen werden, findet sich unter http://www.free.de/schwarze-katze/texte/anarusa1.html. Auch den Anarcha-Feminismus würde ich aufnehmen, da sich der Ansatz a) von empowerment, d.h. der Stärkung der Frau innerhalb von Herrschaftsstrukuren distanziert, die Befreiung der Frauen nur im Kontext der Aufhebung aller Dominanzverhältnisse für möglich hält und b) sich von der Anschaung abgrenzt, AnarchistInnen seien per se anti-sexistisch (was diese als einheitliche Gruppe & bessere Menschen konstruiert...).

Kurzübersicht der Visionen und Strömungen

(19) ANARCHOKOMMUNISMUS (Bakunin, Kropotkin etc...)

Ansatz: antiautoritärer Kommunismus als Reaktion auf Marx
Gesellschaftsmodell: freie Kommunen in freier Kooperation
Realisierung: alltägliche Propaganda, Überzeugung, Gründung autonomer Genossenschaften, revolutionärer Kampf

(20) ANARCHOSYNDIKALISMUS

Ansatz: Direkter Kampf gegen Kapital und Ausbeuter
Gesellschaftsmodell: dezentrale und selbstverwaltete Gesellschaft
Realisierung: Praktische Zermürbung der Ausbeuter in Gewerkschaften mit den Mitteln von Streik, Boykott, Besetzung oder Sabotage

(21) SOZIALISTISCHER ANARCHISMUS / LIBERTÄRER SOZIALISMUS (Proudhon etc...)

Ansatz: Indirekter Kampf gegen Kapital und Ausbeuter durch eigene Kreisläufe
Gesellschaftsmodell: freie Genossenschaften in freien Kooperationen, eventuell Geld als neutrales Tauschmittel
Realisierung: Aufbauen eigener Kreisläufe und Genossenschaften neben den Kapitalisten, bis denen die Leute abwandern, Konzept der Volksbank ohne Zins

(22) INDIVIDUALANARCHISMUS (Godwin, Stirner)

Ansatz: Das Individuum ist niemandem außer sich selbst verantwortlich, Maximum an freier Entfaltung, Minimum an Kooperation
Gesellschaftsmodell: freie Entfaltung aller ohne Verpflichtung an irgendein Prinzip, somit entstehe ein vernünftiges Miteinander, da jeder für sein Handeln Verantwortung trägt und sie nicht auf irgendeine Gruppe oder Institution abwälzen kann
Realisierung: Völlig individuell, da jeder Kampf mit Wort oder Waffe bereits die Freiheit des anderen einschränkt

(23) FOURIESMUS

Ansatz: Arbeit und Produktivität als Grundtrieb des Menschen muss lediglich frei und unabhängig werden
Gesellschaftsmodell: Kreative Arbeit in freien Assoziationen unter Beibehaltung von Eigentum solange, bis Luxus für alle erreicht ist
Realisierung: Freie Assoziationen von Produzierenden aus reinem Talent und Sympathie solange, bis selbst die Kapitalisten einlenken

(24) SAINT SIMONISMUS

Ansatz: Talent und Tüchtigkeit als Basis für Stellung in der Gesellschaft, Ersetzen des überholten Lohnprinzips durch „Bezahlung“ nach Tüchtigkeit und Arbeitszeit
Gesellschaftsmodell: Mensch als Funktionär eines von allen verwalteten Staates, autoritär, nicht-anarchistisch
Realisierung: Durch Überzeugungsarbeit vor allem auf autoritär-intellektueller Ebene

(25) ANARCHOLIBERALISMUS (Gesell)

Ansatz: Geld und Handel sind nur schlecht wegen der Möglichkeit von Monopolen und Kapitalakkumulation, deshalb ein neues Geld&Handelssystem vonnöten. Individueller Eigennutz als Triebfeder des Handelns bei neuem Geldsystem in Ordnung
Gesellschaftsmodell: Ewiger Geldkreislauf ohne Zins, beim Horten verliert das Geld seinen Wert. Keine Möglichkeit, aus Geld mehr Geld zu machen, nur direkter Handel
Realisierung: Intellektuelle Überzeugungsschiene

(26) GRUPPE KRISIS – MANIFEST GEGEN DIE ARBEIT

Ansatz: Arbeit als Konzept bekämpfen, kreative, nicht entfremdete Tätigkeit ist in uns allen
Gesellschaftsmodell: Freie Menschen in freier Kreativität
Realisierung: Faulheit, Totalverweigerung der Arbeit, ziviler Ungehorsam

(27) GRUPPE GEGENBILDER – FREIE MENSCHEN IN FREIEN VEREINBARUNGEN

Ansatz: Das Wertgesetz als totalitäres Prinzip bekämpfen
Gesellschaftsmodell: Freie Menschen in freien Vereinbarungen
Realisierung: Aufbau autonomer Kreisläufe, ständiges Lernen und Selbstkritik, Abbau aller Herrschaftsverhältnisse auch in der eigenen Bewegung, direkte Aktion, Revolution im Fünfschritt (erst die Keime züchten, sie wuchern lassen, dann Umsturz)

(28) PANOKRATIE

Ansatz: Die Wiedervereinigung von Ratio & Gefühl als Mittel gegen Autarchiegenese (das automatische Entstehen von Hierarchie in jeder Gesellschaft), reine Vernunft ohne Gefühl ist Mord, Gefühl ohne Vernunft macht manipulierbar.
Gesellschaftsmodell: Komplett durchdachtes und entworfenes Modell einer parzellierten und dezentralen Gesellschaft. Allerdings Abstimmungen statt Konsensprinzip! Realisierung: Gründen erster panokratischer Zellen in bestehendem System, Überzeugung

