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Zum Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz

Maintainer: Stefan Meretz, Version 1, 02.12.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

(1) "Konkurrieren" ist ein schillerndes Wort. Es hat ein weiteres Bedeutungsfeld, denn es bedeutet sowohl "wetteifern" wie auch "parallel laufen". Unter Moralisten hat es einen negativen Touch im Sinne der Bedeutung "sich auf Kosten anderer durchsetzen". Selbige wollen dann "Wettbewerb" davon positiv abheben, was eigentlich das gleiche bedeutet. Dualisten, die oft die Dialektik für sich beanspruchen, meinen, Konkurrenz dem Kapitalismus zuordnen zu können (etwa in der besonders verwerflichen Steigerungsform des "Konkurrenzsubjekts"), während eine freie Gesellschaft dagegen nur auf Kooperation aufbaue(n könne).

(1.1) so klappt das nicht ..., 05.12.2002, 10:52, Jörg ??: Ich finde es zunehmend langweilig, daß als Ausgangspunkt der Debatte ständig Beschreibungen der Nutzung der Begriffe Kooperation und Konkurrenz benutzt werden, die so nicht stimmen. Letztlich steht dahinter, den Prominenten PDSler Christoph Spehr zum Kopf der Debatte zu erklären und alles andere als Teildiskussion der von Spehr ursprünglich definierten Sichtweisen einzustufen. In der Debatte um Freie Menschen in Freien Vereinbarungen wird z.B. diese Frage (die keineswegs das einzige Zentrum ist) darauf ausgerichtet, wieweit bestimmte gesellschaftliche Rahmenbedingungen kooperatives Verhalten oder konkurrierendes Verhalten fördern. Das behauptet nicht, daß es einfach nur Gegensätze sind, sondern eben verschiedene Qualitäten - verbunden mit der wertenden Aussage, das eine zu wollen und das andere nicht. Daß freie Gesellschaft nur auf Kooperation und sonst nix beruht, ist ohnehin nirgendswo behauptet - Spehr z.B. hat noch ziemlich wirre Staatstheorien, wenn mensch mal kritisch nachfragt. Etwas ausführlicher habe ich meine Kritik an der seltsamen Fragestellung nach Ko-Korrenz/Kooperenz schon in Bennis Text dargestellt.

(1.1.1) Re: so klappt das nicht ..., 06.12.2002, 11:28, Stefan Meretz: Ich erkläre Christoph Spehr nicht zum Kopf von irgendwas und habe meine Kritik an seiner Kooperationstheorie deutlich gemacht. Wenn du meinst, die Begriffe würden "so nicht stimmen", dann sag mal, wie sie stimmen. Ein Link reicht, wenn du das schon irgendwo aufgeschrieben hast.

(1.1.2) Re: so klappt das nicht ..., 06.12.2002, 11:34, Stefan Meretz: Du sagst, dass "kooperatives Verhalten oder konkurrierendes Verhalten ... nicht ... einfach nur Gegensätze sind, sondern ... verschiedene Qualitäten - verbunden mit der wertenden Aussage, das eine zu wollen und das andere nicht". Da ich nicht verstehe, worin die verschiedenen, dann wohl nicht-gegensätzlichen Qualitäten bestehen, sehe ich keinen Unterschied zu dem von mir behaupteten und kritisierten Fassung als gegensätzlichen Begriffen. Zumal du dann beide Begriffe normativ verwendest: das eine zu wollen und das andere nicht. Der Unterschied zu den Traditionsmarxisten besteht dann nur darin, dass du die Konkurrenz in einer freien Gesellschaft nicht verschwinden, sondern weiter im Kampf gegen die Kooperation siehst. Da kann ich keine Überwindung des Dualismus erkennen.

(1.1.2.1) Re: so klappt das nicht ..., 06.12.2002, 19:34, Jörg ??: Als kooperative Wirkung einer Handlung würde ich bezeichnen, wenn eine Handlung (egal ob gewollt oder nicht) aufgrund der Rahmenbedingungen so wirkt, daß auch andere davon etwas haben, also am Ergebnis bzw. Folgewirkungen partizipieren können (Beispiele: Produktion, wenn es kein Eigentum gibt; Musik/Technik-/Software-Entwicklung ohne Copyright usw.). Als konkurrierende Wirkung würde ich bezeichnen, wenn selbiges Verhalten die Lage anderer verschlechtert, ihnen z.B. Handlungsmöglichkeiten entzieht (Eigentum an Boden, Luft, Rohstoffen usw.; Eigentum an Daten-/Stromleitungen usw.). Das sind zwei Aspekte der Wirkung von Handlungen neben vielen anderen.

(1.1.2.1.1) Re: so klappt das nicht ..., 06.12.2002, 19:37, Jörg ??: Kommentar zu mir selbst: Mag sein, daß es bessere Begriffe gibt dann als K&K. Aber so wie hier ist es z.B. bei Ohne_Herrschaft_ginge_vieles_nicht und ja auch beim Gegenbilderbuch genutzt. Eine Kritik an den Spehrschen Ideen trifft das mE daher erstmal nicht.

(2) Benni Bärmann dagegen vertritt in seinem Aufsatz Kooperation und Konkurrenz, dass jede Gesellschaft von einem bestimmten Verhältnis von Konkurrenz und Kooperation gekennzeichnet sei. Es mache also keinen Sinn beide Begriffe als einander ausschließend zu behandeln, sondern man müsse zur Klärung eben dieses Verhältnis genauer bestimmen. Mit Bennis Ansatz tun sich viele ziemlich schwer wie die Diskussion zeigt: Wenn man nicht bestimmt, was Konkurrenz und Kooperation "ist", dann kann man auch nichts über das Verhältnis sagen. Da ist was dran. Andererseits kann man die Begriffe erst klären, wenn man ihr Verhältnis zueinander bestimmt hat. Da beisst sich die Katze in den Schwanz.

(2.1) Merker: Konkurrenz ist eine Kooperationsform, 13.07.2006, 12:18, Stefan Meretz: Als Merker für mich selbst: Ich meine, dass weder Benni in http://www.opentheory.org/kooperenz/text.phtml noch ich in http://www.opentheory.org/ko-kurrenz/text.phtml das Verhältnis von Konkurrenz und Kooperation angemessen erfasst haben. Ohne es jetzt ausführen zu können denke ich, dass es unterschiedliche Kooperationsformen (gab und) gibt, von denen Konkurrenz eine ist. Platt dualistisch gesagt: Es gibt herrschaftsförmigen Kooperation, die u.a. "konkurrent" ist, und Formen der herrschaftsfreien Kooperation. Hm. Das ist es noch so ganz. Aber in die Richtung.

(2.1.1) Re: Merker: Konkurrenz ist eine Kooperationsform, 14.07.2006, 10:07, Benni Bärmann: Hm, das überzeugt mich jetzt zumindestens in dieser Kurzform überhaupt nicht. Wie kommts dass Du nach Jahren das Thema noch mal aufgreifst? Habt ihr in Hütten drüber gesprochen? Ich finde mit dieser Definition greifst Du viel zu kurz und fällst hinter unsere Erkenntnisse zurück. Klar, Konkurrenz ist eine Kooperationsform aber umgekehrt ist Kooperation eben auch eine Konkurrenzform. Es gibt keine Kooperation ohne Konkurrenz und umgekehrt. Das ist für mich der Kernpunkt. Selbst noch die freieste Kooperation basiert gerade darauf, dass jeder die Verhandlungsmacht hat auf die Kooperation Einfluß zu nehmen und das ist schon eine Form von Konkurrenz.

(2.1.1.1) Konkurrenz ist nicht eigenständig begründbar, 14.07.2006, 11:37, Stefan Meretz: Mit Hütten hat das nix zu tun, eher mit Holzkamp, den ich mal wieder gelesen habe (insofern doch mit Hütten: war eine Vorbereitung). Da geht es um die Genese von Kooperation bei der Menschwerdung. Um Kooperation und Konkurrenz in ein Verhältnis zu setzen, müssen die Begriffe für sich begründbar sein - sonst ist eine Aussage "Kooperation ist eine Konkurrenzform" nicht sinnvoll. Das gelingt mir (mit Holzkamp) mit Kooperation, nicht aber mit Konkurrenz.

(2.1.1.1.1) Re: Konkurrenz ist nicht eigenständig begründbar, 14.07.2006, 13:29, Benni Bärmann: Ist das in der "Grundlegung der Psychologie"? Hast Du mal ne Seitenzahl oder ein Kapitel? Ich finds nicht.