Ein paar Thesen zu Visionen und dem Kampf um eine alternative Gesellschaft

(29) So verschieden die emanzipatorischen Visionen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart auch sind – sie haben fast alle ein paar unsichtbare Sichtweisen gemeinsam. Diese sollen hier vor-gestellt und mit Gegenthesen konfrontiert werden. Dabei möchte ich darauf aufmerksam machen, dass ich diese Thesen gerade deswegen vertrete, weil ich von dem Konzept runter will, in dem es „eine“ unumstößliche Wahrheit gibt und somit Kommunikation blockiert wird. Der (radikale) Konstruktivismus, den ich hier anzureißen versuche, beinhaltet ja logischerweise in sich selbst, dass er auch nur ein Konstrukt ist. Außerdem gibt es sicherlich auch andere Wege als Systemtheorie und radikalem Konstruktivismus, um zu einem Verständnis der Menschen als Individuen zurückzukommen und den elitären Gedanken der „einen Wahrheit“ über Bord zu werfen. Die Debatte sei somit eröffnet...

(29.1) Re: Ein paar Thesen zu Visionen und dem Kampf um eine alternative Gesellschaft, 25.07.2002, 22:08, Frank Hertel: Eine unumstößliche Wahrheit gibt es doch. Menschen müssen sterben. Menschen haben Angst. Menschen müssen essen und trinken, um zu leben. Wasser ist naß und so weiter. Der moderne Relativismus führt ins Chaos. Gandhi hat gesagt an der Wahrheit kann man sich festhalten.

(29.1.1) Nix mit Wahrheit ..., 26.07.2002, 18:23, espi twelve: Der Angriff auf Wahrheit bezieht sich für mich vor allem darauf, dass kein Mensch oder keine Gruppe für sich beanspruchen kann, die objektive Wahrheit in den Händen zu halten. Wenn das so wäre, wäre jede Diskussion sinnlos, dann müßte ich tatsächlich nur alles übernehmen, was der wissenschaftliche Sozialismus sagt. Die Fragwürdigkeit des Begriffs zeigt sich schon darin, dass jede K-Gruppe natürlich den "wahren" Sozialismus anstrebt und die anderen VerräterInnen seien. Eben weil nichts "klar" ist, müssen wir uns kontinuierlich austauschen, diskutieren, Ansichten weiter entwickeln. Nun, und so ein sprudeliges Chaos finde ich übrigens sehr angenehm.

(29.1.1.1) Re: Nix mit Wahrheit ..., 07.05.2003, 00:48, Uwe Berger: Wahrheit kann nur von Subjekten als solche erkannt werden, und da entsprechend ihrer Komplexität. Zwischen Individuum und Subjekt läßt sich der feine Unterschied machen: ohne Prädikat und Objekt ist es kein ganzer Satz! Das Objekt in seinem Masse-, Energie- und Informationsgehalt findet "seine" Wahrheit in dem Prädikat, sich auf ein anderes Objekt tuend zu beziehen. (eine subjektive Objektivität / objektives Subjekt, & einer dritten Instanz: der Erinnerung). Fix mit TaoTeKing: ein großer Ton ist selten nur zu hören, ein großes Bild ist selten nur zu seh´n ;-) wer das große Bild in Händen hält - zu dem sich das Erdreich gesellt :-( Es ist ein Brausen.ein Glosen ..,- hier sind die Bilder, > versunken... Selbst wenn ein Ende des Internet bevorstünde (big brother!) die Kritische Masse der telepathischen Kettenreaktion ist erreicht: siehste wohl, da ist sie schon die - wwwetten, daß... Kreaction. Lacht ruhig über mein Stottern,... worüber Keiner lacht, das kann der Weg nicht sein.

(29.1.2) Gandhi, 07.05.2003, 00:00, Uwe Berger: Auf die Frage eines Engländers, woher solch ein Erfolg käme, wie er ihn gerade hatte?, sagte er: "Duften Sie!" ist doch ein schöner kategorischer Impferativ und für mich klingt da auch mit an: verduften Sie! Zu sich zurückkehren können, ist so eine Wahrheit.

(29.2) Re: Ein paar Thesen zu Visionen und dem Kampf um eine alternative Gesellschaft, 29.07.2002, 23:06, Ano Nym: Es kommt wohl darauf an, wie die verschiedenen Tendenzen zusammenspielen, so daß eine "Wahrheit" sich ergeben kann, die auch stimmig ist. Ich denke es ist eine Frage der stimmigen Kombination verschiedener Ansichten unter ähnlich denkenden Menschen, die eine "Wahrheit" entstehen lassen.

(29.2.1) stimmig ahnen, 07.05.2003, 01:13, Uwe Berger: auch ähnliches Versehen sich verscheidend denkender Menschen, jedEr Mensch hat 2 Eltern, 4 Großeltern, 8Urgroßel., 16 Ururgel.,... da kommt eine Menge zusammen, wenn wir allein nur bis Abraham zurückrechnen. Wobei sich drei Weisen beobachten lassen: die Geschwisterehe, die Vielweiberei des Patriarchen zum Segen der Nationen, und die monomatriarchale Vielmännerei (zB.Wikinger in Amerika). Da wohnt der WAhn, wo wilder Wein und Weizen wächst.