(2.1.1.1.1.1) Kooperation in der GdP, 14.07.2006, 15:08, Stefan Meretz: Hm, das ist nicht ein Kapitel, sondern zieht sich durch. Es beginnt entwicklungslogisch mit der "gelernten sozialen Koordination", in welcher sich die Artgenossen wechselseitig als "soziale Werkzeuge" einsetzen und die zur Ausbildung einer entsprechenden "sozialen Intentionalität" führt (168ff). In Kapitel 5.3 (174) wird dann die Entwicklung zur "arbeitsteiligen Kooperation" (177) beschrieben, was nach dem Dominanzwechsel zur "verallgemeinerten gesellschaftlichen Vorsorge durch Arbeit" (181) wird - später auch "gesamtgesellschaftliche Kooperation" genannt. In Kapitel 6.2 diskutiert er das gleiche nochmal hinsichtlich von Bedeutung und Bedürfnis. Der Übergang von der Sozialkoordination zur Kooperation beginnt auf S. 212 unten. Dito dann nochmal hinsichtlich der psychischen Funktionen Wahrnehmung, Emotion, Motivation in Kapitel 7.2, insbesondere ab 266. - "Kooperation" steht also nicht an einer Stelle, sondern zieht sich durch das Buch, was es leider nicht gerade einfach macht, das mal eben nachzulesen.

(2.1.1.1.1.1.1) Re: Kooperation in der GdP, 15.07.2006, 09:37, Benni Bärmann: Ok, das pack ich jetzt grad nicht mich da durchzuwühlen. Ich nehm mir trotzdem mal die Freiheit zu antworten/nachzufragen halt einfach auf der Basis von dem was Du schreibst. Sollte ich was falsch verstanden haben, korrigier mich einfach.

(2.1.1.1.1.1.1.1) Re: Kooperation in der GdP, 19.07.2006, 10:58, Benni Bärmann: Ok, ich hab jetzt doch mal versucht das in der GdP nachzuvollziehen, muss aber gestehen, dass das nur teilweise geglückt ist. Immerhin glaube ich jetzt zu verstehen, worauf Du hinaus willst: Geht es Dir darum, dass Kooperation eben etwas Spezielles ist, weil es IYHO den Spezialfall der gesamtgesellschaftlichen Kooperation gibt (wie Du ja in Deiner Kritik an Spehr ausgeführt hast)? Demnach könnten Kooperation und Konkurrenz nur dann auf gleicher Augenhöhe ein Verhältnis eingehen, wenn es auch so etwas wie eine gesamtgesellschaftliche Konkurrenz gäbe (als menschliche Eigenschaft nicht de facto heute)? Und das hältst Du für unmöglich. Hab ich das so richtig in meinen Worten wiedergegeben?

(2.1.1.1.1.1.1.1.1) Re: Kooperation in der GdP, 27.07.2006, 14:35, Benni Bärmann: Also ich nehme Dein Schweigen mal als Zustimmung (das machst Du übrigens öfter, dass Du auf direkte Nachfragen nicht antwortest, das finde ich ziemlich irritierend).

Mich überzeugt das noch nicht, vor allem weil mich Holzkamp in dieser Frage nicht überzeugt.

Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass nicht Kooperation das spezifisch menschliche ist, sondern eben Kooperenz. Dagegen finde ich auch bei Holzkamp keine Argumente.

Generell habe ich aber auch ein Problem mit dieser Art der Begründung, die empfinde ich als dogmatisch und biologistisch. Wieso kann ich nur dann die Spezifik gesellschaftlicher Fragestellungen anerkennen, wenn ich das evolutionär-biologisch begründe? Generell wirkt die holzkampsche Entwicklungslogik auf mich starr und beserwisserisch, da ist nichts im Fluß und alles ist so und nicht anders. Das mag nur ein kulturelles Problem sein, aber vielleicht ein symptomatisches.

(2.1.1.1.1.1.1.1.1.1) Re: Kooperation in der GdP, 27.07.2006, 15:42, Stefan Meretz: Sorry, dass ich nicht geantwortet habe:-( Ich hätte wenigstens schreiben sollen, dass mir dazu im Moment nix einfällt. Das passiert mir nämlich öfter mal. Ich muss dann einfach noch länger nachdenken, oder den begonnenen Nachdenkweg abbrechen und einen neuen anfangen. Ausgangspunkt der neuen Debatte war eigentlich "nur" ein kleiner Merker für mich selbst;-)

(2.1.1.1.1.1.1.1.2) Re: Kooperation in der GdP, 27.07.2006, 15:53, Stefan Meretz: Uff, ich weiss nicht. Mein Ausgangspunkt war ja die These, dass Konkurrenz ein Fall von Kooperation ist. Bei Spehr hab ich kritisiert, dass er letztlich keinen Begriff von Gesellschaft hat und deswegen nur personale Kooperationen kennt. Wenn personale und gesamtgesellschaftliche Kooperation etwas qualitativ unterschiedliches sind, dann es nicht sinnvoll, schematisch nach sowas wie gesamtgesellschaftlicher Konkurrenz zu suchen (bis zu deinem Beitrag wäre ich auf die Idee gekommen - also: danke für die Idee!). Umgekehrt ist das nun widerum kein Argument dafür, dass es Konkurrenz bei personalen Kooperationen nicht gäbe.

(2.1.1.1.2) Re: Konkurrenz ist nicht eigenständig begründbar, 15.07.2006, 09:46, Benni Bärmann: Es sind nicht erst die Begriffe da und dann ihr Verhältnis. Vielmehr sind Begriffe immer nur über ihr Verhältnis zu anderen Begriffen "definierbar". Oder mit Deleuze/Guattari: Es gibt keinen "Anfang" in der Philosophie, kein "cogito" und auch sonst nix. Wir können uns nicht aus dem (Begriffs-)Sumpf ziehen in dem wir schwimmen, wir können nur ein bisschen drin rumwirbeln.

(2.1.1.1.2.1) Begriffe wissenschaftsfähig?, 17.07.2006, 12:28, Stefan Meretz: Wenn wir nur drin rumwirbeln, wäre sowas wie ausweisbarer Wissensfortschritt nicht denkbar. Gerade weil wir alltäglich im Begriffssumpf schwimmen, also immer theoriegeleitet auf Welt blicken und zugreifen, müssen wir die Begriffe zum Gegenstand von Wissenschaft machen - und nicht einfach ausblenden, wie das die bürgerliche Wissenschaft tut und einfach Begriffe setzt ("definiert"). Begriffsgewinnung muss Teil von Wissenschaft sein. Zu sagen, das ginge nicht, kommt mir eher peinlich und affirmativ vor - also, wenn das der Beitrag der Postmodernen ist...

(2.1.1.1.2.1.1) Re: Begriffe wissenschaftsfähig?, 17.07.2006, 15:55, Benni Bärmann: Da hast Du mich missverstanden. Ich plädiere ja gerade dazu die Begriffe zu erforschen. Wir unterscheiden uns vielleicht darin, wie man da vorzugehen hat. Ich denke eine solche Begriffsforschung muß eben wirbelig sein und nicht nach dem Motto "erst A dann B" vorgehen, weil es eben keinen Anfang gibt in der Welt der Begriffe (Oder vielleicht besser: beliebig viele Anfänge). Ich bin sehr wohl dafür Begriffe zu "gewinnen". Die natürliche Sprache kennt keine Axiome. In diesem Sinne ist sie unwissenschaftlich. Das ist aber ihre Stärke. Diese Stärke fruchtbar zu machen für eine emanzipatorische Theorie sollte unser Ziel sein.

(2.1.1.1.2.1.1.1) Re: Begriffe wissenschaftsfähig?, 17.07.2006, 16:50, Stefan Meretz: Na, dann sind wir wieder nahe bei einander. Nur zwei Anmerkungen: Ich bin (hier) nicht für ein axiomatisches Verfahren; das hat nämlich gerade das Rauslassen der Begriffe aus der Wissenschaft zur Folge - sie werden eben einfach gesetzt. Und: Ich bin für eine Verwissenschaftlichung des Alltags. Für emanzipatorisch halte ich, den scheinbaren Gegensatz von Wissenschaft und Alltag aufzuheben.

(2.1.1.2) Kooperation ohne Konkurrenz, 14.07.2006, 11:47, Stefan Meretz: Deiner Aussage "Es gibt keine Kooperation ohne Konkurrenz und umgekehrt" kann ich als Beschreibung für unsere Verhältnisse zustimmen. Die gilt aber nicht historisch: Da war die Kooperation zur Zeit der Hominiden zunächst mal eine Weise der Überlebenssicherung, die einen evolutionären Vorteil bot (weswegen sie sich durchgesetzt hat) - wenn du so willst in "Konkurrenz" zu anderen Sozietäten, die dieses Feature noch nicht entwickelt hatten. Diese frühen Kooperationen konnten sich Konkurrenz innerhalb der Sozietät (noch) nicht leisten. Konkurrenz kam erst hinzu, als es auch etwas gab, um das konkurriert werden konnte (zuerst: ein Mehrprodukt, dann abgeleitet Einfluss etc.).

(2.1.1.2.1) Re: Kooperation ohne Konkurrenz, 15.07.2006, 09:41, Benni Bärmann: Also ich kenne einige Forschungsergebnisse die von Konkurrenz zwischen Primaten sprechen. Bei frühen Hominiden weiß man naturgemäß nicht so viel drüber, was die so getrieben haben, aber ich sehe nicht, wieso das soviel anders gewesen sein soll als heute bei Schimpansen oder Gorillas. Und da gibt es Konkurrenz genauso wie Kooperation. Davon zu sprechen, dass man sich Konkurrenz "leisten" können muß finde ich genauso irreführend wie davon zu sprechen, dass man sich Kooperation leisten können muß (Was ja die Liberalen oft tun).