1. DIE „REALITÄT“ ALS FESTE GRÖßE

(30) Eigentlich alle Visionen gehen davon aus, dass es eine Realität außerhalb der Wahrnehmung von Menschen gibt. Diese Realität kann man erkennen oder nicht, man kann sie so zeigen, wie sie ist oder aber gezielt verfälschen. Dieses Modell ist heute eigentlich überholt. Damit soll nicht die Existenz dieser Realität bestritten, sondern darauf aufmerksam gemacht werden, dass niemand direkt auf sie zugreifen kann. Vielmehr geht mensch davon aus, dass wir Menschen uns alle unsere eigene Wirklichkeit schaffen – was für uns „Wahrheit“ ist ist abhängig von allem, was wir erleben, lesen, lernen und erfahren. Einen Zugriff auf eine „objektive Realität“ hat niemand, wir alle sehen nur ein Konstrukt von der Welt. Als „objektiv wahr“ gilt das, was in den Köpfen der meisten Menschen übereinstimmt – im Moment etwa der Kapitalismus als Naturgesetz, vor 700 Jahren die Welt als Scheibe oder im Faschismus die Vorstellung einer jüdischen Weltverschwörung. Somit existieren viele „Wahrheiten“ nebeneinander und „objektiv wahr“ wird die, die sich am besten verkauft und die meisten Menschen überzeugt, sie habe Recht. Macht mensch sich klar, dass wir somit keinen Zugriff zur „Realität an sich“, sondern nur Konstrukte in unseren Köpfen haben, zieht das eine radikale Veränderung in unserem Selbstbild und darin nach sich, wie wir für „unsere Wahrheit“ eintreten.

(30.1) völlixt individualisiert - oder?, 25.05.2001, 20:25, espi twelve: Einerseits lehne ich eine Objejtivität, die vorgibt, neutral zu sein, entschieden ab. Was ich über die Welt sage u. denke, hat viel mit mir zu tun, ist also subjektiv.
Wenn mensch die im letzen Absatz Position annimmt fragt sich für mich, wie dann noch Zwischenmenschlichkeit, Verbindendes gedacht werden kann. Es könnte dazu verleiten zu denken, dass auf nix mehr Verlass ist außer der eigenen Wahrnehmungn (und dass deckt sich mit der Idee des isolierten Individuums im Kapitalismus). Das Problem: Ohne intersubjektive Entwürfe kann ich mir nicht vorstellen, wie freie Kooperation u. selbstorganisiertes Leben erreicht werden können. Brauchen wir Realtät als gemeinsame Grundlage - oder geht's auch ohne? Ich bin da unsicher.

(30.2) Re: 1. DIE „REALITÄT“ ALS FESTE GRÖßE, 02.04.2003, 14:45, Hans Mack: Soziale Realität ist relativ. Dies zeigt die heutige Kommunikations- und Realitätsforschung (Konstruktivismus = ein Teilbereich der Philosophie). Unsere Wirklichkeit ist nicht als absolute Wahrheit gegeben, sondern wird von uns selbst aktiv konstruiert. Dieser Konstruktionsprozess (von Kindheit an)zu dem einen und vermeintlich wahren Weltbild wird meist nicht erkannt. Daraus folgt: unsere soziale Welt, samt deren teils destruktiven Spielregeln ist nur solange wahr und die vermeintlich einzige Möglichkeit, solange wir darin übereinstimmen, das zu glauben und ernst zu nehmen. Das heist: Unsere Welt folgt den Regeln eines (improvisierten)Theaterspiels, der Globus ist sozusagen eine Kugelbühne. Fixiert in dieser Art Welttheater (Die Geschichte, unser "Film")sind wir nur, solange wir unser Selbstbild und das entsprechende Weltbild glauben und die Vieldeutigkeit des Bildes und der Möglichkeiten nicht sehen. Die Echtheit entsteht durch gegenseitige Resonanz und Bestätigung, nicht aber, weil es eine objektive Realität gibt. Damit könnte mensch eine neue Art von praktischer Friedensforschung beginnen, indem in einem Modellprojekt (z.B. 30 Leute)teils mit Theaterregeln, eine neue Art ästhetisches Gesellschaftsmodell gemeinsam konstruiert wird. (Gutes Theater ist eben nicht nur Spiel, sondern es ist echt im Moment des agierens, wie alle Koryphäen der Theaterpädagogik betonen). Der Spielfilm "Das Experiment" hat z.B. gezeigt wie sehr Realität und Virtualität ineinander übergehen können. Auf diese Weise wäre es möglich Best-Case-Szenarien und Wirklichkeit a la carte kollektiv zu konstruieren. Das ganze muss in einen wissenschaftlichen Rahmen eingebettet werden! Ich arbeite zur Zeit daran eine diesbezügliche Verbindung und Synergie zwischen Theaterpädagogik und Kommunikationsforschung aufzuzeigen, um ein "Realtheater" Pilotprojekt auf die Beine zu stellen. Näheres unter: http://www.radikalerkonstruktivismus.de

(30.3) Das Reale und das Wirken, 07.05.2003, 01:37, Uwe Berger: wichtig ist für die Wahrheit der Anderen einzutreten, in die "Realität des Nichts" schöpfend und wirkend, sich als anwesend zu bewahrheiten. Nicht das eigene und auch nicht das Nichtige der "Anderen" bewirken. (das Ar / Flächenmaß, der Aar / alte Bez.f. Adler, ´heit heut´ heiter) und was weiter?

2. DIE IDEE „NOTWENDIG FALSCHEN BEWUSSTSEINS“

(31) Egal wieviel alle Visionen von „Individuum“ und Gleichheit reden – im Endeffekt glauben sie alle, dass sie selber näher an „der Realität“ sind als die systemkonformen Bürger, deren Wahrnehmung von der Welt von der Maschinerie des Kapitals und seiner Medien verblendet wurde. Sie schuften 40 Jahre für ihre Kinder und wälzen sämtliche Verantwortung von sich, da sie sich damit rechtfertigen können, im Kapitalismus nicht anders überleben zu können. Sie haben also „notwendig falsches Bewußtsein“. Die emanzipatorische Linke dagegen sei näher an „der Realität“. Wer so denkt, merkt nicht, dass er sich automatisch als Elite betrachtet – wenn ich glaube, ich bin an „der einen Realität“ näher dran, dann habe ich einen Vorsprung, dann sehe ich mich als besser und als Avantgarde. Ich werte die Menschen in „gut“ und „böse“, ihre Wahrnehmung in „richtig“ oder „falsch“. Glaube ich aber, dass alle Menschen nur „verschiedene“ Konstrukte von Realität haben, sind alle wieder auf einer Ebene und ich kann versuchen, die Konstrukte der anderen zu verstehen und so viel besser zu kommunizieren.

(31.1) Re: 2. DIE IDEE „NOTWENDIG FALSCHEN BEWUSSTSEINS“, 25.07.2002, 22:18, Frank Hertel: Diejenigen, die sich die Zeit nehmen die Welt genau zu betrachten, die Bücher lesen, studieren und nachdenken erfassen die einzige Realität besser als die Arbeitssklaven. Sie sind daher eine Art Elite. Sie sind Eingeweihte, Intellektuelle, Wissende. Das ist eine Tatsache. Ein Bildzeitungsleser hat zwar auch seine Realität, aber er hat keine Ahnung von den Zusammenhängen. Er spinnt sich etwas zusammen, er wird manipuliert. Das Wissen eines Karl Marx mit dem eines Ließchen Müllers gleichzusetzen bedeutet eine Absage an jede Form der Erkenntnis. Sicher kann auch Marx irren, aber er weiß mehr als ein Fabrikarbeiter.

(31.1.1) Re: Eliten (war: 2. DIE IDEE „NOTWENDIG FALSCHEN BEWUSSTSEINS“), 27.07.2002, 19:14, Simon Giesecke: Der Begriff der "Elite" ist sicher problematisch, er bezeichnet eine Gruppe von Auserwählten, d.h. es wird von außen entschieden, ob jemand dazu gehört oder nicht, sei es, dass "die Elite" sich neue Mitglieder aussucht oder dies durch Dritte geschieht. Dies gilt im wesentlich auch dann, wenn es keine klare Abgrenzung der Elite gegenüber der Nicht-Elite gibt. Eine Elite in diesem Sinne, und das ist wohl auch der übliche Sprachgebrauch, würde ich als schlechte Elite bezeichnen, da sie mehr oder weniger geschlossen ist. Ihre Existenz setzt notwendig voraus, dass der Zugang zu ihr erschwert wird. Eine " gute Elite" (auch wenn ich das Wort Elite nachwievor für zumindest unglücklich halte), und das würde ich in deinem Kommentar auch für die angemessenere Deutungsweise halten, ist offen, d.h. die Zugehörigkeit zu ihr wird primär durch eine Willensbekundung des Individuums vorgenommen, z.B. den Wunsch nach Wissensvermehrung. In der Realität kann man nur leider zwischen beiden Deutungen nicht trennen, da die soziale Selektion unserer Bildungssysteme künstlich (?) Barrieren auch für eine solche offene Elite aufbaut.
Das Problem bei der Aussage "Sicher kann auch Marx irren, aber er weiß mehr als ein Fabrikarbeiter." liegt darin, dass sie davon ablenkt, dass natürlich auch Marx (oder wer auch immer) nicht wusste, ob das, was er sich ausdachte, stimmt. Die Wahrscheinlichkeit (die sicher nicht quantifizierbar ist), dass er richtige Dinge äußert, rührt ja nur daher, dass es aufgrund seines größeren Wissens unwahrscheinlicher ist, dass er falsche Ansichten oder Gedanken wiederholt, von denen aus welchen Gründen auch immer bekannt war, dass sie falsch sind.

(31.1.1.1) Eliten, 24.03.2004, 17:52, s w: Eliten?!? - Eliten, die sich als diese Wahrnehmen, entwickeln oft eine gefährliche Eigendynamik: Sie nehmen sie als die einzigen wahr, die wissen, wohin der Weg führt, und schon keimt ein neues Führungsbewußtsein. Natürlich gibt es Menschen, die über ihr Verhältnis zur Welt reflektiertere und sachlichere Kenntnisse erworben haben - vielleicht, weil ihnen dazu der nötige Reichtum an Zeit und Freiheit im Gegensatz zu anderen gegeben war. Sie sollten ihre Erkenntnisse lieber in offenen Gesprächen zur Verfügung stellen, statt selbstgerecht für andere zu entscheiden ->kritische Psychologie / Pädagogik.

(31.1.2) Re: 2. DIE IDEE „NOTWENDIG FALSCHEN BEWUSSTSEINS“, 24.03.2004, 17:41, s w: Die Bewußtseinsindustrie verschleiert nicht nur, sie entlastet auch, hilft, Erkenntnisse über das eigene Leben, über eigene (Mit)Verantwortung,..., zu verdrängen. Wenn man mit den "Arbeitssklaven" ein offenes Gespräch führt, merkt man, dass sie ihre Situation oft besser kennen, als ihnen von außen zugestanden wird. Aber als "Sklaven" haben sie oft wenig Selbstbewußtsein und Hoffnung, etwas an ihrer Situation ändern zu können. Die Bildzeitung liefert einfache Schablonen, in die man sich eindenken / einleben kann, sie macht die Kette erträglich und der Hund genießt die Freiheit, die zwischen ihm und seinem Herren liegt.