(2.1.1.2.1.1) Re: Kooperation ohne Konkurrenz, 17.07.2006, 12:35, Stefan Meretz: Das "leisten-können" ist doch kein moralischer Begriff und hat nix mit politischen Moralisten zu tun, die über diesen Hebel die Menschen enteigenen wollen. Das systematische Argument war: Es muss ein Mehrprodukt geben, bevor es Konkurrenz geben kann. Anderenfalls geht die Sozietät unter, weil sie sich selbst schädigt. (Und ob Affen oder Schnecken sich unter Überflussbedingungen um die Nahrung streiten, ist hier nicht relevant - sie besitzen keine menschliche Natur.)

(2.1.1.2.1.1.1) Re: Kooperation ohne Konkurrenz, 17.07.2006, 16:04, Benni Bärmann: Du hast ja angefangen mit den Hominiden. Du argumentierst, dass sich "zur Zeit der Hominiden" Kooperation evolutionär durchgesetzt habe. Mag ja sein, nur war mein Argument, dass man das von Konkurrenz genau so behaupten kann. Wer sagt denn, dass Konkurrenz kein Mehrprodukt liefert? Das ist ja der Kern der liberalen Denke und auf dieser biologischen Ebene wird man dem nichts entgegnen können. Das müsste man ja archäologisch nachweisen und wie soll das gehen? Hat Holzkamp das denn getan? Wenn ich mich auf dieser Ebene bewege ist ein Forschungsergebniss bei Primaten durchaus relevant, denn schliesslich gabs da einen fließenden Übergang und wenn Primaten konkurrieren müsste man ja erstmal erklären, wieso es die ersten Hominiden nicht mehr tun sollen. Die Schnecken können wir allerdings tatsächlich ignorieren, da werden wir uns sicherlich einig.

(2.1.1.2.1.1.1.1) Re: Kooperation ohne Konkurrenz, 17.07.2006, 17:03, Stefan Meretz: Ja genau, das ist am historischen Material zu belegen. Und das haben Holzkamp und Co getan. Die Primaten habe ich als aktuellen Gegenstand rausgenommen, nicht als historischen. Es bringt nix, zu sagen: "Guck mal, die Affen kloppen sich um die Banane, also gibt's Konkurrenz bei Affen - und Affen waren nun mal vor den Menschen da." Die Affen sind von dem evolutionären Pfad zum Menschen aus geguckt ein Seitenzweig der Evolution, und die gemeinsamen Vorfahren sind ausgestorben (genau wie die Hominiden). Deswegen ist die Forschung hier auf die Funde angewiesen. Die Kritische Psychologie schafft es im Unterschied zu allen anderen, die richtigen Fragen zu stellen, weil sie ein adäquaten Begriff von der gesellschaftlichen Natur des Menschen hat und rekonstruktiv zeigen konnte, wie sich diese gesellschaftliche Natur in einem widerspruchvollen Prozess herausgebildet hat. So konnte die KriPsy schon Anfang der 80er Jahre formulieren, dass der Neandertaler ausgestorben ist, weil Gesellschaftlichkeit bei ihm nicht dominant wurde. Darauf kommen die traditionellen archäologischen Wissenschaften - in etwas anderer Sprache (weil sie auch keinen adäquaten Begriff von Gesellschaft haben) - erst jetzt, und viele bekommen es auch jetzt noch nicht hin.

(2.1.1.2.1.1.1.2) homo neanderthalensis out-cooperated, 17.07.2006, 17:15, Stefan Meretz: Ah, da fällt mir das Gespräch von Geert Lovink und Christoph Spehr unter dem Titel Out-Cooperating the Empire? ein: Der Neandertaler wurde sozusagen "aus-kooperiert" vom Homo Sapiens.

(2.1.1.3) Ziel der Diskussion, 14.07.2006, 11:58, Stefan Meretz: Das Ziel der Diskussion war für mich, der oberflächlichen und tendenziell moralisierenden Entgegensetzung von "Kooperation = gut" statt "Konkurrenz = schlecht" etwas entgegenzusetzen. Intuitiv war mir schnell klar (auch durch deine Beiträge), dass es sich um ein Verhältnis handelt und nicht um ein entweder-oder. Aber wie ist das Verhältnis beschaffen? Das ist für mich noch offen. Allein auf der logischen Ebene klingt deine Aussage "A ist eine B-Form und B ist eine A-Form" nur dann machbar, wenn gilt "A = B", also Kooperation ist Konkurrenz. Das stimmt auch "irgendwie", ist aber so vermatscht, dass man gar nichts mehr differenzieren kann. Kurz: Vieles ist mir da noch unklar. - Ich falle also nicht zurück, sondern du bleibst stehen;-) - ok, lassen wir das:-)).

(2.1.1.3.1) Re: Ziel der Diskussion, 15.07.2006, 09:43, Benni Bärmann: Ist das nicht der Unterschied zwischen dialektischer Logik und undialektischer? In ersterem Fall folgt aus "A braucht B" und "B braucht A" nicht zwingend "A=B".

(2.1.1.3.1.1) Re: Ziel der Diskussion, 17.07.2006, 12:47, Stefan Meretz: Hm, ja, kann sein, wobei dann auch wieder gilt A=B - nur nicht verstanden als mathematische Identität, sondern als Identiät von Differenz und Identität. - Geklärt werden kann das IMHO nur, wenn die Begriffe (Kooperation, Konkurrenz), die das Verhältnis eingehen, geklärt werden können. Und da halte ich unsere beiden Ansätze für unzureichend.

(2.1.1.3.1.1.1) Re: Ziel der Diskussion, 17.07.2006, 16:00, Benni Bärmann: Ich sehe es eher anders. Erst in diesem Prozeß der Klärung des Verhältnisses klären wir einen Teil dessen, was die Begriffe ausmachen. Es gibt keinen sinnvollen Begriff ohne seine Verhältnisse zu anderen Begriffen. Also wenn das der Beitrag der Dialektik sein soll ... ;-)

(2.1.1.3.1.1.1.1) Re: Ziel der Diskussion, 17.07.2006, 17:07, Stefan Meretz: Da sind wir uns dann doch wieder einig: Unbedingt ist das Verhältnis der Begriffe zu klären. Nur klären sich die Begriffe selbst eben nicht allein durch ihr Verhältnis. - Wir kommen von zwei Seiten (wie öfter mal).

(2.1.2) Autonome interagierende Agenten (1), 06.08.2006, 11:09, Hans-Gert Gräbe: Ich bringe mal meinen Begriff der "autonomen interagierenden Agenten" hier rein, weil Kooperation und Konkurrenz dies voraussetzen. Und die Unterscheidung zwischen Individuum und Person, die Peter Ruben in seinem Text (ruben-98) noch einmal herausgearbeitet hat: "... das Individuum ist Element der Gemeinschaft, sein letzter unteilbarer Teil, gegen den sie das Ganze ist. In der Gesellschaft aber, wenn sie durch den Austausch konstituiert wird, determinieren sich die tauschenden Einzelmenschen als Personen ..., d. h. als Vertragspartner. Die Gemeinschaft kann sehr wohl Personen produzieren. Sie tut es dann, wenn ihr Gemeinwesen Individuen aus der Gemeinschaft zu Vertragspartnern seiner selbst macht, z.B. durch Ausschreibung von Projekten, um deren Realisierung sich Individuen bewerben können. Das ist zuerst in Rom geschehen, wo sich Römer zur Unterhaltung der Armee im Kriege gegen Karthago um die Lieferung von Lebensmitteln über See im Auftrage des Staates zur societas zusammenschlossen. Und selbstverständlich verwirklichen sich Einzelmenschen im Fernhandel auf eigene Rechnung als Personen, indem sie unabhängig von ihren Gemeinschaften mit Fremden Verträge abschließen. Das bedeutet nicht, daß sie dadurch etwa aufhören, Individuen ihrer Gemeinschaften zu sein. Vielmehr handelt es sich darum, daß die Bestimmungen des Individuums und der Person den Einzelmenschen in ihren Bindungen zukommen, die wir Gemeinschaft und Gesellschaft nennen. Diese Bindungen sind nicht aufeinander reduzierbar, bilden vielmehr einen unaufhebbaren dualen Gegensatz, der dem Gegensatz zwischen Produktion und Austausch entspricht. Das Individuum ist daher nicht das gesellschaftliche Wesen, sondern nie etwas anderes als die Einzelinstanz einer Gemeinschaft. Und das gesellschaftliche Wesen ist der Austausch, der ebenso von Gemeinwesen wie von Personen realisiert wird." Rubens "Person" ist also hier Synonym für meinen Begriff des "autonomen interagierenden Agenten".

(2.1.2.1) Re: Autonome interagierende Agenten (1), 30.08.2006, 15:58, Stefan Meretz: Sorry, der technische Begriff "autonome interagierende Agenten" hat gar nichts mit dem hier diskutierten zu tun. Ob du damit gleichzeitig noch Ruben vergewaltigst, kann ich nicht einschätzen. Dass du das Individuum nicht für ein gesellschaftliches Wesen hältst, überrascht mich dann doch - auch wenn diese Position schon zu deiner Wandlung zum Rechtfertiger der Warenform passt, die das Individuum in der Tat nur kennt als "Einzelinstanz einer Gemeinschaft" (vulgo: "Warenmonade"). Vielleicht ist es aber keine Wandlung, sondern Kontinuität, und ich habe es bisher nur nicht verstanden.

(2.1.2.1.1) 15.10.2006, 22:17, Hans-Gert Gräbe: Wieso ein technischer Begriff? Wie heißen bei dir die Subjekte, die im Verhältnis "von Kooperation oder Konkurrenz" stehen? Welche grundlegenden Eigenschaften haben sie? Sind sie in ihrer Entscheidungsfindung nicht weitgehend autonom in dem Sinne, dass sie ihre Entscheidungen - im Gegensatz zu einem Kommandosystem - nicht von außen diktiert bekommen, sondern vor allem aus inneren Beweggründen treffen? Und setzt dies nicht eine Gesellschaft voraus, die ihnen diese Freiräume ermöglicht (oder wenigstens suggeriert, dass sie vorhanden wären)? Und sind sie damit nicht Träger von Agens in dieser Gesellschaft, also in diesem Sinne Agenten? Interagierend muss ich sicher nicht auch noch erläutern. Ebenso nicht, dass diese kapitalistische Gesellschaft in der Sicherung dieser Voraussetzungen weiter geht als alle vorkapitalistischen. Falls doch: (MEW 4, S. 462 ff.) oder - besser noch - (MEW 3, S. 50-70). Ob eine solche Aussage schon was mit "Rechtfertiger der Warenform" zu tun hat, ist deine Einschätzung. Aber vielleicht hierzu: (MEW 3, S. 70-77).

(2.1.3) Autonome interagierende Agenten (2), 06.08.2006, 11:11, Hans-Gert Gräbe: Und solche "autonomen interagierenden Agenten" haben (innere) Zustände und Schnittstellen, über die sie kommunizieren. Sie sind con-current (nebenläufig), auf demselben Target, tätig und müssen die dabei auf natürliche Weise auftretenden Schreibkonflikte (des Tuns als Verändern der gemeinsamen Welt) auflösen. Geht sinnvollerweise nur über locks - deshalb gibt es Eigentum. Wenn sich die Agenten nicht umeinander kümmern (wie unter der "blinden Selbstbewegungsstruktur des Geldes üblich"), dann ist dieses Kofliktlösungsverhältnis ein Gewaltverhältnis, eben Konkurrenz. Sobald sie sich umeinander kümmern, entstehen komplexere Strukturen. Weil zunächst (1) äußerliche Verhältnisse intern abgebildet werden können, dann (2) diese internen Bilder zu größeren Einheiten zusammengefügt werden können, weiter (3) die Schnittstellenprotokolle so modifiziert werden können, dass man über diese je inneren Bilder größerer Einheiten kommunizieren uns schließlich Kohärenz erreichen kann (Gebrauch der Vernunft zum Raisonnieren) und schließlich (4) diese Kohärenz "realisiert" als Kooperation (Gebrauch der Vernunft zum Tun). Damit entsteht eine neue "Person" in (Rubens Sinn), die selbst wieder innere Zustände hat. Diese sind aber verschieden von den inneren Zuständen der sie konstituierenden "Personen", weil sich die inneren Zustände der "neuen Person" in den Daten manifestieren, die über das neue Protokoll laufen. Die Zustände sind in einem Verhältnis vergegenständlicht!

(2.1.3.1) Re: Autonome interagierende Agenten (2), 30.08.2006, 16:09, Stefan Meretz: Diese Analogie mit den Schreibkonflikten zur Erklärung von Eigentum scheinst du ernst zu meinen - du hast sie schon öfter gebracht. Ich gebe zu: Bisher habe ich das eher überlesen, weil ich Analogien nur den Rang von Illustrationen von etwas vorher Ausgeführtem geben kann. Bei dir scheint die Analogie für die Erklärung selbst zu stehen: Sie "ist" gleichsam die Erklärung. Was kommt da nun raus? Eine hübsche Ontologisierung von Eigentum: Eigentum als natürliche gesellschaftliche Regulationsform.

(2.1.3.1.1) 15.10.2006, 22:18, Hans-Gert Gräbe: Wieso? Eigentum ist "Verfügungsgewalt über eine Sache" (BGB 903) und im Sinne einer produktiven Aktivität wohl vor allem über eine Ressource. Was ist ein lock in der Informatik anderes? Man kann sicher anders mit Schreibkonflikten umgehen, und die Informatik kennt da auch kooperative Verfahren, aber das bedeutet nicht, dass auch diese kooperativen Verfahren letztlich den Konflikt lösen müssen. Das ist beim Thema Eigentum nicht anders. Die Konflikte bleiben und du müsstest schon ein paar Worte darüber verlieren, wie du dir sinnvollere Konfliktlösungsstrategien vorstellst.

(3) Ich will Bennis Ansatz aufgreifen und versuche, das Dilemma zu lösen, in dem ich zunächst phänographisch (die Phänomene beschreibend) mein Vorverständnis der Begriffe darstelle, um anschließend systematisch die Bestimmungen der Begriffe zu entwickeln. Die Vorbegriffe müssen hinreichend allgemein sein, um nicht schon im Vorfeld Aspekte auszuschließen, die in der Systematisierung erst aufscheinen. Nach der Darstellung der Seins-, Wesens- und Begriffslogik von Annette Schlemm versuche ich von der Vielfalt der Erscheinungen über die Bestimmung des Abstrakt-Allgemeinen zum Konkret-Allgemeinen zu kommen - zumindest dem Anspruch nach.

(4) Ok, also erstmal meine phänographischen Vorbegriffe: Kooperation meint Ko-Operieren meint etwas-zusammen-tun oder kürzer: zusammenarbeiten. Konkurrenz meint kon-kurrentes Gehen, also paralleles Laufen. Über die Qualität von Ko-Operation und Kon-Kurrenz ist damit noch nichts gesagt. Nun mache ich mir klar, welchen erkenntnistheoretischen Status die Begriffe haben: Sind es individual- oder gesellschaftstheoretische Begriffe? Oder beides?

(4.1) paralleles laufen, 02.12.2002, 19:01, Wolf Göhring: con-currere: nach meinen lange zurueckliegenden lateinkenntnissen heisst das zunaechst auf einen punkt "zusammen-laufen" oder irgendwohin "gemeinsam-laufen", nicht so sehr "parallel-" oder "nebeneinanderherlaufen": Die gaffer laufen vor einem brennenden haus zusammen. Oder: Fuenf leute laufen zusammen in den wald zum joggen.

Im englischen waere konkurrenz mit competition zu uebersetzen, was eher den wettstreit ausdrueckt. Das englische concurrency drueckt das (unabhaengige) nebeneinanderherlaufen aus. Im deutschen dann mit nebenlaeufigkeit wiedergegeben, dem zentralen begriff in der theorie der Petri-Netze. Diese theorie begann mit der (schwer lesbaren) dissertation von C. A. Petri "Kommunikation mit Automaten", Bonn 1962. Mit Petri-netzen und der nebenlaeufigkeit kann man grundsaetzliche phaenomene in computern und netzen, auch in organisatorischen, also unmittelbar durch menschliches handeln bestimmten, beschreiben. Eine technische anwendung liegt in den uebertragungsprotokollen in computernetzen.

Im oekonomischen fuehrt die "nebenlaeufige" produktion der gueter zum austausch und zur konkurrenz auf dem markt. (s. Marx: das kapital 1, MEW 23, s.87) Spart man die hierin liegende dialektik formal-logisch aus, dann versperrt man sich den blick auf entwicklung. Die schon heute tatsaechlich vernetzte menschheit kann ihre kooperativen beziehungen trotz unvermeidbarer nebenlaeufigkeiten so umstrukturieren, dass der austausch fertiger produkte und damit die konkurrenz auf dem markt entfaellt. Diese umstrukturierung bedeutet im gegensatz zum heutigen kapitalverhaeltnis zugleich einen bewussten gesellschaftlichen umgang mit der nebenlaeufigkeit (und daraus folgenden konflikten und konfusionen).

Wouh! Damit soll's hier genug sein.

Mehr zur mathematik der nebenlaeufigkeit (und somit NIX zur dialektik, wie sie hier angedeutet wurde und die niemals mathematisch oder formal-logisch fassbar ist) u. a. unter http://www.informatik.uni-hamburg.de/TGI/GI-Fachgruppe0.0.1

(4.1.1) Sehr richtig!, 03.12.2002, 16:11, Ano Nym: Vor ca. einem Jahr prägte ich den schönen Satz "Mathematik und Logik sind der natürliche Feind jeder Dialektik". Dies sollte man den PositivistInnen jederzeit um die Ohren hauen, sobald es um gesellschaftliche Phänomene geht.

(4.1.2) 04.01.2005, 11:18, Hans-Gert Gräbe: Sehr interessante Bemerkung. concurrency und competition als zwei unterschiedliche Momente, die im deutschen Wort Konkurrenz gleichermaßen konnotiert sind. Übrigens heißen in der Geometrie Geraden, die durch einen gemeinsamen Punkt gehen, auch konkurrent, was dual zum Begriff der Kollinearität ist.