(31.2) Re: 2. DIE IDEE „NOTWENDIG FALSCHEN BEWUSSTSEINS“, 29.07.2002, 22:57, Janine Schulz: dem ist nichts hinzuzufügen; aber ist es denn menschlich, daß man versucht glasklare Wahrheiten immer wieder zu verklären ? siehe unterer Beitrag 31.1 -geschieht dies aus Geltungssucht oder aus Unwissenheit ?

(31.3) Re: 2. DIE IDEE, 03.04.2003, 18:24, Uwe Berger: und dieses "notwendige falsche Bewußtsein" wächst auf und sucht neue Verbindungen; mal sehen was sich schneller entwickelt das Außen oder das Innen.

(31.4) Avantgarde, 07.05.2003, 02:01, Uwe Berger: Nicht, daß Ihr mich für einen unverbesserlichen Wortspieler haltet, aber die Vorlagen sind immer so schön: Eventgarderobe "Des Kaisers Neue Kleider" mit dem Rat aus dem TaoTeKing: nicht wagen, dem Reich voran zu gehen. Der systemkonforme Bürger leidet unter "seiner" Realität und wird sich auf den erstbesten Nakten stürzen, weil der nicht konform ist. Wer möchte da noch sagen, was falschist ist und wer nicht? (siehe auch: Symeon von Edessa [ca.550])

3. DER MENSCH ALS SELBSTBESTIMMTES VERNUNFTWESEN

(32) Alle Visionen sehen den Menschen als im Kern gutes und vernünftiges, selbstbestimmtes und hilfsbereites Wesen. Er ist lediglich durch das kapitalistische Prinzip verdorben, fällt dies aber weg, wird er als reines Vernunftwesen sein volles Potential im friedlichen Miteinander ausschöpfen. Sämtliche Erkenntnisse der Psychologie sprechen ebenso gegen diese Annahme wie die Beobachtung von uns selbst und anderen, wenn wir die Augen aufmachen. Es ist ein großes Hemmnis „der Linken“, das Irrationale im Menschen ebenso wie die Psychologie zu verteufeln und zu glauben, wir könnten alles mit Vernunft regeln. Der Erfolg von Hollywood, Eventkultur, Musikindustrie, Werbung, Spaßgesellschaft und all den anderen Instrumenten der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft geht nicht zuletzt darauf zurück, dass sie den irrationalen Teil in uns ansprechen. 90% dessen, was uns in Kommunikation überzeugt, ist non-verbal. Wir sind nicht nur Vernunftwesen, wir reagieren alle auch emotional. Und zwar jeder. Wer das in seiner Theorie und Praxis von Visionen nicht berücksichtigt, hat schon verloren.

(32.1) patriarchale Spaltung dekonstruieren!, 25.05.2001, 19:57, espi twelve: Deine Kritik ist richtig, schon deswegen, weil der frühe Anarchismus stark von den Ideen der Aufklärung beeinflusst ist. Allerdings finde ich es falsch, dass du Vernunft und Emotionen wie naturgegebene Gegensätze behandelst - es erweckt zumindestens den Anschein. Denn diese Trennung ist erst das Ergebnis von einer Sozialisation, welche Menschen in einzelne Funktionen aufspaltet. Eine real gewordene Konstruktion, die uns zwingt, uns selber zu zerstückeln unnd Teile von uns zu verdrängen!
Und dann kommen Leute mit Yoga u. anderen Weisheiten um die Ecke, um "Ying und Yang" wieder in Einklang zu bringen, oder unsere feminine Seite zu betonen. Daran zeigt sich auch, dass es sich um ein patriarchales Konzept handelt, dass eng an Geschlechterlogiken gebunden ist.
Anders gesagt: Es geht nicht darum, dem Emotionalen mehr Platz einzuräumen, sie aufzuWERTen, sondern die klar patriarchale Spaltung des Menschen in Vernunft (Kopf) u. Gefühl (Körper) zu dekonstruieren, aufzuheben. Ansonsten bietet mensch esoterischen Strömungen Ansatzpunkte, ihre Ideologie zu verbreiten, die im Kern gegen Vernunft u. bewusstes Handeln gerichtet ist. Dekonstruktion statt Rekonstruktion!

(32.1.1) Re: patriarchale Spaltung dekonstruieren!, 25.05.2001, 20:11, espi twelve: Wichtig finde ich zu zeigen, dass es den Gegensatz bzw. die Trennung von Denken u. Emotionen gar nicht gibt, diese erst produziert wird. Beispiel: Jeder gute Text gegen Herrschaft, gegen Zwänge u. autoritäre Strukturen trägt immer auch Hass, Wut und Leidenschaft in sich und wäre ohne sie undenkbar. Nun, zum Thema gibt es gute, weiter führende Texte von Adorno u. Horkheimer, die ich dir mal kopieren kann.

(32.1.1.1) ohne Vernunft geht nix..?, 25.05.2001, 20:38, espi twelve: Warum sollen Gefühle, Triebe und Wünsche schlecht sein, oder gar etwas Böses? Emotionen sind nicht das Hinderniss für solidarisches Miteinander - sondern der Umgang mit ihnen, ihre Verdrängung bzw. ihre Unreflektiertheit! Und dass sie so negativ bewWERTet werden hängt ganz sicher damit zusammen, dass in dieser Gesellschaft alles "böse" ist, was nicht völlig kontrolliert werden kann, was nicht richtig funktioniert. Aber ohne Vernunft, ohne individuelle und gemeinsame Reflexion kann kein ich mir nicht vorstellen, wie ein selbstbestimmter Umgang mit Emotionen gefunden werden.