(5) Zu Kooperation habe ich im "Dschungeltext" begründet, warum es keinen Sinn macht, von "Kooperation als selbstähnliches Prinzip auf allen Ebenen" (von den individuellen Beziehungen bis zur gesamten Gesellschaft - wie Christoph Spehr das macht) auszugehen. In meiner Sicht ist es notwendig, zwischen personaler und gesellschaftlicher Kooperation zu unterscheiden.

(5.1) personale und gesellschaftliche Kooperation, 03.12.2002, 16:44, Bertrand Klimmek: Entspricht die Differenz "zwischen personaler und gesellschaftlicher Kooperation", die Du hier aufmachst, der Unterscheidung des Privaten vom Öffentlichen in der bürgerlichen Gesellschaft? Oder wie muß ich mir das vorstellen? Ist das Personale diejenige Sphäre, die noch zu überblicken - quasi unter Kontrolle - ist, in der man noch einigermaßen moralische Maßstäbe anlegen dürfen soll; und das Gesellschaftliche demgemäß die verselbständigte Sphäre des automatischen Subjekts, des totalen und unüberschaubaren Zusammenhangs?
Dann wäre eine allzu strikte analytische Trennung m.E. aber auch hier schon problematisch ... (Literatur: Michel Houellebecq)
Ich frage das deswegen, weil Deine Argumentation im folgenden darauf aufbaut.

(5.1.1) Re: personale und gesellschaftliche Kooperation, 04.12.2002, 08:21, Stefan Meretz: Weder "privat vs. öffentlich", noch "unter Kontrolle vs. außer Kontrolle". Analytische Trennung - ja, und zwar wie im Dschungeltext dargestellt (kategoriale Unterscheidung unabhängig von der gesellschaftlichen Form). Houellebecq sagt mir nix.

(5.1.1.1) Houllebecq, 04.12.2002, 13:25, Benni Bärmann: Das ist ein konservativer gehypter Romancier aus Frankreich. "Ausweitung der Kampfzone", "Elementarteilchen" sind seine berühmtesten Bücher. Mir ist allerdings grad nicht klar, was der mit dem Thema zu tun hat, obwohl ich die beiden genannten Bücher gelesen hab.

(5.1.1.1.1) Houellebecq-Bezug, 17.04.2003, 11:48, B. Klimmek: Wenn ich den Houellebecq richtig verstehe, dann handelt er doch immer davon, daß die spätkapitalistische Gesellschaft (auch wenn alle möglichen Feuilletonisten ihn immer als erklärten Feind ausgerechnet "der 68er" hinstellen - und auch Du nennst ihn ja konservativ) die Tendenz hat, das, was ich eben als personale Sphäre zu charakterisieren versucht habe, sukzessiv auszudünnen und schließlich nur noch das einzelne, vereinzelte (emotionale Konkurrenz-)Subjekt übrig zu lassen; ein fragiles, oft armseliges, ja erbärmliches Wesen. Für das krasse Ausmalen seiner Romancharaktere wird er ja denn auch immer wieder zum Zyniker erklärt, ohne daß hier nach dem Wahrheitsgehalt gefragt würde.

(5.1.1.1.1.1) Re: Houellebecq-Bezug, 18.04.2003, 15:22, Benni Bärmann: Bei H. ist der Mensch des Menschen Wolf, soweit hast Du Recht. Daran ist nur nix kritisches, weil er es biologistisch begründet. Siehe das Ende von "Elementarteilchen". Damit steht er voll in der konservativen Tradition.

(5.2) 04.01.2005, 11:19, Hans-Gert Gräbe: Bleiben wir beim Bild mit den konkurrenten Geraden, die im Schnittpunkt "zusammenstoßen" wie die eindimensional ausgerichteten Warenmonaden auf dem Markt. Es ist eine Leistung der Warenmonade, den Raum um die Gerade herum wahrzunehmen, ohne den die Gerade gar nicht existieren würde. Es ist eine weitere Leistung, die (vielfältige!) Struktur dieses Raumes wahrzunehmen. Darauf läuft wohl (auch) Klimmeks Kritik (5.1) hinaus.

(6) Tue ich das, dann komme ich zu unterschiedlichen Ergebnissen. Gesellschaftlich kann es nicht keine Kooperation geben: Kooperation ist ein Merkmal von Gesellschaft. Gesellschaftliche ReProduktion heisst immer kooperative ReProduktion, wobei über Art und Grad der Kooperation nichts ausgesagt ist. Personal hingegen muss ich keinesfalls (immer) kooperieren - im Sinne von "zusammenarbeiten". Beteilige ich mit an der gesellschaftlichen ReProduktion, komme ich jedoch nicht drumherum.

(7) Meine These ist nun: Bei der Konkurrenz ist es sehr ähnlich. Gesellschaftliche ReProduktion ist immer kon-kurrent. Platt kann man sich das schon allein wegen Größe der Menschheit überlegen. Systematisch ist der Grund aber dieser: Die Dominanz der Gesellschaftlichkeit des Menschen bei der evolutionären Herbildung war erreicht, als die Gesellschaft als eigenständige Infrastruktur nicht mehr unmittelbar von den Beiträgen Einzelner (Individuen oder Kooperationen) abhing. Während der Neandertaler unterging, weil er es nicht schaffte, eine selbsterhaltungsfähige Infrastruktur (sprich: Gesellschaft) herzustellen, also quasi auf dem "personal kooperativen Niveau" stehen blieb, schaffte es der Mensch - unter anderem, weil er die Gesellschaft in hinreichendem Maße kon-kurrent und damit stabil re/produzierte.

(7.1) Neanderthalerei, 02.12.2002, 19:56, Wolf Göhring: "Während der Neandertaler unterging, weil er es nicht schaffte, ..." Warst du dabei?!

Also, nach allem, was man weiss, war der neanderthaler gar nicht so doof, auch was seine gesellschaftlichkeit anbetrifft. Und deshalb wundern sich die fachleute immer mehr darueber, dass er ausgestorben ist. Vielleicht haben unsere vorfahren ganz einfach ihre kriegszuege gegenueber den neanderthalern gesellschaftlicher organisiert. (Aber ich war auch nicht dabei.)

(7.1.1) Re: Neanderthalerei, 03.12.2002, 08:35, Stefan Meretz: Nee, der homo neanderthalensis war nicht so doof und ja auch sonst ziemlich robust. Die Fachleute können sich über das Aussterben (es gibt ja auch die Minderheitsmeinung, er sei gar nicht ausgestorben...) nur wundern, weil sie kein Begriff von Gesellschaftlichkeit haben.

(7.1.1.1) Dialektische, brutale einheit von kooperation und konkurrenz, 17.07.2006, 16:16, Wolf Göhring: Ich zitiere aus einer reklame von amazon zu einem spiel, das bei den kids so beliebt ist und wo sie sich so gerne in einem "netzwerk" zusammentun:

"Day of Defeat: Source (DoD: Source) ist die neueste Version des Online-Actionspiels von Valve® vor dem Hintergrund des 2. Weltkriegs. Die Spieler können sich für die Seite der Achsenmächte oder der Alliierten entscheiden und erleben den Höhepunkt des Krieges im Jahr 1944. Die Spieler können außerdem eine einzigartige Spielerklasse auswählen, die vom Späher bis zum Scharfschützen alles einschließt, und müssen schließlich als Einheit historische Missionen und Einsätze durchstehen, die auf jedem Schlachtfeld einmalig sind."
http://www.amazon.de/gp/product/B000E0VYW4/028-8329146-2521344?v=pictures&n=301052#more-pictures

Einer, der solches offenbar gerne spielte, bekannte in einem brief, den er schrieb, nachdem er 3 familienangehoerige erschossen hatte und bevor er zyankali nahm, das er sich das reale schiessen einfacher vorgestellt hatte.

Meine ex ist zur beerdigung

Vor der taeglichen realitaet eines solchen hintergrunds (dauerhaftes beispiel: nahost) und der bei amazon kaeuflichen einheit von kooperation und konkurrenz erscheint mir manches dieser debatte arg abgehoben.

(7.2) 04.01.2005, 11:21, Hans-Gert Gräbe: Du meinst es sicher nicht so, aber dieser Konstruktivismus ist ein Knoten in deiner Denke, der tief in den Traditionen der Aufklärung wurzelt und deshalb immer mal wieder hoch kommt.

(8) Personal hingegen, also im individuellen Vergleich, ist Kon-Kurrenz nicht notwendig gegeben. Offensichtlich ist dies, wenn die Tätigkeiten nicht vergleichbar sind: Jede/r macht dann eben seins. Aber auch bei gleichen Tätigkeiten muss das nicht so sein - nämlich genau dann, wenn man gemeinsam an einer Sache tätig ist, also kooperiert. Die Diskussion kommt demnach nicht voran, werden die Begriffe Konkurrenz und Kooperation normativ und damit dualistisch verwendet.