(32.1.1.1.1) Was kommt zuerst?, 24.03.2004, 18:02, s w: Wenn wir über ein Problem nachdenken, uns orientieren müssen, einen Konflikt mit anderen zu lösen versuchen, statt ihn zu verdrängen oder mit Gewalt zu lösen, dann liegen diesem Reflektieren / Argumentieren schon Emotionen zu Grunde: Unsicherheit, Angst, Neugierde,... und das offene Gespräch, in dem man sich ernst nimmt, frei und ohne Angst sprechen kann und sich gegenseitig ernst nimmt, besitzt selbst eine emotionale Qualität, die bewußtseinsbildend ist und ein wichtiger Beitrag für eine humanere Lebensgestaltung (auch in der Erziehung!) -> sprechen wir miteinander, leben wir gemeinsam!!!

(32.1.1.2) Re: patriarchale Spaltung dekonstruieren!, 25.03.2004, 13:20, s w: Der Zwang zur "Sachlichkeit" übt selbst Gewalt über Menschen aus: Zuerst in vermeintlich reinen Analysen und Statistiken, mit denen das "Glück" anderer berechnet wird, dann in der Durchsetzung von Handlungen zum Wohle der Menschen, die durch diese "objektiven Erkenntnisse" auch noch legitimiert werden. Wichtig ist es, den Betroffenen ihr Mitbestimmungsrecht zu lassen! Sonst wird nur berücksichtigt, was "anschlußfähig" ist - oder eben ausgeschlossen.

Erfahrung, Reflexion und Sprache geben uns die Möglichkeit, unser Denken, Fühlen und Handeln besser abzustimmen.

(32.2) Re: 3. DER MENSCH ALS SELBSTBESTIMMTES VERNUNFTWESEN, 25.07.2002, 22:27, Frank Hertel: Die Tatsache, daß wir auch emotional reagieren ist bekannt. Die Frage ist nur ob wir die Emotionen als gut einorden. Es gibt auch einen inneren Schweinehund. Man sollte ihn aber nicht füttern und groß machen, sondern bekämpfen. Im Menschen muß das Licht der Vernunft gefördert werden, nicht die Emotion. Das ist die Botschaft des Abendlandes. Als Europäer sollten wir uns von Hollywood und der Californication nicht zu sehr blenden lassen.

(32.2.1) Re: 3. DER MENSCH ALS SELBSTBESTIMMTES VERNUNFTWESEN, 26.07.2002, 18:34, espi twelve: In deinem Konzept sind Vernunft und Emotion mal wieder entgegen gesetzt (hallo Dichotomie!) und Gefühle werden als böse, bekämpfenswert hingestellt. Warum soll das so sein? Mal davon abgesehen, dass der Text nicht gegen Vernunft, sondern deren Dominanz gerichtet ist. Und weiter: Die Unterordnung von Gefühlen unter die Vernunft ist das Produkt einer kapitalistischen Gesellschaft, in der wir funktionieren sollen; Wünsche, spontane Regungen stören da nur - deshalb sollen sie unterdrückt werden. Durch diese Verdrängungen und Abspaltungen werden Emotionen nicht "besiegt", sondern ins Unbewusste verschoben, wo sie dann tatsächlich eine Eigendynamik entwickeln können, die in Selbstzerstörung, Gewalt usw. umschlagen kann. Ein offener, positiver Umgang mit Gefühlen ist meines Erachtens viel rationaler als deren Verdrängung. Und dazu gehört auch anzuerkennen, dass Bedürfnisse und Emotionen etwas Unkontrollierbares an sich haben. Rationalität ja, aber nicht keine Selbstbeherrschung! Insgesamt finde ich den völlig unkritischen Bezug auf "Abendland" und dessen Philosophie problematisch - die instrumentelle Vernunft des Kapitalismus entspricht ja genau der Aufspaltung des Menschen in Geist und beherrschbarer Materie (Emotionen, Körper usw.) ...

(32.2.1.1) Re: 3. DER MENSCH ALS SELBSTBESTIMMTES VERNUNFTWESEN, 24.03.2004, 18:18, s w: Möchte noch ergänzen: Gerade in der Moderne, in der viele bisher selbstverständliche Orientierungsrahmen fragwürdig geworden sind und nicht mehr durch bestimmte Institutionen gegeben werden, sondern die Menschen zusammen ihre Wege bestimmen müssen - und jeder seinen eigenen Beitrag durch seine eigene Lebensgestaltung leisten muß - und eine von irrationaler Ökonomie (die als "vernünftig"(!) durchgesetzt wird) durchsetzte Gesellschaft ihre eigene Prekärität für jeden einzelnen entwickelt, enstehen gefährliche Beschädigungen: Flucht in Scheinwelten, Sucht, Neurosen, Gleichgültigkeit, Agression... Lesetipp: Schriften von Hartmut / Gernot Böhme über innere / äußere Natur und den Leib des Menschen / besonders zur Vernunftdiktatur: "Das Andere der Vernunft"

(32.3) der Kern, 07.05.2003, 02:09, Uwe Berger: In uns selbst Diesen finden (trotz aller Tele)Visionen, läßt das auch im/vom Anderen annehmen. Übrigens nennt sich in vielen Sprachen eine Wegmarkierung von übereinandergelegten Steinen Kern...