(9) Gehe ich historisch-logisch an die Begriffe heran, kann ich feststellen, dass sich ihr Verhältnis historisch häufig gewandelt hat. Wenn ich von "Verhältnis" rede, dann meine ich nicht "quantitatives" Verhältnis, etwa: vor dem Kapitalismus 80% Kooperation und 20% Konkurrenz und heute umgekehrt. Es geht um ein sich historisch verändertes qualitatives Verhältnis mit historisch bestimmten und qualitativ unterschiedlichen Begriffen selbst: Ko-Operation und Kon-kurrenz waren in dominant agrarischen Gesellschaften vor dem Kapitalismus völlig anderes bestimmt als im Kapitalismus. Deswegen ist es unzulässig, die historisch besonderen Formen im Kapitalismus zu verallgemeinern: "so ist Kooperation, so ist Konkurrenz".

(10) Beispiel: Die historische Allmende kannst man grob als Ko-Operation nach innen und Kon-Kurrenz nach außen bezeichnen. Dennoch sind beide Formen nicht vergleichbar mit etwa denen in einer Firma (wie man denken könnte): Die jeweiligen "Antriebe" zur Ko-Operation und Kon-Kurrenz waren bzw. sind völlig verschieden. Bei der Allmende etwa ko-operativer Umgang mit gemeinsamen besessenen Ressourcen zum Zwecke der gemeinsamen Überlebenssicherung; bei der Firma ko-operative Arbeit zum Zwecke der Realisierung abstrakter Zwecke (Verwertung auf dem Markt). Oder bei der Allmende kon-kurrente Existenz neben anderen Allmenden oder nomadischen Lebensweisen; bei der Firma Zwang zur Expansion und Vernichtungskonkurrenz gegenüber anderen Firmen.

(11) Konkurrenz als zwangshafte, systemfunktionale Vernichtungskonkurrenz ist ein Merkmal des Kapitalismus. Das genau ist es, was viele abstößt. Es ist jedoch ein ontologisierender (zur Seinsbestimmung verklärender) Kurzschluss, die warengesellschaftliche Vernichtungskonkurrenz zur "Konkurrenz überhaupt" zu machen. Genauso kurzschlüssig ist es, Kooperation zum Gegensatz von Konkurrenz-überhaupt zu erklären. Damit macht es schließlich auch keinen Sinn, Konkurrenz-überhaupt abschaffen zu wollen.

(11.1) Keine Reduzierung auf Kapitalismus!, 05.12.2002, 10:55, Jörg ??: Konkurrierende Wirkung von (z.B. egoistischem) Verhalten ist nicht für den Kapitalismus typisch, sondern auch z.B. für Patriarchat und eigentlich alle Herrschaftsverhältnisse. Darum müssen die ja auch als zentrale Position weg

(11.1.1) Re: Keine Reduzierung auf Kapitalismus!, 06.12.2002, 11:51, Stefan Meretz: Zustimmung. Mir ging es jedoch um die Logik der Entstehung von bestimmten Herrschaftsformen. Die logisch-immanente Form der Vernichtungs-Konkurrenz wurde erst mit dem Kapitalismus hervorgebracht. Das Patriarchat ist auch eine Herrschaftsform, aber eben eine andere. Da gibt es auch das sich-auf-Kosten-Anderer-durchsetzen, aber die Vernichtung der Anderen gehört nicht zur immanenten Logik des Patriarchats (trotz Hexenverbrennung etc.). Deswegen ist es sinnvoll, endlich mal differenzierter über Konkurrenz und Kooperation zu reden als immer bloß in dem dualistisch-normativen Sinne.

(11.1.1.1) Re: Keine Reduzierung auf Kapitalismus!, 06.12.2002, 19:40, Jörg B.: Soweit, so gut. Nur finde ich, daß Dualismus nicht dadurch aufgehoben wird, daß es zusammengeschmissen wird. Sondern daß geklärt wird, wie das Handlungs- und Wirkungsfeld weiter aussieht. Daß viele Faktoren reinspielen und sich Rahmenbedingungen so ausgestalten sollten, daß menschliches Handeln die Handlungsmöglichkeiten anderer tendenziell fördert (mal als alternative Begrifflichkeit zu "kooperativ") und nicht einschränkt (alternativ für "konkurrierend").

(11.2) 04.01.2005, 11:22, Hans-Gert Gräbe: "Vernichtungskonkurrenz" ist im wörtlichen Sinne zunächst nur eine Kopplung von Konkurrenz und Nicht-Achtung der Anderen (Ver-Nicht-ung).

(12) Die weiterführende Frage kann demnach nur lauten: Welche Bewegungsform kann Kon-Kurrenz bzw. das Verhältnis von Ko-Operation und Kon-Kurrenz haben? Hier interessieren mich nur die Formen, bei denen Ko-Operation und Kon-Kurrenz voneinander abhängen. Zur Vereinfachung übernehme ich Bennis Verhältnisbegriff der "Kooperenz". Ich sehe im wesentlichen drei Formen:

(13) Wer weitere Texte von mir bzw. Texte mit meiner Beteiligung kennt, dem/der wird auffallen, dass ich hier den gleichen qualitativen Dreischritt vermute, wie ich ihn bei der Produktivkraftentwicklung sehe. Grob gesagt gibt es drei große Epochen, in der jeweils ein Aspekt des Verhältnisses von Mensch, Mittel und Natur bestimmend ist (vgl. dazu Kap. 2.1 des "Gegenbilder-Buches"). Diesen Epochen entsprechen gleichzeitig bestimmte Formen der Vergesellschaftung (vgl. dazu Kap. 2.2 des "Gegenbilder-Buches"):

Die personal-assoziative herrschaftsförmige Kooperenz

(14) In den agrarischen dominierten Gesellschaften vor der Entstehung des Kapitalismus strukturierte die personale Herrschaft von Menschen über Menschen die Vergesellschaftung. Aufgrund des (relativ) geringen Mehrprodukts war es notwendig "nach innen", also innerhalb einer Gemeinschaft, personal ko-operative Zusammenhänge (Assoziationen) zu fördern, um in (z.B. kriegerischen) Auseinandersetzungen gegen andere Gemeinschaften bestehen zu können. Die Kon-Kurrenz nach außen musste jedoch keinesfalls notwendig eine Vernichtungsform annehmen. Wesentlich häufiger waren die Formen paralleler Existenz (so das o.g. Beispiel der Allmenden) und Expansion in noch unerschlossene oder nur nomadisch genutzte Territorien.

(15) Ökonomisch waren die agrarisch dominierten Gesellschaften von Subsistenz und Gebrauchsgüter-Tausch (als Ware gegen Ware: W-W oder Ware gegen Geld gegen Ware: W-G-W) bestimmt. Kon-kurrente Produktion war engen Regeln unterworfen, die von den jeweiligen Herrschenden gesetzt wurden. Kon-kurrenter Handel hatte noch keinen Ausschlußcharakter.

(15.1) Warenproduktion vor dem Kapitalismus?, 21.12.2002, 21:41, Annette Schlemm: Du schreibst richtig von "Gebrauchsgüter"-Tausch und bringst dann die "Ware" in die Klammer. Hier spielt die Frage rein, ob es vor dem Kapitalismus überhaupt "Waren-"Produktion gab, oder eben Güterproduktion und das Wort "Ware" an die spezifische Produktionsweise im Kapitalismus gebunden ist. (Ich weiß, Engels hat die logische Darstellungsweise von Marx zur Popularisierung historisiert und von "einfacher Warenproduktion" in den früheren Zeiten geschrieben - das ist aber berechtigt umstritten). (siehe zum Problem des Logischen-Historischen http://www.thur.de/philo/hegel/hegel4.htm)

(15.1.1) Re: Warenproduktion vor dem Kapitalismus?, 22.12.2002, 09:29, Stefan Meretz: Ja, du hast recht, mir war da auch nicht wohl bei. Doch logisch-historisch muss es bereits vor der Verselbstständigung zu G-W-G' die "unselbstständige" Form W-G-W gegeben haben. Den Unterschied Nicht-Ware zu Ware würde ich sehen im Tausch von Überschüssen (zufällig, keine Ware) zu Produktion für einen Markt (Produkte unabhängiger Privatarbeiten für andere, die im Tausch einander als Waren gegenübertreten).

(15.1.1.1) Re: Warenproduktion vor dem Kapitalismus?, 07.01.2003, 14:10, Wolf Göhring: Du schreibst: "Produkte unabhängiger Privatarbeiten für andere, die im Tausch einander als Waren gegenübertreten."

Wer tritt einander gegenueber?

Wenn's die produkte sind, dann tanzt der warenfetisch mal wieder hiphop.

Wenn's die "privat"arbeiten sind, dann ist's kaum besser.

Dass es die "andern" seien, die sich in waren verwandeln wuerden , schliesse ich mal aus.

(15.1.1.1.1) Re: Warenproduktion vor dem Kapitalismus?, 12.01.2003, 11:20, Stefan Meretz: Ich meinte die Produkte - und damit den Warenfetisch, völlig richtig.

(15.1.1.2) W-G-W-G, 06.08.2006, 11:17, Hans-Gert Gräbe: Aus (ruben-98): "Mit anderen Worten: Marx suggestive Formel besagt gar nichts, weil sie keine Formel ist (versteht sich im meßtheoretischen Sinne). Die allgemeine Formel des Kapitals ist ein unvollständiges Zeichenschema und weiter nichts!
Was Marx meint, ist eine Begründung seiner (und Engels) Sicht aus der 'Kritik der Nationalökonomie', die den Kaufmann als egoistischen Geldscheffler suggeriert. Diese Sicht scheint durch die Verkehrung der (nichtssagenden) "Formel" W - G - W in die (ebenso nichtssagende) "Formel" G - W - G´ plausibel gemacht. Und der entsprechende Schein ist von Generationen von Marx-Lesern als tiefsinnige Erscheinung genommen worden. C´est la vie. Aber ist es denn wahr, daß man Kapital im Interesse rein des Gelderwerbs bildet oder auch nur bilden kann? Es ist kein Widerspruch gegen Marx festzustellen, daß Kapitalbildung Geld mobilisiert, um der Produktionsentwicklung zu dienen. Aber Produktionsbedingungen wird man gegen Geld nur kaufen, dingen, pachten, falls man die Erwartung des Absatzes der künftigen Produkte hat. Diese Produkte werden nach ihren möglichen Gebrauchswerten konzipiert, oder ihr möglicher Verkauf ist gar nicht in Rechnung gestellt. Im letzteren Falle werden nur Verrückte zum Kapitalbildungsversuch schreiten. Mit anderen Worten: Die Annahme der Kapitalbildung allein unter Voraussetzung des gewinnbaren Mehrwerts ist eine Chimäre der Kritik der Nationalökonomie, die keinen reellen Grund hat. Diese Chimäre kann nur auftreten, wenn die Kapitalbildung als riskiertes Geschäft auf Gewinn und Verlust nicht in Sicht genommen ist, vielmehr unterstellt wird, daß alle Kapitalbildung a priori erfolgreich ist."

Die abstrakt-dissoziative herrschaftsförmige Kooperenz

(16) Mit dem Übergang zur warenproduzierenden Gesellschaft des Kapitalismus änderte sich die ökonomische Grundstruktur. Antrieb ist nun nicht nicht mehr primär der Gütererwerb, sondern der Gelderwerb - genauer: die Geldvermehrung (G-W-G' mit G'>G). Im Gegensatz zur alten Form W-G-W, in der mit dem Verbrauch des W die Kette endet, verkörpert die Form G-W-G' einen rückgekoppelten, verselbstständigten Zyklus mit der Geldvermehrung G'>G als immanentem Selbstzweck.

(17) Denjenigen, die nichts weiter als ihre Arbeitskraft besitzen, bleibt nur, dieselbe zu verkaufen. Diejenigen, die über Produktionsmittel und Geld als Kapital verfügen, können diese Arbeitskraft kaufen, um mit ihr durch Produktion von Gütern und Dienstleistungen Mehr-Geld zu erzeugen. Beide Funktionen können sich auf unterschiedliche Menschen verteilen, sie können aber auch durch eine Person "hindurch" gehen.

(18) Daher ist Herrschaft in diesem System ist nicht personal zu verorten, sondern wird abstrakt den Menschen als äußerliche, entfremdete Bewegung des Werts und seiner Aggregatzustände Arbeit, Ware und Geld aufgezwungen. Die Tendenz, alles und jede/n der Wertform unterzuordnen, ist maßlos. Da die individuelle Reproduktion nur durch Beteiligung an der ökonomischen Form möglich ist, ist jede/r gezwungen, genau diese entfremdete Form zu reproduzieren.

(19) Die Menschen sind in dieser Form der entfremdeten Vergesellschaftung über den Wert nicht nur von der Verfügung über den sozialen Prozess und die wichtigsten produktiven Mittel getrennt, sie sind auch als Privat-Produzenten auch voneinander getrennt. Erst im Austausch erscheint der gesellschaftlich-kooperative Charakter der privat und kon-kurrent produzierten Waren. Genau dieser Austausch a posteriori (im Nachhinein) erzwingt die Wertform, die die Menschen von ihren Produktionsbedingungen und voneinander entfremdet.

(19.1) 04.01.2005, 13:29, Hans-Gert Gräbe: Nicht ganz. Es ist mE kein faktisches, sondern ein psychisches Problem. Die Privatproduzenten, indem sie für andere produzieren, sind in ihrer Produktion zwar kon-kurrent (=nebenläufig), vor dem Austausch (a-priori) aber bereits einmal kooperativ gewesen, nämlich bei der Zwecksetzung ihrer "zweckmäßigen Arbeit". Und zwar sowohl als Arbeitnehmer (der aus verschiedenen Gründen seine eigene Gestaltungsmacht gegen Lohn anderen überlässt) wie auch als Unternehmer (denn nur Tauschbares hat Wertsubstanz). Der Markt zwingt sie zu etwas, was ihrer (noch animalistischen?) psychischen Natur (noch?) widerspricht.

(19.2) 04.01.2005, 13:30, Hans-Gert Gräbe: Einzig die Sozialisierung dieser Kooperativität erfolgt a-posteriori. Die a-priori vorhandene "kommunistische Vernetzung der Sachen" tritt dem Privatproduzenten nicht so sehr entfremdet als unbewusst entgegen.
Es ist die historische Leistung des Marktes, den Privatproduzenten - entsprechend den Erfordernissen der Produktivkraftentwicklung - zu dieser a-priori-Kooperativität zu zwingen, so lange er dazu psychsich noch nicht von sich aus bereit ist.

(19.3) 04.01.2005, 13:32, Hans-Gert Gräbe: Erst wenn der (konkrete!) Mensch lernt, seine Gestaltungsmacht kooperativer Prozesse bewusst zu gebrauchen (und von dieser Gebrauch macht - das scheint ein schwieriger Lernprozess zu sein; ich habe viel dazu bei Adorno gefunden) wird der Marktmechanismus auf ein sinnvolles Maß zurückgedrängt werden. Ihn als gänzlich obsolet zu betrachten halte ich für verfrüht (aber diese Frage spielt theoretisch sowieso eine nachgeordnete Rolle).
So scheint übrigens auch Marx Kommunismus zu verstehen (Deutsche Ideologie, Kap. I.C ist überschrieben: "Kommunismus - Produktion der Verkehrsform selbst", MEW 3, S. 70 ff.)

(20) Kon-Kurrenz hat unter den Bedingungen der Wertform und des Austausches die Wirkung der Vernichtung oder Dissoziation. Dabei werden mit dem Einzug des universalen Ver-Wertungsmaßstabs auf allen Ebenen frühere innere Kooperationen zunehmend zersetzt. Gleichzeitig sind Ko-Operationen die Grundlage des produktiven Prozesses. Nur unter diesen Bedingungen spitzen sich die Praxisformen von Ko-Operation und Kon-Kurrenz in einer Weise zu, die sie als wechselseitig ausschließende Gegensätze erscheinen lassen.

Ko-Kurrenz: Die personal-assoziative herrschaftsfreie Kooperenz

(21) Die Freie Software ist das historisch erste Beispiel einer Praxis in gesellschaftlicher Größenordnung, die zeigt, dass es auch anders geht - mehr noch: dass es langfristig nur so gehen kann. Es gibt keinen Austausch, die Produktion erfolgt "unmittelbar gesellschaftlich" gesteuert durch die Bedürfnisse der assoziierten Produzenten. Nicht nur Ko-Operation ist der Produktion immanent (Hardt/Negri), sondern auch Kon-Kurrenz.

(22) Kon-Kurrenz hat unter herrschaftsfreien Verhältnissen die Form paralleler Praxen als Suche nach den geeigneten Wegen. Das kon-kurrente (Er-)Finden der guten Wege der gesellschaftlichen Produktion des Lebens ist das dynamische Element der unmittelbar gesellschaftlichen Ko-Operation. Es ist der praktische Abschied von der irrigen Vorstellung der Planbarkeit der Gesellschaft. Statt "Planung der Gesellschaft" geht es um die "Selbstplanung durch die Gesellschaft". Dabei gibt es keine "one-best-ways". Selbstplanung erfordert Ausprobieren, erfordert Kon-Kurrenz in der ko-operativen Assoziation.

(23) Ko-Operation und Kon-Kurrenz bedingen einander, sind zwei Seiten einer Medaille. "Ko-Kurrenz" ist mein Begriff dafür - ich hänge aber nicht dran;-) Ko-Kurrenz bedeutet individuelle Selbstentfaltung als Voraussetzung für die Entfaltung aller - und umgekehrt.