4. GESELLSCHAFT ALS KLASSENKAMPF, ÖKONOMIE ODER ANSAMMLUNG VON INDIVIDUEN

(33) Nahezu alle Visionen sehen die Gesellschaft als eine Gesellschaft der Klassen, der Machtkämpfe zwischen Schichten oder Gruppen oder als Gewusel mehr oder weniger bekloppter Individuen. Mensch kann die Gesellschaft aber auch anders sehen. Die in linken Kreisen zu Unrecht verschriene Systemtheorie sieht die Gesellschaft seit Ende des 18. Jahrhunderts bis heute als eine sogenannte „funktional ausdifferenzierte Gesellschaft“. Das bedeutet, dass wir alle in Rollen eingeteilt sind, in denen wir eine Funktion erfüllen müssen. Wir sind ArbeitnehmerIn, StudentIn, AntragstellerIn, KünstlerIn, AktivistIn etc.... Unser Individuum ist überall und nirgends mehr zu Hause. Das liegt daran, dass die Gesellschaft nicht mehr aus klaren Ständen, Klassen oder Schichten, sondern aus Systemen besteht. Solche Systeme sind etwa Wirtschaft, Recht, Wissenschaft, Kunst, Bildung oder Politik. Die Systeme halten sich nicht durch individuelle Menschen am laufen, sondern durch Kommunikation. In jedem System ist nur eine bestimmte Art von Kommunikation möglich und die orientiert sich an einfachen Codes wie wahr/falsch, haben/nicht-haben, recht/unrecht usw....wer nicht nach den Regeln eines Systems kommuniziert, hat keinen Einfluss auf das System. Ich kann somit etwa noch so viel gegen Gentechnik aus moralischer oder politischer Sicht sagen, im System Wissenschaft wird mir keiner zuhören, da es dort nur um wahr oder falsch, möglich oder nicht möglich geht. Das ist auch der Grund, warum ein Künstler alles sagen darf und „wir“ bei Demos von der Straße gekloppt werden – alles, was der Künstler sagt, wird dem System Kunst zugerechnet und nicht der Politik. Wenn wir uns darüber klar werden, dass somit Realität durch Kommunikation entsteht, fallen sämtliche alten Feindbilder und Schuldzuschreibungen weg.

(33.1) Re: 4. GESELLSCHAFT ALS KLASSENKAMPF, ÖKONOMIE ODER ANSAMMLUNG VON INDIVIDUEN, 25.07.2002, 22:32, Frank Hertel: Die Systemtheorie wird von Linken abgelehnt, weil sie das Konzept des alles vereinnahmenden Nationalstaats auf die komplette Gesellschaft überträgt. Es heißt wir Deutsche, dabei müßte es wir Arbeiter heißen. In der Sytemtheorie heißt es sogar wir Politiker, links und rechts verschwindet.

(33.2) Alle Rollen sind noch nicht geöffnet, 07.05.2003, 04:22, Uwe Berger: Systeme sind etwas ge/be-Dacht´es und die wandernten Zimmerlinge sind da im realexistierenden Christentum auch nur sozusagen die Gerüstbauer der Freimauernden sich einpassenden Mosaikas. Zum "!wahr und falsch" der Wissenschaft: da habe ich heute grad´ wieder einen medizynischen Radiobeitrag mit ein paar zugelassenen Anrufern hören müssen. Hirntumorbehandlung, da fragte eine (Ver)zweifelnde, weil alles noch nicht richtig geholfen hat: "war das die beste und richtige ärztliche Möglichkeit?" die Moderatorin antwortete: offensichtlich nicht, sie möge nur fortfahren, einen wirksamen Eingriff zu finden. Und hier intervenierte ein Anderer: "So dürfte das nicht gesagt werden, sondern sie hätte genau in der vorgeschriebenen Reienfolge der Schulmedizyan die richtige Behandlung bekommen und wenn das noch nicht geholfen hat, ist das eben so und müßte dann eben nicht mehr bzw. auf eigene Kosten..., (und hier interpretiere ich die gebrochene Stimme des Intervenators) mit neuen risikoreichen Eingriffen, sich als "das Versuchskaninchen, das bin ich" bewerben oder mit dem Sterben anfreunden. Ich behaupte: selbst wenn das KrankheitsVersicherungsSystem zusammenbricht - der psychosoziale Urgrund von Kranken, Krimis und rumKriegereien ließe sich durch ein schulmedizinisches Zulassen der Erkenntnisse und Ändern der vorgeschriebenen Reienfolge sozialen Einwirkens spontanheilungsmäßig abwenden, doch damit ist kein Geschäft zu machen! - Bleibt nun abwickeln der wissenschaftlich vorgeschriebenen Reienfolge, was ja sowieso passiert, wenn die Kassen leer sind. Und an dieser Stelle an die Umkehrung und Entwicklung der Medizin erinnern aus den lateiNischen Litaneien, der Erstellung der Anamnese und der Ordinierung, von was auch immer. Denn was gut ist und seine "Ordnung" hat, das braucht uns keiner erzählen. Das wissen wir durch uns. RentenFurzSicherheit: Deutschland kennt die Vernichtung durch Arbeit und "seinen" Hartmannbundschuh, der niemandem passen will: die Rentenkassen sind auch nicht zu retten, wenn alle bis zum Umfallen arbeiten müssen, weil wir das sogar wollen und sei es erst mit 120, so wird die grenzenlose Produktivkraft (Das Tuch der Weber,tüchtige Tugend) zum Leichentuch des Stinkenden Fisch´s. dran!dran! das System ist austherapiert und wir werden Dieses, anstatt der Behinderten, in eine Einrichtung bringen, zur Beobachtung und Warnung und Mahnung, daß das deutsche Renten, Kranken und ABC-Kriegs-System das Ende der "Auslese durch Alphabetisierung" eingeläutet hat. - Wer geschäftig ist, der kann das Reich nicht nehmen, wer Freude am Töten hat, dem wird das Reich nicht überantwortet werden. http://www.volksabstimmung.org