(23.1) Zum ganzen Text:, 03.12.2002, 10:14, Benni Bärmann: Zunächst mal Danke für das produktive Aufgreifen meines Textes. Ich seh das garnicht als "Fork", sondern eher als zwei Teilprojekte zum selben Thema. Im großen und ganzen drückst Du in Deiner Sprache das aus, was ich in meiner sagen wollte, was mir aber vielleicht nicht ganz so gut gelungen ist. Dennoch hab ich an ein paar Punkten unterschiedliche Auffassungen - oder vielleicht auch nur unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, die will ich mal kurz versuchen darstellen:

(23.1.1) Re: Zum ganzen Text:, 03.12.2002, 11:34, Stefan Meretz: Ich habe das Projekt ja auch ganz bescheiden an dein Projekt gehangen;-)

(23.2) 03.12.2002, 10:26, Benni Bärmann: Ich hab ja selbst mich auf die Betrachtung der Ökonomie beschränkt. Bei mir war die aber absichtlich nur als Beispiel gekennzeichnet. Bei Dir hab ich jetzt den Eindruck, dass Du zumindestens der Tendenz nach, alles von der Ökonomie her erklärst. Für mich passt das nicht zusammen damit, dass ich andere Herrschaftsformen gleichberechtigt zum Kapitalismus auffasse. Die "abstrakt-dissoziative herrschaftsförmige" Kooperenz ist für mich also nicht aus der warenproduzierenden Gesellschaft abgeleitet, sondern ist immer und überall vorhanden und droht immer und überall hegemonial zu werden. Auch in Freier Software, auch bei Oekonux auch in Deiner 3. Epoche. Das selbe gilt für die "personal-assoziativ herrschaftsförmige Kooperenz". Kooperation und Konkurrenz sind für mich also ein Versuch, einen anderen Zugang zu finden zu Herrschaftsphänomenen und Grenzziehungen, der eben gerade nicht im ökonomischen stecken bleibt.

(23.2.1) Alles Ökonomie?, 03.12.2002, 11:14, Stefan Meretz: Ja und nein. Stimmt schon, ich sehe einen engen Zusammenhang von Produktivkraftentwicklung und Vergesellschaftungsform. Dieser Zusammenhang bestimmt die Art und Weise der Produktion des gesellschaftlichen Lebens. "Ökonomie" ist dabei eigentlich nur eine historische Sonderform dieses Verhältnisses - ein Resultat der "Sphärenspaltung". Kapitalismus ist für mich keine "Herrschaftsform" neben der es nach deiner Logik dann auch andere gäbe, sondern eine historische Form der Produktion des gesellschaftlichen Lebens, die bestimmte Herrschaftsformen erzeugt bzw. funtional werden lässt. Deswegen würde ich behaupten, dass ich nicht im Ökonomischen stecken bleibe, sondern schon einen allgemeineren Blick habe. Vielleicht ist dafür dieser Text dann aber doch zu grob.

(23.2.1.1) Re: Alles Ökonomie?, 03.12.2002, 15:34, Benni Bärmann: Die Phänomene, die man mit "Kapitalismus" im allgemeinen meint sind aber nur ein Teil der "historischen Form der Produktion des gesellschaftlichen Lebens". Wenn man mit offenen Augen durch den Alltag läuft sieht man alles mögliche, was Scheisse läuft, und sicherlich ist ein durchaus nicht kleiner Teil davon dem Kapitalismus anzulasten, aber doch nicht alles. Aber auch hier liegt vielleicht der Kernpunkt wieder beim Produktionsbegriff, den ich ja postoperaistisch ausgeweitet verstehe...

(23.2.1.1.1) Re: Alles Ökonomie?, 04.12.2002, 08:28, Stefan Meretz: Mit "dem Kapitalismus anzulasten" habe ich deswegen auch Probleme, weil es nach einseitiger Determination klingt: "Der Kapitalismus macht aus den Menschen das uns das". Das halte ich für falsch, weil sich die Menschen zu den Bedingungen verhalten, die sie (in allerdings fetischistischer Form) selbst schaffen. Die Postoperaisten sind da insofern undialektisch als das sie das Determinationsverhältnis (was Ökonomisten durchaus vertreten, weswegen Kritik hier berechtigt ist) bloß einfach umkehren. Das klingt auch oft bei dir durch. Um das adäquat zu denken, brauchst du die Dialektik.

(23.2.1.1.1.1) Postoperaismus, 04.12.2002, 13:19, Benni Bärmann: Ne, da wird nix einfach umgekehrt. Die Multitude treibt zwar das Empire vor sich her, aber unter nicht selbst gewählten Bedingungen.

(23.2.1.1.1.2) Produktion, 04.12.2002, 13:22, Benni Bärmann: Wo wir grade dabei sind, was ist denn "Produktion" oder "Produktivität" für Dich?

(23.2.2) Parallelität von Herrschaftsformen, 03.12.2002, 11:28, Stefan Meretz: Die von dir angesprochene Parallelität von verschiedenen Herrschaftsphänomen ist damit nicht ausgeschlossen, im Gegenteil. IMHO werden sie so erst erklärlich. Ich gehe von einer Dominanz bestimmter Formen in bestimmten Epochen aus - ganz einfach, weil sie in diesen Epochen (subjektiv) funktional bzw. Teil der Art und Weise der Vergesellschaftung sind. So konnte es IMHO erst zur "abstrakt-dissoziativen" Herrschaftsform der Kooperenz kommen, weil erst der Kapitalismus die Privat-Produzenten voneinander trennte (dissoziierte). Und so kann eine "personal-assoziative" herrschaftsfreie Kooperenz erst in einer Freien Gesellschaft dominant werden. - Alles was "dazwischen" abspielt, hat dann mit "Keimformen", "überkommenen Formen" etc. zu tun (siehe Fünfschritt): die gibt es auch, aber sie sind nicht bestimmend, sie stehen in einem bestimmten Verhältnis zu den dominanten Formen. Eine "gleichberechtigte" Parallelität verschiedener Herrschaftsformen, die dann jeweils "aus sich heraus" erklärt werden müssten, sehe ich nicht.

(23.2.2.1) Re: Parallelität von Herrschaftsformen, 03.12.2002, 15:35, Benni Bärmann: Nach diesem Bild wäre dann die persönliche patriarchale Herrschaft in der bürgerlichen Kleinfamilie nur eine "überkommene Form"? Wie kommt es dann, dass diese Form überhaupt erst mit dem abstrakt-dissoziativen Kapitalismus entstanden ist?

(23.2.2.1.1) Re: Parallelität von Herrschaftsformen, 04.12.2002, 08:30, Stefan Meretz: Das Patriarchat ist doch nicht im Kapitalismus entstanden?! Da spiegelt doch die Kleinfamilie bzw. heute die "zerfallende Kleinfamilie" genau die Dissoziation wider.

(23.2.2.1.1.1) Re: Parallelität von Herrschaftsformen, 04.12.2002, 13:16, Benni Bärmann: Das Patriarchat ist vielleicht nicht im Kapitalismus entstanden, aber es hat eine neue ganz spezifische Form angenommen. Das ist auch mehr als nur "Dissoziation" der Grossfamilie. Damit sind ja ganze Lebensweisen verbunden. Die idealisierte Liebe z.B. kommt auch daher. Der ganze Erziehungsdiskurs und und und ... Es gibt eben nicht nur eine Entwicklungslogik (der Produktion), sondern viele, parallel verlaufende und in gegenseitiger Beziehung stehende.

(23.3) 03.12.2002, 10:37, Benni Bärmann: Dadurch, dass Du im wesentlichen Kooperation und Konkurrenz auf Deine älteren Kategorien (Natur-Mittel-Mensch und Selbstentfaltung) zurückführst, geht für mich so ein bisschen das "neue" verloren, was ich mit dem Thema verbinde. Ist aber vielleicht ein persönliches Problem.

(23.3.1) 03.12.2002, 11:37, Stefan Meretz: Für mich steckt da auch Neues drin, nämlich das Aufbrechen der dualistischen Gegenüberstellung von Kooperation und Konkurrenz. Das habe ich von dir gelernt:-) Was für dich da das andere besondere "Neue" ist, habe ich dann nicht so mitbekommen...

(23.3.1.1) 03.12.2002, 15:36, Benni Bärmann: Ich auch (noch) nicht. Aber es hat was mit spielen zu tun, soviel steht mal fest ;-)

(23.4) 03.12.2002, 10:41, Benni Bärmann: Die Einteilung in drei Epochen ist mir hier zu schematisch. Ich glaube schon, dass es diese drei Momente gibt, aber eben auch gleichzeitig und auch wieder sich gegenseitig bedingend. So war/ist zum Beispiel die "Kooperenz" Familie in der bürgerlichen Gesellschaft nach Deinem Schema eindeutig in der ersten Kategorie aber dennoch absolut notwendig für die Aufrechterhaltung der bürgerlichen Gesellschaft, die sich ökonomisch in der zweiten Kategorie bewegt.

(23.4.1) 03.12.2002, 11:32, Stefan Meretz: Ja, stimme ich zu. Sehe ich genauso. Bestimmend ist aber in der bürgerlichen Gesellschaft die "abstrakt-dissoziative" Herrschaftsform. Wenn du es nicht "deterministisch", sondern entwicklungslogisch denkst, ist das doch auch verständlich - für mich wenigstens:-)

(23.4.1.1) 03.12.2002, 15:38, Benni Bärmann: Wie genau erklärst Du die bürgerliche Kleinfamilie entwicklungslogisch?

(23.4.1.1.1) Kleinfamilie, 04.12.2002, 08:37, Stefan Meretz: Die bürgerliche Kleinfamilie und ihre Zerfallsformen sind die auf Grundlage der Sphärenspaltung (Wert/Wertabspaltung) als "dissoziatives Produkt" aus der Großfamilie und größeren Lebensgemeinschaften hervorgegangen.


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