5. DAS AUSSCHLIEßENDE DENKEN

(34) Wir alle denken immer noch in Kategorien wie ja/nein, Freund/Feind, richtig/falsch etc...Dieses Denken findet mensch auch in allen emanzipatorischen Visionen. Da wird Autorität und Dominanz so vehement als falsch dargestellt, dass mensch gar nicht bemerkt, dass dieses Pochen auf den eigenen emanzipatorischen Prinzipien auch dominant ist und sein will, da es Leute überzeugen soll. Da wird immer noch in alten Ursache-Wirkung- Mechanismen gedacht. Die Sicht der Gesellschaft als Netz von Systemen, die durch Kommunikation laufen und in denen wir ausnahmslos alle eine Funktion erfüllen macht dagegen klar, dass nahezu alles in Kreisläufen läuft und um sich selber kreist. Ein Denken in Grautönen und Zwischenkategorien fehlt völlig. So spiegelt sich dann auch in „visionären Kreisen“ die große Gesellschaft im Kleinen wieder – und zwar in ungeschriebenen Regeln, Dresscodes, Tabus und Zersplitterung in Kleinstszenen und Untergruppen.

(34.1) Re: 5. DAS AUSSCHLIEßENDE DENKEN, 24.03.2004, 18:42, s w: Leider findet man oft bei den Ideologen für eine bessere Welt dieses S/W-Denken (Oh! - Mein Pseudonym bedeutet aber etwas anderes!): Häufig wird gepredigt, dass alle an einem Strang ziehen müssen, damit die große Wende kommt. Leider auch in der Nachhaltigkeitsdebatte, die mir ihren sozialen Dimensionen nicht recht nachhaltig vorkommt. Meiner Meinung nach ist dieses Denken sehr fanatistisch, auch wenn diese Schriften Beiträge zur Erkenntnis und Lösung bestehender Probleme enthalten: Ich glaube, es ist dem (menschlichen) Leben 1. nicht angemessen, weil es qualitative Unterschiede nivelliert und deshalb 2. schlichtweg in dieser Form illusorisch, kann neuer Diktatur Vorschub leisten. Wir müssen nicht alle den gleichen Lebensstil annehmen, um unsere Lebensgrundlagen nicht weiter zu zerstören, können es wahrscheinlich auch nicht (außerdem: wer liefert die Norm für den Lebensstil?). Liegen die Keime für eine humanere Welt nicht gerade in den Zwischentönen? Besteht ein Leben in Würde nicht gerade in der Pluralität, der Demokratie, der Vielfalt, der Biodiversität? Und hier die Chancen, auf Krisen zu reagieren und neue Wege zu finden?

6. FAZIT – UMDENKEN!

(35) Ich stelle die These auf, dass wir unsere elementaren Annahmen über Welt, Mensch und Gesellschaft überdenken müssen, wenn wir überhaupt noch erfolgreich für unsere Visionen kämpfen wollen. Es kann nicht sein, dass wir immer noch glauben, als heldenhafte Kämpfer für „die eine, wahre Realität“ anzutreten und alle anderen Menschen nicht als Individuen sehen, deren Wahrheit nun mal anders gebildet wurde als unsere, sondern als Idioten mit „falschem Bewußtsein“, die wir imgrunde verachten. Wenn wir weiter unsere alte Schiene fahren, ohne wenigstens dafür offen zu sein, wie mensch Gesellschaft und Kommunikation auch sehen kann (selbst wenn das unbequem ist), blockieren wir uns selber und nehmen uns viele Möglichkeiten.

Bücher und Quellen

(36) Die meisten Bücher findet ihr bei den Verlagen Trotzdem, Karin Kramer oder bei dem Versand Anares – imgrunde also in jedem guten Weltladen mit Bibliothek oder jedem linken Antiquariat.

(37) Bakunin, Michail - Gott und der Staat

Blubb, Tobi – Panokratie

Callenbach, Ernst - Ökotopia

Chomsky, Noam – Sprache und Politik

Chomsky, Noam – Haben und Nicht-Haben

Fourier, Charles – Theorie von den vier Bewegungen und den allgemeinen Bestimmungen

Fourier, Charles – Abhandlungen über die haus- und landwirtschaftlichen Assoziationen

Godwin, William – Über die politische Gerechtigkeit

Gruppe Gegenbilder – Freie Menschen in freien Vereinbarungen

Gruppe Krisis – Feierabend – Elf Attacken gegen die Arbeit

Kramer, Karin (Hg.) – Was ist eigentlich Anarchie?

Kropotkin, Peter – Worte eines Rebellen

Kropotkin, Peter – Der Anarchismus

Kropotkin, Peter – Die Eroberung des Brotes (Wohlstand für alle)

Kropotkin, Peter – Gegenseitige Hilfe in der Tier und Menschenwelt

P.M. – Bolo Bolo

Proudhon, Pierre – Was ist das Eigentum

Stiner, Max – Der Einzige und sein Eigentum

Watzlawick, Paul – Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

www.anarchie.de

www.thur.de/philo/alternativen.htm (Kabrack Archiv Utopien)

www.panokratie.de

www.opentheory.org

(37.1) Website:, 07.09.2001, 16:55, Cherie, Anne R. : www.mises.org

(37.2) PM: SubComa, 27.12.2001, 00:52, Karl Dietz: neues Buch von PM. Einige Infos dazu in http://coforum.de Gruesse, Karl, http://www.tao48.de


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